A. Einstein: Kommentare und Erläuterungen: Zur Elektrodynamik bewegter Körper: Druckversion

Druckversion des Buches A. Einstein: Kommentare und Erläuterungen: Zur Elektrodynamik bewegter Körper
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Albert Einsteins erste Veröffentlichung zur Speziellen Relativitätstheorie

(Annalen der Physik und Chemie, Jg. 17, 1905, S. 891–921)

Kommentiert und erläutert.


Eine alternative Fassung (ohne historische Kommentare) gibt es als PDF hier: Vorlage:Toter Link

Vorbemerkungen

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Einsteins erste Veröffentlichung zu dem Gebiet, das später „Spezielle Relativitätstheorie“ genannt wurde, ist nun über 100 Jahre alt. In dieser Zeit haben sich die deutsche Sprache und ihr Gebrauch gewandelt, und dieser Wandel erschwert uns Heutigen manchmal das Verständnis des Textes. Außerdem verzichtet Einstein fast völlig auf mathematische Herleitungen seiner Ergebnisse; er begnügt sich mit der Angabe des Ansatzes und – nach einem lapidaren „Hieraus folgt“ – des Ergebnisses. Der Weg dazwischen ist nicht immer leicht zu erkennen und besteht manchmal aus seitenlangen Berechnungen. Erschwerend kommt hinzu, dass Einstein das CGS-System verwendet, das in der Elektrodynamik heute nicht mehr gebräuchlich ist.

Mit diesem Kommentar zu dem wohl folgenreichsten Text der Physik versuchen wir, die drei Schwierigkeiten zu mildern oder zu beheben, bevor der weitere Fortschritt der Zeit und weiterer Wandel der Sprache sie noch steigern. Einsteins Text führen wir dabei in kleine Abschnitte unterteilt in einer Faksimilewiedergabe an, einschließlich der Seitenumbrüche und der jeweiligen Kopfzeile.

Einsteins Arbeit entstand jedoch nicht ohne Vorarbeiten. Die Formeln und die Nomenklatur aus Einsteins Arbeit finden sich in Woldemar Voigts Aufsatz "Über das Dopplersche Prinzip" von 1887. Hendrik Antoon Lorentz und Henri Poincaré führten um die Jahrhundertwende die beiden wichtigen Annahmen der Theorie ein, die sog. Lorentzkontraktion und die Relativität der Gleichzeitigkeit. Deshalb wurden dem Kommentar zusätzlich farblich abgesetzte historische Anmerkungen beigefügt.



Hier gibt es eine PDF-Version: [1]

Magnet und Leiter

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Einstein beginnt mit der Feststellung, dass die damals übliche Auffassung der Maxwellschen Elektrodynamik zu Ergebnissen führt, die beobachtbaren Phänomenen widersprechen.

 
Historisches:
Tatsächlich machte es in der auf dem Äther basierenden Maxwellschen Elektrodynamik begrifflich einen erheblichen Unterschied, ob sich der Magnet oder der Leiter im Äther bewegt, jedoch das Ergebnis ist in beiden Fälle exakt dasselbe. Einstein, der dieses Beispiel zum Teil wohl einem Lehrbuch August Föppls (1894) entnommen hat, weist deshalb darauf hin, dass es hier einzig und alleine auf die Relativbewegung zwischen Magnet und Leiter ankommt, während die Zuordnung eines bevorzugten Bewegungszustands überhaupt keinen Sinn macht.

Eine Anmerkung zu Einsteins Formulierungen: Die »elektromotorische Kraft« wird seit geraumer Zeit als (eingeprägte) elektrische Spannung bezeichnet, mit den »elektrischen Kräften« meint Einstein das elektrische Feld. (Später benutzt er »elektrische Kraft« auch für »elektrische Feldstärke«.)

Das Prinzip der Relativität

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Seinem Gedankengang der ausschließlichen Bedeutung der Relativbewegung folgend, präsentiert Einstein nun weitere Beispiele und Folgerungen:

 
 

Die »mißlungenen Versuche, eine Bewegung der Erde relativ zum "Lichtmedium" zu konstatieren«, können nur die Versuche von Michelson und Morley (1887) und die ähnlichen Versuche ihrer Nachfolger sein. Wegen seiner grundlegenden Bedeutung für die größte Revolution in der Physik seit Kopernikus wurde der Versuch in der Folgezeit mehrfach mit steigender Präzision wiederholt, in Deutschland 1930 von G. JOOS bei den Zeiss-Werken in Jena »mit sehr vollkommenen Hilfsmitteln« (Joos).

Alle diese Beobachtungen »führen zu der Vermutung, daß dem Begriffe der absoluten Ruhe nicht nur in der Mechanik, sondern auch in der Elektrodynamik keine Eigenschaften der Erscheinungen entsprechen ...«. Das bedeutet, dass es auch mit Hilfe elektromagnetischer Wellen nicht möglich ist, absolute Geschwindigkeiten (Geschwindigkeiten relativ zum »absoluten Raum«) zu messen und die »absolute Ruhe« eines Bezugssystems zu konstatieren. Damit aber werden die Begriffe »absolute Geschwindigkeit«, »absolute Ruhe«, ja sogar der Begriff des »absoluten Raumes« physikalisch sinnlos. Die »Koordinatensysteme, für welche die mechanischen Gleichungen gelten«, nennen wir heute Inertialsysteme, womit unbeschleunigte Bezugssysteme gemeint sind.

Die Bemerkung über »die Größen erster Ordnung« für welche die Gleichwertigkeit der Inertialsysteme bereits bewiesen sei, kann nur von Experten verstanden werden und ist zudem sprachlich mangelhaft formuliert. Gemeint ist damit die Empfindlichkeit der oben genannten Versuche hinsichtlich der Geschwindigkeit v des Bezugssystems im Vergleich zur Lichtgeschwindigkeit c. Bei der mathematischen Formulierung der zu erwartenden Effekte treten unendliche Reihen auf, in denen der Quotient v/c in der ersten, zweiten, ... Potenz vorkommt. Die entsprechenden Glieder sind die »Größen erster, zweiter usw. Ordnung«. Je empfindlicher eine Versuchsanordnung ist, desto höher ist die Ordnung (also die Hochzahl in der Potenz) der schnell kleiner werdenden Glieder, die bei der Messung noch erfasst werden. Einstein meint also, dass die einschlägigen Messungen die Gleichwertigkeit der Inertialsysteme auch für die Elektrodynamik (wozu auch die Optik gehört) bereits mit einer Genauigkeit erwiesen haben, wie sie den Größen erster Ordnung entspricht. (Der Michelson-Versuch konnte auch noch Größen 2. Ordnung in v/c erfassen.) Als Nächstes macht Einstein die Gleichwertigkeit aller Inertialsysteme auch für die Elektrodynamik zur Voraussetzung seiner folgenden Betrachtungen. Ihren Inhalt nennt er »das Prinzip der Relativität«.

Historisches:
Nun war Einstein nicht der Erste, der in diese Richtungen Überlegungen anstellte. Die von Hendrik Antoon Lorentz geschaffene Lorentzsche Äthertheorie in der Form von 1895, welche von Einstein im §10 näher beleuchtet wird, war tatsächlich in der Lage, die Unauffindbarkeit von Größen 1. Ordnung zu erklären. Dazu führte Lorentz die sogenannte "Ortszeit" ein (siehe dazu die Ausführungen zur Relativität der Gleichzeitigkeit) und erkannte auch, dass elektrostatische Felder in Bewegungsrichtung kontrahiert sind. Henri Poincaré ging dabei noch weiter. Dieser war bereits ab 1895 der Meinung, dass es unmöglich sei, eine absolute Bewegung, d.h. eine Bewegung relativ zum Äther, aufzuspüren. Für diese Unmöglichkeit verwendete er (in Abwandlung von Lorentzens Theorem der korrespondierenden Zustände) ab 1900 die Begriffe "Das Prinzip der relativen Bewegung", "Die Relativität des Raums" und ab 1902 den Begriff "Das Prinzip der Relativität". Er begründete seine Meinung mit diesen Worten:
Henri Poincaré
„(Kap. 10):...ich muß in der Tat erklären, warum ich trotz der Lorentzschen Theorie nicht glaube, daß genauere Beobachtungen jemals etwas anderes klar beweisen können als die relativen Ortsveränderungen materieller Körper. Man hat Experimente gemacht, welche uns die Glieder erster Ordnung hätten offenbaren sollen; die Resultate waren negativ; sollte das Zufall sein? Niemand hat das angenommen; man hat eine allgemeine Erklärung versucht, und Lorentz hat sie gefunden; er bewies, daß die Glieder erster Ordnung sich zerstören müßten, aber das Gleiche galt nicht für die Glieder zweiter Ordnung. Darauf hat man genauere Experimente gemacht; auch sie waren negativ; das konnte noch weniger Zufall sein; man brauchte eine Erklärung dafür; man fand sie; man findet eine solcher immer; an Hypothesen ist niemals Mangel. Aber das ist nicht genug; wer empfindet nicht, daß man auf diese Weise dem Zufalle eine zu große Rolle überläßt? Sollte der Zufall auch dieses sonderbare Zusammentreffen herbeiführen, welches bewerkstelligt, daß ein gewisser Umstand gerade zu rechter Zeit die Glieder erster Ordnung zerstört und daß ein anderer, völlig verschiedener, aber ebenso glücklicher Umstand es auf sich nimmt, die Glieder zweiter Ordnung zu zerstören? Nein, man muß für die einen wie für die anderen dieselbe Erklärung finden, und dann drängt uns alles darauf hin zu erwägen, daß diese Erklärung gleicherweise für die Glieder höherer Ordnung gelten würde und daß die gegenseitige Zerstörung dieser Glieder eine strenge und absolute ist.“
Quelle: Wissenschaft und Hypothese

Dieses Prinzip definierte er dann 1904 so:

Henri Poincaré
„Das Prinzip der Relativität, nach dem die Gesetze der physikalischen Vorgänge für einen feststehenden Beobachter die gleichen sein sollen, wie für einen in gleichförmiger Translation fortbewegten, so dass wir gar keine Mittel haben oder haben können, zu unterscheiden, ob wir in einer derartigen Bewegung begriffen sind oder nicht.“
Quelle: Der Wert der Wissenschaft
Inwiefern Einstein hier von Poincaré beeinflusst war, ist unbekannt. Bekannt ist nur, dass Einstein im Jahre 1904 Poincarés Buch "Wissenschaft und Hypothese" (1902) las.

Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit

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Weiterhin nennt Einstein als Voraussetzung, »daß sich das Licht im leeren Raume stets mit einer bestimmten, vom Bewegungszustande des emittierenden Körpers unabhängigen Geschwindigkeit V fortpflanze.«

Da es einen »absoluten Bewegungszustand« nicht gibt, muss der Satz heißen »... stets mit einer bestimmten, von der Geschwindigkeit des emittierenden Körpers relativ zum Beobachter (oder besser noch: von der Relativgeschwindigkeit des Beobachters - oder seines Bezugssystems - zum emittierenden Körper) unabhängigen Geschwindigkeit V fortpflanze.« Anders und einfacher ausgedrückt: Die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit hat in allen Inertialsystemen den gleichen Größenwert (Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit). Später (S. 895, § 2) wird uns diese Problematik nochmals begegnen.

