Astronomische Berechnungen für Amateure/ Positionsastronomie/ Parallaxe
Die tägliche Parallaxe eines Himmelskörpers macht sich in Änderungen der äquatorialen, ekliptikalen und Horizontkoordinaten bemerkbar. Im folgenden werden Formeln gegeben, um diese Änderungen zu berechnen. Ausgangspunkt sind jeweils geozentrische Koordinaten, gesucht sind die Korrekturen, die an den geozentrischen Werten angebracht werden müssen, um topozentrische Koordinaten zu bekommen. Im folgenden bezeichnet π die Äquatorial-Horizontalparallaxe des betrachteten Himmelskörpers, und ρ∙sin ϕ' bzw. ρ∙cos ϕ' die Ausdrücke, die das Geoid beschreiben. Erinnern Sie sich daran, dass die Äquatorial-Horizontalparallaxe eines Objektes O im Sonnensystem wie folgt berechnet werden kann:
- Sind α und δ die geozentrische Rektaszension bzw. Deklination, τ der geozentrische Stundenwinkel, dann gilt:
- Es ist dann α' = α + Δα die topozentrische Rektaszension. Die topozentrische Deklination δ' kann man direkt berechnen. Es ist im Gegensatz zur Rektaszension nicht notwendig, zuerst ihre Änderung Δδ zu berechnen:
- Statt die Koordinaten im rotierenden Äquatorsystem zu berechnen, kann man direkt den topozentrischen Stundenwinkel τ' und die Deklination δ' berechnen. Dazu ermittelt man zuerst vier Hilfsgrössen:
- Mit diesen Hilfsgrössen berechnet man direkt den topozentrischen Stundenwinkel und die Deklination:
- Die bisher angegebenen Formeln sind streng gültig und daher zwingend für Objekte im erdnahen Raum anzuwenden. Dies gilt ganz speziell für die Berechnung der täglichen Parallaxe des Mondes. Für Himmelskörper im Sonnensystem kann man auch mit den folgenden Näherungsformeln rechnen. Ist die Horizontalparallaxe in Bogensekunden gegeben, dann sind es auch die Korrekturen Δα bzw. Δδ. Will man die Korrektur in Rektaszension stattdessen in Zeitsekunden wissen, so ist das Ergebnis noch durch 15 zu dividieren:
- Um die Parallaxe an den geozentrischen, ekliptikalen Koordinaten anzubringen, benutzt man die folgenden Formeln. Zuerst führt man die drei Hilfsgrössen N, C und S ein und berechnet dann damit direkt die topozentrische ekliptikale Länge λ', die topozentrische ekliptikale Breite β' sowie den topozentrischen scheinbaren Radius s' des Objektes:
- Die Parallaxe kann auch direkt an den Horizontkoordinaten angebracht werden. Benötigt man eine hohe Genauigkeit (z.B. beim Mond), dann ist zu empfehlen, die Korrektur an den ekliptikalen oder äquatorialen Koordinaten anzubringen und anschliessend in die Horizontkoordinaten zu transformieren. Ist keine hohe Genauigkeit gefordert, dann kann man wie folgt vorgehen: die Parallaxenkorrektur im Azimut kann man weglassen, da sie immer sehr klein ist. Hätte die Erde eine exakte Kugelform, dann wäre sie streng Null. Die Höhe h wird durch die Parallaxe verkleinert. Bezeichnet ρ den Abstand des Beobachters vom Erdmittelpunkt in Einheiten des Erdradius R⊕ (meist genügt ρ = 1), so gilt genähert:
Übungen
- Für die Beobachtung einer Sternbedeckung durch den Mond wählt man einen Beobachtungsplatz im Erzgebirge südöstlich von Chemnitz. Er hat die Koordinaten λ = +50° 35' 01" E; φ = +13° 12' 44" N; H = 764 m. Zum Zeitpunkt der Beobachtung hat der Mond die geozentrischen Ephemeriden α = 23h 30m 21.1s, δ = –4° 48' 33". Sein scheinbarer Halbmesser beträgt zu diesem Zeitpunkt s = 16' 14", der Stundenwinkel τ = 19h 30m 30s = 292.6250000°. Berechnen Sie daraus die topozentrischen Mondephemeriden für den Zeitpunkt der Beobachtung. Rechnen Sie mit allen drei vorgestellten Algorithmen und vergleichen Sie die Resultate.
- Gleicher Beobachtungsstandort wie in der vorherigen Aufgabe. Doch dieses Mal soll der Mars beobachtet werden. Seine geozentrischen Ephemeriden sind α = 4h 48m 06.1s, δ = 24°11'01", τ = 4h 45m 30s = 71.3750000° und seine Horizontalparallaxe betrug zum Zeitpunkt der Beobachtung π = 5.9". Berechnen Sie daraus die topozentrischen Marsephemeriden für den Zeitpunkt der Beobachtung. Rechnen Sie mit allen drei vorgestellten Algorithmen und vergleichen Sie die Resultate.