Topographische Anatomie: Retrositus: Retroperitonealraum

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Der Harn wird in den Nieren hergestellt und über den Ureter abtransportiert Bearbeiten

Die Nieren werden zum Teil von Rippen bedeckt und liegen in unterschiedlicher Höhe Bearbeiten

 

Das Spatium retroperitoneale ist der Raum dorsal der Peritonealhöhle und ventral der hinteren Bauchwand und reicht vom Diaphragma bis zum Becken. In diesem Raum liegen unter anderem die Nieren, genauer: sie liegen etwa zwischen dem zwölften Brust- und dem dritten Lendenwirbel, wobei sich der Eintrittsort der Gefäße in die Nieren (das Nierenhilum also) auf Höhe des zweiten Lumbalwirbels befindet. Die Rippen kreuzen die Nieren – zumindest zu einem Teil. Die rechte Niere reicht bis zum elften Interkostalraum hinauf, die linke Niere wird von der zwölften und der gesamten elften Rippe bedeckt. Somit sind die Nieren zwar einigermaßen geschützt, können aber von Rippenfrakturen verletzt werden. Die untere Hälfte liegt auf Höhe des Trigonum lumbale inferius, das einen guten Zugangsort zu den Nieren darstellt. Da die Leber auf der rechten Seite viel Platz beansprucht, ist die rechte Niere gegenüber der linken um einen halben Wirbelkörper versetzt; da sich das Zwerchfell bei der Einatmung senkt und die Nieren in ihrem Retroperitonealspatium verschoben werden können, senken sich auch die Nieren bei der Inspiration, und zwar um ca. einen ganzen Wirbelkörper.

Da die Nieren während der Entwicklungszeit einen Aszensus (also von kaudal nach kranial) durchlaufen, kann es bei einem unvollständigem Aszensus vorkommen, dass die Nieren weiter kaudal als "normal" liegen. Außerdem ist es möglich, dass, wenn die unteren Pole der beiden Nieren miteinander verwachsen sind ("Hufeisenniere"), der Aszensus zwangsläufig unvollständig bleibt, weil die Niere nun an der A. mesenterica inferior hängen bleibt.

Die Nieren haben viele Nachbarn: Muskeln, Nerven und Organe Bearbeiten

 
 
 
 

Wenn man von kranial auf das Nierenlager sieht, erkennt man, dass die Nieren in einem "Graben" liegen, der von M. psoas major und M. quadratus lumborum gebildet wird. Die Nieren folgen dabei zwangsläufig dem Verlauf des M. psoas major, d. h. die oberen Nierenpole sind sich einander näher als die unteren Nierenpole, das Nierenhilum scheint zudem nach ventral gedreht zu sein. Außerdem haben die Nieren Beziehungen zum Zwerchfell und zur Ursprungs-Sehnenfläche des M. transversus abdominis. Aber auch zu Nerven sind die Nieren benachbart. So läuft – von kranial nach kaudal betrachtet – der N. subcostalis über die Rückfläche Niere (er ist ja sozusagen der zwölfte Interkostalnerv), dann der N. iliohypogastricus, der ja aus dem Plexus lumbalis kommt, zwischen den großen flächenhaften Bauchmuskeln verläuft und sich dann oberflächlich in zwei Äste aufspaltet, und schließlich der N. ilioinguinalis, der ebenfalls aus dem Plexus lumbalis stammt und zunächst auch zwischen Transversus und Internus verläuft, dann aber durch den Leistenkanal in den Genitalbereich tritt.

Es fällt auf, dass die Nieren der Lunge bzw. ihrer Pleura näher liegen, als man zunächst denken könnte. So projizieren sich die oberen Nierenbereiche jeweils auf den Recessus costodiaphragmaticus und sind am Trigonum lumbocostale nur durch die Faszie des Zwerchfells von der Pleura getrennt. Die Nieren grenzen mit ihren ventralen Flächen direkt an Organe an, sie dellen sie manchmal sogar ein. In der Nähe der rechten Niere liegt die Leber, das Duodenum und die rechte Kolonflexur, bei der linken Niere liegt dagegen die Milz, das Pankreas und die linke Kolonflexur (bzw. schon das absteigende Kolon); außerdem liegt der linken Niere der Magen auf. Auf jeder Niere sitzt zudem jeweils eine Nebenniere, deren Aufgabe es unter anderem ist, Adrenalin herzustellen.

