Soziologische Klassiker/ Kropotkin, Peter

Grundstruktur des Kapitels:

Biographie in Daten

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Peter Kropotkin (russisch: Pjotr Alexejewitsch Kropotkin/ Пётр Алексеевич Кропоткин)

  • geboren am 9.12.1842 in Moskau
  • gestorben am 8. Februar 1921


Russischstämmiger anarchistischer Revolutionär, Natur- und Gesellschaftswissenschaftler.


  • Vater: Fürst Alexei Petrowitsch Kropotkin
  • Geschwister: Alexander Kropotkin (älterer Bruder), zwei weitere Geschwister


Den ersten Teil von Kropotkins Leben (bis 1886) kann man anhand seiner Autobiografie, der vom Herausgeber der Titel "Memoiren eines Revolutionärs" gegeben wurde, nachlesen. Die Autobiografie ist, ganz im Stile des russischen Naturalismus, sehr nüchtern gehalten. Kropotkin beschreibt hier anhand seines Lebens auch eindringlich die Verhälnisse in Russland zu seiner Zeit.


  • 9.12.1842: Geburt in Moskau als Sohn hoher, aber politisch bedeutungsloser Adeliger.
  • 1857: Eintritt in das Pagenkorps des Zaren in Sankt Petersburg. Ausbildung in Naturwissenschaften, Erwachen literarischen Interesses, u.a. an den Schriften von Alexander Herzen.
  • 1861: Kropotkin wird Sergeant im Pagenkorps und Kammerpage Zar Alexanders II (besonders ironisch im Hinblick auf seine späteren sozialrevolutionären Ambitionen).
  • 1862: Kropotkin meldet sich nach Abschluss der Ausbildung im Pagenkorps als Offizier in einem sibirischen Kosakenregiment am Amurfluss-anders als die anderen Zöglinge des Pagenkorps, die in prestigeträchtige Garderegimente eintreten. Kropotik lernt dort das sibirische Verbannungswesen kennen, nimmt an mehrerern geografischen Expeditionen, u.a. in die Mandschurei und ins Sajangebirge teil und wird Attaché des Generalgouverneurs von Ostsibirien für Kosakenangelegenheiten.
  • 1867: Austritt aus dem Militär in Folge eines Gefangenenaufstands, der Kropotkin die Unvereinbarkeit zwischen seiner (damals noch sozialdemokratischen) politischen Einstellung und seiner Stellung beim Militär verdeutlicht.
K. beginnt ein Mathematikstudium in S. Petersburg, setzt seine geografischen Studien fort und wird Sekretär der Sektion "Physische Geographie" der Geographischen Gesellschaft. Seine Entdeckungen zur Geographie Asiens sind bedeutend.
  • 1871: Teilnahme an geographischen Forschungsexpeditionen in Finnland und Schweden. Ihm wird der Sekretärsposten der russischen geographischen Gesellschaft angeboten den er jedoch ablehnt, um "ins Volk zu gehen", d.h. als Revolutionär zu wirken.
  • 1872: Reise nach Westeuropa: Durch Deutschland in die Schweiz. In Zürich erster Kontakt zur Internationalen Arbeiter- Assoziation("Internationale"). Kropotkin kommt in Kontakt mir sozialistischen Ideen, auch denen des Anarchisten Michael Bakunin. Er wird Mitarbeiter der Genfer Sektion der Internationale. In Neuchatel und im Jura schließt sich Bakunin dem föderalistischen Anarchismus an.
Rückkehr nach Sankt Petersburg: Kropotkin wird Mitglied des revolutionären Tschaikowski-Kreises, einer Gruppierung der sog. "Narodniki".
  • 1874: Kropotkin wird verhaftet und ohne Prozess in der Peter-Paul-Feste eingekerkert.
  • 1876: Abenteuerlicher Ausbruch unter Mitwirkung zahlreicher Helfer aus dem Petersburger Militärgefängnis (ausführlich beschrieben in den Memoiren). Flucht nach England.
  • 1877: Rückkehr in die Schweiz. Arbeit in der anarchistischen Jura-Föderation. Er nimmt an verschiedenen internationalen sozialistsichen Kongressenteil.
  • 1878: Reisen nach England, Frankreich, Spanien.
  • 1879: Gründung der Zeitschrift Le Révolté.
  • 1882: Verhaftung in Lyon im Zusammenhang mit Aufständen in der Umgebung.
  • 1883: Anarchistenprozess in Lyon. Kropotkin wird zu fünf Jahren Haft verurteilt.
  • 1886: Kropotkin wird vorzeitig aus der Haft entlassen. Er lebt zunächst in Paris, geht dann aber nach London.
In den folgenden Jahren wird Kropotkin nicht mehr direkt revolutionär oder agitatorisch wirksam. Er widmet sich seinen Arbeiten zu Philosophie, Geschichte, Moral und Anarchismus, sowie verschiedenen soziologischen und naturwissenschaftlichen Themen.
  • 1897: Vortragsreise nach Nordamerika.
  • 1905-1914: Mehrere Aufenthalte in Frankreich, der Schweiz und Italien.
  • ab 1914: Kropotkin rückt im ersten Weltkrieg- zum Entsetzen vieler seiner Freunde und der Mehrzahl der Anarchisten- von seiner antimilitaristsichen Postion ab und unterstützt die Aliierten.
  • 1917: In Folge der Februarrevolution Rückkehr nach Russland: Empfang durch ca. 60.000 Menschen in St.Petersburg.
Kropotkin berät die Kerenski-Regierung. Er tritt für eine Fortsetzung des Krieges gegen Deutschland sowie für eine republikanische Verfassung Russlands ein.
  • 1918-1921: Die Verfolgung der Anarchsiten durch die Geheimpolizei der Bolschewiki bringt Kropotkin zu einer Wiederannäherung an den Anarchismus. Kropotkin warnt vor den Folgen der Politik der Bolschewiki.
1919 trifft er Lenin (auf dessen Wunsch), und versucht diesen (erfolglos) von seiner Politik abzubringen
  • 1921: Am 8. Februar stirbt Kropotkin. Die Beisetzung findet in Moskau Stadt, wo hunderttausende Menschen seinem Sarg folgen. Die Beerdigung stellt die letzte große anarchistische Demonstration vor der kompletten Auslöschung des russischen Anarchsimus durch die sowjetische Diktatur dar.


