Öffentliches Recht/ Assex/ Hessen/ Verwaltungsverfahren

Das Verwaltungsverfahren Bearbeiten

Was das Verwaltungsverfahren ist, steht in § 9 HVwVfG legaldefiniert:

"Das Verwaltungsverfahren [...] ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist; es schließt den Erlass des Verwaltungsaktes oder den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags ein."

Die Kriterien sind demnach

  1. nach außen wirkend (also nicht: interne Weisungen),
  2. auf den Erlass eines Verwaltungsaktes oder
  3. den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet.


Nicht hierunter fallen also bloße Kaufgeschäfte (Klassiker: Die Abteilung Beschaffung der Stadt kauft 50.000 Blatt Papier oder ein Dienstfahrrad für den Werksleiter des Kommunalen Entsorgungsbetriebs. Das ist ein normaler privatrechtlicher Vertrag.).

Nicht-förmliches Verfahren (formloses Verfahren) Bearbeiten

Das "NF-Verfahren" ist der Regelfall. Es erklärt sich am besten im Kontrast zu den anderen Verfahren:

Förmliches Verfahren Bearbeiten

Das förmliche Verfahren richtet sich nach §§ 63 ff. HVwVfG. Es gelten dort besondere Verfahrensvorschriften. Diese sind z.B.:

  • Aussagen von Zeugen, Sachverständigen, Gutachtern
  • Mündliche Verhandlung bei der Behörde
  • Wegfall des Widerspruchsverfahrens (§ 70 HVwVfG)

Man kann sich das Förmliche Verfahren wie eine Gerichtsverhandlung in der Behörde vorstellen. Es gelten diverse Vorschriften der ZPO und VwGO. Die Behörde leitet das Verfahren als sei sie das Gericht. Das Förmliche Verfahren findet nur statt, wenn es durch Gesetz angeordnet wird.

Planfeststellung Bearbeiten

Das Planfestellungsverfahren (PFV) ist ebenfalls ein förmliches Verfahren, das noch stärker formalisiert ist als das Förmliche Verfahren. Es wird in der Regel bei übergeordneten raumbedeutsamen Fachplanungen durchgeführt (i.d.R. Großprojekte im Verkehrs- oder Industrie-Bereich).

Unanwendbarkeit nach § 2 HVwVfG Bearbeiten

Der Hessische Gesetzgeber hat die Anwendbarkeit negativ normiert: das HVwVfG gilt für jede Tätigkeit der Hessischen Verwaltung außer bei

  • Tätigkeiten der Kirchen, der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sowie ihrer Verbände und Einrichtungen
  • Tätigkeit des Hessischen Rundfunks.
  • Fiskalverwaltung ("Verwaltungsverfahren, in denen Rechtsvorschriften der Abgabenordnung anzuwenden sind),
  • die Strafverfolgung (da gilt natürlich die StPO),
  • in OWi-Sachen,
  • die Rechtshilfe-Sachen in Straf- und Zivilsachen
  • unbeschadet des § 80 Abs. 4 HVwVfG für Maßnahmen des Richterdienstrechts (dort gilt aber § 80 Abs. 4 HVwVfG; Ausnahme-von-Ausnahme)
  • Verfahren nach dem Sozialgesetzbuch,
  • das Recht des Lastenausgleichs,
  • das Recht der Wiedergutmachung,
  • die Berufung von Hochschullehrern.

Achtung - Einmal kurz lesen und drüber nachdenken:

Das HVwVfg enthält weiter die folgenden Ausnahmen (§ 2 III)...

Für die Tätigkeit

1. der Gerichtsverwaltungen und der Behörden der Justizverwaltung einschließlich der ihrer Aufsicht unterliegenden Körperschaften des öffentlichen Rechts gilt dieses Gesetz nur, soweit die Tätigkeit der Nachprüfung im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterliegt,

2. [...]

3. der Schulen gelten nur die §§ 3a bis 13, 20 bis 52, 79, 80 und 95. § 20 Abs. 1 Nr. 2 findet keine Anwendung auf Schulleiter und Lehrer, wenn ein von ihnen unterrichteter Schüler Beteiligter ist. Die §§ 28 und 39 gelten nur, soweit die Entscheidung nicht auf einer Leistungs- oder Eignungsbeurteilung beruht.

Grundsätze Bearbeiten

Verwaltungsverfahren fangen nicht von allein an, sondern bedürfen entweder

  • eines Antrags an die Behörde oder
  • der Entscheidung, ein Verfahren einzuleiten (nach pflichtgemäßem Ermessen - der Beamte denkt: "Da müsste ich jetzt mal tätig werden ...)