Die Nieren liegen in einem mit Fett gefüllten Raum, der von Faszien umgeben ist Bearbeiten

 

Der Raum in dem die Nieren liegen, das sogenannte Nierenlager, ist nicht mit Luft gefüllt, sondern es befinden sich hier Fett und Faszien. Ventral wird das Nierenlager vom Peritoneum parietale begrenzt, dorsal von der Fascia transversalis (die Faszie des M. transversus abdominis). Dazwischen liegen die Nieren, die von einer Nierenfaszie, einer Fett- und einer Bindegewebskapsel umgeben sind. Die Bindegewebskapseln (Capsula fibrosa renis) grenzen direkt an die Nieren, sie liegen ihnen direkt auf. Außen herum befindet sich Fettgewebe (Capsula adiposa), das auch die Nebennieren von den Nieren trennt. Wird dieses Fettgewebe abgebaut, kann es passieren, dass die Niere nach unten rutscht und dabei Gefäße und den Ureter dehnt bzw. abknickt ("Wanderniere"). Schließlich umgibt die Nierenfaszie (Fascia renalis) die Nieren ventral und dorsal, und zwar mit einem dünnen prärenalen und mit einem kräftigen retrorenalen Blatt, welches medial mit der Fascia transversalis und lateral mit dem eben erwähnten prärenalen Blatt verwachsen ist. Dieses Faszienaggregat kann man sich als einen Sack vorstellen, der oben mit dem Zwerchfell verwachsen ist und von dort herabhängt. Während nun das retrorenale Blatt keine Unterbrechungen hat, ist das prärenale Blatt an zwei Stellen geöffnet, nämlich zum einen medial, um die Nierengefäße zu entlassen, und zum anderen kaudal, damit der Ureter nach unten laufen kann.

Abszesse im Nierenlager kreuzen mitunter den M. psoas major, so dass sich der Abszess dann entlang dieses Muskels ausbreiten und sogar bis in die untere Extremität gelangen kann.

Die Arterienversorgung ist für die Nieren beider Seiten gleich, im Gegensatz zum venösen Abfluss Bearbeiten

 
 

Am Nierenhilus treten von ventral nach dorsal die V. renalis (sie überkreuzt links die Aorta und "würgt" sie gewissermaßen unterhalb der A. mesenterica superior), dann die A. renalis und schließlich der Ureter ein bzw. aus. Da der Ureter also am dorsalsten liegt, wird das Nierenbecken am besten von hinten operiert.

Die Arterienversorgung ist für beide Nieren gleich. Aus der Aorta abdominalis kommt eine A. renalis, gibt auf ihrem Weg zur Niere eine A. suprarenalis inferior ab (media und superior kommen aus der Aorta bzw. aus der A. phrenica inferior) und teilt sich kurz vor Eintritt in das Hilum in einen vorderen und einen hinteren Ast auf. Während der hintere Ast unverzweigt in die Niere gelangt, teilt sich der vordere Ast in vier Arterien, so dass insgesamt fünf Arterien in die Niere eindringen. Nach dem Versorgungsgebiet dieser Arterien untergliedert man die Niere selbst in fünf Segmente, also in vier vordere und ein hinteres; diese Segmentgliederung stimmt jedoch nicht mit der makroskopischen Gliederung der Niere in zwei Pole, zwei Flächen und zwei Ränder überein. Übrigens sind die Nierenarterien wie die Herzkranzgefäße und die Lungenarterien funktionelle Endarterien. Wenn also eine dieser Arterien verstopft ist, kommt es zum Niereninfarkt.

Im Gegensatz zur Arterienversorgung ist der venöse Abfluss nicht auf beiden Seiten gleich. Denn in die linke Nierenvene kommen Venen, die eigentlich in die Hohlvene einmünden müssten. So gehen die V. suprarenalis und die V. ovarica bzw. testicularis rechts in die Vena cava, links dagegen in die V. renalis. Lymphgefäße passieren die Lymphknoten, die seitlich an der Aorta (Nll. lumbales dextri) und an der Hohlvene (Nll. lumbales sinistri) und zwischen diesen beiden Gefäßen (Nll. lumbales intermedii) lokalisiert sind. Nerven bekommen die Nieren aus dem Plexus renalis.