Historisches:
Rückblickend schrieb Einstein 1912:
Albert Einstein
„Es ist allgemein bekannt, dass auf das Relativitätsprinzip allein eine Theorie der Transformationsgesetze von Raum und Zeit nicht gegründet werden kann. Es hängt dies bekanntlich mit der Relativität der Begriffe "Gleichzeitigkeit" und "Gestalt bewegter Körper" zusammen. Um diese Lücke auszufüllen, führte ich das der H.A. Lorentzschen Theorie des ruhenden Lichtäthers entlehnte Prinzip von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ein, das ebenso wie das Relativitätsprinzip eine physikalische Voraussetzung enthält, die nur durch die einschlägigen Erfahrungen gerechtfertigt erschien (Versuche von Fizeau, Rowland usw.).“
Quelle: Relativität und Gravitation

Es ist interessant, dass Einstein selbst das Michelson-Morley-Experiment niemals als Beleg für die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, sondern immer nur als Beleg für das Relativitätsprinzip angab. Der Grund dafür ist, dass das MM-Experiment auch mit der Emissionstheorie des Lichtes verträglich ist, welche von Einstein ebenfalls kurz in Erwägung gezogen wurde. Diese Theorie negiert die Existenz des Äthers, benutzt aber weiterhin die Galilei-Transformation der klassischen Physik. Sie erfüllt deshalb das klassische Relativitätsprinzip, und in einem Bezugssystem, in dem die Interferometeranordnung ruht, ergibt sich eine gleiche Lichtlaufzeit in beiden Armen des Interferometers. Von einem relativ dazu bewegten System aus betrachtet bekommt das Licht die Geschwindigkeit der Lichtquelle wie bei einem Geschoss hinzuaddiert, bewegt sich aber stets mit Lichtgeschwindigkeit relativ zur Lichtquelle und auch hier ergeben sich folglich gleiche Laufzeiten. Die Theorie widerspricht jedoch anderen Beobachtungen und hätte auch eine beträchtliche Umformung des Maxwellschen Elektrodynamik erfordert, weshalb sich Einstein wieder davon abwandte.

Auch Poincaré meinte 1898, dass die Form der Naturgesetze am einfachsten ist, wenn man vom Postulat ausgeht, dass sich Licht in alle Richtungen mit gleicher Geschwindigkeit bewegt. Und 1904 schrieb er mit Bezug auf die Lorentzsche Theorie:

Henri Poincaré
„Aus all diesen Resultaten würde, wenn sie sich bestätigen, eine ganz neue Methode hervorgehen, die hauptsächlich durch die Tatsache charakterisiert würde, daß keine Geschwindigkeit die des Lichtes übersteigen könnte ebenso wie auch keine Temperatur unter den absoluten Nullpunkt fallen kann. Für einen Beobachter, der selbst in einer ihm unbewußten Bewegung mitgeführt wird, könnte ebenfalls keine scheinbare Geschwindigkeit die des Lichtes übersteigen, und dies wäre ein Widerspruch, wenn man sich nicht daran erinnerte, daß sich dieser Beobachter nicht der gleichen Uhren bedient wie ein feststehender Beobachter, sondern solcher Uhren, die die "Ortszeit" zeigen.“
Quelle: Der Wert der Wissenschaft

Allgemeines

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Einstein schließt mit folgenden Worten die Einleitung ab:

 

Aus dem Kontext geht hervor, dass Einstein mit »starren Körpern« hier »Koordinatensysteme« meint. Nimmt man die Uhren dazu, dann könnte der Nebensatz lauten »da die Aussagen einer jeden elektrodynamischen Theorie die Beziehungen zwischen Bezugssystemen und elektromagnetischen Prozessen betreffen.« (Demnach könnte der Titel dieses Aufsatzes Einsteins auch heißen: »Zur Elektrodynamik in relativ zueinander bewegten Bezugssystemen.« 

Sicher wäre es hilfreich gewesen, wenn Einstein hier etwas ausführlicher geworden wäre, etwa so: Immer wenn in der Physik (nicht nur in der Elektrodynamik, auch in der Mechanik) relativ zueinander sehr schnell bewegte Bezugssysteme auftreten, ist zu untersuchen und zu berücksichtigen, wie diese sich relativ zueinander verhalten. Bleiben die Koordinatensysteme starr? Bleibt die Länge eines Stabes unverändert, wenn sie von einem relativ dazu bewegten Bezugssystem aus gemessen wird? Bleibt der Gang der Uhren unverändert, wenn man sie von einem anderen Bezugssystem aus beobachtet?

Historisches:
Noch vor Einstein vollendeten Lorentz (1899, 1904) und Poincaré (1905) ihr Vorhaben, die bekannten Gesetze der Elektrodynamik mit dem Prinzip der Relativität verträglich zu machen, wobei Poincaré die Gültigkeit des Relativitätsprinzips sogar auf alle Bereiche außerhalb der Elektrodynamik, wie z.b. die Gravitation, ausdehnte. Es ist dabei bemerkenswert, dass die von den beiden entwickelte Mathematik völlig äquivalent zu der von Einstein in dieser Arbeit entwickelten ist. Einstein gab jedoch an, von den Arbeiten von Lorentz und Poincaré nach 1895 nichts gewusst zu haben und nannte die philosophischen Schriften von David Hume und Ernst Mach, welche ihn beeinflusst hätten. Einstein schrieb 1953:
Albert Einstein
„Es ist zweifellos, daß die spezielle Relativitätstheorie, wenn wir ihre Entwicklung rückschauend betrachten, im Jahre 1905 reif zur Entdeckung war. LORENTZ hatte schon erkannt, daß für die Analyse der MAXWELLSchen Gleichungen die später nach ihm benannte Transformation wesentlich sei, und POINCARÉ hat diese Erkenntnis noch vertieft. Was mich betrifft, so kannte ich nur LORENTZ' bedeutendes Werk von 1895 "La theorie electromagnetique de MAXWELL" und "Versuch einer Theorie der elektrischen und optischen Erscheinungen bewegten Körpern", aber nicht LORENTZ' spätere Arbeiten, und auch nicht die daran anschließende Untersuchung von POINCARÉ. In diesem Sinne war meine Arbeit von 1905 selbständig. [..] Was dabei neu war, war die Erkenntnis, daß die Bedeutung der Lorentztransformation über den Zusammenhang mit den MAXWELLschen Gleichungen hinausging und das Wesen von Raum und Zeit im allgemeinen betraf. Auch war die Einsicht neu, daß die "Lorentz-Invarianz" eine allgemeine Bedingung sei für jede physikalische Theorie.“
Quelle: Brief and Carl Seelig

Lorentz betrachtete vor 1905 die Ortszeit tatsächlich nur als mathematisches Hilfsmittel. Poincaré und Einstein gingen einen Schritt weiter und meinten, dass diese Ortszeit tatsächlich von den Uhren angezeigt werden kann und beide waren der Meinung, dass die Lorentztransformationen für alle physikalischen Prozesse gelten. Aber im Gegensatz zu Poincaré, der immer noch von einer "wahren" Zeit im Äther und einer "scheinbaren" Zeit in bewegten Systemen sprach, schrieb Einstein 1907:

Albert Einstein
„Es zeigt sich überraschenderweise, dass es nur nötig war, den Begriff der Zeit genügend scharf zu fassen [..] Es bedurfte nur der Erkenntnis, dass man eine von H.A. Lorentz eingeführte Hilfsgröße, welche er "Ortszeit" nannte, als "Zeit" schlechthin definieren kann.“
Quelle: Über das Relativitätsprinzip

Und 1922 sagte Einstein in seiner Kyoto-Rede (wobei der Freund offenbar Michele Besso war):

Albert Einstein
„...this constancy of the velocity of light is inconsistent with the law of addition of velocities already known from mechanics. Why are these two things inconsistent with each other? I felt that I was facing an extremely difficult problem. I suspected that Lorentz’s ideas had to be modified somehow, but spent almost a year on fruitless thoughts. And I felt that was a puzzle not to be easily solved. But a friend of mine living in Bern (Switzerland) helped me by chance. One beautiful day, I visited him and said to him: ‘I presently have a problem that I have been totally unable to solve. Today I have brought this “struggle” with me.’ We then had extensive discussions, and suddenly I realized the solution. The very next day, I visited him again and immediately said to him: ‘Thanks to you, I have completely solved my problem.” My solution actually concerned the concept of time. Namely, time cannot be absolutely defined by itself, and there is an unbreakable connection between time and signal velocity. Using this idea, I could now resolve the great difficulty that I previously felt. After I had this inspiration, it took only five weeks to complete what is now known as the special theory of relativity.

Für die ungefähre deutsche Übersetzung, siehe:[1]

Quelle: Einsteins Kyoto-Rede
Einstein jedenfalls war der Erste, der die Lorentztransformation und die anderen Teile der Theorie alleine aus der Annahme von zwei Prinzipien, nämlich dem Relativitätsprinzip und dem der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, ableitete. Diese Prinzipien wurden zum Teil auch von Poincaré und Lorentz verwendet, jedoch erkannten sie nicht, dass sie auch ausreichend sind, um ohne Benutzung eines Äthers oder irgendwelcher angenommener Eigenschaften der Materie eine geschlossene Theorie zu begründen.

Endnoten

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  1. ...die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist unverträglich mit dem Gesetz der Geschwindigkeitsaddition der bislang bekannten Mechanik. Warum sind diese beiden Dinge unverträglich miteinander? Ich fühlte, dass ich einem großen Problem gegenüberstand. Ich vermutete, dass Lorentzens Ideen irgendwie modifiziert werden müssen, verbrachte jedoch fast ein Jahr mit fruchtlosem Nachdenken. Und ich fühlte, dass es ein Puzzle war, das nicht einfach gelöst werden konnte. Aber ein in Bern lebender Freund half mir zufällig. Eines schönen Tages besuchte ich ihn und sagte zu ihm: "Ich habe zur Zeit ein Problem, das zu lösen ich überhaupt nicht in der Lage bin. Heute habe ich diese „Auseinandersetzung“ mit mir mitgebracht." Danach hatten wir umfangreiche Diskussionen, und plötzlich erkannte ich die Lösung. Am nächsten Morgen besuchte ich ihn wieder und sagte sofort zu ihm: "Dank dir habe ich mein Problem vollständig gelöst". Meine Lösung betraf tatsächlich das Konzept der Zeit. Die Zeit kann nämlich nicht absolut durch sich selbst definiert werden, und es gibt eine unzerbrechliche Verbindung zwischen Zeit und Signalgeschwindigkeit. Diese Idee benutzend konnte ich die große Schwierigkeit lösen, welche ich vorher gefühlt hatte. Nachdem ich diese Inspiration hatte, dauerte es nur noch fünf Wochen, bis ich das vollendet hatte, was jetzt die Spezielle Relativitätstheorie genannt wird.

Für ausführlichere Quellenangaben siehe Geschichte der speziellen Relativitätstheorie

  • Miller, A.I.: Albert Einstein’s special theory of relativity. Emergence (1905) and early interpretation (1905–1911). Addison–Wesley, Reading 1981, ISBN 0-201-04679-2.



Kinematischer Teil

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  § 1. Definition der Gleichzeitigkeit

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Ein Koordinatensystem (genauer: ein Bezugssystem), in dem die Newtonschen Gleichungen gelten, wird heute Inertialsystem genannt.

