Tarot/ Geschichte/ Die Anfänge

Die Anfänge Bearbeiten

 
5 Scheiben aus dem Mulûk Wa-Nuwwâb (15. Jahrhundert)

Von den Spielkarten weiß man, dass sie aus dem Ostasiatischen Raum stammen, wo Spielkarten ab dem 12. Jahrhundert nach Christus nachweisbar sind. Weiter weiß man, dass sie über den Arabischen Raum, wo die Spielkarten seit Ende des 12., Anfang des 13. Jahrhunderts bekannt waren, nach Europa kamen. In Europa werden Spielkarten zuerst im Gebetbuch des Teufels aus Bern im Jahre 1367 erwähnt in Form eines absoluten Verbotes der Spielkarten. Im Jahre 1370 taucht der Name Naipes (vom arabischen Na'ib = Delegierter, Abgeordneter, ist aber heute das Spanische Wort für Spielkarten) in Spanien auf. Ab dem Jahre 1377 werden Spielkarten in Europa häufiger erwähnt, meist in Schriften, die das Spielen mit den Karten verbieten. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts sind Spielkarten in ganz Europa mit der noch heute bekannten Struktur (4*13) verbreitet. Auch arabische Kartenspiele wie das Mulûk Wa-Nuwwâb weisen diese Struktur auf. Ebenfalls weisen alle diese Karten schon die Symbole der kleinen Arcana des Tarots, also den Stab, den Kelch, das Schwert und die Scheibe, auf, die auf die mamelukischen Karten zurückzuführen sind.

Was uns noch fehlt ist die Große Arcana. Wie kam die Große Arcana zum Kartenspiel, um zu einem Tarot zu werden? Welche Ideen standen dahinter? Hier stellt uns die Geschichte vor ein Rätsel. Wir wissen, dass das erste Kartenspiel mit zusätzlichen Triumpfkarten zwischen 1418 und 1425 für den Herzog von Mailand, Fillipo Maria Visconti (1392 - 1447) vom Maler Michelino da Besozzo hergestellt wurde. Fillipo Maria Visconti bezahlte für dieses ludus triomphorum (der Name Tarot taucht erst später auf) 15000 Dukaten. Damit ist dieses Tarot-, bzw. tarotähnliche Spiel wahrscheinlich das teuerste Kartenspiel, das jemals hergestellt wurde. Das Spiel ist leider nicht erhalten, aber es zeugen drei Dokumente von ihm. Was aber den Herzog dazu bewogen hat, dieses Spiel herstellen zu lassen, und warum es ihm eine solche astronomische Summe wert war, wissen wir nicht. Es lässt sich auch nicht mehr rekonstruieren, ob dieses Spiel als Gesellschaftsspiel, für esoterische Zwecke oder bloß für Prestigezwecke verwendet wurde. Es wird heute angenommen, dass dieses erste Triumpfspiel 60 Karten aufwies, also noch nicht die gleiche Struktur hatte, die der Tarot heute besitzt.

 
eine Trumpfkarte aus dem Cary-Yale-Tarot

Aus dem Jahre 1441 stammt ein Trionfispiel (so die frühe Bezeichnung dieser Kartenspielart), von dem 67 Karten erhalten geblieben sind, welches ebenfalls im Aufrag von Filipo Maria Visconti hergestellt wurde. Die Karten, bekannt als Visconti di Modrone, oder Cary-Yale-Tarot, befinden sich heute in der Beinecke Rare Book & Manuscript Library der Yale University. Die Triumpfkarten und die Struktur des Spiels sind aber nicht identisch mit der Tarotstruktur. Unter andere hat es noch zusätzliche weibliche Ritter und Pagen als Hofkarten. Man nimmt an, dass das Spiel eine 5x16 Struktur aufwies. Ab dem Jahre 1450 erscheinen plötzlich auch Trinonfispiele, mit denen die Familie Visconti nichts zu tun hatte, unter anderem in Florenz, Siena und Ferrera. Im Jahre 1452, so die Vermutung, entstand das Pierpont-Morgan-Bergamo-Tarocchi, auch als Visconti-Sforza-Tarot bekannt. Dies ist das am vollständigsten erhaltene Spiel aus der Frühphase des Tarots und weißt, wie man vermutet, die heute bekannte Struktur des Tarots auf. Vom Pierpont-Morgan-Bergamo-Tarocchi sind 74 Karten erhalten, und es fehlen nur, zumindest wenn man die 22+4x14 Struktur annimmt, die Karten Teufel, Turm, 3 der Schwerter und der Ritter der Kelche. Lange war man überzeugt, dass das Spiel aus der Hand des Künstlers Bonifazio Bembo stammt. Nähere Untersuchungen aber haben ergeben, dass 6 Karten von einem anderen Künstler stammen. Man nimmt heute an dass Bonifazio Bembo, Marziano von Tortona oder die Zavaratti-Brüder die Künster des Pierpont-Morgan-Bergamo-Tarocchi sind. Auch was die Struktur des Spiels anbelangt, geht man heute davon aus, dass es ursprünglich eine 5x14 Struktur aufwies und nicht eine 22+4x14, da ein Dokument aus dem Jahre 1457 von 70 Karten spricht.

Man nimmt heute an, dass die Zahl der Triumpfkarten zwischen 1460 und 1470 auf 22 festgelegt wurde, was auch der Zeit entsprach, als der Tarot zu einem Massenprodukt wurde - also kurz bevor die Geschichte des Tarots Italien verlässt und Frankreich die neue Heimat des Tarots wurde.

Aber bevor wir Italien und das 15. Jahrhundert verlassen, sollten wir noch auf ein Mauerblümchen der Tarotgeschichte aufmerksam machen, das in der Geschichte zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hat, so dass sich später andere mit falschem Ruhm bekleckern konnten, der jedoch einzig und alleine einem gehört: Dem sogenannten Sola-Busca-Tarot aus dem späten 15. Jahrhundert. Nicht nur ist es das erste Trionfispiel, das ganz klar und erwiesen eine 22+4x14 Struktur aufweist, sondern es ist auch der erste Tarot, bei dem die Triumpfkarten mit Namen versehen sind. Es ist auch der erste und lange Zeit auch einzige Tarot, der bei der kleinen Arcana nicht bloß die Farben in ihrer Anzahl abbildet, sondern alle Karten szenisch illustriert. Man könnte sagen, der Sola-Busca-Tarot ist der erste Tarot, der diesen Namen "verdient", und das, obwohl er in der Gestaltung und Benennung der Grossen Arcana mit den Trionfispielen und den späteren Tarotspielen nicht viel gemein hat, sondern sich an den Römischen Göttern orientiert. Die Originale des Sola-Busca-Tarots, dessen Künstler unbekannt ist, befinden sich im British Museum.