Schachendspiele/ Läuferendspiele/ Materielles oder positionelles Übergewicht
Normalerweise bereitet die Verwertung eines Mehrbauern in einem Läuferendspiel keine Probleme, wenn der folgende Plan realisierbar ist:
- Verbesserung der eigenen Figurenstellung (König und Läufer) und
- Verbesserung der Bauernstellung.
- Bildung eines Freibauern.
Das konkrete Vorgehen hängt natürlich vom Gegner und dessen Figurenstellung ab:
- Wird der Freibauer vom gegnerischen Läufer aufgehalten, muss dieser von der Diagonale abgedrängt werden.
- Wird der Freibauer vom gegnerischen König aufgehalten, muss der eigene König zu den anderen Bauern des Gegners durchbrechen.
- Opfert der Gegner seinen Läufer gegen den Freibauern, muss man das Endspiel mit Mehrläufer gewinnen können.
gemäß den einleitenden Bemerkungen verstärken beide Seiten zunächst die Stellung ihrer Figuren. Der weiße König strebt nach c4, um vorn dort die Bildung eines Freibauern auf der b-Linie zu unterstützen:
1.Kg1-f1 Kg8-f8 2.Kf1-e2 Kf8-e7 3.Ke2-d3 Ke7-d6 4.Kd3-c4 Kd6-c6 5.Le1-c3 g7-g6 6.b2-b4 Lc7-b6 7.f2-f3 Lb6-c7 8.a2-a4 Lc7-b6 9.Lc3-d4
Die beiden ersten Teile des Planes wurden realisiert, Figuren und Bauern wurden optimal platziert. Weiß kann bedenkenlos den Läufertausch anbieten, weil des entstehende Bauernendspiel elementar gewonnen ist.
9...Lb6-c7 10.b4-b5+ a6xb5+ 11.a4xb5+ Kc6-b7 Kc6-d5 verliert ebenfalls schnell
12.Kc4-d5 Lc7-b8
Der schnellste Weg zum Gewinn ist es, wenn Weiß sich nicht an den Bauern klammert, sondern dessen Abtausch zulässt. Das entstehende Bauernendspiel mit jeweils 3 Bauern beider Seiten am Königsflügel ist nämlich elementar gewonnen, weil der weiße König die gegnerischen Bauern zuerst erreicht.
13.b5-b6! Lb8-g3 14.Ld4-e5! Lg3-f2 15.Le5-c7 Lf2-e1 16.Kd5-d6 Le1-b4+ 17.Kd6-d7 und Schwarz kann das Durchbrechen des weißen Königs zu den schwarzen Bauern des Königsflügel nicht verhindern.
In dieser Stellung hat Weiß großen Vorteil, weil er einen aktiveren König und die bessere Bauernstellung hat. Die Bauern von Schwarz am Königsflügel sind blockiert und stehen auf der Farbe der Läufer. Das bedeutet, sie müssen ständig verteidigt werden. Ein sofortiger Angriff auf sie schlägt aber fehl:
1.Ld4-g7 Ke6-f7 2.Lg7xh6 Kf7-g6 Weiß verliert den Läufer.
Deshalb:
1.Ld4-c5! Le7-d6! Schwarz kann nicht den Läufer schlagen, weil das entstehende Bauernendspiel verloren ist, Weiß gewinnt den Bauern a5.
2.Kc4-b4! Weiß darf ebenfalls nicht schlagen, weil das entstehende Bauernendspiel Remis ist (2.Lc5xd6 Ke6xd6 Kc4-d4 a6-a5)
2...Ld6-c7 3.Lc5-f8 Ke6-e5 4.Lf8xh6 Ke5-f4 5.h3-h4 Kf4xg4 6.Lh6xg5 Weiß schlägt mit dem Läufer und nicht mit dem Bauern, weil das Umwandlungsfeld des h-Bauern von der Farbe des Läufers ist. Das Endspiel mit Mehrbauer ist jetzt leicht gewonnen.
Schwarz steht besser, weil die Königsstellung aktiver ist, der weiße Bauer h4 auf einem Feld der Läuferfarbe steht und Schwarz auf der b-Linie über einen entfernten Freibauern verfügt. Aber ein einfaches Vorrücken des b-Bauern führt nur zum Remis, weil der weiße König nach einem Opfer des Läufers gegen den b-Bauern nicht mehr von h1 vertrieben werden kann. Deshalb spielen im Folgenden zwei Motive die entscheidende Rolle:
- Zugzwang: Der Weiße wird gezwungen, wichtige Felder preiszugeben oder seinen f-Bauern vorzurücken (f4 ist ebenfalls ein Feld mit Läuferfarbe).
- Verdängung: Der schwarze Läufer wird gezwungen, die Kontrolle über das Feld b4 und am Schluss über b2 aufzugeben.
1...Le5-f6! Weiß kann den Läufer nicht ziehen, weil er dann entweder h4 verliert oder der b-Bauer vorrückt. Der König kann sich ebenfalls nicht bewegen, weil dann der schwarze König vorrückt. So bleibt nur ein schwächender Bauernzug.