Die Bezeichnung »ruhendes System« ist höchst unglücklich gewählt, provoziert sie doch die Frage, relativ wozu das System denn ruhe? (Die Nichtexistenz einer absoluten Ruhe ist ja gerade das große Thema der Relativitätstheorie.) Es muss also heißen: Ein relativ zum Beobachter (das ist z. B. der Leser) ruhendes Inertialsystem.

"Wollen wir die Bewegung eines materiellen Punktes beschreiben, so geben wir die Werte seiner Koordinaten in Funktion der Zeit.“ Diese Ausdrucksweise ist seit langem ungewöhnlich; ihre Bedeutung ist jedoch leicht zu erraten: "... so geben wir die Werte seiner Koordinaten als Funktionen der Zeit an."

 


Hier führt Einstein im Handstreich eine sehr pragmatische »operationale« Definition der Zeit (genauer: des Zeitpunkts) ein: Der jeweilige Zeitpunkt ist das, was der kleine Zeiger seiner Uhr anzeigt.

 
 


Die im ersten Absatz nur versuchsweise vorgeschlagene Definition des Zeitpunkts eines vom Beobachter entfernten Ereignisses bedeutet: Ein Geschehen ereignet sich dann, wenn der Beobachter durch ein Lichtsignal davon erfährt. Natürlich verwirft Einstein diese absurde Definition sofort; er hätte sie uns auch gleich ersparen können. Der von Einstein eingeräumte Mangel des Verfahrens allerdings gründet weniger darin, dass die zeitliche Zuordnung vom Standpunkt des Beobachters abhängig ist (er soll ja im Koordinatenursprung stehen), sondern von der Entfernung der Ereignisse vom Beobachter.


Im zweiten Absatz geht einiges dem modernen Sprachgebrauch zuwider, vor allem der seltsame Gebrauch von »definieren«, »durch Definition« und »definitionsgemäß«.

Der Inhalt des letzten Teils des zweiten Absatzes kann etwa so wiedergegeben werden:

Eine für A und B verbindliche "Zeit" kann dadurch gewonnen werden, dass man die Uhren in A und B (die beide im Bezugssystem des Beobachters ruhen) synchronisiert. Der synchrone Gang der beiden Uhren kann wie folgt kontrolliert werden: Man sendet einen Lichtstrahl zur "A-Zeit" tA von A nach B, der dort zur "B-Zeit" tB ankomme, reflektiert werde und nach A zurücklaufe, wo er zur "A-Zeit" t' A eintreffe. Wegen der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist die Laufzeit des Lichtstrahls auf dem Hin- und Rückweg gleich. Die beiden Uhren gehen dann synchron, wenn stets (d. h. auch bei jeder Wiederholung des Versuchs)


 

ist. (Bei nur einmaliger Durchführung würde man nämlich auch dann den Synchronlauf der Uhren konstatieren, wenn die Uhr in B den Mittelwert von tA und t’A anzeigte – aber stillstünde!)

Wenn der Synchronlauf der beiden Uhren sichergestellt ist, dann sind zwei Ereignisse, die in A bzw. in B stattfinden, genau dann gleichzeitig, wenn die Anzeigen der beiden Uhren im Moment des Eintreffens der Ereignisse EA bzw. EB gleich sind, wenn also


 

ist.

 
 

Bei der ersten Annahme fällt auf, dass Einstein oben die Synchronizität zweier Uhren als etwas Gegenseitiges betrachtet hat: Die beiden Uhren in A und B sind synchron, wenn ... Nun unterscheidet er auf einmal


1. die Synchronizität der Uhr in B mit der in A, und

2. die Synchronizität der Uhr in A mit der in B,


und nimmt dann an, dass eines aus dem anderen folgt.

Die Unterscheidung setzt allerdings einen Unterschied in der Definition voraus: Wann ist die Uhr in B mit der in A synchron, und wann die Uhr in A mit der in B?

Übrigens: Nach einer sauberen Definition der beiden Synchronizitäten kann man ihre Identität tatsächlich unschwer beweisen. Und danach lässt sich auch die zweite Annahme bestätigen.

Auf diese Weise hat Einstein eine Definition (und eine Messvorschrift) für die Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse gewonnen, die an verschiedenen Orten stattfinden.

Die Erfahrung, auf welche die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit gründet und auf die sich Einstein hier beruft, kann nur das Ergebnis des Michelson-Morley-Versuchs sein.

Auch hier ist überall »ruhendes System« zu ersetzen durch »relativ zum Beobachter ruhendes System«.




  § 2. Über die Relativität von Längen und Zeiten

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Zu 1.: Wie von Poincaré (siehe Einleitung), wird dieses Prinzip von Einstein als Relativitätsprinzip bezeichnet. Es wäre deutlicher und aussagekräftiger gewesen, es das Prinzip der Gleichwertigkeit (oder der Gleichberechtigung) aller Inertialsysteme zu nennen. Ein so formuliertes Prinzip würde auch die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit in allen Inertialsystemen beinhalten.

Der Begriff Relativität, wie er in der Überschrift des § 2 benutzt wird (Relativität von Längen und Zeiten) dagegen bedeutet etwas ganz anderes und ist hier sinnvoll: Längen, Zeitspannen und die Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse sind keine absoluten Gegebenheiten, sondern hängen vom Bezugssystem ab, von dem aus sie beobachtet werden; sie sind in diesem Sinne »relativ«.


Zu 2.: Nach dieser Formulierung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit bewegt sich jeder Lichtstrahl nicht mehr »stets« (wie auf S. 892, Abs. 1), sondern nur im "ruhenden" Koordinatensystem mit der bestimmten Geschwindigkeit V. Hier wird deutlicher als auf S. 892, dass für Einstein der Inhalt des Prinzips von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit nur besagt, dass die Lichtgeschwindigkeit von einer Bewegung des emittierenden Körpers relativ zum "ruhenden" Koordinatensystem unabhängig ist. Offenbar wollte Einstein seine Theorie nicht nur von der Vorstellung des Äthers frei halten sondern auch von einer Vorstellung, die damals unter dem Eindruck des Michelsonversuchs durchaus bedenkenswert schien: das Licht hat stets die Geschwindigkeit V, gemessen gegen den letzten Berührungspunkt des Lichtes mit Materie, sei es die Lichtquelle, seien es die Spiegel des Versuchs. Diese Vorstellung wäre zwar mit dem negativen Ergebnis des Michelsonversuchs im Einklang, aber nicht mit zahlreichen anderen Versuchen.

Worauf es hier wirklich ankommt, ist das Postulat: Die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit hat in jedem Inertialsystem denselben Wert.

Im § 1 findet sich allerdings keine Definition der »Zeitdauer«. Gemeint ist die Zeitspanne zwischen dem Eintreten zweier Ereignisse (hier: Start des Lichtstrahls im Punkt A und Eintreffen in Punkt B) an verschiedenen Orten. Dazu sind zwei Uhren erforderlich, deren Synchronizität nach dem oben angegebenen Kriterium überprüft wurde.


 
 


Hier nimmt sich Einstein die nur scheinbar banale Aufgabe vor, die Länge eines relativ zum Beobachter bewegten Stabes zu bestimmen. Es wird sich zeigen, dass von diesem simplen Gedankenversuch die Umwälzung der Kinematik ausgeht.

Einsteins Beschreibung mutet etwas umständlich an, zudem spricht er wieder von »ruhenden System«, wozu nun auch noch ein »bewegtes System« kommt. Es ist zweckmäßig, immer von zwei relativ zu einander bewegten Systemen S und S' (oder K und k) zu sprechen, wobei sich S' mit der (Bahn-)Geschwindigkeit v in Richtung der positiven X-Achse des Systems S bewegen und die Achsen der Systeme paarweise parallel sein sollen.

a) Im System S' befinde sich ruhend ein starrer Stab, dessen Achse parallel zur X'-Achse sei. Ein im System S' ruhender Beobachter messe auf die übliche Weise die Länge dieses Stabes. Der so ermittelte Wert sei l'.

b) Wenn ein im System S ruhender Beobachter die Länge des sich an ihm vorbei bewegenden Stabes messen will, so bietet sich dazu folgende Methode an: Der Beobachter im System S ermittelt (auf irgendeine scharfsinnig ausgedachte Weise) mit Hilfe von Uhren, die in S ruhen und gemäß § 1 synchronisiert wurden, in welchen Punkten des Systems S sich Anfang und Ende des auszumessenden Stabes zu einer bestimmten Zeit t befinden. Der Abstand dieser beiden Punkte ist dann die Länge l des Stabes im System S. Dieses Verfahren vereinbaren wir als Messvorschrift für die Länge von Körpern, die sich relativ zum Beobachter bewegen.


Es wird sich zeigen, dass l und l' verschieden sind. Anders gesagt: Der Stab hat für einen relativ zu ihm bewegten Beobachter eine andere Länge als für einen relativ zu ihm ruhenden (»Relativität von Längen«). Einstein begründet diese Behauptung an dieser Stelle nicht, und er könnte es auch noch nicht tun.

Anmerkung: Die »Relativität von Längen« wird noch immer als »Lorentz-Kontraktion« bezeichnet. Dies ist zwar bequem, aber irreführend: Körper kontrahieren sich nicht, wenn sie in Bewegung gesetzt werden. Sie haben lediglich für einen relativ zu ihnen bewegten Beobachter eine geringere Länge, weil die Uhren dieses Beobachters anders gehen. (Daraus erklärt sich auch das »Bell-Paradoxon«, das keines ist.) Übrigens ist der Begriff »Lorentz-Kontraktion« einige Jahre älter als die Spezielle Relativitätstheorie und ist durch diese obsolet geworden.


Einstein weist nun (siehe den ersten Absatz des folgenden Abschnitts) darauf hin, dass die »klassische« Kinematik stillschweigend annimmt, die nach a) und b) bestimmten Längen seien gleich, oder dass ein bewegter starrer Körper in der Zeitepoche t (gemeint ist: zu einem bestimmten Zeitpunkt) in geometrischer Beziehung vollständig durch denselben Körper, wenn er in bestimmter Lage ruht, ersetzbar sei. Noch anders gesagt: Die klassische Kinematik nimmt an, der bewegte und der unbewegte Körper seien kongruent (deckungsgleich). Einstein macht sich nun daran, diese Annahme zu widerlegen. Dies ist nicht möglich, ohne auf die »Relativität von Zeiten« einzugehen. Und das geschieht als Nächstes.

 
 

Dazu denkt sich Einstein ein Gedankenexperiment aus: (Die im 2. Absatz beschriebenen Uhren erweisen sich nicht nur als überflüssig, sondern die Versuchsanordnung ist nicht möglich. Wie Einstein nachfolgend zeigt, laufen relativ zueinander bewegte Uhren unterschiedlich schnell. Daher können die an den Enden des bewegten Stabes angebrachten Uhren nicht synchron sein mit den Uhren im "ruhenden System".) Am hinteren Ende A des im System S' ruhenden Stabes denkt er sich eine Lichtquelle montiert, die kurze Lichtblitze aussenden kann, am vorderen Ende B einen Spiegel, der die Lichtblitze nach A reflektiert. Es ist es also die gleiche Versuchsanordnung, wie sie oben zur Kontrolle der Synchronizität von Uhren benutzt wurde, mit dem Unterschied, dass wir nun zwei Bezugssysteme haben. Hier sind drei Momentaufnahmen der beiden Systeme:


 


Der zur Zeit tA ausgesandte Lichtimpuls trifft zur Zeit tB in B ein. Im Zeitintervall tB - tA hat sich das System S' um die Strecke


 


vor dem Lichtimpuls her bewegt. Die vom Lichtimpuls zurückgelegte Strecke ist also  . Daraus folgt


 


wobei rAB der Abstand AB ist. Nach dem Ordnen ergibt sich


 


Analog findet man für die Laufzeit des Lichtimpulses auf dem Rückweg:


 


Die beiden Laufzeiten sind also, wie zu erwarten, unterschiedlich (während die im System S' gemessenen Werte gleich wären). Nun denken wir uns zwei Beobachter in den Punkten A und B des Systems S', welche zu den drei Zeiten die Uhren des Systems S beobachten, die ihnen jeweils gegenüberstehen. Aus der Ungleichheit der beiden Differenzen schließen sie, indem sie das oben beschriebene Kriterium für Synchronizität anwenden, dass die beiden Uhren nicht synchron gehen.