Der Ureter transportiert den Harn in die Blase Bearbeiten

 
 
 

Der definitive Harn tropft aus den Nieren-Pyramiden – sie bilden das Mark des Nierenparenchyms – in die kleinen Kelche, die sich zu den großen Kelchen vergrößern und sich im Nierenbecken vereinigen. Aus diesem Becken geht schließlich der Harnleiter (Ureter) hervor, der den Harn peristaltisch in Richtung Harnblase fortbewegt. Dieser Harnleiter wird manchmal 30 Zentimeter lang und gliedert sich in eine Pars abdominalis, eine Pars pelvica und eine Pars intramuralis.

Die Pars abdominalis begleitet den M. psoas major bis zur Linea terminalis. Weil sie von dorsal nach ventral verläuft, unterkreuzt sie die Vasa testicularia bzw. ovarica und überkreuzt sie die Vasa iliaca. Die Pars pelvica ist der Teil des Ureters, der von der Linea terminalis bis zur Blase (Vesica urinaria) verläuft. Sie zieht also am lateralen Beckenrand entlang, biegt dann in die Mitte und nach ventral und tritt in die Blase ein, und zwar an einem relativ weit kaudal gelegenen Bereich der Blase (Engstelle!). Beim Mann wird dieser Ureter-Abschnitt kurz vor der Einmündung vom Ductus deferens überkreuzt, bei der Frau von der Arteria uterina, bevor der Ureter neben dem Uterushals zur Blase zieht. Der etwa zwei Zentimeter lange Teil des Ureters, der innerhalb der Blasenwand verläuft ist schließlich die Pars intramuralis. Alle Arterien, die der Ureter kreuzt, geben Äste an ihn ab und bilden ein Netz in seiner Bindegewebshaut.

Auf seinem Weg vom Nierenbecken zur Harnblase wird der Ureter an drei Stellen eingeengt, an denen sich auch Nierensteine verfangen können, was dann zu schmerzhaften Kontraktionswellen der Uretermuskulatur führt. Die erste (obere) Enge liegt dort, wo der Ureter die Niere verlässt, die zweite (mittlere) Enge an der Kreuzungsstelle von Ureter und Gefäßen, also Vasa ovarica/testicularia oder Vasa iliaca, und die dritte (untere) Engstelle am Eintritt des Ureters in die Blase.

Die Nebennieren sind "sympathische Ganglien" Bearbeiten

 
 

Die Nebennieren produzieren Hormone. Normalerweise liegen sie den oberen Nierenpolen auf. Die rechte Nebenniere hat die Form eines Dreiecks, die linke Nebenniere ist halbmondförmig. Versorgt werden die Nebennieren von drei Arterien (Aa. suprarenales inferior, media, superior), die – von unten nach oben gesehen – aus der jeweiligen Nierenarterie, aus der Aorta und aus der unteren Zwerchfellarterie stammen.

Nerval versorgt werden sie parasympathisch von vagalen Ästen und sympathisch von den Nn. splanchnici, die alle ein Geflecht bilden, und zwar den Plexus suprarenalis. Die sympathischen Fasern sind dabei noch nicht umgeschaltet, wie es bei den übrigen Organen der Fall ist, sondern docken erst im Nebennieren-Mark an nachgeschaltete Zellen an. Deshalb kann man das Nebennieren-Mark als sympathisches Ganglion ansehen.

Gefäße, nervale Versorgung und Lymphabfluss zeigen Besonderheiten im Retroperitonealraum Bearbeiten

Die Aorta entlässt im Bauch fünf Arterienpaare Bearbeiten

 

Nachdem die Aorta durch das Zwerchfell nach unten hindurchgetreten ist, läuft sie auf der linken Seite der Wirbelsäule bis zum vierten Lendenwirbel und teilt sich dann in die beiden Aa. iliacae communes und in die A. sacralis mediana. Die Aorta kann daher nötigenfalls gegen den vierten Lendenwirbel abgedrückt werden. Bis dahin gibt sie mehrere Äste ab. Zunächst entlässt sie die Aa. phrenicae inferiores, bevor der Truncus coeliacus aus ihr auszweigt, und dann auf beiden Seiten die Aa. suprarenales mediae zu den Nebennieren verlaufen. Die Aa. renales liegen auf derselben Höhe wie die A. mesenterica superior, darunter verlassen gleich die Aa. testiculares bzw. ovaricae die Aorta. Weiter kaudal kommt die A. mesenterica inferior aus der Aorta. Von der oberen A. mesenterica bis zur Aufteilung in die Aa. iliacae communes gibt die Aorta vier Lumbalarterien ab, die wie die Interkostalarterien zur hinteren Rumpfwand verlaufen.

