Tarot/ Anwendungen/ Divination
Divination
BearbeitenDas Wort Divination leitet sich von Divinus, d.h. Göttlich, ab und verweist darauf, welche Unterschiede zwischen Wahrsagen und Divination gibt. Es scheint mir, dass die vorherigen Verfasser dieser Seiten, diese Unterscheidung nicht gemacht haben, was ich als Mangelhaft beueteile. Ich möchte nicht Alles, was vor mir hier geschrieben wurde, vollkommen verwerfen, sondern fülle lediglich die Lücken. Es ist aus meiner Sicht für die Karten, sehr wichtig diese Unterscheidung zu machen.
Das Tarot ist heute hauptsächlich als Divinations-, sprich „Wahrsagewerkzeug“, bekannt und oft kennt man Tarot nur in diesem Kontext. Dabei ist gerade die Wahrsagerei mit dem Tarot geschichtlich am Wenigsten belegt, und erst Jean Françoise Alliette betrachtet den Tarot ausschließlich im divinatorischen Kontext. Man könnte fast sagen, er sei der Erfinder des divinatorischen Gebrauchs des Tarots.
Die Wahrsagerei versucht durch verschiedene Methoden einen Blick in die Zukunft zu werfen. Sie geht also davon aus, dass die Zukunft in einen gewissen Rahmen festgefügt ist und durch bestimmte Methoden erkannt werden kann. Keine dieser beiden Grundannahmen ist wissenschaftlich belegt. Warum immer nach "wissenschaftlich belegsten Fakten" in der Esoterik gesucht wird, ist mir ein Rätsel. Wer das macht, hat das Wesen der esoterik nicht begriffen. Dasesentliche im Esoterik ist die Erfahrung und der daraus Folgende Überprüfung dieser Erfahrung auf Brauchbarkeit im Alltag. Was sich als brauchbar erweist wird zum Wissen, jenseit der naturwissenschaftlichen Beweise. Das ist die Sichtweise der Esoterik.
Eine Form der Divination ist die Kartomantie, also das Wahrsagen mit Hilfe von Karten. Davon ist das Wahrsagen mit dem Tarot eine der bekanntesten Methoden. Wir wollen uns aber nicht darum kümmern, ob die Methode wissenschaftlich belegbar oder widerlegbar ist, sondern die Methode darstellen und überlassen es jedem selbst, ob er die Divination als Humbug ablehnen oder als brauchbare Methode annehmen will.
Neben der wissenschaftlich begründeten Skepsis gibt es aber auch noch eine religiös begründete Ablehnung der Divination, auf welche wir etwas eingehen wollen. Im Gegensatz zur wissenschaftlichen Ablehnung, die die Wahrsagerei als Humbug ablehnt, geht die religiöse Kritik davon aus, dass die Wahrsagerei möglich ist, lehnt sie aber aus zwei Gründen ab.
Im Intratext des Katechismus der katholischen Kirche heißt es: 2115 Gott kann seinen Propheten und anderen Heiligen die Zukunft offenbaren. Die christliche Haltung besteht jedoch darin, die Zukunft vertrauensvoll der Vorsehung anheimzustellen und sich jeglicher ungesunder Neugier zu enthalten. Wer es an notwendiger Voraussicht fehlen läßt, handelt verantwortungslos. (Dritter Teil, zweiter Abschnitt, erstes Kapitel, Artikel 1, III.)
Hier wird die Wahrsagerei abgelehnt, weil sie ein Vertrauensbruch gegenüber Gottes Vorsehung darstellt. Der Gläubige soll nach der Lehre der katholischen Kirche die Zukunft und ihre Planung Gott überlassen und darauf vertrauen, dass Gott zur rechten Zeit das Richtige tun wird. Bei Matthäus 6.34 heißt es: Darum sorget euch nicht um den morgenden Tag; denn der morgende Tag wird seine eigene Sorge haben. Der Grund aber, warum man Wahrsagerei betreibt, ist meist Sorge um den morgenden Tag, also die Zukunft.
Wenn man davon ausgeht, dass Wahrsagen durchaus möglich ist, ist noch lange nicht gesagt, ob irgendein Ausleger der Karten in der Lage ist, die Zeichen richtig zu deuten. Wer sich selbst nicht eingestehen kann, dass Fehlinterpretationen möglich sind, der wird schnell zum Lügner.
Ein weiterer Grund, und der ist meist der Wichtigere: Jede Interpretation stellt auch eine Information dar. Wenn man nicht davon ausgehen möchte, dass die gemachten Aussagen einzig und alleine auf der eigenen Meinung beruhen, dann muss die Information ja irgendwo hergekommen sein. Einige Interpretationen und Deutungsmöglichkeiten von Karten stellen solche universelle Wahrheiten dar, die man sich selbst auch ohne Karten jederzeit zusprechen kann. Was aber darüber hinausgeht, muss irgendwoher kommen, denn eine Information (vor allem eine sehr konkrete) kann nicht einfach so aus dem Nichts heraus entstehen. Und da stellt sich die Frage, woher ein Prophet inspiriert wurde, oder von wo ein okkulter Wahrsager seine Informationen eingeflüstert bekommen hat. Auf alle Fälle gilt es zu prüfen, wer der Geber der Informationen ist, und mit welcher Absicht er die Informationen preisgibt bzw. vorenthält. In den monotheistischen Religionen glaubt man, dass die Wahrsagerei durch unreine Geister, Dämonen oder Teufel geschieht und nicht durch natürliche Gegebenheiten oder gar durch gute Geister. Jedoch gibt es auch in der Bibel Wahrsagen, wobei als Quelle jedoch immer Gott selbst angenommen wird. Engel haben nur eine vermittelnde Funktion. Die Beschäftigung mit Zeichendeuterei als eine Form der Divination wird nach dieser Ansicht als Abfall von Gott gedeutet und mitunter als ein Bündnisschluss mit dem Teufel.
