Sei doch vernünftig: Immer vernünftig sein?

Können wir immer nur vernünftig handeln?


Wir haben gesehen, dass das vernünftige Problemlösungsverfahren uns in die Lage setzt, auch jenseits der wissenschaftlichen Erkenntnis in der sozialen und metaphysischen Wirklichkeit zu sagen, welche Vorstellungen und Handlungen richtig und welche falsch sind.

  • Vernunft in allen Lebenslagen, könnte man diese Methode nennen, oder Vernunft als Wille zur Problemlösung.
  • Der vernünftige Entscheidungsprozess ist mehrstufig, erwägt alle Alternativen, sucht nach Fehlern, berücksichtigt vernetzte Probleme und jeweils alle Betroffenen.

Aber nun kommt zu guter Letzt noch ein schwerwiegender Einwand:

  • Können wir wirklich in jeder Situation uns mehrere Möglichkeiten ausdenken, wie wir handeln sollen, oder uns Alternativen ausdenken, wie die Wirklichkeit anders beschaffen sein könnte als gemäß unserer augenblicklichen Vorstellung? - Können wir immer nach der Vernunft gehen?

Sehen wir uns ein einfaches Beispiel an. Du stehst an der Ampel. Sie steht auf Rot.

Sollst du warten?

Was du tust, hängt natürlich wieder ganz von der Situation ab, von der aktuellen Problemlage (oder 'Problemsituation').

Sind Kinder in der Nähe? Ist es etwa mitten in der Nacht und kein Auto zu erwarten? usw.

Bei vielen moralischen Fragen haben wir keine Zeit für lange Überlegungen und handeln fast immer nach bestimmten Regeln. Und im Bereich der Erkenntnis geht es einfach schneller, wenn wir uns auf Experten, Autoritäten und Bücher verlassen. Wir überlegen nicht jede Problemlösung selber!

Ist das falsch?

Es geht fast nicht anders.

Nur eine Einschränkung gibt es: Sobald die Regeln (oder Autoritäten) problematisch werden, müssen wir sie überdenken, wie oben im Fall der Ampel, wenn es Nacht ist, wenn wir gute Sicht haben und wenn kein Auto kommt: dann wäre es unpraktisch, die Regeln einzuhalten.

Analyse jeder Problemsituation? Oder schnelles Handeln nach Regeln? Was ist besser?

Machen wir es doch so:

Solange moralische Regeln und Autoritäten unproblematisch sind, können wir ihnen folgen. Jederzeit dürfen und sollten Autoritäten in Frage gestellt werden, wenn sie problematisch werden.

Das stimmt alles überein mit unserer Auffassung von Vernunft: Wir wollen die Probleme in unserem Umkreis vermindern. Wenn das durch Befolgen bewährter Regeln möglich ist, warum nicht?

Aber nur, wenn wir kritisch bleiben, sind wir vor Überraschungen einigermaßen geschützt.

Kritisch sein heißt darauf Acht geben, ob Regeln, Handlungsweisen, Autoritäten oder Theorien anfangen, problematisch zu werden.