Historischer Kontext

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Kropotkins Leben fällt in eine sehr unruhige Epoche der europäischen Geschichte: In Russland gab es viele politische Strömungen, die gegen die Autokratie des zaristischen Regimes opponierten, darunter zahlreiche sozialrevolutionäre Bewegungen wie die "Narodniki"("Volkstümler"-eine, wenngleich sehr polemische, Beschreibung der politischen Strömungen findet sich in Dostojewskis "Die Dämonen").

In Westeuropa bildete sich zu dieser Zeit die internationale Arbeiterbewegung aus, mit ihrem "autoritären" Flügel unter Führung von Karl Marx, und dem freiheitlich-anarchistischen Flügel der von den Ideen Michail Bakunins inspiriert war und in dem auch Kropotkin aktiv wurde.

Ein besonderes Ereignis stellt der Pariser Kommuneaufstand von 1871 dar, der als erste (zumindest in Teilen) sozialistische Revolution der Geschichte angesehen werden kann. Obwohl Kropotkin nicht direkt daran beteiligt war, hatte dieser wesentlichen Einfluss auf sein Denken.

In die zweite Lebenshälfte Kropotikins fällt der erste Weltkrieg, in dem sich Kropotkin auf die Seite der Aliierten schlug- seine Gründe hierfür sind nach wie vor rätselhaft (eine gewisse Antiphatie gegen Deutschland dürfte eine Rolle gespielt haben), isolierte ihn diese Entscheidung doch von fast allen anderen Anarchisten.