Fazit: Zwei Uhren an zwei verschiedenen Stellen des Systems S, die synchron gehen, tun dies, vom System S' aus beurteilt, nicht.

Daraus folgt, dass dem Prädikat »gleichzeitig« keine absolute Bedeutung zukommt: Die beiden Uhren, die im System S gleichzeitig eine bestimmte Zeigerstellung einnehmen, tun dies für einen Beobachter in S' nicht gleichzeitig.

Zu diesem Ergebnis hätte Einstein auch deutlich einfacher und vor allem anschaulicher kommen können mit Hilfe eines Gedankenexperiments, das ihm erst später eingefallen ist.

Gegeben zwei relativ zu einander bewegte Bezugssysteme (v = 100 000 km/s) in der so genannten Ausgangssituation. In diesem Moment (also gleichzeitig) sollen in den Punkten A und B (im System S) bzw. in A' und B' (im System S') zwei Blitze einschlagen.


 


Wenn die Punkte 300 m rechts bzw. links von O und O' liegen, treffen die von den Blitzen ausgehenden Lichtimpulsen nach 1 µs in der Mitte zusammen. Aber: In der Mitte von AB oder von A'B'?. Je nach Standort des Beobachters hat sich nämlich inzwischen das System S' um 100 m nach rechts oder das System S um 100 m nach links bewegt – und mit dem System auch die Einschlagpunkte der Blitze:


 
Die Lichtimpulse treffen sich in der Mitte. Beobachter in S


 
Die Lichtimpulse treffen sich in der Mitte. Beobachter in S'

Die Lichtimpulse treffen also nur für einen der beiden Beobachter in der Mitte zusammen, für den anderen legen bis zum Zusammentreffen unterschiedlich lange Wege zurück. Folglich haben die Blitze für diesen Beobachter nicht gleichzeitig eingeschlagen.


Durch die »Relativität der Gleichzeitigkeit« wird auch die »Relativität von Längen« plausibel: Die korrekte Messung der Länge eines sich vorbei bewegenden Stabes erfordert, dass die Position seines Anfangs- und die seines Endpunktes gleichzeitig ermittelt werden. Wenn sich aber die Beobachter in den beiden Systemen nicht darüber einig sind, was »gleichzeitig« ist, kommen sie natürlich auch zu unterschiedlichen Auffassungen über die Länge des Stabes. So wird der Beobachter in S' reklamieren, dass die Position des Punktes A nicht gleichzeitig mit der Position des Punktes B ermittelt wurde, sondern später. In der Zwischenzeit habe sich der Punkt A weiter nach rechts bewegt, und folglich falle das Messergebnis zu klein aus.

Historisches:
Wie in der Einleitung geschildert, hat Einstein seine Gedanken zur Relativität der Gleichzeitigkeit in Auseinandersetzung mit der von Lorentz eingeführten mathematischen Hilfsvariable "Ortszeit" entwickelt und dabei festgestellt, dass Zeit und Signalgeschwindigkeit untrennbar zusammengehören. Eine ähnliche Interpretation der Lorentzschen Ortszeit noch vor Einstein findet sich bereits bei Poincaré. 1898 schrieb er: (entnommen aus Lorentzsche Äthertheorie)
Henri Poincaré
„Wir haben keine unmittelbare Anschauung für die Gleichzeitigkeit, ebenso wenig wie für die Gleichheit zweier Zeiträume. Wenn wir diese Anschauung zu haben glauben, so ist das eine Täuschung. Wir halten uns an bestimmte Regeln, die wir meist anwenden, ohne uns Rechenschaft darüber zu geben [...] Wir wählen also diese Regeln, nicht, weil sie wahr sind, sondern weil sie die bequemsten sind, und wir können sie zusammenfassen und sagen: Die Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse oder ihre Aufeinanderfolge und die Gleichheit zweier Zeiträume müssen derart definiert werden, dass der Wortlaut der Naturgesetze so einfach wie möglich wird.“
Quelle: Der Wert der Wissenschaft

1900 interpretierte er dann die Ortszeit als Ergebnis einer mit Lichtsignalen durchgeführten Synchronisation. Er nahm an, dass zwei im Äther bewegte Beobachter A und B ihre Uhren mit optischen Signalen synchronisieren. Da sie glauben, sich in Ruhe zu befinden, müssen sie jetzt nur noch die Lichtlaufzeiten berücksichtigen und ihre Signale kreuzen um zu überprüfen, ob ihre Uhren synchron sind. Hingegen aus Sicht eines im Äther ruhenden Beobachters läuft eine Uhr dem Signal entgegen, und die andere läuft ihm davon. Die Uhren sind also nicht synchron, sondern zeigen nur die Ortszeit   an. Da die Beobachter aber kein Mittel haben zu entscheiden, ob sie in Bewegung sind oder nicht, werden sie von dem Fehler nichts bemerken. 1904 illustrierte er dieselbe Methode auf folgende Weise: A sendet zum Zeitpunkt 0 ein Signal nach B, welche bei der Ankunft t anzeigt. Und B sendet zum Zeitpunkt 0 ein Signal nach A, welche bei der Ankunft t anzeigt. Wenn in beiden Fällen t den selben Wert ergibt sind die Uhren synchron. Im Gegensatz zu Einstein blieb Poincaré aber bei der seiner Ansicht nach „bequemeren“ Vorstellung, dass die „wahre“ Zeit trotzdem nur von im Äther ruhenden Uhren angezeigt werde.

Für Quellen siehe Einleitung.

 



  § 3. Theorie der Koordinaten- und Zeittransformation

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Damit ist die Ausgangssituation der beiden Bezugssysteme beschrieben, auf die nun immer wieder zurückgegriffen wird. Ort und Zeit eines beliebigen Ereignisses werden im System K durch die drei Ortskoordinaten x, y, z und durch die Zeitkoordinate t beschrieben, im System k durch die Ortskoordinaten ξ, η ζ und die Zeitkoordinate τ.


Nun stellt sich die Aufgabe, ein System von Gleichungen zu finden, mit denen aus den Koordinaten eines Ereignisses im System K seine Koordinaten im System k berechnet werden können und umgekehrt.

 

Im 1. Absatz stellt Einstein zunächst fest, dass die gesuchten Transformationsgleichungen wegen der Homogenität von Raum und Zeit linear sein müssen.

Dass Raum und Zeit als homogen gelten, bedeutet, dass alle Punkte des Raumes und alle »Zeitpunkte« als je gleichwertig angesehen werden. Konkret bedeutet das zum Beispiel, dass ein Kreis den Umfang 2rπ und die Fläche r2 π hat, einerlei ob sich sein Mittelpunkt in Washington oder in Bagdad befindet und dass ein physikalischer Vorgang unter sonst gleichen Bedingungen morgen in Moskau genau so abläuft wie heute in Berlin. Beim Übergang in ein anderes Bezugssystem würden diese Eigenschaften verloren gehen, wenn die Transformationsgleichungen nicht linear wären.

Dann führt Einstein eine Hilfskoordinate ein, x'. Dies ist bequem für die weitere Herleitung, weil x' sich nicht mit der Zeit t ändert für alle Punkte, die sich mit Geschwindigkeit v bewegen, also für alle Punkte, die im System k ruhen. Hier besteht Verwechslungsgefahr, weil heutzutage das Symbol x' meist für die Ortskoordinate eines Punktes im System k verwendet wird. Diese heißt hier ξ, und ihre Abhängigkeit von x und t muss erst noch ermittelt werden.


Damit können wir uns folgendes Bild machen:


 


Einstein führt hier gleichsam eine neue, in k ruhende X-Achse (eine X'-Achse) ein, deren Nullpunkt in O' liegt, auf der die Strecken (z. B. O'P) jedoch vom System K aus gemessen werden und mit x' bezeichnet werden. Mit Hilfe dieser im System k ruhenden Achse will Einstein zunächst den Ablauf der Zeit τ in der nächsten Umgebung von O' berechnen. Dazu fasst er τ als Funktion der Koordinaten x', y, z und t auf


 


und betrachtet drei Ereignisse E0, E1 und E2, die folgende Bedeutung haben:

E0: Start eines Lichtimpulses in O' zur Zeit τ0 nach rechts. Es ist


 


wobei t die zum Ereignis E0 gehörige Zeit in K ist.

E1: Ankunft und Reflexion des Lichtimpulses in einem Punkt P mit der Koordinate x' P = x'  zur Zeit τ1, mit


 


E2: Ankunft des Lichtimpulses in O'  zur Zeit τ2, mit


 


Wegen der Laufzeiten siehe S. 896 und 897.


 


Da der Lichtimpuls im System k für den Hin- und den Rückweg die gleiche Zeitspanne benötigt, ist


 



Setzt man die Werte von τ0, τ1 und τ2 in die Gleichung (A) ein, so erhält man


 


 



 


Wie kommt man zu diesem Ergebnis?

Der zweite und dritte der in der Gleichung (B) auftretenden Funktionswerte werden in Taylor-Reihen entwickelt, in denen die höheren Potenzen von x' / (V – v) und x' / (V + v) wegen der Linearität der gesuchten Gleichungen wegfallen. Auf diese Weise erhält man


 


und


 


wobei die partiellen Ableitungen an der Stelle (0,0,0, t) zu bilden sind. Durch Einsetzen in Gleichung (A) erhält man:


 
 


woraus folgt


 


woraus sich x' kürzen lässt.


Schließlich ergibt sich daraus


 


Diese Differentialgleichung gilt erst mal nur für den Punkt O. Da man obige Betrachtung jedoch in jedem beliebigen Punkt des Raumes anstellen kann, gilt sie überall.


 


Diesen Ergebnissen liegt wiederum ein Gedankenexperiment zugrunde.


 


Zur Zeit τ = τ0 = 0 starte in O' ein Lichtimpuls in Richtung der Y-Achse (in k die Η-Achse), der in P nach O' reflektiert wird. Vom System K aus sieht der Lichtweg wie in obiger Abbildung aus, da sich das System k mit der Geschwindigkeit v nach rechts bewegt. Der Abstand O'P sei – in K gemessen – gleich y' . In K bewegt sich der Lichtimpuls mit der Geschwindigkeit V zunächst von O' nach P1, wobei die Strecke O'P1 = V t ist (t = Laufzeit des Lichtimpulses von O' nach P1.)

