Varianten der klassischen Mechanik/ Erweiterung auf mehrdimensionale Systeme

Die Erkenntnisse bei der Verallgemeinerung auf eindimensionale Vielteilchensysteme können wir beinahe unmittelbar auf mehrdimensionale Systeme übertragen. Beim d'Alembert'schen Prinzip der virtuellen Arbeit finden wir z.B.


.


wieder. Hier bezeichne D die Anzahl der Komponenten, die Orts-, Geschwindigkeits- oder Kraftvektoren besitzen mögen (in der dreidimensionlen Welt der Mechanik ist in der Regel D=3). Jede dieser Komponenten trägt im Allg. zur gesamten virtuellen Arbeit bei. Betrachten wir z.B. dreidimensionale Vielteilchensysteme, dann haben wir bei N Teilchen Beiträge zur virtuellen Arbeit. D.h. auch hier werden die Beiträge zur gesamten virtuellen Arbeit einfach addiert. Bei der Einführung verallgemeinerter Koordinaten, , ist es möglich, dass deren Anzahl M kleiner ist als : . Denn evtl. gibt es sog. »Nebenbedingungen«, die die Anzahl der sog. »Freiheitsgrade« auf reduzieren. Beim quasi-zweidimensionalen Problem eines Körpers, der eine schiefe Ebene herunter rutscht (d.h. D=2 und N=1), benötigt man zwei Komponenten zur Beschreibung der vektoriellen Größen wie z.B. der Kräfte, d.h. . Der Körper kann sich jedoch nur entlang der schiefen Ebene bewegen (was die Nebenbedingung darstellt), also entlang einer Dimension, d.h. es gibt nur einen Freiheitsgrad: f=1. Die Anzahl der Nebenbedingungen beträgt also gleichermaßen Eins. Die Anzahl M der gewählten verallgemeinerten Koordinaten kann aber immer noch größer sein als die wirkliche Anzahl f der Freiheitsgrade des betrachteten Systems: , wie z.B. , im betrachteten Beispiel also 2. Bei M>f, d.h. wenn wir mehr (nämlich M) Komponenten der virtuelle Verrückung als Systemfreiheitsgrade f haben, hat dies zur Folge, dass wir in


.


nicht mehr darauf schließen können, dass die Koeffizienten der virtuellen Verrückungen alle einzeln verschwinden. Die virtuellen Verrückungen sind dann nämlich nicht mehr alle voneinander linear unabhängig. In der Regel können aber z.B. mit Hilfe der Methode der sog. »Lagrange'schen Multiplikatoren« auch diese Schwierigkeiten überwunden, d.h. die Nebenbedingungen berücksichtigt werden. Bei M=f, also einer optimalen Koordinatenwahl (was aber evtl. nicht immer gelingen wird), treten diese Probleme hingegen nicht auf, d.h. wir können dann ganz analog zum Kapitel über die (eindimensionalen) Vielteilchensystemen vorgehen.

D'Alembert'sches Prinzip, Nebenbedingungen und Zwangskräfte

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Bleiben wir bei einem Körper, der im Schwerefeld der Erde reibungslos eine schiefen Ebene herab gleitet. Der Versuchsaufbau ist in der Fig. 1 skizziert.


 
Fig. 1: Körper, der sich im Gravitationsfeld entlang einer schiefen Ebene bewegt.


Die Bewegung vollziehe sich dabei in der xy-Ebene, wobei   und   seien. Das kartesiche Koordinatensystem werde durch die Einheitsvektoren   und   aufgespannt, d.h.   und  . Man erkennt in der Fig. 1 sofort, dass die Bewegung am einfachsten in einem Koordinatensystem beschrieben werden kann, dessen 1-Achse entlang der schiefen Ebene (in der xy-Ebene) verläuft. Ein solches Koordinatensystem geht aus dem ursprünglichen durch eine Drehung um den Winkel   hervor und ist gleichermaßen kartesisch. Es werde von den Einheitsvektoren   und   aufgespannt:   und  . Bei Drehungen ist der Zusammenhang zwischen den Basisvektoren  ,   und  ,   der folgende:


