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Begriff der Logistik

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Die Logistik (im weitesten Sinn) sorgt für die Sicherstellung der Verfügbarkeit insbesondere von Gütern und Informationen. Prozesse zur Überbrückung von Raum (Transport) und Zeit (Lagerung) – d. h. der Fluss von Gütern – stehen dabei traditionell im Zentrum der Analyse.

Eine entsprechende flussorientierte Definition der Logistik schlägt das Council of Logistics Management vor:

„Logistikmanagement als Teil des Supply Chain Managements plant, implementiert und steuert den effizienten und effektiven Hin- und Rückfluss von Gütern, Diensten und damit verbundenen Informationen zwischen dem Ursprung und Verbrauchspunkt, so dass die Anforderungen der Kunden erfüllt werden.“

Aufgrund zunehmender Bedeutung hat sich die Logistik in mehreren Stufen zu einem umfassenden Managementkonzept entwickelt. Eine moderne Definition der Logistik, die dies widerspiegelt gibt Göpfert:

„Die Logistik ist ein spezieller Führungsansatz zur Entwicklung, Gestaltung, Lenkung und Realisation effektiver und effizienter Flüsse von Objekten (Güter, Informationen, Gelder, Personen) in unternehmensweiten und -übergreifenden Wertschöpfungssystemen.“

In dieser Definition deckt sich der Begriff der Logistik weitestgehend mit dem des Supply-Chain-Managements.

Begriff des Supply-Chain-Managements

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Als Supply-Chain (deutsch: Lieferkette, logistische Kette oder auch Wertschöpfungskette, Wertsystem) wird ein unternehmensübergreifendes virtuelles Organisationsgebilde (Netzwerk) bezeichnet, das als gesamtheitlich zu betrachtendes Leistungssystem spezifische Wirtschaftsgüter für einen definierten Zielmarkt hervorbringt. Beispiele für Supply-Chains sind etwa die Lieferketten der Automobilindustrie oder die textile Wertschöpfungskette. Im Extrem kann die Supply-Chain dabei von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung verschlissener Alt-Produkte reichen (from dirt to dirt). Die interorganisationale Arbeitsteilung zwischen den beteiligten selbständigen Unternehmen definiert Ausdehnung und Struktur der Supply-Chain. Durch die Tendenz zur Konzentration auf Kernkompetenzen (Outsourcing, Verringerung der intraorganisationalen Arbeitsteilung) entwickeln sich zunehmend differenziertere (d. h. arbeitsteiligere) Supply-Chains.

Im Ergebnis konkurrieren auf den jeweiligen Zielmärkten nicht vertikal integrierte Einzelhersteller, sondern stattdessen komplex strukturierte alternative Wertschöpfungssysteme (Lieferketten), die sich aus systemisch verbundenen, aber autonom agierenden unternehmerischen Einheiten zusammensetzen. Wettbewerbsvorteile erlangen solche dezentral organisierten Wertsysteme insb. durch eine marktadäquate Konfiguration ihrer Struktur sowie durch eine überlegene Koordination der autonom gesteuerten Aktivitäten in der Supply-Chain.

Das Supply-Chain-Management (SCM) zielt in diesem Sinne auf eine langfristige (strategische) und kurzfristige (operative) Verbesserung von Effektivität und Effizienz industrieller Wertschöpfungsketten.

Abgrenzung von der Logistik

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Die Begriffe SCM und Logistik werden vielfach synonym verwendet. In der Tat zielen SCM wie Logistik auf die Gestaltung von Objektflüssen (Güter, Informationen, Werte) entlang den Prozessstufen der Lieferkette, wobei sie auf eine Steigerung des (End-)Kundennutzens (Effektivität) und auf eine systemweite Verbesserung des Nutzen/Kosten-Verhältnisses (Effizienz) zielen.

Die Entwicklung der Logistik von einer funktional ausgerichteten Querschnittsaufgabe (insb. Transport und Lagerhaltung) im Unternehmen zu einem umfassenden Management-Konzept macht im Übergang zum modernen Supply-Chain-Management einen qualitativen Sprung. Während die Logistik die Objektflüsse weitgehend unabhängig von institutionellen Fragestellungen betrachtet hat, bezieht das SCM die Strukturierung und Koordination autonom agierender unternehmerischer Einheiten in einem Wertschöpfungssystem explizit in die Analyse ein. Das SCM betont somit in Abgrenzung zur Logistik den interorganisationalen Aspekt der logistischen Managementaufgabe.

Theoretische Grundlagen des SCM

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Die besonderen Eigenschaften des (Gesamt-)Systems „Supply-Chain“ ergeben sich aus dem spezifischen dynamischen Zusammenwirken der Lieferkettenglieder. Diese System-Eigenschaften lassen sich nicht aus der Summe der Eigenschaften der beteiligten Einzelglieder ableiten, vielmehr treten als Ergebnis komplexer dynamischer Prozesse neue Eigenschaften des Gesamtsystems hervor (Emergenz). Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem SCM stützt sich deshalb (was die formal/mathematische Seite anbelangt) stark auf die Erkenntnisse der Systemtheorie, sowie der Chaos- und Komplexitätsforschung. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht finden bei der Analyse von SCM-Problemstellungen insbesondere Erklärungsansätze der Neuen Institutionenökonomie (Transaktionskostentheorie, Property-Rights-Ansatz, Principal-Agent-Theorie) sowie des Ressource-Based-View Anwendung.