Im rechtwinkligen Dreieck O'P1O'1 ist


 


(Einstein drückt dies so aus: »... dass sich das Licht längs dieser Achsen vom ruhenden System aus betrachtet stets mit der Geschwindigkeit


 


fortpflanzt.«)

Wir definieren nun wieder drei Ereignisse:

E0: Start des Lichtimpulses in O = O' zur Zeit t = t0 = 0. Für die Zeit in k gilt: τ0 = τ(0, 0, 0, 0).

E1: Ankunft und Reflexion des Impulses in P1. Hier ist x = v t, y = y' , z = 0, t = t und daher τ1 = τ(v t, y' , 0, t).

E2: Ankunft des Impulses in O'2. Hier ist x = 2 v t, y = 0, z = 0, t = 2 t und daher τ2 = τ(2 v t, 0, 0, 2 t).

Setzen wir t den oben angegebenen Wert ein, so wird


 


 

Durch Entwicklung in eine Taylor-Reihe erhalten wir analog zu oben


 


 


Auch hier ist τ1 der Mittelwert von τ0 und τ2 ist, also


 


Setzen wir die oben erhaltenen Werte ein, ergibt sich schließlich



 


Analog findet man


 



 


"Linear" heißt, τ ist proportional zu x' und auch zu t. Man findet die Lösung also mit dem Ansatz:


 


wobei a und b Funktionen von v sein können.

Aus dem Ansatz folgt


 


In die erste Differentialgleichung eingesetzt ergibt


 


und somit


 



 
 


Ich stelle die Ergebnisse noch einmal zusammen und kürze durch V2 bzw. durch V:


 
 
 



 


1. Der für x' eingesetzte Wert ist x' = x – v t.

2. Einstein führt eine neue Funktion ein, die mit der auf Seite 899 genannten Funktion φ(v) = a nicht identisch ist. Vielmehr ist:


 


3. Schließlich klammert er überall den Faktor


 


aus. Damit ergeben sich dann die Transformationsgleichungen für die vier Koordinaten.


Hier wäre es sicher sinnvoll gewesen, zunächst einmal die Transformationsgleichungen zu vervollständigen. Etwa so:

Wegen der Gleichberechtigung der Systeme K und k ergibt sich durch Vertauschung der einander entsprechenden Koordinaten und indem man v durch –v ersetzt (k bewegt sich relativ zu K mit der Geschwindigkeit v) erhält man aus den obigen Transformationsgleichungen sofort die »inversen« Gleichungen:


 
 
 
 


Nebenbei bemerkt: Aus


 


erhält man sofort


 


wofür Einstein (siehe unten) viel größere Mühe aufwendet.


 
 

Dieser »Beweis« allerdings wäre ein Zirkelschluss, denn auf Seite 899 (im letzten vollständigen Absatz) hat Einstein zur Herleitung der Transformationsgleichungen für alle drei Achsen des Systems k ausdrücklich die gleiche Lichtgeschwindigkeit V vorausgesetzt, worauf er sich im darauf Folgenden auch stützt. Es handelt sich hier also nicht um einen Beweis, sondern lediglich um eine Verifizierung, d. h. um die Bestätigung, dass die hergeleiteten Gleichungen der Voraussetzung nicht widersprechen.


 


Hier bleibt es wohl Einsteins Geheimnis, wie er von der ersten Gleichung »nach einfacher Rechnung« zur zweiten gelangt, ohne zuvor die inversen Transformationsgleichungen abgeleitet zu haben. Mit diesen allerdings ist es wirklich ganz einfach.


Anschließend wird die noch nicht ganz vollständige Herleitung der Transformationsgleichungen vollendet:


 
 


Zur vollständigen Begründung der Identität von K und K' fehlt noch der Hinweis darauf, dass für x = y = z = 0 auch x' = y' = z' = 0 ist. Wenn das nicht der Fall wäre, könnten die Systeme gegeneinander parallel verschoben sein.

Nun fehlt noch eine zweite Bestimmungsgleichung für φ(v) und φ(-v). Einstein drückt das wie folgt aus und findet einen sehr einfachen Weg:


 


Damit hat Einstein mit beträchtlichem Aufwand ein System – eine Gruppe – von Gleichungen hergeleitet, aus denen sich alle anderen Resultate der Speziellen Relativitätstheorie ergeben.

Historisches:
Die Transformation wurde erstmals vollständig von Joseph Larmor 1897 und in identischer Form von Lorentz 1899 und 1904 veröffentlicht. Dadurch sollen die negativen Ätherdrift-Experimente erklärt werden (wo x*=x-vt).
 
 
 
 
 

Poincaré (1905) vereinfachte dann die Gleichungen und schrieb sie noch vor Einstein in der heute üblichen Form und prägte den Namen "Lorentz-Transformation". Dabei erkannte er unter Berücksichtigung des Relativitätsprinzips ihre Gruppeneigenschaft und nannte dies die "Lorentz-Gruppe". (Im Gegensatz zu Einstein setzte Poincaré die Lichtgeschwindigkeit gleich 1).

 
 
 
 
 
Für Quellen siehe Einleitung.



  § 4. Physikalische Bedeutung der erhaltenen Gleichungen ...

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Historisches:
1889 leitete Oliver Heaviside aus den Maxwell-Gleichungen ab, dass das elektrostatische Feld um einen bewegten, kugelförmigen Körper in Bewegungsrichtung um den Faktor   verkürzt sei (der sogenannte Heaviside-Ellipsoid). Und 1889 schlugen George Francis FitzGerald (allerdings nur qualitativ) und unabhängig von ihm Lorentz 1892 (bereits quantitativ ausgearbeitet) vor, dass die molekularen Kräfte während der Bewegung durch den Äther auf allerdings unbekannte Weise derart beeinflusst werden, dass die in Bewegungsrichtung liegende Interferometeranordnung um den angenäherten Faktor   kürzer ist als der senkrecht dazu stehende Teil. Obwohl selbst Lorentz diese Hypothese zu Beginn als seltsam bezeichnete, wies er bereits 1895 auf die Übereinstimmung mit anderen elektrischen Vorgängen wie der Verkürzung bei elektrostatischen Feldern hin. Die Lorentzkontraktion der im Äther gemessenen Länge l0 in Bewegungsrichtung (ohne Expansion senkrecht dazu) mit dem präzisen Faktor unter Berücksichtigung der Lorentztransformation gemäß   wurde von Larmor (1897) und Lorentz (1904) angegeben: Ein mit der Erde mitbewegter Beobachter würde von dieser Kontraktion, welche im Falle der Bewegung der Erde um die Sonne nur 1/200.000.000 beträgt, nichts bemerken, da alle Maßstäbe ebenso von diesem Effekt betroffen sind. Für Quellen siehe Einleitung.

Die vor dem letzten Absatz genannten Größen sind nicht die Achsen, sondern die Halbachsen des Ellipsoids.

»Für Überlichtgeschwindigkeit werden die Überlegungen sinnlos;« - dies gilt schon für die Transformationsgleichungen, weil dann die auftretende Wurzel imaginär wird.

» ... dass die Lichtgschwindigkeit in unserer Theorie physikalisch die Rolle der unendlich großen Geschwindigkeiten spielt.« Das bedeutet konkret Folgendes:

1. Die Lichtgeschwindigkeit ist anscheinend eine nicht zu übertreffende, ja nicht einmal erreichbare Grenzgeschwindigkeit.

2. Für V gegen unendlich gehen die Transformationsgleichungen der Relativitätstheorie in die Galilei-Transformationen der klassischen Physik über. Von der relativistischen Physik aus beurteilt, besteht der Mangel der klassischen Physik darin, dass die Lichtgeschwindigkeit als unendlich groß angesetzt wird.


 
 
 


Hier ist alles wunderbar klar und einfach. - Einstein beschreibt schon hier im Prinzip einen Gedankenversuch, der später "Zwillingsparadoxon" genannt wurde, obwohl es sich nicht um ein Paradoxon handelt, d. h. um eine in sich widersprüchliche Erscheinung, die daher nicht existieren kann. Für den so genannten gesunden Menschenverstand allerdings ist dieser Effekt so absurd wie die ganze Spezielle Relativitätstheorie, nur wird diese "Absurdität" hier besonders deutlich und gleichsam handgreiflich. Wirklich verständlich und einleuchtend aber wird dieser Effekt allerdings erst durch die pseudoeuklidische Struktur (oder Metrik) des vierdimensionalen Raumes (siehe dazu WIKIBOOK Spezielle Relativitätstheorie). Diese Metrik begründet folgenden, hier ganz allgemein beschriebenen Effekt: Wenn zwei Personen auf unterschiedlichen Wegen von A nach B reisen (wobei B auch identisch mit A sein kann, es sich also um eine Rundreise handelt), wobei sie zur selben Zeit in A starten und im gleichen Moment in B ankommen, dann hat diejenige Person die kürzeste Zeit gebraucht, die den größten Umweg gemacht hat.

Historisches:
Dass aus der Lorentztransformation die Zeitdilatation folgt, wurde von Larmor 1897 erkannt, als er durch Kombination der Ortszeit mit dem Faktor   feststellte, dass periodische Vorgänge von bewegten Objekten im Äther langsamer als bei ruhenden Objekten abliefen. Das ergab sich dann auch aus der Arbeit von Lorentz 1899, der erkannte, dass die Vibrationen eines oszillierenden Elektrons, welches sich relativ zum Äther bewegt, langsamer verlaufen. Jedoch war Einstein der Erste, der die Reziprozität der Zeitdilatation erkannte und auch die Konsequenzen, welche im Uhrenparadoxon und Zwillingsparadoxon mündeten. Für Quellen siehe Einleitung.

Interessant und aufschlussreich ist es auch, nicht nur die Uhr in O' zu betrachten, sondern eine Momentaufnahme aller Uhren auf Ξ-Achse z. B. zur Zeit t = 0 zu machen. Dann ist


 


Offenbar gehen die (in k synchronisierten) Uhren – von K aus betrachtet – nicht synchron. Rechts von O' gehen sie mehr und mehr nach, links von O' mehr und mehr vor, je weiter sie von O' entfernt sind. Hierin zeigt sich die »Relativität der Gleichzeitigkeit«, die ursächlich ist für die »Relativität der Längen«.


 
Uhrenvergleich: Beobachter in S (v = 0,6 V)


 
Uhrenvergleich: Beobachter in S'



  § 5. Additionstheorem der Geschwindigkeiten

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Die Konstanten wξ und wη sind die Komponenten der Geschwindigkeit des betrachteten Punktes bezüglich k.

Setzt man


 

so erhält man durch Auflösen der Gleichung nach x die eine der beiden Bewegungsgleichungen im System K:


 


Dies ist die Gleichung einer gleichförmigen Bewegung mit der Geschwindigkeit


 


Die Transformation der zweiten Gleichung erfordert etwas mehr Rechenaufwand, da man x mit der oben erhaltenen Gleichung eliminieren muss:


 


Daraus folgt schließlich


 


Dies ist wiederum eine gleichförmige Bewegung mit der Geschwindigkeit


 


 

Zwischenbemerkung: Was soll der Satz »Das Gesetz vom Parallelogramm der Geschwindigkeiten gilt nach unserer Theorie nur in erster Annäherung« bedeuten? Im Detail ist hier Folgendes zu sagen:

1. Zwei Geschwindigkeiten gleicher Richtung (hier: wξ und v) dürfen nicht einfach summiert werden.

2. Die beiden Geschwindigkeitskomponenten werden nicht in gleicher Weise transformiert.

3. Dass sich wx = dx /dt und wy = dy /dt vektoriell addieren (also nach dem Gesetz vom Parallelogramm der Geschwindigkeiten) versteht sich von selbst und wird von Einstein hier auch benutzt.