 ,
 ,


was man wegen der Skalarprodukt-Eigenschaft   für Einheitsvektoren durch Ablesen der Winkel   zwischen den jeweiligen Vektoren   und   aus der Fig. 1 (und z.B. durch Anwenden der Additionstheoreme für Sinus und Kosinus) erhält. Wenn ein Punkt   im Koordinatensystem der   durch einen Punkt   im Koordinatensystem der   beschrieben werde, dann gilt also folgender Zusammenhang zwischen den beiden Koordinaten-Paaren bzw. den zugehörigen Ortsvektoren   und  :


 
 ,


wobei dieser Vektor gleich


 ,


sein muss, da beide Ortsvektoren ja denselben Punkt beschreiben (s. Fig. 1), d.h. es gilt


 


mit der Matrix   für eine Drehung um die z- bzw. 3-Achse   (die auf der xy-Ebene senkrecht stehe; der Vektor zeige in Fig. 1 dabei in Richtung des Betrachters) mit dem Winkel   (im Gegenuhrzeigersinn). Die Koordinaten von   lassen sich auch umgekehrt durch jene von   ausdrücken:


 ,


wobei das Inverse   von   aus letzterer Matrix durch Vorzeichenumkehr beim Drehwinkel hervorgeht, da ja einfach nur um den gleichen Winkel »zurückgedreht« werden muss (sodass also diesmal die Drehung im Uhrzeigersinn, d.h. mit   erfolgt):  . Man überzeuge sich leicht, dass dann tatsächlich   gilt.


Ob wir jetzt das D'Alembert'sche Prinzip mit Hilfe der alten Koordinaten   oder der neuen Koordinaten   beschreiben, darf aber am Resultat dieser Betrachtungen, d.h. den Bewegungsgleichungen für den Körper auf der schiefen Ebene, nichts ändern. Das eine Koordinatensystem (nämlich jenes von  ) ist aber der Problemstellung angepasster als das andere. Die Nebenbedingung für die Bewegung entlang der schiefen Ebene lässt sich nämlich im System von   leicht beschreiben:   , während im System von   die gleiche Bedingung folgendermaßen lautet:  . Die Zeitableitung des Impulses kann in beiden Koordinatensystemen dargestellt werden:


 .


Weil die Basisvektoren   wie die Vektoren   zeitlich konstant sind (denn der Winkel  , der die Schräge der schiefen Ebene angibt, verändert sich ja nicht mit der Zeit), haben wir keine zusätzlichen Terme durch Differenziation der Basisvektoren nach der Zeit erhalten.

Auf die Masse m wirke eine Gravitationskraft   mit der konstanten Beschleunigung g anti-parallel zur 2-Achse, d.h. Letzterer entgegen gerichtet.

Das D'Alembert'sche Prinzip ergibt im System der neuen Koordinaten   unter der Nebenbedingung   und somit auch   bzw.   (statt  ) folgende Gleichung:


 .


Unter der sinnvollen Forderung, dass   im Allg. nicht gleich Null ist, schließen wir hieraus:


 .


Die Bewegungsgleichung sieht übrigens auf dem ersten Blick so aus, als hätten wir darin einen Vorzeichenfehler: Man beachte aber, dass im Gegensatz zu der in der übrigen Literatur oft gewählten Koordinate unsere q1-Achse die schiefe Ebene hinauf, d.h. sozusagen entgegen der Fahrtrichtung, zeigt.

Das D'Alembert'sche Prinzip, formuliert im System der alten Koordinaten  , führt unter der Nebenbedingung   auf:


 ,


woraus wir


 


erhalten, wobei wir darin   ausgenutzt haben.

Als Alternative hierzu hätten wir auch die Nebenbedingung mit Hilfe sog. »Lagrange'scher Multiplikatoren« berücksichtigen können. Hierzu wird jede Nebenbedingung mit einem beliebigen Multiplikator versehen und von der D'Alembert'schen Gleichung abgezogen. In diesem Falle heiße dieser  :


 .
 .