Anhörung (§ 28 I HVwVfG) Bearbeiten

Vor Erlass eines belastenden VAs ist der Bürger anzuhören - dies ist ein Ausdruck der Gewährung des rechtlichen Gehörs. Vor Erlass eines begünstigenden VAs bedarf es einer Anhörung nicht (str, so aber BVerwG).

Akteneinsicht (§ 29 I HVwVfG) Bearbeiten

Zur Anhörung gehört ein Recht auf Akteneinsicht, falls dies zur wirkungsvollen Ausübung des Anhörungsrechts notwendig ist.

Auskunftsrecht (§ 25 HVwVfG) Bearbeiten

Die Beteiligten haben das uneingeschränkte Recht auf Erteilung aller Auskünfte, die zur effektiven Rechtswahrnehmung erforderlich sind.

Arten des VAs Bearbeiten

Die Einteilung in belastende und begünstigende VAs ist oft ausreichend, um die Rechtsfrage zu klären, sie ist jedoch unvollständig. Es gibt:

  • Vorläufige VAs ("VA mit Verfallsdatum" - siehe: § 43 II HVwVfG)
  • Mitwirkungsbedürftige VAs (die Rechtmäßigkeit bedarf der Mitwirkung)
  • Baugenehmigung
  • Einbürgerung
  • Gebundene VAs (auch: "Anspruchs-VA" - Wenn die Voraussetzungen vorliegen, ist ein best. VA zu erlassen.)
  • § 4 GastG ("Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn ...")
  • § 7 PassG ("Der Pass ist zu versagen, wenn ...)
  • Ermessens-VAs (auf der Rechtsfolgenseite besteht ein Ermessen)
  • § 8 PassG ("Ein Pass [...] kann dem Inhaber entzogen werden, wenn ...)
  • Dingliche VAs (examensrelevant; regelt die rechtliche Eigenschaft oder den rechtlichen Zustand einer Sache)
  • Widmung (sehr relevant!)
  • VAs mit Dritt- oder Doppelwirkung (wirken sich auf einen Dritten belastend aus)
  • Baugenehmigung
  • VAs mit Mischwirkung (gleichzeitig begünstigend und belastend)
  • Fahrerlaubnis (= beg.) mit dem Zusatz "Muss Sehhilfe tragen" (= bel.)

Der öffentlich-rechtliche Vertrag Bearbeiten

Achtung: das steht nur im Kopp/Ramsauer VwVfG, der aber kein zulässiges Hilfsmittel ist. Daher ausnahmsweise: merken!

Der öffentlich-rechtliche Vertrag ist in §§ 54 ff. VwVfG geregelt und erfreut sich in der Praxis wachsender Beliebtheit. Bisweilen ist die Abgrenzung zwischen einem ö-r Vertrag und einem zivilrechtlichen Vertrag schwierig (und Klausurleistung).

Beiden gemeinsam ist, dass sie durch zwei (inhaltlich) übereinstimmende Willenserklärungen zu Stande kommen. Der ö-r Vertrag hat darüber hinaus die Voraussetzung, dass

  1. eine Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen wird
  2. ein Rechtsverhältnis begründet, modifiziert oder beendet wird (ja, man kann einen bestandskräftigen VA (= Rechtsverhältnis) wegverhandeln)!

Die ö-r Verträge unterscheiden sich weiter in koordinationsrechtliche und subordinationsrechltiche Verträge. Für beide gilt * Schriftform (sonst: nichtig gem. 59 I HVwVfG, 125 BGB).

Die korrdinationsrechtlichen Verträge werden zwischen mehreren Trägern der öffentlichen Verwaltung auf gleichgeordneter Ebene geschlossen. Bsp: die Nachbargemeinden Niestetal und Kaufungen schließen einen Vertrag zur gemeinsamen Errichtung einer Kläranlage oder die Stadt Kassel vereinbart mit dem Landkreis Kassel, dass der Landkreis Kassel bestimmte Flächen, die der Stadt gehören, zum Einstellen von Fahrzeugen nutzen darf. Diese Art von Verträgen ist nicht sonderlich examensrelevant, weil sie keine Besonderheiten bereit hält.

