Verwaltungsrecht in der Klausur/ Die Fälle / Fall 2


§ 2 Übungsfälle zur Anfechtungsklage

Fall 2: Anfechtungsklage bei Nebenbestimmungen

Autorin der Ursprungsfassung ist Isabel Leinenbach

Dieser Fall ist unter der Creative-Commons-Lizenz BY-SA 4.0 offen lizenziert.


48 Lernziele/Schwerpunkte: Anfechtungsklage, Nebenbestimmungen, Auflage, Baugenehmigung, Ermessen, Verhältnismäßigkeit

Sachverhalt

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49 Der Parkettverleger Herbert Holzmann (H) betreibt seit einigen Jahren einen im Saarland allseits bekannten, gut laufenden Handwerksbetrieb. Nachdem er bereits eine Niederlassung im saarländischen Saardorf unterhält, möchte er aufgrund des florierenden Geschäfts expandieren. Zu diesem Zweck erwirbt er ein unbebautes Grundstück in einem Saarbrücker Industriegebiet, auf dem er eine Lagerhalle sowie einen kleinen Verkaufsraum errichten will. Auf dem angrenzenden Nachbargrundstück des Martin Murano (M) befindet sich eine Glasmanufaktur, in der in circa 1500 Grad heißen Öfen die tollsten Glaskunstwerke hergestellt werden.

Die zuständige untere Bauaufsichtsbehörde der Stadt Saarbrücken erteilt H antragsgemäß die Baugenehmigung für die Halle samt Verkaufsraum, die jedoch mit folgendem „Zusatz“ versehen ist:

„An der Grenze zum Grundstück Flur Nr. [… Grundstück des M] ist eine gradlinige Feuerwehrzufahrt zur Rückseite des Gebäudes zu schaffen. Diese muss gepflastert oder geteert, als solche gekennzeichnet sein und ständig freigehalten werden.“

In der zuvor durchgeführten Anhörung führte die Bauaufsichtsbehörde aus, dass die Nutzung des Nachbargrundstücks durch M rechtmäßig sei und die von ihm getroffenen Brandschutzmaßnahmen für den derzeitigen Stand der Bebauung auch ausreichend seien. Durch die Bebauung des bislang brach liegenden Grundstücks erhöhe sich jedoch nun die Gefahr der Brandausbreitung auf benachbarte Gebäude. Ohne eine entsprechende Feuerwehrzufahrt könnte ein Brand in der Glasmanufaktur nicht effektiv eingedämmt und damit ein Übergreifen des Brandes auf das Holzlager des H nicht verhindert werden. Daher sei es erforderlich, die Errichtung und Freihaltung der Feuerwehzufahrt auch zwangsweise durchsetzen zu können.

H ist über diese Ausführungen der unteren Bauaufsichtsbehörde empört. Er möchte die Fläche, die er als Feuerwehrzufahrt freihalten soll, lieber als Parkplatz für Kunden und Transportfahrzeuge nutzen. Nach ordnungsgemäß durchgeführtem, aber erfolglosem Widerspruchsverfahren möchte H nun vor dem zuständigen Verwaltungsgericht gegen den „Zusatz“ vorgehen.

Hat die gegen die untere Bauaufsichtsbehörde als richtige Klagegegnerin gerichtete Klage des M Erfolg?

Hinweis: Die Lösung orientiert sich an der saarländischen Landesbauordnung. Es wird jedoch in den Fußnoten auf die entsprechenden Normen der übrigen Bundesländer hingewiesen.