An der Gültigkeit dieser Gleichung ändert der zusätzliche Summand nichts, da er ja gleich Null ist. Weil   zunächst als beliebig angenommen wurde, können wir ihn auch so wählen, dass der Koeffizient von   verschwindet. Somit muss auch der Summand mit   gleich Null sein. Zudem wissen wir ja bereits, dass aufgrund der Nebenbedingung zwar   verschwindet, aber auch, dass dies im Allg. für   nicht gilt. Daher muss der Koeffizient von   gleich Null sein:  . Nicht immer sind die Verhältnisse so einfach wie hier: Der frei wählbare Parameter   trat nur in einem der beiden Summanden der Gleichung auf, was die Schlussfolgerung enorm erleichtert hat. Aber selbst dann, wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, hätten wir durch das Einführen des zusätzlichen Parameters   sowieso davon ausgehen dürfen, dass aus     folgt, wenn allgemein formuliert   die D'Alembert'sche Gleichung und   die Nebenbedingung darstellen. Denn wir können die letzteren beiden Gleichungen als ein lineares Gleichungssystem in Matrixform darstellen:


 .


Es gilt, dass der Vektor   ist (d.h. dass wenigstens eine seiner beiden Komponenten nicht verschwindet, was ja eine sinnvolle und notwendige Voraussetzung ist, damit wir überhaupt so etwas wie eine Nebenbedingung haben), wenn die Spaltenvektoren   und   der Matrix   linear abhängig sind. Die Determinante der Matrix   muss dann aber verschwinden:  . Bei Determinanten sind zudem einige Operationen möglich, ohne ihren Wert zu verändern, z.B. gilt  , wobei   die Transposition von   ist, d.h. in ihr alle Zeilen und Spalten vertauscht sind. Wir können auch einer Spalte das Vielfache, z.B.  -fache, einer weiteren Spalte in der Determinate hinzu addieren, ohne den Wert der ursprünglichen Determinante zu verändern. Dies haben wir genau in dieser Reihenfolge an unserer Determinante   so durchgeführt:


 .


Der Parameter   ist aber eine beliebige Zahl, die wir auch so wählen können, dass z.B.   gilt (zumindest, wenn bei   auch   ist). Aus


 


folgt somit   (da wir ja zuvor   vorausgesetzt haben).

Wir hätten also auch folgendermaßen argumentieren können: Mit der Forderung   (da ja   frei wählbar ist, d.h. eine beliebige Zahl sein darf) können wir in   direkt auf   schließen. Da   sein soll, muss mindestens eine seiner Komponente ungleich Null sein, z.B.  . Wegen   können wir somit   folgern. Wenn hingegen   gewesen wäre, dann hätten wir lieber   gefordert. Da bei   nach Voraussetzung aber   gelten muss, können wir aus   auf   schließen. D.h. durch eine entsprechende Umnumerierung   bzw.   der Indizes   von   hätten wir auch bei der ersten Variante unserer Forderung verbleiben können.

Das D'Alembert'sche Prinzip, formuliert im System der alten Koordinaten  , führt auf genau diese Situation:


 .


Hier dürfen wir also dennoch getrost fordern:


 ,
 .


Multiplizieren wir die erstere Gleichung mit   und die Letztere mit   und addieren anschließend beide Gleichungen, dann erhalten wir erneut  .

Wir können das D'Alembert'sche Prinzip statt mit der geometrisch motivierten Nebenbedingung   natürlich auch mit Hilfe der Zwangskraft   formulieren, die senkrecht auf der schiefen Ebene (und somit parallel zu  ) steht und verhindert, dass der betrachtete Körper durch Letztere einfach hindurch fällt:


 .


Wegen   erhalten wir daraus


  und  .


Kehren wir noch einmal zurück zu den Bewegungsgleichungen mit den Lagrange'schen Multiplikatoren, formuliert im System von  . Multiplizieren wir   dieses Mal mit   und   mit   und addieren anschließend jene beiden Gleichungen, dann erhalten wir durch Berücksichtigen von   eine Aussage darüber, was der Langrange-Multiplikator   ist:  . Diesen Wert für   in die Gleichung   eingesetzt, ergibt natürlich wieder   (was wir wegen   natürlich auch sofort erraten hätten). Wir erkennen aber auch an den letzten beiden Gleichungen, dass   gleich der Zwangskraft ist. D.h. die Formulierung des D'Alembert'schen Prinzips mit Hilfe von Zwangskräften oder Lagrange'schen Multiplikatoren ist völlig gleichwertig. Es ist oft jedoch einfacher, aus der Geometrie des Versuchsaufbaus Nebenbedingungen (wie in diesem Beispiel  ) abzulesen als die auftretenden Zwangskräfte zu bestimmen.