Aber auch unter Okkultisten hat die Divination einen schwierigen Stand. Und das scheint im heutigen Kontext etwas unverständlich. Von Okkultisten, die sich mit dem Tarot beschäftigt haben, wird die Divination meist grundsätzlich abgelehnt. Für Eliphas Lévi zeugte die Kartomantie mit dem Tarot von Unwissenheit. Arthur Edward Waite bezeichnete sie als die niedrigste Ebene des Tarotverständnisses, als minderwertig. Nichtsdestotrotz - und darin folgen wir den genannten Okkultisten, die trotzdem Divinationsmethoden angegeben haben - wollen wir die Divination nicht außen vor lassen und sie auch darstellen. Dabei betrachten wir in diesem Kapitel die Grundlagen. Die sogenannten Legesysteme, die für die Divination unerlässlich sind, werden im letzten Kapitel des Buches dargelegt.
Die grundsätzliche Frage ist dabei: Warum funktioniert Divination? Dabei wird von verschiedenen Modellen ausgegangen.
Ein Modell ist das sogenannte esoterische Modell. Dieses geht davon aus, dass Dinge, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, auf einer anderen Ebene trotzdem in einem Beziehungsverhältnis stehen, so dass man aus der Betrachtung des einen auf das andere schließen kann. Dies hieße für die Kartomantie, dass eine Kartenlegung Aussagen über die Person und eine Situation treffen kann, auch wenn kein rational erkennbares Beziehungsmuster zwischen den gelegten Karten und der Person beziehungsweise der Situation vorhanden ist.
Das psychologische Erklärungsmodell geht davon aus, dass der Geist des Menschen selber in einem gewissen Maße zur Präkognition in der Lage ist. Diese Präkognition wird aber durch eine Zensor genannte Barriere vom alltäglichen Bewusstsein unterdrückt. Es bedarf einer Art Schlüssel, der in der Lage ist, diesen Zensor zu umgehen, um die präkognitiven Fähigkeiten zu aktivieren. Dabei sollen die Karten durch ihre archetypischen Bilder in der Lage sein.
Unabhängig von der theoretischen Grundlage wird die Methode immer die gleiche sein. Sie besteht darin, dass man eine Frage formuliert, die Karten mischt, nach einem bestimmten Legemuster auslegt und dann die Karten interpretiert. In den meisten Fällen wird zuerst noch eine Karte herausgenommen, der sogenannte Signifikator. Der Signifikator bezeichnet den Fragesteller oder die Situation, über die man etwas erfahren will. Um den Signifikator auszuwählen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Die klassische Methode ist, dass man aus den Hofkarten eine Karte bestimmt, die dem Fragesteller ähnlich sieht. Eine andere Methode ist, dass man den Fragesteller selber eine Karte aussuchen lässt, oder dass man die Karte nach astrologischen oder anderen Gesichtspunkten auswählt.
Das Legemuster ist ein wichtiger Bestandteil der Kartomantie, da sich aus der Kombination der Kartenbedeutung und der Bezeichnung der Position die Deutung ergibt. Klassische Positionen in einem Deutungsmuster sind z.B. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft oder auch Inneres, Umfeld, Ängste und Hoffnungen. Die verschiedenen Deutungsmuster unterscheiden sich zum einen durch ihre Komplexität und zum anderen durch die Fragestellung, für welche sie geeignet sind. In der Komplexität reichen die Legemuster von einer Karte bis hin zu allen 78 Karten, wobei jedoch die meisten Deutungsmuster zwischen 5 und 10 Karten verwenden. Als Varianten für bestimmte Fragestellungen gibt es "Allzwecklegemuster", Legemuster für Beziehungsfragen, Berufsfragen, Situationsanalysen und Unzählige mehr. Bei einer ausgiebigen Legung wird meist so vorgegangen, dass man zuerst ein Muster legt, das eher allgemein gehalten ist. Aus den Erkenntnissen, die diese Legung ergibt, wählt man dann für die tiefergehende Fragestellung geeignete Legemuster.
Neben dem Gebrauch von festgefügten Legemustern gibt es auch noch die Möglichkeit, "Freestyle" zu legen. Dabei sind weder Positionen noch Bedeutung im Vorhinein festgelegt und werden erst während der Legung bestimmt. Hierbei ist zu beachten, dass man die Position und die Bedeutung dieser Position aber immer festlegt, bevor man die entsprechende Karte gezogen hat.
Manchmal kommt es vor, dass eine Karte auf dem Kopf steht. Einige Kartenleger messen dem eine besondere Bedeutung zu, andere wiederum nicht. Es gibt aber auch keinen allgemein gültigen Konsens darüber, wie eine umgekehrte Karte zu interpretieren sei. Einige sind der Meinung, dass die Bedeutung der Karte negiert wird. Andere interpretieren die Karte dann dahingehend, dass die Bedeutung der Karte für den Fragesteller ein schwieriges Thema darstellt. Also dass z.B. die Karte "der Herrscher" auf dem Kopf eine problematische Beziehung des Fragestellers zu Macht- und Ordnungsstrukturen darstellt. Geht die Auslegung eher Richtung psychologischer Deutung, spricht man auch von unerlösten Karten. Dies meint dann, dass der durch die Karte dargestellte Aspekt nicht oder noch nicht in die Persönlichkeit des Fragestellers integriert ist, und dass diese Nichtintegration den Fragesteller daran hindert, seine Persönlichkeit voll zu entfalten.