Der (fiktive) § 6 I LBO lautet:

„Von öffentlichen Flächen ist eine gradlinige Zu- oder Durchfahrt zur Rückseite des Gebäudes zu schaffen, die für Feuerwehrfahrzeuge ausreichend befestigt und tragfähig ist. Sie ist als solche zu kennzeichnen und ständig freizuhalten.“

Lösungsgliederung

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50 A. Zulässigkeit

I. Verwaltungsrechtsweg
II. Statthafte Klageart
1. Qualifikation des „Zusatzes“ als Nebenbestimmung
2. Einordnung in die Art der Nebenbestimmung
3. Isolierte Anfechtbarkeit der Auflage
III. Klagebefugnis
IV. Vorverfahren
V. Form und Frist
VI. Zwischenergebnis

B. Begründetheit

I. Rechtmäßigkeit der Auflage
1. Ermächtigungsgrundlage
2. Formelle Rechtmäßigkeit
3. Materielle Rechtmäßigkeit
a) Tatbestandsmerkmale der Ermächtigungsgrundlage
b) Rechtsfolge: Ermessen
II. Zwischenergebnis

C. Ergebnis

Lösungsvorschlag

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51 Die Klage hat Erfolg, soweit sie zulässig und begründet ist.

A. Zulässigkeit

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52 Die Klage müsste zulässig sein.

I. Verwaltungsrechtsweg

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53 In Ermangelung einer aufdrängenden Sonderzuweisung richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 I 1 VwGO. Hiernach ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben, wenn es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt und keine abdrängende Sonderzuweisung einschlägig ist. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Streitigkeit, für die die Normen des öffentlichen Baurechts streitentscheidend sind (modifizierte Subjekttheorie). Danach läge eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor. Dieses Ergebnis bestätigt auch die Subordinationstheorie, da die Behörde einseitig im Über-Unterordnungsverhältnis gehandelt hat. Die Streitigkeit ist auch nichtverfassungsrechtlicher Art, da es an der hierfür erforderlichen doppelten Verfassungsunmittelbarkeit fehlt. Eine abdrängende Sonderzuweisung ist nicht ersichtlich. Damit ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

II. Statthafte Klageart

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54 Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klägerbegehren unter verständiger richterlicher Würdigung, §§ 88, 86 III VwGO.

H möchte vorliegend nicht die Baugenehmigung als solche angreifen; vielmehr kommt es ihm darauf an, sich nur gegen die als „Zusatz“ bezeichnete Nebenbestimmung zu wehren. Fraglich ist, wie ein derartiges Begehren vor dem Verwaltungsgericht erreicht werden kann. Hierfür kommen grundsätzlich zwei Möglichkeiten in Betracht: Eine Verpflichtungsklage auf Erlass der Baugenehmigung ohne Nebenbestimmung oder eine isolierte Anfechtung der Nebenbestimmung. Letztere hätte für H den Vorteil, dass die Voraussetzungen für den Erlass der Baugenehmigung nicht erneut geprüft werden müssten.[1]

1. Qualifikation des „Zusatzes“ als Nebenbestimmung

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55 Eine isolierte Anfechtung des „Zusatzes“ kommt von vorneherein nur dann in Betracht, wenn es sich dabei um eine Nebenbestimmung zur Baugenehmigung i.S.v. § 36 VwVfG handelt.

Voraussetzung dafür ist, dass sie eine vom Haupt-Verwaltungsakt abgrenzbare Regelung beinhaltet, es sich nicht um einen bloßen Hinweis auf die Rechtslage handelt und keine modifizierende Genehmigung vorliegt.[2] Der „Zusatz“ geht über den Regelungsgehalt des Hauptverwaltungsakts hinaus, da er weitergehende Pflichten als diejenigen, die mit einer Baugenehmigung verbunden sind, nämlich die Einrichtung einer Feuerwehrzufahrt, statuiert. Auch handelt es sich nicht um einen bloßen Hinweis auf die Rechtslage, da dem H eine konkrete, vollstreckungsfähige Verpflichtung auferlegt wird. Auch wird dem H durch die Behörde kein Aliud zugesprochen („modifizierende Auflage“), da dem ursprünglichen Antrag entsprochen wurde. Es wurde lediglich ein weiterer Teil mit eigenständigem Regelungsgehalt hinzugefügt. Es liegt somit eine echte Nebenbestimmung vor.