Ein Beispiel, in dem mehr als nur eine Nebenbedingung berücksichtigt werden muss, stellt z.B. das sog. physikalische Pendel dar, das aus zwei nicht notwendigerweise gleichen Massen bestehen soll, die an den Enden einer starren (und als masselos gedachten) Stange in der xy-Ebene befestigt sind. Dieses System kann sich nur in der xy-Ebene um eine Achse senkrecht zu dieser Ebene drehen (d.h. die Drehachse ist parallel zur z-Achse). Die Achse verlaufe dabei durch einen Punkt auf der Stange, dem Ursprung des gewählten Koordinatensystems, der im Allg. nicht der Schwerpunkt des Systems sei: Siehe folgende Fig. 2. Auf jede Masse   wirke eine Gravitationskraft entlang der y-Achse:

 

mit i=1,2.


 
Fig. 2: Physikalisches Pendel aus zwei Massen bestehend.


Die Masse   am Ort   befinde sich also immer im festen Abstand vom Koordinatenursprung:


 .


Letztere Gleichung lässt sich durch eine infinitesimale Drehung um den Winkel   erfüllen:


 .


Entsprechendes gilt für die Masse   am Ort  :


 .


Auch diese Gleichung lässt sich durch eine infinitesimale Drehung um den Winkel   erfüllen:


 .


Die Drehungen erfolgen um die z- bzw. 3-Achse, d.h.


 .


Daher erhalten wir aus   die beiden Nebenbedingungen   und  .

Der Tatsache, dass beide Massen während der Drehbewegung fest an den Enden einer starren Stange sitzen (und die Rotation um einen Achse senkrecht zu Letzterer erfolgt), können wir durch die Forderung


 


Rechnung tragen, da die Drehwinkel bei beiden Massen immer gleich sein müssen.

Für unser 2-Teilchen-System in einer Ebene, d.h. Teilchenzahl N=2 und die Anzahl der Dimensionen D=2, haben wir somit drei Nebenbedingungen ( ), woraus sich für die Anzahl der Freiheitsgrade wieder   ergibt: Der einzige Parameter, den wir benötigen, um die Bewegung des Systems zu beschreiben, ist ja der Drehwinkel  .

Diese Nebenbedingungen lassen sich in der Form   bzw.   beispielsweise wieder direkt in die D'Alembert'sche Gleichung einsetzen:


 
 


Hierin stellt die Größe   die z-Komponente des gesamten Drehmomentes   dar, der wiederum gleich der Zeitableitung des Gesamtdrehimpulses   ist. Hier wird die Vielseitigkeit des D'Alembert'schen Prinzips erneut deutlich: Kräfte und Drehmomente treten dort nämlich gleichberechtigt auf. Denn wir sind von einem Term des Typs   ausgegangen und schließlich zu einem Term   gelangt:


  .


Beiden Termen ist aber gemeinsam, dass sie die Dimension einer Energie besitzen.

Die z-Komponente des Drehimpulses lässt sich über den Parameter   z.B. mittels Polarkoordinaten ausdrücken:   und  , worin   bedeuten. Die zugehörigen Geschwindigkeiten lauten dann   und  , woraus sich


 


ergibt. Der Term   ist hierbei das Trägheitsmoment  .

Den Term   gibt im Wesentlichen die x-Komponente des Schwerpunktes an. In der Literatur erscheint an dieser Stelle meist ein Sinus anstelle der Kosinus-Funktion hier. Dies hängt davon ab, wie der Winkel gemessen wird. Drücken wir unseren Winkel   durch einen Winkel   aus, der zwischen der negativen y-Achse und der Stange gemessen wird, dann erhalten wir folgende Zusammenhänge:   bzw.  . In dieser Koordinate erhalten wir also folgende Bewegungsgleichung für unser physikalisches Pendel:


 .