Die Februarrevolution 1917 veranlasste Kropotkin zur Rückkehr nach Russland. Er beriet die Kerenski-Regierung und war für eine Fortsetzung des Krieges gegen Deutschland und Österreich. Nach der Oktoberrevolution übte er in mehrerern Briefen und Erklärungen Kritik an den Bolschewiki, wohl wissend um die zunehmende Entwicklung Russlands zu einer Diktatur. Er traf sich in dieser Zeit auch mit Lenin, jedoch blieb seine Kritik ohne Erfolg, sein Wirken wurde auch bald von der Tscheka(Geheimpolizei) behindert.


Theoriegeschichtlicher Kontext

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Kropotkin bediente sich in seinem Leben der Werke verschiedenster Autoren als Quellen seiner Arbeit. Besonderen Einfluss hatte jedoch auf dem Gebiet der Politik (d.h.:des Anarchismus) das Werk Michail Bakunins, auf dem Gebiet der Wissenschaft das Werk Darwins, mit dem Kropotkin schon seit seiner Jugend vertraut war, und auf literarischem Gebiet der russische Naturalismus mit Vertretern wie Tolstoi (der von K's Memoiren "entzückt" war), Gogol, Dostoijewski.


Kropotkin hatte im Zuge seiner geographischen Expeditionen nach Sibirien und Skandinavien auch selbst sehr viel Gelegenheit zum Studium von Natur und einheimischen Kulturen. Diese Erfahrungen bilden zu einem nicht unerheblichen Teil die Basis seiner wissenschaftlichen Arbeiten.


  • Worte eines Rebellen. 1885, herausgegeben von Elisée Reclus.
  • In russischen und französischen Gefängnissen. 1887.
  • Die Eroberung des Brotes. 1892.
  • Memoiren eines Revolutionärs.1899.
  • Landwirtschaft, Industrie und Handwerk. 1899.
  • Moderne Wissenschaft und Anarchismus. 1901/1913.
  • Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt. 1902, in Artikeln fortgesetzt.
  • Ideale und Wirklichkeit in der russischen Literatur. 1905.
  • Die Schreckensherrschaft in Russland. 1909.
  • Die französische Revolution 1789-1793.
  • Ethik.ab 1900, unvollendet, erster Band posthum 1922.


Das Werk in Themen und Thesen

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  • Peter Kropotkins bekanntestes Werk ist wohl seine Autobiographie "Memoiren eines Revolutionärs", in dem er auch die sozialen Zustände im Russland seiner Jugend, besonders auch im Hinblick auf die Behandlung der Leibeigenen und die Verhältnisse am Zarenhof, die er aus nächster Nähe beobachten konnte, aufzeigt.


  • Seine Hauptwerke zum Thema "Anarchismus" sind: "Worte eines Rebellen", "Die Eroberung des Brotes" und "Moderne Wissenschaft und Anarchismus". Ersteres beschäftigt sich mit der Kritik der bestehenden Gesellschaft, das zweite mit Ideen über das mögliche Vonstattengehen einer konkreten Revolution in einer Großstadt. Als Vorbild diente hier der Pariser Kommune-Aufstand von 1871-, während das letzte eine Ideengeschichte des Anarchismus darstellt.


  • Ein historisches Werk ist die "Französische Revolution 1789-1793", in dem er die Geschichte der französischen Revolution aus der Sicht des Volkes beschreibt (Lenin soll dieses Buch für das Beste zu diesem Thema gehalten haben).