2. Einordnung in die Art der Nebenbestimmung

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56 Fraglich ist weiterhin, welche Art der Nebenbestimmung der „Zusatz“ in der Baugenehmigung des H darstellt. Von den in § 36 II VwVfG genannten Nebenbestimmungen kommen einzig die Auflage und die Bedingung in Betracht. Die Auflage ist gemäß § 36 II Nr. 4 VwVfG eine Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird.
Eine Bedingung ist dagegen nach § 36 II Nr. 2 VwVfG eine Bestimmung, nach der der Eintritt oder der Wegfall einer Vergünstigung oder Belastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt.

Für die Unterscheidung kommt es zunächst auf die Bezeichnung der Bestimmung der Behörde an. Die Bezeichnung als „Zusatz“ ist jedoch für den objektiven Betrachter neutral und lässt weder auf den Willen der Behörde zum Erlass einer Auflage noch einer Bedingung schließen.[3]

Ergänzend erfolgt die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont gemäß § 133 BGB analog. Um den Willen der Behörde eindeutig zu bestimmen, kann die sogenannte Savigny-Formel herangezogen werden. Danach suspendiert die Bedingung, zwingt aber nicht, wohingegen die Auflage zwingt, aber nicht suspendiert.

Dies bedeutet, dass die Auflage selbstständig vollstreckbar ist, ihre Nichterfüllung die Wirksamkeit des Grundverwaltungsakts jedoch unberührt lässt. Bei Nichtvorliegen der Bedingung hingegen wird die Baugenehmigung gar nicht wirksam. Die untere Bauaufsichtsbehörde hat sich vorliegend dahingehend geäußert, dass es ihr darauf ankommt, die Einrichtung und Freihaltung der Feuerwehrzufahrt auch zwangsweise durchsetzen zu können. Es kommt ihr nicht darauf an, dass diese zwingend vor der Errichtung des Holzlagers eingerichtet wird. Vielmehr soll diese dazu dienen, das Übergreifen von Flammen auf das schon errichtete Gebäude zu verhindern. Daher stellt sich der „Zusatz“ als Auflage i.S.v. § 36 II Nr. 4 VwVfG dar. (Auch wenn man die Argumentation der Bauaufsicht nicht für zwingend hält, ist dennoch von einer Auflage auszugehen, da diese für den Bürger das weniger einschneidende Mittel darstellt.)

3. Isolierte Anfechtbarkeit der Auflage

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57 Zuletzt verbleibt die Frage, wann eine Auflage isoliert angefochten werden kann. Zu dieser Problematik haben sich in Rechtsprechung und Literatur drei maßgebliche Ansichten[4] ausgeprägt:

Nach der sog. typologischen Betrachtungsweise kann eine isolierte Anfechtung einer Nebenbestimmung immer dann erfolgen, wenn es sich um eine Auflage oder einen Auflagenvorbehalt handelt.[5] Danach wäre vorliegend eine isolierte Anfechtung des “Zusatzes“ möglich.

Teilweise wird auch zwischen Ermessens- und gebundenen Verwaltungsakten unterschieden. Danach ist eine Teilanfechtung nur bei gebundenen Verwaltungsakten möglich.[6] Aufgrund des Wortlauts des § 73 I 1 LBO[7] („Die Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn …“) handelt es sich bei der Erteilung einer Baugenehmigung um eine gebundene Entscheidung, sodass auch nach dieser Ansicht eine isolierte Anfechtung der Auflage erfolgen kann.