Das D'Alembert'sche Prinzip, mittels Lagrange-Multiplikatoren formuliert, lautet:


 
 


Für jede der drei Nebenbedingungen haben wir einen Lagrange-Multiplikator   eingeführt, wobei in obiger Gleichung die Koeffizienten von   und   aber offensichtlich verschwinden. Übrig bleibt nur der Parameter  , was zu zwei Gleichungen führt:


 ,
 .


Beim Bilden der Summe aus beiden Gleichungen wird   eliminiert, woraus wir wieder die Gleichung


 


erhalten. Der Lagrange'sche Multiplikator   besitzt hier offensichtlich die Bedeutung einer Zwangskraft im verallgemeinerten Sinne und drückt das gesamte Drehmoment auf ein Teilchen aus, das durch das jeweils andere Teilchen (übertragen durch die Stange) auf ihn einwirkt. Auch hier ist die »Kraft« in Wirklichkeit ein Drehmoment.

Zusammenfassend können wir feststelen, dass das D'Alembert'sche Prinzip insbesondere dann nützlich wird, wenn wir Nebenbedingungen an das betrachtete System stellen. Werden die Nebenbedingungen mit Hilfe von Lagrange'schen Multiplikatoren berücksichtigt, ermöglicht dies ein Aufstellen von Kräfte- oder Drehmoment-Bilanz-Gleichungen wie in der Newton'schen Dynamik, da die Terme mit jenen Multiplikatoren letztlich auch nichts andres als Zwangskräfte (oder -drehmomente) darstellen, die durch die Nebenbedingungen verursacht werden. Im Folgenden wollen wir dies ganz allgemein an einem System mit z.B.   Koordinaten   diskutieren, das   Nebenbedingungen der Form


 


unterliegt. Dies sind   Gleichungen mit M Unbekannten  . Im Idealfall können   der   mit Hilfe der restlichen     ausgedrückt werden: Das System besitzt dann   Freiheitsgrade. Z.B. könnten die     dank der   Nebenbedingungen durch die   Variablen   mit Hilfe von in den letzteren Variablen linearen Funktionen   ausgedrückt werden:  .

Die   Größen   sind daher linear abhängig, während die übrigen   Variablen   voneinander linear unabhängig sind. Lineare Unabhängigkeit der   bedeutet ja, dass aus   das Verschwinden der f Koeffizienten   folgt:  .

Die   Nebenbedingungen multiplizieren wir jetzt jeweils mit einem beliebigen Paramater  , dem Lagrange'schen Multiplikator, und addieren die daraus entstehenden Gleichungen:


 .


Letztere Gleichung ziehen wir jetzt von der D'Alembert'sche Gleichung ab, die im Allgemeinen folgende Form besitzt:


 


mit  .

D.h. wir erhalten dadurch eine Gleichung


 ,


die wir auch als zwei Summen aus Termen in den f linear unabhängigen   bzw. aus Termen in den   linear abhängigen   darstellen können:


 .


Der zweite Summand in letzterer Gleichung enthält dann somit ausschließlich die   linear abhängigen  . In deren Koeffizienten befinden sich die gleichermaßen   beliebigen, d.h. noch frei wählbaren Lagrange-Multiplikatoren  . Wenn wir jene   Koeffizienten jeweils gleich Null setzen, erhalten wir aus diesen ein lineares Gleichungssystem bestehend aus   Gleichungen mit gleichermaßen   Unbekannten  :


 .


für  .

Da dieses lineare Gleichungssystem (aufgrund des oben bereits angenommenen Idealfalls) erfüllt werden kann, ist es also möglich, durch eine entsprechende Wahl der   beliebigen Parameter   jene ebenfalls   Koeffizienten zum Verschwinden zubringen. Es bleiben dann nur noch die Summanden in den   voneinander linear unabhängigen   übrig:


 .


Aber gearde wegen der linearen Unabhängigkeit dieser f   dürfen wir auf


 


schließen. Insgesamt erhalten wir also M Gleichungen (die sog. Langrange'schen Gleichungen 1. Art)


 


aus der D'Alembert'schen Gleichung


 .