Typische Problemstellungen des Supply-Chain-Managements

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Charakteristische Problemstellungen des Supply-Chain-Managements sind bspw.

  • Kooperation und Wettbewerb zwischen den Mitgliedern einer Supply-Chain (können dezentral gesteuerte Supply-Chains wettbewerbsfähiger sein als vertikal integrierte Wettbewerber – und warum?)
  • Allokation von Leistungsprozessen und Dispositionsrechten sowie von Kosten- und Finanzierungslasten bzw. -risiken und die Verteilung von Wertschöpfungsanteilen in der Supply-Chain.
  • Konfiguration der Prozessstrukturen in der Supply-Chain.
  • Nutzung und Ausgestaltung alternativer Koordinationsformen: bspw. durch zentrale Planung mittels zweckmäßige konstruierter Anreizsysteme, durch systemweite Informationstransparenz oder durch unternehmensübergreifendes organisatorisches Lernen mit entsprechender Verhaltensanpassung der autonom handelnden Einheiten.
  • Abbau von Fehlerquellen und Störpotenzialen an den Schnittstellen der Supply-Chain-Glieder (Qualitätsmanagement); Robustheit der Supply-Chain gegen Störungen.
  • Bewältigung der Nachteile ungleich verteilten Wissens und verzerrter Informationsausbreitung in der Supply-Chain (Informationsasymmetrien); beispielhaft durch den sog. Peitscheneffekt zum Ausdruck gebracht.
  • Gesamtheitliches Bestandsmanagement für mehrstufige Lagerhierarchien (Echelon Inventory Planning).
  • Bewältigung von Komplexität und Variantenvielfalt in der Supply-Chain (insb. Postponement und Entkopplungspunkt).

Praktische Umsetzung des Supply-Chain-Managements

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Als früher Ausdruck der Hinwendung der Industrie zu SCM-Konzepten kann die etwa 1980 einsetzende Just-in-Time-Bewegung (JIT) angesehen werden. JIT zielt auf eine zeitlich eng koordinierte Kopplung der Produktionsprozesse von Hersteller und Lieferant. Besondere Beachtung fand dieses Konzept in der Automobilindustrie. Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung des JIT-Gedankens waren neben der gezielten Flexibilisierung und qualitativen Stabilisierung der Leistungsprozesse auf der Lieferseite insbesondere die logistische Kopplung der Produktionsprozesse von Lieferant und Hersteller unter weitgehendem Verzicht auf Lagerbestände als Problempuffer sowie unter Verwendung standardisierter Ladungsträger und Prozesse. Exemplarische Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die aus Japan kommende Kanban-Steuerung erlangt (Pull-Prinzip in der Produktionssteuerung).

Im Handel und in der Konsumgüterindustrie manifestiert sich das Supply-Chain-Management insbesondere in den Konzepten des Efficient Consumer Response (ECR). Hierbei handelt es sich um eine branchenweite Initiative zur Rationalisierung von Supply-Chain-Prozessen. Das Konzeptgebäude stützt sich auf einen Set spezifischer Basistechnologien (z. B. Barcodes, Standards für den elektronischen Datenaustausch), logistischer Standardsprozesse (z. B. Cross-Docking, VMI = Vendor Managed Inventory) und einen Prozess marketingorientierter Angebotsoptimierung (Category Management), die in einem übergreifenden gemeinsamen Planungsprozess (CPFR = Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment) verknüpft sind.

Eine branchenübergreifende Initiative maßgeblicher Großunternehmen hat mit der Erarbeitung des Supply-Chain-Operations-Reference-Modells (SCOR-Modell) die Grundlage für die modellhafte Darstellung, die Leistungsmessung und den Leistungsvergleich sowie für das Reengineering von Supply-Chain-Prozessen geschaffen. Das SCOR-Modell will die Kommunikation über Supply-Chain-Strukturen und Supply-Chain-Prozesse zwischen den beteiligten Unternehmen erleichtern, indem es einen allgemeinen begrifflichen und konzeptionellen Bezugsrahmen hierfür schafft.

Zunehmenden Einsatz finden spezifische Software-Systeme, die auf die operative Planung und Steuerung der Supply-Chain-Aktivitäten gerichtet sind. Diese Systeme werden bspw. als Advanced Planning Option (APO) oder auch als ERP II-Systeme bezeichnet. Als Betreiber solcher Planungssysteme bieten sich insbesondere große elektronische Marktplätze an.

Literatur

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  • Simchi-Levi, D.; Kaminsky, P; Simchi-Levi, E.: Designing and Managing the Supply Chain. Concepts, Strategies, and Case Studies. McGraw-Hill, Boston, 2000.
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