 
 


 


</noinclude>


Elektrodynamischer Teil

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§ 6. Transformation der Maxwell-Hertzschen Gleichungen für den leeren Raum ...

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Nun endlich kann sich Einstein seinem eigentlichen Anliegen zuwenden, das der ganzen Arbeit den Titel gegeben hat.


 

Vorab: (X Y Z) ist natürlich nicht der Vektor der elektrischen Kraft, sondern der der elektrischen Feldstärke, entsprechend ist (L M N) der Vektor der magnetischen Feldstärke.

Hier geht es um Folgendes: In einem Raumstück des Systems K sind ein örtlich und zeitlich veränderliches elektrisches Feld und ein ebensolches Magnetfeld vorhanden. Die Feldvektoren dieser Felder sind


 


 


Die örtlichen und zeitlichen Veränderungen der beiden Feldvektoren bedingen einander und bringen einander hervor. Die zwischen den Feldvektoren bestehenden Verknüpfungen werden durch die Maxwellschen Gleichungen beschrieben.

Die sechs oben stehenden Gleichungen sind die Komponentendarstellungen der ersten beiden Maxwellschen Gleichungen im heute veralteten »CGS-System« (Centimeter-Gramm-Sekunden-System):


 


V ist wieder die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit.

Im Internationalen Maßsystem (SI) lauten diese beiden Gleichungen:


 


Mit


 


und


 


sowie mit den Abkürzungen


 


ergeben sich die sechs oben stehenden Gleichungen.

Die nun vorzunehmende Transformation auf das System k erfolgt im Prinzip so, dass die partiellen Ableitungen nach x, y, z und t mit Hilfe der Transformationsgleichungen durch solche nach ξ, η, ζ und τ ersetzt werden. Bei der ersten Gleichung


 


geht das so:

Linke Seite:


 


Rechte Seite:


 


Dies in die Gleichung eingesetzt und diese geordnet, ergibt


 


Bei dieser (und ebenso bei der vierten) Gleichung ergibt sich eine Komplikation: die partielle Ableitung   muss eliminiert und durch partielle Ableitungen nach η und ξ ersetzt werden. (Der Grund dafür wird später erkennbar.) Dies geschieht wie folgt: Im Vakuum ist


 


also


 


Die linke Seite der Gleichung ist


 


Die rechte Seite ist:


 


Eingesetzt in (2):


 


Dieses wiederum in (1) eingesetzt ergibt nach einfachen Umformungen schließlich


 


Ganz analog erhält man die übrigen fünf Gleichungen:



 
 


Betrachten wir nun das vorliegende elektromagnetische Feld vom System k aus. Wie unsere Betrachtungen im Kapitel »Einleitung« gezeigt haben, müssen wir damit rechnen, dass das elektrische und das magnetische Feld in k andere Werte E' bzw. H' haben als in K, aber für diese anderen Werte müssen wegen der Gleichberechtigung der Systeme (oder: wegen des Relativitätsprinzips) die Maxwellschen Gleichungen unverändert gelten.


 


Einstein drückt das so aus:


 

Diese sechs Gleichungen beschreiben dasselbe elektromagnetische Feld wie die auf S. 907/908 dargestellten Gleichungen, nämlich das in k beobachtbare Feld. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass einmal (in den Gleichungen auf S. 907/908) dazu die Komponenten der Feldvektoren benutzt werden, wie sie in K vorhanden sind, beim anderen Mal die Komponenten der Feldvektoren in k. Also müssen die einander entsprechenden Gleichungen identisch sein oder sich nur durch einen Faktor ψ unterscheiden, der allen Gleichungen gemeinsam wäre. Dieser Faktor könnte eventuell von v abhängig sein, nicht aber von den Ortskoordinaten, da alle unsere Gleichungen ortsunabhängig sind. Wenn die entsprechenden Gleichungen bis auf einen Faktor identisch sind, müssen es auch die einander entsprechenden Terme sein. Also ist


 


Daraus folgt


 


Die bei der Integration auftretenden Konstanten stellen die Komponenten eines homogenen und zeitlich konstanten Feldes dar, das im System k dem elektromagnetischen Feld überlagert ist. Einem solchen Feld würde auch Im System K ein homogenes, konstantes Feld (wenn auch mit unterschiedlichen Feldstärken) entsprechen. Von einem solchen Feld aber haben wir von Anfang an abgesehen.

Aus

 


Andererseits liefert die inverse Transformation


 


woraus durch Vergleich folgt:


 



 
 

Hier ist zunächst fünfmal φ durch ψ zu ersetzen.

Die Interpretation sollte keine Probleme bereiten:

1. Die X-Komponente der elektrischen Feldstärke X hat in k und K denselben Wert.

2. Dasselbe gilt für die X-Komponente L der magnetischen Feldstärke.

3. Die Y-Komponente der elektrischen Feldstärke in k (Y' ) hängt außer von Y auch von N ab, also von der Y-Komponente der magnetischen Feldstärke in K. Selbst wenn in K kein elektrisches Feld existiert, kann in k eines vorhanden sein, nämlich dann, wenn es in K ein Magnetfeld gibt.

4. Analoges gilt für die Z-Komponente der elektrischen Feldstärke in K.

Und so weiter.

Die nachfolgende Interpretation Einsteins erübrigt sich weitgehend, wenn man die in den Gleichungen auftretenden (Feld-)Größen als das interpretiert, was sie sind, nämlich als die Komponenten der elektrischen und magnetischen Feldstärke, und nicht als die Komponenten der elektrischen und magnetischen Kräfte auf »Einheitspole«. Feldstärken sind nicht identisch mit Kräften auf Einheitspole, sondern sind »ladungsbezogene Kräfte«. Auch im CGS-System haben die beiden Größen verschiedene Dimensionen.


 
 

Einige Anmerkungen zum Text:

  • Eine Elektrizitätsmenge heißt schon seit langem eine elektrische Ladung; sie kann auch nicht von der Größe "eins" sein, sondern nur vom Zahlenwert "eins", denn eine Größe hat außer ihrem Zahlenwert auch noch eine Maßeinheit.
  • Im CGS-System ist die Einheit der elektrischen Ladung definiert als die punktförmige Ladung, die auf eine gleiche Ladung im Abstand 1 cm die Kraft 1 Dyn (= 10-5 Newton) ausübt.
  • »Nach dem Relativitätsprinzip ist diese elektrische Masse auch im bewegten System gemessen von der Größe "eins".« Die Begründung ist falsch. Das Relativitätsprinzip besagt lediglich, dass alle physikalischen Vorgänge (einschließlich der Ausbreitung des Lichts) in allen Inertialsystemen nach denselben Gesetzen ablaufen. Es besagt nicht, dass alle physikalischen Größen überall gleich sind. Sonst gäbe es keine Relativität der Masse und keine Relativität der Länge. - Nun erweist sich experimentell allerdings, dass die elektrische Ladung eines Körpers tatsächlich vom Bezugssystem unabhängig ist. (Sie ist eine »absolute Größe«.) Aber dies nicht wegen des Relativitätsprinzips, sondern aus einem anderen Grund, von dem ich nicht weiß, ob er überhaupt bekannt ist.
  • » ... so ist die auf sie wirkende, im bewegten System gemessene Kraft gleich dem Vektor (X', Y', Z' ).« Eine Kraft kann nicht gleich einer Feldstärke sein, allenfalls kann ihr Betrag gleich dem Betrag der Feldstärke sein.



  § 7. Dopplersches Prinzip und Aberration

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Der Vater des nach ihm benannten Prinzips heißt Doppler, nicht Doppeler.

»Elektrodynamische Wellen« heißen heute elektromagnetische Wellen.

Bei sehr großer Entfernung der Quelle von O sind die Wellen in der Umgebung von O praktisch eben, und als solche werden sie hier mathematisch dargestellt. Mit Vektorgleichungen können sie so beschrieben werden:



 


Φ ist der so genannte Phasenwinkel. Für eine ebene Welle kann er dargestellt werden als


 


wenn für t = 0 im Ursprung O Φ = 0 ist. ω ist die Kreisfrequenz der Welle (ω = 2 π f). In der folgenden Abbildung ist zur Vereinfachung angenommen, dass die Frontebenen der Welle (blaue Linien) auf der XY-Ebene senkrecht stehen.


 


Der Einheitsvektor der Wellennormalen ist n = (a   b   c) = (cos α   cos β   cos γ).

Der Betrag des Skalarprodukts r n = ax + by + cz ist gleich der Länge der senkrechten Projektion von r auf n, also gleich dem Abstand OA. Der Quotient


 


ist die Laufzeit der Welle von A nach O. (Im abgebildeten Fall ist diese negativ, da r und n einen stumpfen Winkel bilden, und der Punkt A von der Welle früher erreicht wird als O.



 
 


Dies bedarf wohl einer Erklärung. Zunächst ist sieben Mal Φ' durch Φ zu ersetzen, denn der Phasenwinkel der Welle im Punkt P ist eine »absolute« Größe, die nicht vom Bezugssystem abhängt. Er kann zwar zum Einen durch die Parameter ω, a, b, c und die Orts- und Zeitkoordinaten x, y, z, t in K, zum Anderen durch die entsprechenden Größen in k ausgedrückt werden, aber das rechtfertigt noch nicht zwei verschiedene Bezeichnungen für dieselbe Größe. Dies bestätigt auch die Durchführung der Rechnung. Ausgehend von


 


findet man mittels der Transformationsgleichungen für t, x, y und z zunächst:


 


und durch Ordnen


 


Wenn wir nun bedenken, dass im System k für Φ gelten muss


 


wobei ω' die Kreisfrequenz der Welle in k,

τ der betrachtete Zeitpunkt in k,

ξ, η, ζ die Koordinaten von P in k und

a' , b' , c' die Richtungskosinus der Wellennormalen in k sind, dann müssen wir – um die beiden Gleichungen vergleichen zu können - die Gleichung (3) zunächst umformen:


 


Jetzt ergibt ein Vergleich der einander entsprechenden Größen:


 


 


Den Inhalt dieses langen Satzes erklärt folgende Abbildung:


 

cos φ ist der »erste« Richtungskosinus, meist cos α genannt, und hier identisch mit der Größe a in den obigen Formeln.



 
 


Korrektur: Ersetze   durch -V.

Für φ = 0 bewegt sich das Licht nach rechts, parallel zur X-Achse. Wenn dann v < 0 ist, bewegt sich k dem Licht entgegen.


 


Zum 2. Absatz: Es muss heißen: "Nennt man φ' den Winkel zwischen Wellennormale (Strahlrichtung) im bewegten System und der Ξ-Achse, so ..."

Zum 4. Absatz: Es ist gleichgültig, ob man mit A die Amplitude des elektrischen oder die des magnetischen Feldvektors bezeichnet, weil diese im CGS-System bei einer elektromagnetischen Welle gleich sind.

Zu dem Ergebnis kommt man folgendermaßen:

Wir betrachten einen Lichtstrahl, der in der XY-Ebene verläuft und mit der X-Achse den Winkel φ bildet. Der Lichtstrahl sei linear polarisiert, und zwar so, dass der elektrische Feldvektor in der XY-Ebene, der magnetische Feldvektor parallel zur Z-Achse schwingt. Die Amplitude der elektrischen Feldstärke sei E0, die der magnetischen Feldstärke H0 = N0.