Nach der neueren Rechtsprechung ist eine isolierte Anfechtung immer möglich, es sei denn, der nach der Anfechtung übrig bleibende Rest-Verwaltungsakt kann offensichtlich ohne Nebenbestimmung nicht in rechtmäßiger Weise fortbestehen. Die Teilbarkeit des Grund-Verwaltungsakts von der angefochtenen Nebenbestimmung ist jedoch eine Frage der Begründetheit der Klage, sodass eine isolierte Anfechtung auch nach dieser Ansicht zunächst als zulässig anzusehen ist.[8]

Für die letztgenannte Ansicht spricht, dass ein Verwaltungsakt gemäß § 113 I 1 VwGO auch teilweise aufgehoben werden kann. Dem Gericht ist es daher möglich, die Nebenbestimmung als Teil eines Verwaltungsakts aufzuheben und den Verwaltungsakt im Übrigen bestehen zu lassen.[9] Dieser Ansicht folgend ist von einer isolierten Anfechtbarkeit des „Zusatzes“ auszugehen und die Teilbarkeit im Rahmen der Begründetheit zu prüfen. (Im vorliegenden Fall wäre es auch möglich, den Streitentscheid dahinstehen zu lassen, da nach allen drei genannten Ansichten eine isolierte Anfechtbarkeit möglich ist.)

III. Klagebefugnis

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58 H ist gemäß § 42 II VwGO klagebefugt, da er möglicherweise in seinem Recht auf Erteilung einer unbeschränkten Baugenehmigung nach § 73 I 1 LBO verletzt ist. Da die Auflage einen von der Baugenehmigung abgrenzbaren, selbstständigen Verwaltungsakt darstellt, ist er zudem Adressat eines belastenden Verwaltungsakts, sodass sich hieraus eine Verletzung seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG ergeben kann.

IV. Vorverfahren

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59 Das Vorverfahren nach §§ 68 ff. VwGO wurde ordnungsgemäß, aber erfolglos durchgeführt.

V. Form und Frist

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60 Von der Einhaltung der Monatsfrist des § 74 I 1 VwGO und der ordnungsgemäßen Klageerhebung gemäß § 81 I VwGO ist auszugehen.

VI. Zwischenergebnis

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61 Die isolierte Anfechtungsklage des H gegen den „Zusatz“ ist zulässig.

B. Begründetheit

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62 Die Klage des H ist begründet, soweit die Auflage zur Baugenehmigung rechtswidrig ist und dadurch den Kläger in seinen subjektiven Rechten verletzt, § 113 I 1 VwGO. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass nach erfolgreicher Anfechtung der Nebenbestimmung ein rechtmäßiger Grund-Verwaltungsakt verbleibt.

I. Rechtmäßigkeit der Auflage

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63 Die Auflage ist rechtmäßig, wenn sie aufgrund einer Ermächtigungsgrundlage formell und materiell rechtmäßig ergangen ist.

1. Ermächtigungsgrundlage

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64 Da es sich bei dem Erlass einer Auflage zur Baugenehmigung um eine für den Bürger belastende Maßnahme handelt, bedarf es nach dem Vorbehalt des Gesetzes einer Ermächtigungsgrundlage für das Handeln der Verwaltung. In Ermangelung einer spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage kommt hierfür nur § 36 des VwVfG des Saarlandes (im Folgenden SVwVfG, inhaltlich gleichlautend mit dem VwVfG des Bundes) in Betracht. Die Zulässigkeit einer Nebenbestimmung zur Baugenehmigung richtet sich nach § 36 I SVwVfG, da es sich bei der Erteilung einer Baugenehmigung nach § 73 I 1 LBO, wie bereits erläutert, um eine gebundene Entscheidung handelt.

2. Formelle Rechtmäßigkeit

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65 Der Bescheid wurde von der zuständigen unteren Bauaufsichtsbehörde der Stadt Saarbrücken erlassen. H wurde auch vor Erlass des Verwaltungsakts nach § 28 I SVwVfG angehört, sodass es dahinstehen kann, ob die Anhörung ggf. nach § 28 II Nr. 3 SVwVfG entbehrlich gewesen wäre.[10] Von einer ordnungsgemäßen Begründung nach § 39 I SVwVfG ist auszugehen. Die Auflage ist damit formell rechtmäßig.