2.f3-f4 Lf6-b2 3.Le1-d2 Lb2-g7 4.Ld2-b4 Lg7-f6 5.Lb4-e1 Lf6-e7 Das Manövrieren der letzten Züge diente erneut dazu, eine Zugzwangstellung zu schaffen. Weiß kann den Läufer nicht ziehen und hat keinen Bauernzug mehr. Deshalb muss der König ziehen.
6.Ke3-f3 Le7-d6 7.Le1-d2
7...Ld6-c7! Mit diesem feinen Zug erobert Schwarz den Bauern f4, weil Weiß erneut im Zugzwang ist. Auf Kf3-g3 folgt Kf5-e4 und der schwarze König bricht durch.
8.Ld2-c3 Lc7xf4 9.Lc3-b4 Lf4-e5 10.Lb4-a5 Le5-f6 11.La5-e1 Lf6-e7 Erneut Zugzwang, der Läufer auf e1 kann nicht ziehen, weil er das Feld b4 und den Bauern h4 bewachen muss. Weiß muss deshalb die Opposition aufgeben und den schwarzen König einbrechen lassen.
12.Kf3-g3 Kf5-e4 13.Le1-a5 Ke4-d3 14.La5-e1 Kd3-c4 Der König ist zum b-Bauern gegangen, um mit seinem Läufer den weißen Läufer abzudrängen.
15.Kg3-f4 Le7-f6 16.Kf4-f5 Lf6-c3! Damit ist es eigentlich geschafft, weil der schwarze b-Bauer jetzt vorrücken kann. Der Abtausch des Läufers wäre natürlich völlig hoffnungslos für Weiß.
17.Le1-g3 b5-b4 18.Lg3-d6 b4-b3 19.Ld6-a3 Kc4-d3 20.Kf5-g5 Kd3-c2 21.Kg5xh5 Lc3-d2 Weiß will nichts riskieren. Ein schöner Zug fürs Publikum wäre Lc3-b4 gewesen.
22.Kh5-g4 Ld2-c1 Weiß gewinnt.
In dieser Stellung ist Schwarz klar im Vorteil. Alle schwarzen Bauern stehen auf schwarzen Feldern, d.h. sie können vom weißfeldrigen Läufer des Gegners nicht angegriffen werden. Demgegenüber sind oder werden die weißen Bauern schwach. Zunächst verschlechtert Schwarz die Bauernstellung von Weiß am Damenflügel weiter:
1...Lg6-b1 2.a2-a3 a7-a5! Dieser Zug zwingt den weißen Läufer nach d1. Dieses Feld wird er bis zum Partieende nicht mehr verlassen.
3.Lf3-d1 Kh7-g6 4.Kh2-g2 Kg6-f5 5.Kg2-f3 Kf5-e5 6.a3-a4 Beide Seiten haben ihre Königsstellung verstärkt. Weiß war im Zugzwang und musste einen weiteren Bauern auf ein weißes Feld stellen.
6...g7-g5 7.Kf3-e2 Lb1-f5 8.g3-g4 Lf5-b1 Der weiße Zug g3-g4 war erzwungen, weil nach dem alternativen h3-h4 Schwarz Lf5-g4+ gespielt und in ein gewonnenes Bauernendspiel abgewickelt hätte. Die entstandene Stellung ist ein neues Diagramm wert, eine Traumstellung für Schwarz!
9.Ke2-f3 f6-f5 10.g4xf5 Ke5xf5 Weiß musste diesen Bauern jetzt oder in einem der nächsten Züge schlagen, weil er sonst weiter vorrückt mit noch fataleren Konsequenzen.
11.Kf3-f2 Lb1-e4 12.Kf2-g3 Kf5-g6 Der weiße König wurde zum Königsflügel gezwungen, weil der Bauer h3 verteidigt werden muss. Schwarz nutzt jetzt aus, dass er am Königsflügel die Bauernmajorität hat.
13.Kg3-f2 h6-h5 14.Kf2-g3 h5-h4+ 15.Kg3-f2 Lb1-f5 Die Partie ist entschieden. Der weiße Läufer auf d1 muss den Bauern b3 verteidigen, der weiße König kann sich nicht vom Bauern h3 trennen. Schwarz aber hat seinen König frei und kann ins gegnerische Lager einbrechen. Die folgenden Züge könnten sein:
16.Kf2-g2 Kg6-f6 17.Kg2-h2 Kf6-e6 18.Kh2-g2 Ke6-e5 19.Kg2-h2 Lf5-b1 20.Kh2-g2 Ke5-e4
Weiß kann das Durchbrechen des schwarzen Königs zum Damenflügel nicht mehr verhindern und verliert Material. Als eine zusätzliche Ressource steht Schwarz auch der Durchbruch g5-g4 zur Verfügung. Gewinnstellung für Schwarz.