 


Im CGS-System ist die Amplitude des elektrischen Feldes gleich der des magnetischen Feldes: E0 = H0.

Wir zerlegen E0 in die Komponenten X0 und Y0. Es ist


 


und


 


Im relativ zu K mit der Geschwindigkeit v bewegten System k ist


 


oder


 


und somit


 


und schließlich

 


Dasselbe Ergebnis erhält man, wenn die Polarisationsrichtung der Welle um 90° gedreht ist. Bei beliebiger Polarisationsrichtung kann die Welle in zwei Teilwellen zerlegt werden, welche die oben behandelten Polarisationsrichtungen haben. Das Ergebnis gilt also ganz allgemein.


Zum letzten Absatz ist anzumerken, dass hier wieder v = - V zu setzen ist.



§ 8. Transformation der Energie der Lichtstrahlen. Theorie des Strahlungsdrucks

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Bezeichnungen wie »Lichtenergie pro Volumeneinheit« gelten heute als unkorrekt und wurden durch »Energiedichte« ersetzt. Im zweiten Halbsatz ist der Begriff »Lichtenergie« schlicht falsch.

Mit einem »Lichtkomplex« meint Einstein die in einem bestimmten Volumen – zum Beispiel in einer Kugel – vorhandenen Lichtwellen.

Aus der allgemeinen Kugelgleichung entsteht durch Anwendung der inversen Transformationsgleichungen auf die Koordinaten x, y, z und t die Gleichung eines mit Lichtgeschwindigkeit bewegten Ellipsoids. Einstein macht von diesem Ellipsoid zur Zeit τ = 0 eine Momentaufnahme. So entsteht die zweite Gleichung. Das Volumen dieses Ellipsoids finden wir durch eine Integration:

Für ξ = 0 erhält man die Gleichung des Kreises, in dem das Ellipsoid die ΗΖ-Ebene (Eta-Zeta-Ebene) schneidet:


 


Für einen beliebigen Wert von ξ erhält man den Schnittkreis des Ellipsoids mit der Ebene ξ = konst. Für dessen Radius r gilt:


 


Der Radius r wird null in dem am weitesten links bzw. rechts gelegenen Punkt des Ellipsoids. Für diese Punkte gilt daher:


 


Damit ergibt sich das Volumen des Ellipsoids:



 


 
 
 

Zur Erläuterung:

Die mittlere Energiedichte des Wellenfeldes im CGS-System ist (s. S. 913)


 


wobei A die Amplitude des elektrischen (oder magnetischen) Feldvektors ist. Vom System K aus gesehen beträgt die Horizontalkomponente der Geschwindigkeit der Welle gegenüber dem Spiegel


 


Das in der Zeit t auf die Spiegelfläche a treffende Lichtenergie ist demnach


 


die flächen- und zeitbezogene Energie ist


 


Anmerkung: Innerhalb des Textes muss dieser Ausdruck exakter Weise mit zwei Klammern geschrieben werden: (A2/8 π)(V cos φv).

Für die reflektierte flächen- und zeitbezogene Energie gilt entsprechend


 


Die Differenz ist die auf den Spiegel übertragene flächen- und zeitbezogene Energie:


 


wobei P die Leistung und P / a die flächenbezogene Leistung dieses Vorgangs ist. Nun ist


 


wobei F der Betrag der auf den Spiegel ausgeübte Kraft und F / a = p der ausgeübte Druck ist.


Durch Ausführung der Transformationen findet man


 


und durch Vergleich schließlich das angegebene Ergebnis, wobei P durch p zu ersetzen ist.


 

 



§ 9. Transformation der Maxwellschen Gleichungen mit Berücksichtigung der Konvektionsströme

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In dem betrachteten Raumstück sei keine Materie (Dielektrikum) vorhanden, jedoch bewegte elektrische Ladungen, die kontinuierlich (aber nicht notwendig gleichmäßig) im Raum verteilt seien. Diese Raumladungen mit der Raumladungsdichte


 


bewirken zweierlei:

1. Sie sind Quellen eines elektrischen Feldes, für das (im CGS-System) gilt:


 


2. sie stellen wegen ihrer Geschwindigkeit u elektrische Ströme im Raum (»Konvektionsströme«) dar. Für die Stromdichte j gilt:


 


Damit lautet die 1. Maxwellsche Gleichung (mit der Vakuumlichtgeschwindigkeit c = V):


 


Um den lästigen Faktor 4π loszuwerden, ersetzt Einstein 4π ρ durch ρ(das nunmehr das 4 π-fache der Raumladungsdichte bedeutet) und schreibt das 1. Maxwelsche Gesetz in der Komponentendarstellung wie unten angegeben. Das 2. Maxwellsche Gesetz bleibt unverändert.


 


Nach dem Absatz »Transformiert man diese Gleichungen (...) so erhält man die Gleichungen:« klafft offensichtlich eine Lücke im Text: Es fehlen nämlich die angekündigten transformierten Gleichungen, von denen die ersten drei lauten:


 


 


 


Ferner fehlt dem Sinn nach folgender Text:

Nach dem Relativitätsprinzip müssen die Maxwellschen Gleichungen im System k genau so lauten wie in K, also:


 


oder in Komponenten ausgedrückt (und nun müssten die im Text angeführten Gleichungen folgen):


 

Die Transformation soll hier am Beispiel der ersten Gleichung skizziert werden, wobei ich zur Abkürzung auf den Rechengang im § 6 verweise. Zunächst werden die partiellen Ableitungen nach t, y und z wieder durch solche nach &xi, η und ζ ersetzt. Dadurch erhält man zunächst:


 


Zur Eliminierung von   transformieren wir zunächst



 


und setzen dies in die Divergenzgleichung


 


ein. Das ergibt


 


woraus folgt

 


In Gleichung (5) eingesetzt ergibt:


 



 



 


und nach Multiplikation mit β:


 



 


Ein Vergleich der transformierten Gleichungen mit denen, die durch Anwendung des Relativitätsprinzips gewonnen wurden, ergibt dann neben den aus § 6 schon bekannten Beziehungen zwischen den Feldstärken in beiden Systemen die wichtigen Gleichungen


 


die nichts anderes sind als die Additionstheoreme der Geschwindigkeit. Ferner erhalten wir eine Aussage über die Transformation der Raumladungsdichte


 


 


Dieser "wichtige Satz" ist allerdings reichlich trivial. Aber ein anderer, wirklich wichtiger Satz kann hier bewiesen werden: Die elektrische Ladung eines Körpers hat für alle Beobachter – unabhängig von deren Relativgeschwindigkeit zur Ladung – dieselbe Größe. (Diese Tatsache glaubte Einstein früher ohne weiteren Beweis aus dem Relativitätsprinzip ableiten zu können. Siehe dazu § 6.) Den Beweis kann man so führen: Im System K ruhe eine Kugel vom Radius r. Sie umschließe eine elektrische Ladung mit der konstanten Raumladungsdichte ρ. Ihre Ladung ist dann


 


Für einen Beobachter in k mit der Relativgeschwindigkeit v ist diese Kugel ein Rotationsellipsoid, dessen in Bewegungsrichtung liegend Halbachse die Länge


 


(c = Vakuumlichtgeschwindigkeit)

hat. Sie besitzt daher für den Beobachter in k das Volumen


 



Die Raumladungsdichte der elektrischen Ladung für diesen Beobachter ist (mit ux = 0)


 


Die Ladung der Kugel ist daher


 



  § 10. Dynamik des (langsam beschleunigten) Elektrons

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Hier sind Einstein Formulierungen uns doch sehr fremd und wegen der inzwischen erfolgten Präzisierung der mathematisch-physikalischen Begriffe antiquiert. Erste und zweite Ableitungen, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen sind Größen, die einem bestimmten Punkt bzw. Zeitpunkt zugeordnet sind, nicht einem Zeitintervall, auch nicht »dem nächsten Zeitteilchen«. Auch spricht Einstein von einer »Zeitepoche«, wenn er das meint, was wir heute einen Zeitpunkt nennen.

Im Übrigen kann man diesen Teil des Textes ohne Schaden einfach weglassen und gleich mit dem nächsten Absatz beginnen:

 

ein,

 



Hier geht es um Folgendes: Zur Zeit τ = 0 ruhe ein Elektron im Ursprung des Systems k. Dann bewegt es sich für einen Beobachter in K mit der Geschwindigkeit v nach rechts.

Nach dem dynamischen Grundgesetz »Masse x Beschleunigung = Kraft« lauten die Bewegungsgleichungen des Elektrons im System k:


 


wenn in O' ein elektrisches Feld mit den Komponenten X' , Y' , Z'   vorhanden ist.

Diese Gleichungen werden nun in das System K transformiert.

Leider verrät uns Einstein wieder einmal nicht, wie er zu dem Ergebnis kommt. Um dies zu erkennen, müssen wir untersuchen, wie Beschleunigungen von einem System ins andere transformiert werden. Dazu betrachten wir einen Punkt, der zur Zeit t =τ = 0 im Ursprung O' des Systems k ruht. Dieser Punkt erfahre bezüglich k die Beschleunigungen aξ und aη. Wie groß sind dann seine Beschleunigungen ax und. ay bezüglich des Systems K?

1. Aus dem Additionstheorem für Geschwindigkeiten


 


folgt


 


und mit wξ = 0


 


2. Wegen wξ = 0 ist


 


und schließlich


 


Analoges gilt für die Beschleunigungen in Richtung der Z-Achse.

Dass die beiden Transformationsgleichungen sich unterscheiden, leuchtet unmittelbar ein. Die »transversale Beschleunigung« des Punktes (das ist die Beschleunigung senkrecht zur Bewegungsrichtung) ist im System K kleiner als in k, weil die Uhr des Beobachters in K schneller geht als die in k ruhende Uhr. Wegen der zweimaligen Differentiation tritt der Faktor 1 / β zweimal auf. Dasselbe gilt auch für die »longitudinale Beschleunigung« (das ist die Beschleunigung in Bewegungsrichtung), jedoch tritt hier der Faktor noch ein drittes Mal auf, weil die Geschwindigkeit des Punktes in K wegen der relativistischen Addition der Geschwindigkeiten langsamer wächst als in k.


In der Schreibweise Einsteins ist also


 


Transformiert man auch die Feldstärken nach den angegebenen Gleichungen, so erhält man die Gleichungen auf S. 919:


 


Die Elektronenladung ε wird als konstant angenommen, was durch frühere Betrachtungen begründet ist.

Für die Masse existieren noch keine Transformationsformeln; diese sollen ja gerade aus den gegenwärtigen Gleichungen gewonnen werden.


 
 


Hier geschieht etwas einigermaßen Ungewöhnliches: Einstein verwendet in ein und derselben Bewegungsgleichung links Größen, die im System K gemessen werden, und rechts solche, die im System k gemessen werden. Er setzt nämlich das Produkt Masse mal Beschleunigung – gemessen in K – gleich der Kraft, welche in k gemessen wird. Sehr wohl war ihm dabei offenbar nicht, denn weiter unten schreibt er: »Natürlich würde man bei anderer Definition der Kraft und der Beschleunigung andere Zahlen für die Massen erhalten ...« ( Dabei ist auch das nicht richtig formuliert: Es geht hier nicht um die Definition der Kraft und schon gar nicht um die Definition der Beschleunigung – die Begriffe sind längst definiert -, sondern darum, welche Werte man für die Kraft einsetzt.)

