Vater Rhein/ PG9242 / 190725 Koeln
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Rezension
BearbeitenAlte Geschichten vom Rhein | Der gute Dechant Ensfried
Bearbeitenvon Hermann Cardauns, H. Kerner
Die Geschichte spielt in Dat hillige Coellen (Heiliges Köln) in der kalten Jahreszeit irgendwann im 12. Jahrhundert.
Porträtiert wird hier der Dechant Ensfried, ein Pfarrer mit Führungsaufgaben an der St. Andreas Kirche, die eine der zwölf großen romanischen Kirchen in Köln ist, nur wenige Gehminuten vom Kölner Dom entfernt.
In fast siebzig Jahren hat das Leben tiefe Furchen in seine Züge gegraben, in seinen blauen Augen lag ein solcher Ausdruck von Liebe und Sanftmut, daß man unweigerlich gesagt haben würde: das ist gewiß ein guter Mensch.
Auf dem Weg von der Kirche nach Hause begegnet er zuerst einer Gruppe Jugendlicher, die die Kälte des Winters dazu nutzte eine spiegelglatte Rutschbahn herzustellen. Es hat nicht viel gefehlt und der Kirchenmann wäre jämmerlich zu Boden gegangen.
Später begegnet der Pastor einem Bettler:
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»Nun, Hermann was gibt es denn schon wieder?«
»Was es gibt Hochwürden? Wie könnt Ihr so fragen? Hunger und Kummer und Elend alle Tage, die Gott erschaffen hat. Wer mir das in meinen jungen Jahren vorausgesagt hätte, daß ich einstens noch um mein Brot betteln müßte!«
»Das habt Ihr, menschlich gesprochen, nicht verdient. Ein braver Arbeiter seid Ihr alleweil gewesen, und daß Ihr den rechten Arm brachet, war nicht Eure Schuld. Aber um Himmelswillen, Mann, was habt Ihr für Hosen an? Die bloßen Beine sieht man ja durch die Löcher, und das bei dieser Kälte?«
»Ja, wenn ich andere hätte.«
Ensfried griff in die Tasche und zog seinen Beutel heraus. »Ach du lieber Himmel,« sagte er betrübt, »Job auf seinem Misthaufen hat nicht weniger gehabt. Wo ich doch nur immer mit dem Gelde bleiben mag! Erst gestern noch hat mein Neffe Friedrich mir einen Gulden geliehen, zum unwiderruflich letztenmal, wie er sagte, was er freilich schon oft gesagt hat, und nun ist es schon wieder alle. Aber halt, so kann ich Euch nicht gehen lassen, wartet einen Augenblick.«
Zwischen der Pfarrkirche und einer hohen Gartenmauer lag ein kleiner Platz, kaum 30 Schuh lang und breit. An dieser Stelle wurde auf Palmsonntag ein Altar gebaut, von dem aus der Erzbischof dem Volke die Ablässe verkündigte und davon trug auch die Kirche den Namen. Ensfried spähte rechts und links: kein Mensch war zu sehen, man hörte nur die Jungen auf der andern Seite der Kirche lärmen. Rasch schlüpfte Ensfried in den hintersten Winkel des kleinen Platzes. Nach einigen Minuten kam er wieder heraus, in der Hand ein Päckchen tragend. »Hier, Hermann,« sagte er »da habt Ihr etwas gegen die Kälte, und nachher kommt Ihr Euch bei mir die Suppe holen. Und jetzt behüt' Euch Gott, ich bin eilig.«
Ehe der Bettler antworten konnte, war Ensfried auf und davon und eilte an den »sechzehn Häusern« vorbei, die man jetzt kurioserweise Sachsenhausen nennt. Mitunter schaute er sich ängstlich um, als habe er einen schlechten Streich begangen und fürchtete, es komme ihm jemand nachgelaufen. Und es war auch ein Streich gewesen, aber von jenen einer, die unser Herrgott in dem großen Kontobuch auf die gute Seite schreibt.
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... denn, er war ein Priester nach dem Herzen Gottes, der Tröster der Witwen und der Vater der Waisen, aller Freund und Berater., so stellte schon sein Neffe Friedrich fest. Und so nimmt es kein Wunder, daß er dem Bettler in Not seine Hose geopfert hatte.
Etwas später an der mit zahlreichen Gästen gefüllten Tafel des Erzbischofs:
- Beim Nachtisch warf der Erzbischof zufällig einen Blick zu Ensfried hinüber. Er sah wie dieser rasch was in die Tasche steckte, und dabei verstohlen umschaute, ließ sich aber nichts merken.
Es war die Zeit um den Nikolaustag, wie gesagt, Job auf seinem Misthaufen hat nicht weniger gehabt. als Ensfried in seinem Geldbeutel. Und doch wollte er seinen Schäfchen, seinen Gemeindekindern eine Freude machen. Da nahm er es mit dem siebenten Gebot einmal nicht so genau.
Kleine Sünden bestraft der liebe Gott gleich, große etwas später - sagt der Volksmund und was sagt der Erzbischof:
- Die härteste Buße für Euch ist wohl, daß Ihr Eure Schelmenstreiche in meiner Gegenwart anhören müßt. Wohlan, ihr Herren, wer von dem Dechanten von St. Andreas noch etwas recht Böses weiß, der soll es berichten.
Es folgen drei zum Schmunzeln anregende Geschichten aus dem Leben des heiligen Ensfried, die es durchaus verdient haben gelesen zu werden ...
... und die Moral von der Geschicht: Leute, denen Ihr Gutes getan habt. Zu Hunderten stehen sie im Flur und auf der Straße' ... "Gebet, und es wird gegeben werden."
Eine anrührende Geschichte, von der Person geschrieben, die ansonsten durch ihre Kritik an Karl May Aufmerksamkeit auf sich zog.
- Quelle: Projekt Gutenberg, alte-geschichten-vom-rhein-9241
--Ludki 11:32, 25. Jul. 2019 (CEST)