In den vorangegangenen Beispielen sind wir bei den Nebenbedingungen von Gleichungen vom Typ


 


ausgegangen, aus denen wir durch Anwenden der Variation  


 


gewonnen haben (wobei in unseren Beispielen   nicht explizit von der Zeit abhing): d.h.  . Solche Nebenbedingungen werden »holonom« genannt. Denkbar wären aber z.B. auch solche, die sich nicht auf ein totales Differenzial zurückführen lassen (die dann »anholonom« heißen), oder solche, die Ungleichungen oder Differenzialgleichungen darstellen.

Die Nebenbedingungen lassen sich selbst für ein N-Teilchensystem (in D Dimensionen) auch bequem in vektorieller Form schreiben:


 ,


d.h.

 


mit dem Gradienten  .

Die Lagrange-Gleichungen 1. Art lauten dann unter diesen Nebenbedingungen folgendermaßen:


 


mit dem Impuls   des j-ten Teilchens und der Kraft   auf das j-te Teilchen.

Wir können uns jetzt auch dem Problem widmen, dass wir in


 .


nicht mehr darauf schließen können, dass die Koeffizienten der virtuellen Verrückungen   alle einzeln verschwinden, indem wir vom D'Alembert'schen Prinzip ausgehen, in dem die an das betrachtete System gestellten Nebenbedingungen berücksichtigt sind:


 .


Wir können hier alle Überlegungen übernehmen, die wir schon für den eindimensionalen Fall angestellt haben, und mit denen wir von der D'Alembert'schen Gleichung zu den Euler-Lagrange-Gleichungen gelangt sind: Der zusätzliche Term, mit dem den Nebenbedingungen Rechnung getragen wird, stört hierbei nicht. D.h. es ergibt sich unmittelbar:


 .


Weil wir hierin die Nebenbedingungen ja berücksichtigt haben, dürfen wir wieder davon ausgehen, dass alle Koeffizienten der   verschwinden. Hieraus ergeben sich die sog. Langrange'schen Gleichungen 2. Art:


 .


In unserem Beispiel der schiefen Ebene lässt sich die natürliche Lagrangefunktion als   sehr leicht angeben: Im Koordinatensystem von   erhalten wir die kinetische Energie


 ,


die potentielle Energie


 


sowie für die Nebenbedingung   und  .

Im Koordinatensystem von   sind dies


 ,
 


und für die Nebenbedingung   und  . In beiden Fällen (als auch im zweiten Beispiel) traten ja keine Nicht-Potenzialkräfte auf, d.h.  . Durch Einsetzen in die Lagrange'sche Gleichung 2. Art überzeuge man sich selbst davon, dass wieder die bereits bekannten Bewegungsgleichungen (d.h. die Lagrange'schen Gleichungen 1. Art) hieraus folgen. Im letzteren Fall hätte man natürlich wegen der Nebenbedingung   auch direkt auf diese Koordinate und somit auf die Methode mit den Lagrange'schen Multiplikatoren verzichten können.

Im Beispiel des betrachteten physikalischen Pendels stellen wir zunächst fest, dass wegen   nicht nur   sondern auch   gilt, was ja (wie wir oben bereits gesehen haben) auf   und   bzw. analog hierzu auf   und   führt. Hieraus folgt für die kinetische Energie:


 .


Die potentielle Energie ist wieder


 .


Wegen   gilt übrigens auch  , was wir beim Bilden von   in den Euler-Lagrange-Gleichungen bzgl. der Variablen   benötigen. Die Nebenbedingungen hinsichtlich dieser Variablen führen auf   und   sowie  .

Natürlich hätten wir auch direkt   setzen und Polarkoordinaten   bzw.   einführen können. D.h. durch eine geschickte Wahl der neuen Koordinaten ist es auch hier wieder möglich, die an das System gestellten Nebenbedingungen direkt zu berücksichtigen, so dass das System nur noch durch genau so viele Variablen beschrieben wird, wie es Freiheitsgrade besitzt: Langrange'schen Multiplikatoren werden dann somit nicht benötigt. In solch einem Fall gilt also bei f Freiheitsgraden


 .


Dies wird aber voraussichtlich nicht für alle zu betrachtenden physikalischen Systeme immer so gelingen.