Schilddrüse: Amiodaron

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Strukturformel des Amiodarons

Die Schilddrüse und Amiodaron

Einleitung Bearbeiten

Amiodaron ist ein Medikament zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen. Es besitzt eine dem Thyroxin (T4) verwandte chemische Struktur. Es enthält mit 37 % Gewichtsanteilen sehr viel Jod. Bei einer üblichen täglichen Erhaltungsdosis von 200 mg Amiodaron werden durch Dejodierung täglich etwa 7 mg Jodid freigesetzt. Der Tagesbedarf an Jodid ist demgegenüber mit 150 – 200 mikrog viel niedriger, d.h durch den Stoff entsteht ein ausgeprägter Jodüberschuß. Gleichzeitig ist die Abbaurate des Amiodarons mit einer Halbwertszeit von 40 – 60 Tage sehr lang.

Amiodaron enthält nicht nur viel Jod, es ist auch mit den Schilddrüsenhormonen strukturverwandt.


Unter Amiodaron kommt es häufig ( circa 40 % der Fälle) zu Veränderungen der Schilddrüsenhormonparameter kommen, die oft vom betroffenen Patienten gar nicht bemerkt werden.

Diese Veränderungen an der Schilddrüse werden

  • durch den hohen Jodgehalt oder
  • durch immunbedingte zytotoxische Effekte ( zytotoxisch = Zellzerstörend)

verursacht.

In der Peripherie führt Amiodaron zu einer

  • Hemmung der Deiodase, d.h T4 wird weniger in T3 umgewandelt
  • Hemmung der Schilddrüsenhormonrezeptoren.

Eine Radiojodtherapie kann man unter Amiodaron bis zu einem Jahr nach Absetzen des Medikamentes nicht durchführen, da das Radiojod nicht in die Schilddrüse aufgenommen wird.

Voruntersuchung Bearbeiten

  • Vor Einleitung einer Amiodarontherapie sollten folgende Untersuchungen durchgeführt werden
    • TSH basal
    • FT3 und FT4
    • TPO-AK
    • TRAK
    • Sonographie der Schilddrüse
    • Bei Knoten > 1 cm SD-Szintigramm

Verlaufskontrolle Bearbeiten

  • TSH basal alle 6 Monate
  • FT3 und FT4 alle 6 Monate

Es kann unter der Amiodaronbehandlung zu folgenden typischen Krankheitsbildern an der Schilddrüse kommen:

Laborveränderungen unter Amiodaron Bearbeiten

Anfangs Bearbeiten

hemmende Wirkung von Jod auf die SD ( Wolff-Chaikoff-Effekt)

  • vorübergehender Abfall des fT4-Spiegel
  • vorübergehende TSH-Erhöhung

Weiterer Verlauf Bearbeiten

Amiodaron hemmt die Deiodase und den SD-Hormonrezeptor

  • erhöhtes fT4
  • erniedrigtes fT3,
  • erhöhtes reverses T3
  • TSH
    • vorübergehender TSH-Anstieg (bis zu 20 mU/L)
    • später TSH-Spiegel wieder normal oder leicht erniedrigt.

Typische Laborkonstellation der Amiodarondauertherapie beim euthyreoten Patienten Bearbeiten

  • fT4-Anstieg um 20 bis 30 %,
  • fT3-Abfall in den unteren Normbereich,
  • TSH im unteren Normbereich beziehungsweise erniedrigt

Amiodaron-induzierte Unterfunktion der Schilddrüse (AIH) Bearbeiten

Durch das Amiodaron kann eine bereits vorhanden Autoimmunthyreoiditis verstärkt oder erst manifest werden, die dann zu einer Schilddrüsenunterfunktion führt. Bei Patienten mit positiven TPO-Antikörpern besteht dafür ein ca. 7-fache erhöhtes Risiko. Wie üblich wird die resultierende Unterfunktion einfach durch die Tabletteneinnahme von T4 behandelt. Wegen der Hemmung der Umwandlung von T4 nach T3 durch das Amiodaron ist die erforderliche Thyroxindosis meist etwas höher als üblich. Therapieziel ist ein TSHwert zwischen 1 und 2 , also im mittleren Normbereich. Amiodaron kann , wenn eine wichtige Indikation vorliegt, trotzdem weiter gegeben werden.

Amiodaron-induzierte Überfunktion Typ 1 (AIT I) Bearbeiten

Durch die exszessive Jodzufuhr kann es unter der längeren Therapie mit Amiodaron zur Ausbildung bzw zur schnelleren Manifestation heißer Knoten oder fokaler autonomer Bezirke kommen. Wie üblich findet man im Ultraschall vermehrt durchblutete und szintigrafisch warme oder heiße Knoten. Die Therapie wird wie üblich mit Thyreostatika durchgeführt. Wobei man meist Thiamazol ( bis 40 mg) und Perchlorat ( beispielsweise 3 x 15 gtt) kombiniert. Bei den relativ hohen Thiamazoldosen ist die Gefahr der Agranulozytose und der dosisabhängigen Leukopenie höher als bei den sonst üblichen niedrigeren Thiamzoldosen unter 20 mg / Tag. Deswegen sind regelmäßige Kontrollen des Blutbildes notwendig. Alternativ kann oder muß eine definitive Sanierung der Schilddrüse durch eine Operation erfolgen.

Amiodaron-induzierte Überfunktion Typ 2 (AIT II) Bearbeiten

Auch die Amiodaron-induzierte Überfunktion Typ 2 tritt häufig erst nach monatelanger Dauertherapie mit Amiodaron ein. Typischerweise findet sich sonografisch ein homogenes Gewebe ohne vermehrte Durchblutung. Der Uptake im Szintigramm ist erniedrigt. Charakteristisch sind die oft stark erhöhten Interleukin-6-Serumspiegel. Die AIT 2 ist meist milder als die AIT 1 und spricht nicht auf Thyreostatika an. Sie endet nicht selten in einer Unterfunktion, welche dann wieder mit einem Hormonersatz behandelt wird.

Patienten, bei denen sich bereits vor der Amiodaronbehandlung SD-Antikörpern oder eine subklinische Hypothyreose nachweisen lassen, sind stärker gefährdet, eine Amiodaron-induzierte Hypothyreose zu bekommen.

Da Thyreostatika bei der AIT 2 wirkungslos sind, muß mit Steroiden behandelt werden. (z. B. Prednison 40 mg / Tag über 2 – 3 Monate)

Bei Mischtypen oder unsicherer Einordnung von AIT 1 und AIT 2 ist eine Kombinationstherapie von Thyreostatika mit Steroiden angezeigt und Amiodaron sollte abgesetzt werden. Wenn Amiodaron nicht abgesetzt werden kann oder wenn die Tablettentherapie nicht wirksam ist, ist eine operative Entfernung der Schilddrüse notwendig.

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