Topographische Anatomie: Untere Extremität: Unterschenkel

< Topographische Anatomie | Untere Extremität

Muskulatur des Unterschenkels

Bearbeiten

Am Unterschenkel unterscheidet man Beuger, Strecker und Peroneusmuskeln

Bearbeiten

Am Unterschenkel unterscheidet man drei Muskelgruppen: Beugergruppe, Streckergruppe und Fibularis-Gruppe (Peroneus-Gruppe).

  • Die Beugergruppe befindet sich auf der Rückseitenes des Unterschenkels und gliedert sich in eine oberflächliche und eine tiefe Gruppe:
    • Die oberflächliche Gruppe enthält zwei Muskeln:
      • Der Musculus triceps surae gibt der Wade ihre Form; wie es der Name andeutet, hat er drei Köpfe, und zwar
        • die beiden Musculi gastrocnemii, die vom lateralen und medialen Epikondylus des Femurs entspringen;
        • den Musculus soleus ("Schollenmuskel"), der vom Caput fibulae entspringt.
      Die Musculi gastrocnemii wirken somit auf drei Gelenke ein (Kniegelenk, oberes und unteres Sprunggelenk), während der Musculus soleus nur auf zwei Gelenke wirkt (beide Sprunggelenke). Insgesamt ist der Musculus triceps surae der stärkste Supinator in den Fußgelenken.
      • Der Musculus plantaris ist ein dünner Muskel (Analogon zum Musculus palmaris des Unterarms), der medial zwischen Musculus soleus und den Musculi gastrocnemii verläuft und aufgrund seiner Nähe zu den Köpfen des Musculus triceps surae als "vierter Triceps-Kopf" bezeichnet wird. Unter ihm verläuft parallel zum Musculus soleus der Musculus popliteus, der funktionell allerdings zu den Oberschenkelmuskeln gehört.
    • Die tiefe Gruppe enthält drei Muskeln (von medial nach lateral):
      • Musculus flexor digitorum longus,
      • Musculus tibialis posterior,
      • Musculus flexor hallucis longus.
Diese Muskeln entspringen von Tibia, Fibula und Membrana interossea, sind dabei jedoch nach lateral verlagert, so dass sie sich auf ihrem Weg zur Fußsohle an zwei Stellen überkreuzen:
  • Chiasma crurale: proximaler also der Kreuzungspunkt der beiden medialen Muskeln (Musculi flexor digitorcum longus und tibialis posterior) hinter dem Malleolus medialis,
  • Chiasma plantare: distaler Kreuzungspunkt der beiden Randmuskeln (Musculi flexor digitorum longus und flexor hallucis longus) unterhalb des Sustentaculum tali (Unterstützung des Fuß-Längsgewölbes).
Alle Muskeln der Beugerloge werden vom Nervus tibialis innerviert. Über diesen Nerven läuft somit auch der Achillessehnenreflex.
  • Die Streckergruppe liegt lateral ventral und enthält drei Muskeln, die alle vom Nervus fibularis profundus (aus dem Nervus fibularis communis) innerviert werden. Von lateral nach medial handelt es sich um folgende Muskeln:
    • Der kurze Musculus extensor digitorum longus entspringt von der Fibula und zieht zu den Phalanges distales der vier seitlichen Zehen.
    • Der Musculus extensor hallucis longus wird größtenteils von den anderen beiden Muskeln der Gruppe bedeckt und setzt an der Phalanx distalis der Großzehe an.
    • Der Musculus tibialis anterior ist der längste Muskel der Streckergruppe, entspringt von Fibula, Membrana interossea und Tibia und setzt am medialen Rand des Fußes an. Er bildet den stärksten Extensor in den Fußgelenken.
  • Die Fibularisgruppe (Peroneusgruppe) befindet sich lateral und mehr dorsal und enthält drei Muskeln, die allesamt von der Fibula entspringen und vorwiegend vom Nervus fibularis superficialis innerviert werden. Sie beugen die Fußsohle (Plantarflexion) und bewirken zusätzlich eine Pronation. Von lateral nach medial sind dies folgende Muskeln:
    • Der Musculus fibularis (peroneus) longus entspringt am weitesten proximal und zieht an der Fuß-Unterseite zur medialen Kante des Fußes.
    • Der Musculus fibularis (peroneus) brevis zieht zur lateralen Kante des Fußes
    • Der Musculus fibularis (peroneus) tertius verläuft ebenfalls zum lateralen Fußrand. Bei ihm handelt es sich um eine Abspaltung des Musculus extensor digitorum longus, weshalb der Muskel auch als einziger Muskel der Fibularisgruppe nicht vom Nervus fibularis superficialis innerviert wird, sondern vom Nervus fibularis profundus.

 

Merke
Der Musculus triceps surae ist der stärkste Supinator des Fußes, der Musculus tibialis anterior der stärkste Strecker des Fußes. Der Musculus fibularis (peroneus) tertius ist ein Derivat des Musculus extensor digitorum brevis.