3. Materielle Rechtmäßigkeit

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a) Tatbestandsmerkmale der Ermächtigungsgrundlage
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66 In materieller Hinsicht müsste die Auflage den Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage entsprechen, d.h. es ist zu prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 36 I SVwVfG vorliegen. Nach § 36 I 2. Alt. SVwVfG darf ein gebundener Verwaltungsakt nur dann mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn diese einen an sich bestehenden Versagungsgrund ausräumt. Die Auflage müsste also sicherstellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Baugenehmigung erfüllt werden. Diese ergeben sich aus § 73 I 1 LBO. Danach ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.[11]

Die Errichtung einer Halle ist gemäß § 60 I LBO genehmigungsbedürftig, da sie keinen der in §§ 61 ff. LBO genannten Befreiungstatbestände erfüllt[12] und es sich um eine bauliche Anlage i.S.v. § 2 I LBO[13] handelt.

Sie müsste daher genehmigungsfähig sein. Da für ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren nach § 64 LBO keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, richtet sich der Prüfungsmaßstab nach § 65 LBO.[14] Danach sind insbesondere die Vorschriften des BauGB, der LBO sowie sonstige, dort genannte öffentlich-rechtliche Vorschriften zu prüfen. Vorliegend kommt ein Verstoß gegen § 6 I LBO in Betracht, der durch die Verhängung der Auflage ausgeräumt worden sein könnte.

§ 6 I LBO sieht vor, dass eine von öffentlichen Flächen zugängliche, gradlinige Zu- oder Durchfahrt zur Rückseite des Gebäudes zu schaffen ist, die für Feuerwehrfahrzeuge ausreichend befestigt und tragfähig ist. Die Zufahrt ist als solche zu kennzeichnen und ständig freizuhalten. Würde H die Lagerhalle ohne eine derartige Feuerwehrzufahrt errichten, würde das Vorhaben gegen § 6 I LBO verstoßen und wäre damit nicht genehmigungsfähig. Die Auflage, eine Feuerwehrzufahrt zu errichten, räumt damit einen Versagungsgrund der Baugenehmigung aus und ist daher nach § 36 I Alt. 2 SVwVfG zulässig.

b) Rechtsfolge: Ermessen
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67 § 36 I SVwVfG ist als Ermessensvorschrift ausgestaltet. Möglicherweise ist die Auflage aber materiell rechtswidrig, wenn der Behörde beim Erlass ein nach § 114 VwGO überprüfbarer Ermessensfehler unterlaufen ist. Hier könnte eine Ermessensüberschreitung in Form der Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme vorliegen.[15]

Der Erlass der Auflage ist verhältnismäßig, wenn er einen legitimen Zweck verfolgt und zur Erreichung dieses Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen ist.[16]

Als legitimer Zweck kann die Sicherung der Rettungsmaßnahmen im Falle eines Brandes und damit auch der Schutz von Leib, Leben und Eigentum angesehen werden.

Die Auflage ist auch geeignet, diesen Zweck zu fördern, da durch die Feuerwehrzufahrt eine ausreichende Rettung durch die Feuerwehr gesichert werden kann.

Sie ist auch erforderlich, da sie von mehreren zur Auswahl stehenden Mitteln das mildeste ist. Insbesondere stellt die Auflage gegenüber der Bedingung das mildere Mittel dar. Eine Inanspruchnahme des Nachbars M kommt ebenfalls nicht in Betracht, da die Bebauung und Nutzung des Nachbargrundstücks laut Sachverhalt formell und materiell rechtmäßig ist. Das dort errichtete Gebäude genießt daher Bestandsschutz.

Sie ist angemessen, da sie unter Abwägung aller widerstreitenden Interessen auch zumutbar erscheint. Hier steht das Interesse des H, die Fläche anderweitig zu nutzen gegen die Sicherheit der Öffentlichkeit. Von einer Angemessenheit ist in der Regel auch daher auszugehen, da ohne die Einhaltung der Feuerwehrzufahrt eine Baugenehmigung gänzlich zu versagen wäre.