In die Vena cava gelangt nur Blut aus paarigen Organen Bearbeiten

Die Vena cava inferior leitet das Blut nach oben zum Herzen und nimmt dabei nur die Venen auf, die von paarigen Organen kommen, denn die unpaaren Organe geben ihr Blut ja allesamt – bis auf die Leber – in die Pfortader ab. Die Zuflüsse kommen dabei analog wie die Abgänge aus der Aorta, d. h. die Vena cava inferior erhält Vv. lumbales, Vv. testiculares/ovaricae (nur die rechten!), Vv. renales, Vv. suprarenales und Vv. phrenicae inferiores. Sie verläuft nach der Vereinigung der beiden Vv. iliacae communes und der V. sacralis mediana auf der rechten Seite der Wirbelsäule nach kranial, wobei sie umso ventraler verläuft, je höher sie gelangt. Dies ist auch der Grund, weshalb die untere Hohlvene das Zwerchfell weit vor der Aorta durchtritt (sogar die Durchtrittsstelle des Ösophagus liegt weiter vorne als die der Aorta)! Auf ihrem Weg nach oben ist sie von Peritoneum bedeckt, unterkreuzt die Pars horizontalis des Duodenums und den Pankreaskopf und bildet die dorsale Begrenzung des Foramen omentale, also des einzigen Zugangsweges zur Bursa omentalis. Die Leber liegt ihr eng an und gibt ihr kurz vor dem Durchtritt durchs Zwerchfell die Vv. hepaticae.

Fasern aus dem Grenzstrang bilden an der Aorta Geflechte Bearbeiten

 

Der Truncus sympathicus ist der Grenzstrang, zu dem die sympathischen Nerven, die aus dem Seitenhorn des thorakalen und lumbalen Rückenmarks stammen und eine Strecke mit den motorischen Axonen im Spinalnerven verlaufen, abbiegen und dort entweder verschaltet werden (Thorax) oder unverschaltet zu einem anderen Ganglion weiterlaufen. Der Grenzstrang befindet sich beiderseits der Wirbelsäule, wobei der lumbale Anteil meist vier oder fünf Ganglien besitzt, von denen die Nn. splanchnici lumbales auszweigen und ein Geflecht vor dem fünften Lendenwirbel bilden. Die sympathischen Fasern beteiligen sich mit den Fasern aus dem hinteren Truncus vagalis und dem Sakralmark an dem Plexus aorticus abdominalis, der vor der Aorta liegt. Von diesem Plexus aus laufen die autonomen Nervenfasern dann entlang der Arterien zu den zu innervierenden Organen. Weiter unten beteiligen sich die sympathischen Fasern an den Plexus hypogastrici superior und inferiores, die – besonders der untere Plexus hypogastricus – Fasern zu den Organen des Beckens schicken.

Die Cisterna chyli ist die Lymph-Sammelstation des Körpers Bearbeiten

 

Die Lymphe aus der unteren Extremität, des Urogenitalsystems und der Bauchorgane sammelt sich in der Cisterna chyli und gelangt durch den Ductus thoracicus in den linken Venenwinkel. Genauer: Die Trunci lumbales rechts, links und zwischen den großen Gefäßen sammeln die Lymphe aus den Beinen und dem Urogenitalsystem, die Trunci intestinales die Lymphe aus den Bauchorganen und geben sie in die Cisterna chyli ab. Von hier läuft die Lymphe in den Ductus thoracicus, der dabei mit der Aorta durch das Zwerchfell in die Thoraxhöhle eintritt und schließlich in den linken Venenwinkel mündet. Im Retroperitonealraum heißen die Lymphknoten meist wie die Gefäße, an denen sie liegen; im Becken werden sie hinsichtlich der Organe benannt, die sie umgeben.