Beim Kompartmentsyndrom handelt es sich um eine Einblutung in den Faszienschlauch. Da hierbei zuführende Gefäße komprimiert werden, verschlechtert sich die Blutzufuhr, so dass die Unterschenkelmuskulatur nekrotisieren kann.

Die Haut des Unterschenkels wird von vielen verschiedenen Nerven versorgt

Bearbeiten

Die Haut des Unterschenkels wird ventral und dorsal von verschiedenen Nerven versorgt.

  • Ventral übernehmen insgesamt drei Nerven die sensible Innervation:
    • Den proximalen ventralen Unterschenkel innervieren zwei Nerven:
      • Der Nervus saphenus (aus dem Nervus femoralis) tritt durch den Adduktorenkanal und verläuft anschließend auf der Faszie; er versorgt den medialen Teil des Unterschenkels.
      • Der Nervus cutaneus surae lateralis (aus dem Nervus fibularis communis) verläuft oftmals zweiästig und kommuniziert distal mit einem Ast des Nervus fibularis superficialis; er versorgt den lateralen Teil des proximalen Unterschenkels.
    • Distal erscheinen zwischen diesen beiden Nerven Äste des Nervus fibularis superficialis, und zwar
      • Nervus cutaneus dorsalis medialis,
      • Nervus cutaneus dorsalis intermedius.
  • Die Haut des dorsalen Unterschenkels wird ebenfalls von drei Nerven innerviert:
    • medial vom Nervus saphenus (aus dem Nervus femoralis),
    • lateral vom Nervus cutaneus surae lateralis (aus dem Nervus fibularis (peroneus) communis; siehe oben),
    • dazwischen vom Nervus cutaneus surae medialis (separater Hautast des Nervus tibialis), der distal die Faszie durchbricht und fortan als "Nervus suralis" bezeichnet wird.

Die V. saphena magna zieht bis in die Leistengegend

Bearbeiten
 

Analog zum Arm unterscheidet man auch beim Bein oberflächliche und tiefe Venen.

  • Die oberflächlichen Venen sind die Venae saphenae magna und parva.
    • Die Vena saphena magna drainiert das Venennetz des Fußrückens, das Rete venosum dorsale pedis, zieht am Malleolus medialis entlang und hinter den medialen Kondylen zum Hiatus saphenus der Leistenregion; sie enthält das Blut des medialen distalen Fußes. Manchmal besitzt sie einen Nebenast, die Vena saphena accessoria.
    • Die Vena saphena parva entspringt vom lateralen Malleolus und mündet in die Vena poplitea.
  • Die tiefen Venen verlaufen entsprechend der Arterien, allerdings meist in zweifacher Ausfertigung.

Die oberflächlichen Venen stehen über Venae perforantes mit den tiefen Venen in Verbindung. Da oberflächliche Venen meist in tiefe Venen drainieren, kann ein venöser Rückstau des tiefen Venensystems sich in die oberflächlichen Venen fortsetzen und dort zu einer sog. sekundären Varikosis ("Besenreiser","Krampfadern") führen. (im Gegensatz zu einer primären Varikosis, die mit einer Insuffizienz der Venenwände begründet ist.)

Die Lymphe eines kleinen Bereichs wird von den Knie-Lymphknoten gereinigt

Bearbeiten

Die Lymphe aus einem schmalen Streifen des oberflächlichen dorsalen Unterschenkels (dorsolaterales Bündel) sowie aus tiefen Regionen des distalen Beines fließt letzlich zu den Noduli poplitei, die ihrerseits in die Noduli inguinales profundi drainieren; die Lymphe des übrigen Beines gelangt in die Noduli inguinales superficiales und von dort ebenfalls in die Noduli inguinales profundi.

Ventral und dorsal existieren Leitungsbahnen

Bearbeiten

Am Unterschenkel existieren drei Leitungsbahnen (Straßen): Flexorstraße, Extensorstraße und Fibularis-Straße.

  • Die Flexorstraße (dorsal) enthält
    • die Arteria tibialis posterior; am Unterschenkel entlässt sie die Arteria fibularis (peronea), am Fuß bildet sie ein komplexes Arteriennetz, vor allem auf der Plantarseite;
    • den Nervus tibialis.
Beide verlaufen gemeinsam unter dem Musculus soleus.
  • Die Extensorstraße (ventral) enthält
    • die Arteria tibialis anterior; sie tritt proximal durch die Membrana interossea;
    • den Nervus fibularis profundus; er durchsticht das Septum intermusculare cruris.
Arterie und Nerv verlaufen dann zwischen Musculus tibialis anterior und Musculus hallucis longus lateral der Tibiakante.
  • Die Fibularis-Straße (lateral) enthält lediglich den Nervus fibularis (peroneus) superficialis, der proximal vom Musculus fibularis longus bedeckt wird und weiter distal ebenfalls nach ventral zieht.