Da die Auflage verhältnismäßig ist und weitere Ermessensfehler nicht ersichtlich sind, ist sie insgesamt als materiell rechtmäßig anzusehen.

II. Zwischenergebnis

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68 Die Nebenbestimmung ist rechtmäßig.

Lösungshinweis: Da bereits keine Rechtswidrigkeit festgestellt werden konnte, kommt es auf die Frage, ob H in seinen Rechten verletzt wurde und ob der Grund-Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung rechtmäßig fortbestehen kann, nicht mehr an.

C. Ergebnis

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69 Die Anfechtungsklage des H ist zulässig, aber unbegründet. Sie hat daher keine Aussicht auf Erfolg.



Fußnoten

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  1. S. dazu näher Kaerkes, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 250.
  2. S. zur Abgrenzung auch Kaerkes, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 237 f.
  3. S. zu den Abgrenzungskriterien Kaerkes, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 222 ff.
  4. S. zur m.M., die immer eine Verpflichtungsklage annimmt, näher Kaerkes, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 262 ff.
  5. S. zu dieser Ansicht auch näher Kaerkes, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 273 ff.
  6. S. zu dieser Ansicht auch näher Kaerkes, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 267 ff.
  7. Im Folgenden wird von den Normen der LBO des Saarlandes ausgegangen. Gleiche oder ähnliche Regelungen finden sich aber auch in anderen Landesbauordnungen; für den Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung s. Steengrafe, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 3 Rn. 129.
  8. S. zu dieser Ansicht auch Kaerkes, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 257 ff.
  9. Kaerkes, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 259.
  10. S. zum Anhörungserfordernis Senders, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 631 ff.
  11. S. zu den Anspruchsvoraussetzungen im Einzelnen Steengrafe, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 3 Rn. 128 ff.
  12. Vgl. für die Genehmigungsbedürftigkeit von Bauvorhaben im Einzelnen §§ 49 ff. BWLBO; Art. 55 ff. BayBO; §§ 59 ff. BlnBO; §§ 59 ff. BbgBauO; §§ 59 ff. BremBauO; §§ 59 f. HmbBauO; §§ 62 ff. HBO; §§ 59 ff. MVBauO; §§ 59 ff. NBauO; §§ 63 ff. NRWBauO; §§ 61 f. RhPfLBO; §§ 59 ff. SächsBauO; §§ 58 ff. LSABauO; §§ 62 f. SchlHLBO; §§ 59 ff. ThürBO.
  13. Vgl. für die Definition der baulichen Anlage § 2 I BWLBO; Art. 2 I BayBO; § 2 I BlnBauO; § 2 I BbgBauO; § 2 I BremBauO; § 2 I HmbBauO; § 2 II HBO; § 2 I MVBauO; § 2 I NBauO; § 2 I NRWBauO; § 2 I RhPfLBO; § 2 I SächsBauO; § 2 I LSABauO, § 2 I SchlHLBO, § 2 I ThürBO.
  14. Vgl. bzgl. der vereinfachten Baugenehmigungsverfahren in den einzelnen Bundesländern § 58 I 2, § 52 BWLBO; Art. 59 BayBO; §§ 63 ff. BlnBO; §§ 63 f. BbgBauO; §§ 63 f. BremBauO; § 61 HmbBauO; §§ 65 f. HBO; §§ 63 f. MVBauO; §§ 63 f. NBauO; § 68 NRWBauO; §§ 66 f. RhPfLBO; §§ 63 f. SächsBauO; §§ 62 f. LSABauO; § 69 SchlHLBO; §§ 62 f. ThürBO.
  15. S. zu den Ermessensfehlern näher Benrath, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 744 f.
  16. S. dazu näher Benrath, in: Eisentraut, Verwaltungsrecht in der Klausur, 2020, § 2 Rn. 767 ff.