  • Sein Wissenschaftliches Hauptwerk bildet die 1902 erschienene und in Artikeln fortgesetzte und ergänzte ARbeit "Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt". Kropotkin opponiert hier gegen die Auslegung des Darwinismus in seiner Zeit, die das Diktum des "Kampf ums Dasein"("struggle for life") und des "Überleben des Stärkeren"("survival of the fittest") allzu wörtlich auslegte und davon ausgehend sozialdarwinistische Konzepte wie Eugenik, Rassenkunde etc. entwickelte, deren Gefährlichkeit Kropotkin schon früh erkannte und gegen die er heftig opponierte.

Kropotkin erkennt zwar an, dass Konkurrenz zwischen und innerhalb der Tierarten einen wichtigen Mechanismus der Evolution darstellt, er stellt diesem aber das Prinzip der Kooperation, der Gegenseitigen Hilfe zur Seite. Das Werk ist systematisch aufgebaut: Im ersten Kapitel wird die "Gegenseitige Hilfe bei den Tieren" beschrieben, dann "bei den Wilden", "bei den Barbaren", "in der Stadt des Mittelalters" und schließlich "in unserer Zeit". An seinem Aufbau kann man bereits erkennen, das Kropotkin keine starke Trennlinie zwischen Natur und Kultur zieht. Für ihn (wie auch schon für Charles Darwin) entspringt das Sozialverhalten des Menschen ganz selbstverständlich seinem sozialen Instinkt, der sich der natürlichen Evolution verdankt. Während viele der Inhalte des ersten Kapitels im Hinblick auf Erkenntnisse der modernen Biologie und Verhaltensforschung heute relativiert werden müssen, bilden die folgenden Kapitel, besonders jene die sich mit der "Stadt des Mittelalters" und der (damaligen) Gegenwart beschäftigen, einen Fundus an Bräuchen und Institutionen die laut Kropotkin der Förderung der Kooperation und der Vermeidung von Konflikten dienen. Besondere Beispiele derartiger Institutionen sind für ihn die Marktgenossenschaften (Dörfer) und die Gilden und Zünfte des Mittelalters, sowie die Gewerkschaften und das Vereinswesen der Neuzeit. Kropotkin erläutert auch, wie die jeweils Mächtigen immer wieder versuchten, diese Institutionen zu zerstören oder unter ihre Kontrolle zu bringen-ein Beispiel hierfür sind die Bauernkriege im 16.Jh, in denen die Fürsten die traditionelle Gerichtsbarkeit der Bauern abschaffen wollten.


  • Mit dem Buch "Landwirtschaft, Industrie und Handwerk" wollte Kropotkin zeigen, wie sich mit den technischen Mitteln seiner Zeit nicht nur eine effektivere, sondern auch eine menschlichere Produktion realisieren lassen würde. Ein interessanter Aspekt dieses Werkes ist auch Kropotkins Theorie, dass nicht (nur) die Spezialisierung, sondern das Beherrschen von vielerlei Fertigkeiten zur Steigerung der Produktivität führt (bzw. führen kann- vergleichbar mit der Idee des "uomo universale" in der Renaissance).


Rezeption und Wirkung

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Peter Kropotkin gilt noch heute als einer der bedeutensten anarchistischen bzw. anarchokommunistische Theoretiker. Vor allem in den romanischen Ländern sowie in Russland (bis zur Machtübernahme der Bolschewiki) fanden seine Ideen weite Verbreitung. U.a. war auch die spanische Revolution von 1936 von seinen Ideen beeinflusst.

Sein wissenschaftliches Werk, insbesondere seine Betonung des Elementes der Kooperation in der Evolution, wurde schon zu Lebzeiten durch Kropotkins Veröffentlichungen in "Times", "Nature", "Nineteenth Century" und der "Enzyclopedia Britannica" bekannt und lebt ebenfalls noch heute weiter- z.B. erschien in der Märzausgabe 2004 von "Spektrum der Wissenschaft" ein Artikel mit dem Titel "Prinz Kropotkin", der sich mit der Frage der "Veranlagung des Menschen zum Guten" beschäftigt.


Literatur

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Internetquellen

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