Doch damit nicht genug. Einstein interpretiert den jeweils bei der Beschleunigung stehenden Faktor μ β3 bzw. μ β2 als Masse des Elektrons, gemessen in K, und beruft sich dabei auf das dynamische Grundgesetzt, das – richtig zitiert – Kraft = Masse x Beschleunigung lautet. Nun gilt aber dieses Grundgesetz nur bei konstanter Masse, und diese Bedingung ist hier gerade nicht erfüllt. Wenn die Masse sich ändert, lautet das dynamische Grundgesetzt nämlich


 

wobei p der Impuls des Körpers ist. Der letzte Term ist das Produkt aus Masse und Beschleunigung, dazu aber tritt nun noch ein Term, der die Massenveränderung berücksichtigt. Da die Masse des Körpers mit der Geschwindigkeit zunimmt, fällt die Beschleunigung bei gleicher Kraft kleiner aus.

Einstein fragt dann nach der longitudinalen und der transversalen Masse des Körpers.

Historisches:
Bereits 1881 hatte Joseph John Thomson festgestellt, dass das elektrostatische Feld zur Masse eines Körpers beiträgt und von seiner Geschwindigkeit abhängig ist. Diese sogenannte "elektromagnetische" oder "scheinbare" Masse ergab sich mit:
 

wo   die elektromagnetische Energie und c die Lichtgeschwindigkeit ist. Dieses Konzept wurde vor allem von Hendrik Antoon Lorentz weiterentwickelt. Lorentz erkannte nämlich, dass das Michelson-Morley-Experiment gemäß seiner Theorie trotz der Längenkontraktion zu einem positiven Resultat führen müsste, wenn die Strahlen durch ein festes Medium hindurchgehen würden. Dies konnte nur dadurch vermieden werden, wenn die Masse abhängig von der Geschwindigkeit im Äther war. Unter Benutzung der newtonschen Kraftdefinition F=ma leitete Lorentz 1899 und allgemeiner 1904 folgende Werte für die longitudinale Masse in Bewegungsrichtung ( ) und die transversale Masse senkrecht dazu ( ) ab:

  und  

wo   die Masse eines ruhenden Körpers darstellt und gewöhnlich mit der elektromagnetischen Masse =   gleichgesetzt wurde. Lorentz fügte jedoch hinzu, dass dieser Zusammenhang für alle Massen gültig sein müsse, auch wenn diese nicht elektromagnetischen Ursprungs sind. Parallel zu Lorentz hatte auch Max Abrahams (1902, 1903) eine Elektronentheorie entwickelt, mit jedoch stark von Lorentz abweichenden Formeln für die longitudinale und transversale Masse.
Walter Kaufmann überprüfte nun in einer Reihe von Messungen (von 1901 bis 1903) die transversale Masse von Kathodenstrahlen und fand (nach Korrektur eines Rechenfehlers) eine angeblich gute Übereinstimmung mit der Theorie Abrahams. Jedoch 1904 konnte Lorentz zeigen, dass auch seine Theorie mit den Kaufmannschen Daten übereinstimmte, sodass Kaufmann 1905 eine Reihe neuer Messungen vornahm (dazu weiter unten mehr).

Einstein waren zu diesem Zeitpunkt (nach eigenen Aussagen) die entsprechenden Arbeiten von Lorentz (1899, 1904) nicht bekannt, wofür auch die Tatsache spricht, dass Einstein (wie im folgenden geschildert wird) einen falschen Ausdruck für die transversale Masse benutzte, wogegen der ältere Wert von Lorentz korrekt war. Die Terminologie "longitudinale" und "transversale" Masse dürfte Einstein aus einigen Arbeiten Abrahams in den Annalen der Physik übernommen haben.

Das Elektron bei longitudinaler Beschleunigung verhält sich so, als hätte es die Masse μ x β3, und dieses Ergebnis ist sogar richtig, weil X = X' ist. Das heißt, die longitudinale Feldstärke ist in beiden Systemen dieselbe und damit auch die Kraft auf das Elektron. (Einsteins oben beschriebener Fehler hat hier also keine Auswirkung.) Falsch ist und bleibt nur die Vorstellung, das Elektron hätte longitudinal eine andere Masse als transversal. (Ich komme später darauf zurück.)

Dagegen ist der von Einstein berechnete Wert der transversalen Masse falsch.

Der Fehler rührt – wie schon gesagt - daher, dass Einstein als Kraft die in k wirkende Kraft einsetzt, anstatt der in K wirkenden:

 

und der Quotient aus Kraft und Beschleunigung, also die Masse des Elektrons, ist


 


Hier darf nämlich das dynamische Grundgesetz in seiner verkürzten Form benutzt werden, weil sich nämlich die Geschwindigkeit des Elektrons und damit auch seine Masse bei transversaler Beschleunigung zunächst (das heißt zum betrachteten Zeitpunkt t = τ = 0) nicht ändert. Erst wenn das Elektron eine von 0 verschiedene Transversalgeschwindigkeit erlangt hat, wirkt sich eine weitere Beschleunigung auch auf die Gesamtgeschwindigkeit des Elektrons aus.


Die transversale Masse des Elektrons (allgemein: eines Körpers) ist nun seine tatsächliche, mit der Geschwindigkeit veränderliche Masse. Sie äußert sich unmittelbar bei Beschleunigung des Körpers quer zu seiner Bewegungsrichtung.

Und was hat es mit der longitudinalen Masse auf sich? Nach dem dynamischen Grundgesetz (dem 1. Newtonschen Axiom) ist Kraft = Masse mal Beschleunigung. Bestimmt man danach die Masse des Elektrons wie oben als Quotient von Kraft und Beschleunigung, so erhält man (bei Beschleunigung in Bewegungsrichtung) den oben angegebenen Wert. Aber: Das dynamische Grundgesetz in der angegebenen Form gilt nur, wenn die Masse des Körpers konstant ist. Ist sie das nicht, so gilt das allgemeinere Gesetz: Kraft = Änderungsgeschwindigkeit des Impulses:

 


Setzt man in diese Gleichung die relativistische Masse


 


ein, so ergibt sich mit


 


schließlich


 


und


 


Das bedeutet: Betrachtet man den Quotienten aus Kraft und Beschleunigung in hier nicht erlaubter Weise als die Masse des Körpers, so erhält man tatsächlich den als longitudinale Masse bezeichneten Wert.


Zusammenfassung:

Ein Körper mit der »Ruhemasse« μ (das ist die Masse, die er für einen relativ zu ihm ruhenden Beobachter besitzt) hat für einen relativ zu ihm mit der Geschwindigkeit v bewegten Beobachter die Masse


 


Wirkt auf den Körper senkrecht zur Bewegungsrichtung die Kraft F ein (gemessen im System des Beobachters), so gilt


 


weil in diesem Fall wegen m = konst. das dynamische Grundgesetz in seiner verkürzten Form angewendet werden kann.

Wirkt dagegen auf den Körper eine Kraft in Bewegungsrichtung ein, so gilt


 


Für die erzielte Beschleunigung gilt dann


 


Wie man sieht, ist die Beschleunigung kleiner als im ersten Fall, aber nicht darum, weil die Masse des Körpers größer wäre, sondern weil ein Teil der Kraft zur Vergrößerung der Masse gebraucht wird.



 
 

Ein ponderabler (d. h. wägbarer) materieller Punkt ist ein Massenpunkt.

Mit dem Integranden nimmt Einstein folgende Umformungen vor:


 


Nach der Substitution


 


ist die Integration einfach. Das Ergebnis lässt sich dann wie folgt umformen:


 


wobei m die Masse des Körpers bei der Geschwindigkeit v und Δm seine Massenzunahme mμ bedeuten.

Wie man sieht, war Einstein hier schon ganz nahe daran, die Trägheit der Energie zu entdecken – wenn er nur den relativistischen Ausdruck für die Masse identifiziert, also zuvor die »transversale Masse« richtig berechnet hätte. So aber vergingen noch einige Monate, bis Einstein diese Entdeckung auf ganz anderem Wege machen dann konnte (Einstein, Ist die Trägheit eines Körpers von seinem Energieinhalt abhängig?, Annalen der Physik, Jg. 18, 1905, S. 639 ff.).


Zum selben Ergebnis gelangt man, wenn man vom vollständigen dynamischen Grundgesetz ausgeht und dann die richtige Masse einsetzt:


 


 


Setzt man nun


 


so kommt man nach einigen Umrechnungen auf dasselbe Integral wie oben.

Wenn man die Integrale über die beiden Summanden getrennt berechnet, erfährt man, welcher Anteil der aufgewendeten Energie zur Steigerung der Geschwindigkeit und damit zu Erhöhung der kinetischen Energie im ursprünglichen Sinn führt (Integral über den 2. Summanden. - Diese Energie ist natürlich auch träge und trägt zur gesamten Massensteigerung bei.) Mit der Steigerung der Geschwindigkeit ist aber auch eine relativistische Massenzunahme verbunden; ihre Energie gibt das Integral über den 1. Summanden an.


 
 
Historisches:
Wie oben geschildert begann Kaufmann 1905 erneut, die transversale Masse der Kathodenstrahlen zu messen. Inzwischen war auch Einsteins Arbeit erschienen und Kaufmann erkannte, dass trotz völlig unterschiedlicher Voraussetzungen die Mathematik und somit die experimentellen Vorhersagen der Theorien von Lorentz und Einstein äquivalent sind. Er merkte an, dass bei korrekter Rechnung sich auch nach Einsteins Theorie die selbe transversale Masse wie bei Lorentz ergibt. Deshalb bezeichnete er das "Relativitätsprinzip" als die "Lorentz-Einsteinsche" Grundannahme. Kaufmann glaubte nun, die Theorien von Lorentz und Einstein widerlegt, und die Theorie Abrahams bewiesen zu haben. Doch zeigten später angefertigte Analysen diverse Fehler in Kaufmanns Messmethoden auf, und spätere Messungen durch Alfred Bucherer (1908) und anderen bestätigten die Lorentz-Einsteinsche Formel für die relativistische (transversale) Masse. (In modernen Teilchenbeschleunigern ist die Bestätigung der Vorhersagen der Relativitätstheorie bereits Routine).
Während anfangs noch der Begriff "Lorentz-Einstein-Theorie" benutzt wurde, erkannten immer mehr Forscher den fundamentalen konzeptionellen Unterschied zwischen der Lorentzschen Äthertheorie und der Einsteinschen Relativitätstheorie, sodass die Relativitätstheorie - elegant reformuliert durch Hermann Minkowski als vierdimensionaler Raumzeitformalismus - sich in der Fachwelt immer mehr durchzusetzen begann.

Für ausführlichere Quellenangaben siehe Geschichte der speziellen Relativitätstheorie

  • Miller, A.I.: Albert Einstein’s special theory of relativity. Emergence (1905) and early interpretation (1905–1911). Addison–Wesley, Reading 1981, ISBN 0-201-04679-2.
  • Das Relativitätsprinzip und seine Ableitung wurde ausführlich diskutiert im Briefwechsel zwischen Hendrik Antoon Lorentz und Emil Wiechert, siehe: Wilfried Schroeder, Hendrik A. Lorentz und Emil Wiechert. Arch. hist. ex. sci., 1984.




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