Die subordinationsrechtlichen Verträge kommen zwischen einem Träger der öffentlichen Gewalt und einem Rechtssubjekt zu Stande, an das die dieser Träger der öffentlichen Gewalt auch einen VA (an Stelle des Vertrages) richten könnte. Hierunter fallen also theoretisch auch Verträge zwischen Gemeinde und Kommunalaufsicht über Selbstverwaltungsangelegenheiten. Der Begriff "Subordination" erwähnt schon das Unterordnungsverhältnis (Merkhilfe). Für diesen Vertragstyp (und nicht für den koordinationsrechtlichen Vertrag) gelten bestimmte (bürgerschützende) Vorschriften (z.B. §§ 55, 56 ,58 II, 59 II,61 I HVwVfG)


Der "hinkende" Austauschvertrag Bearbeiten

Der hinkende Austauschvertrag ist ein Vertrag, der nur die Hauptleistungspflicht des einen Teils regelt (z.B.: der Bürger zahlt 5.000 € oder errichtet einen Spielplatz). Daneben besteht die (begründete) Erwartung, dass die Behörde ihrerseits eine bestimmte Situation schaffen werde (z.B. einen VA oder eine Satzung erlassen, einen B-Plan aufstellen, einen Realakt vornehmen). Diese findet sich in der Verpflichtung aber nicht (ganz einleuchtend, weil sich z.B. der Magistrat nicht zum Erlass einer Satzung verpflichten darf, denn eine solche Satzung muss die Stadtverordnetenversammlung erlassen, und daher geht es über die Kompetenz des Magistrats hinaus). Da ihm sozusagen das zweite Bein fehlt, "hinkt" er.

Das Ganze ist so ähnlich (nur ähnlich!) wie der Wegfall der Geschäftsgrundlage oder die Zweckverfehlungskondktion. Wenn man in der Klausur sieht, dass es da was gibt, was offensichtlich Voraussetzung für die Verpflichtung war, dann könnte es sich um einen "hinkenden" Austauschvertrag handeln.

Die Folge ist, dass § 54 auch auf diese Verträge und nicht nur auf die gegenseitigen ö-r Verträge anwendbar ist.

Ö-r Verträge im Abgabenrecht Bearbeiten

Das Abgabenrecht (soweit es nicht sowieso durch § 3 HVwVfG ausgeschlossen ist), kennt ein ungeschriebenes Vertragsverbot für die Steuerfestsetzung. Ein Vertrag, der die Steuerlast vertraglich regelt, ist in Deutschland (anders als in anderen europäischen Ländern) nicht möglich! Im Übrigen ist die Anwendbarkeit der §§ 54 ff. im Steuerrecht sehr umstritten (aber nicht examensrelevant).

Im Bereich der Gebühren, Beiträge und kommunalen Steuern gilt dieses Vertragsverbot nicht (BVerwG in DÖV 1980, 48).

Ö-r Verträge im Beamtenrecht Bearbeiten

Unzulässig sind

  • Laufbahnverträge
  • Besoldungsgruppenverträge
  • Zusatzleistungsverträge

Zulässig sind

  • Kostenübernahmen (z.B. Ausbildung, Lehrgänge, Umzugskosten)
  • Verpflichtung zum späteren Eintritt in den Öffentlichen Dienst gegen teilweise Übernahme der Ausbildungskosten.

Baurechtliche Verträge Bearbeiten

Hier sind die allermeisten Verträge zulässig. Zulässig sind insbesondere Erschließungsverträge (Achtung: Umwälzungsgrenze 90 %, 129 I BauGB) und Stellplatzverträge (Schaffung von Parkraum durch private i.R. eines Bauvorhabens).

Unzulässig sind: Verträge, in denen sich die Gemeinde zur Aufstellung, Änderung etc. eines B-Plans verpflichtet (§ 1 III BauGB). Dann kann es zu den oben genannten "hinkenden Verträgen" kommen.

Vollstreckung aus einem ö-r Vertrag Bearbeiten

Vollstreckbar sind gem. § 2 HVwVG unanfechtbare VAs und VAs, bei denen die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet wurde (die Verwaltungs vollstreckt ohne Gerichtsvollzieher durch Vollziehungsbeamte, § 6 HVwVfG). Will die Behörde aus einem ö-r Vertrag vollstrecken, muss sie sich (ganz wie im Zivilrecht) einen Titel nach § 168 VwGO holen (allgem. Leistungsklage) - weiter geht's dann über § 169 VwGO im HVwVG. Dies lässt sich aber abkürzen, indem man die sofortige Unterwerfung in die Zwangsvollstreckung vereinbart. Hieraus wird (wie im zivilrechtlichen Zwangsvollstreckungsrecht) dann ein Titel im Sinne des VwVG. Aber Vorsicht: hierfür gibt es besondere Vertretungsvoraussetzungen, deren Nichteinhaltung zur Nichtigkeit des Titels (nicht aber des Vertrages an sich) führen.