Vater Rhein/ PG9372 / 200113 Wiesbaden
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Auszug
Bearbeiten»Sage ihm doch«, wandte sie sich plötzlich voller Eifer an mich, indem sie mich anstieß, »sage ihm doch, er möchte aufhören, er möchte schleunigst sein Geld nehmen und davongehen. Er wird verlieren, im nächsten Augenblick wird er alles verlieren!« Sie konnte vor Aufregung kaum atmen. »Wo ist Potapytsch? Schicke doch Potapytsch zu ihm hin! Sage es ihm doch, sage es ihm doch!« wiederholte sie, mich wieder anstoßend. »Aber wo in aller Welt ist denn Potapytsch? Sortez, sortez!« begann sie selbst dem jungen Mann zuzurufen. Ich beugte mich zu ihr herunter und flüsterte ihr nachdrücklich zu, so zu rufen sei hier nicht gestattet, nicht einmal laut zu reden, da das die Berechnungen störe; es sei zu befürchten, daß wir sofort hinausgewiesen würden. »So ein Ärger! Der Mensch ist verloren! Na, es ist sein eigener Wille . . . ich mag gar nicht nach ihm hinsehen; mir wird ganz übel davon. So ein Dummkopf!« Bei diesen Worten drehte sich die Tante schnell nach der anderen Seite.
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Jetzt erkläre mir, was jeder Umlauf der Kugel bedeutet, und wie man setzen muß!« Ich setzte der Tante nach Möglichkeit auseinander, was es mit den zahlreichen Arten des Setzens für eine Bewandtnis hat: mit rouge et noir, pair et impair, manque et passe, sowie endlich mit den verschiedenen Variationen beim Setzen auf Zahlen. Die Tante hörte aufmerksam zu, merkte sich, was ich sagte, fragte, wo sie etwas nicht verstand, und gewann so einen guten Einblick. Für jede Gattung von Einsätzen konnte ich ihr sofort Beispiele vor Augen führen, so daß sie vieles sehr leicht und schnell begriff und sich einprägte. Die Tante war sehr befriedigt. »Aber was bedeutet zéro? Dieser Croupier da, der krausköpfige, der oberste von ihnen, hat eben gerufen: ›zéro‹! Und warum hat er alles zusammengescharrt, was auf dem Tisch war? So einen Haufen, alles hat er für sich genommen! Wie hängt das zusammen?« »Zéro, Großmütterchen, das ist der Vorteil für die Bank. Wenn die Kugel auf zéro fällt, so gehören alle Einsätze auf dem Tisch der Bank, ohne weitere Berechnung. Allerdings hat man noch die Möglichkeit des Quittspiels; aber dann zahlt im Falle des Gewinnes die Bank nichts.« »Na, so etwas! Und ich bekomme gar nichts?« »Nicht doch, Großmütterchen; wenn Sie vorher auf zéro gesetzt haben und zéro dann herauskommt, so wird Ihnen das Fünfunddreißigfache bezahlt.« »Was? Das Fünfunddreißigfache? Und kommt das oft heraus? Warum setzen sie denn nicht darauf, die Dummköpfe?« »Es sind sechsunddreißig Chancen dagegen, Großmütterchen.« »Ach was, Unsinn! Potapytsch, Potapytsch! Warte mal, ich habe selbst Geld bei mir – da!« Sie zog eine wohlgespickte Geldbörse aus der Tasche und entnahm ihr einen Friedrichsdor. »Da! Setz das gleich mal auf zéro!« »Großmütterchen, zéro ist eben herausgekommen«, sagte ich, »also wird es jetzt lange Zeit nicht herauskommen. Sie werden viel verlieren, wenn Sie bis dahin immer auf zéro setzen wollen. Warten Sie lieber noch ein Weilchen!« »Rede nicht dummes Zeug! Setze nur!« »Wie Sie wünschen; aber es kommt vielleicht bis zum Abend nicht wieder heraus; Sie können Tausende von Francs verlieren; das ist alles schon vorgekommen.« »Ach, Unsinn, Unsinn! Wer sich vor dem Wolf fürchtet, der muß nicht in den Wald gehen. Was? Ich habe verloren? Setz noch einmal!«
Quelle: Projekt Gutenberg, Dostojewski, "Der Spieler"
[https://www.projekt-gutenberg.org/dostojew/spieler/spieler.html ... und hier gehts zum Werk]
Ludki 17:43, 14. Jan. 2020 (CET)