Religionskritik: Heilig
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Einleitung
BearbeitenHeilig stammt wortgeschichtlich von "Heil" ab, was etwas Besonderes bezeichnet und sich abgeschwächt noch in heil = ganz wiederfindet (vgl.: im Englischen: heilig = holy von whole). Im allgemeinen Sprachgebrauch ist Heilig ein religiöser Begriff mit der zugedachten Bedeutung zur göttlichen Sphäre zugehörig, einer Gottheit geweiht. Gleichbedeutend wird das Fremdwort sakral gebraucht, auch als Gegensatz zu profan (weltlich). Medizinisch bedeutet sakral -os sacrum- (lateinisch) zum Kreuzbein gehörig.
Religionskritische Sicht
BearbeitenAus religionskritischer Sicht gibt es nichts Heiliges, zur göttlichen Sphäre Zugehöriges, einer Gottheit Geweihtes, sondern nur Wertvolles und Wichtiges. So ist das Leben nicht heilig, sondern sehr wertvoll.
Allgemeines
BearbeitenDas "Heilige" wurde im 20. Jahrhundert zu einem Element, den 'wahren Gegenstand' der Religionswissenschaft zu bestimmen. So wurde das Heilige zum bestimmenden Element von Religion und zum zentralen Gegenstand der Religionswissenschaft.
R. Otto: Das Heilige. Die Methode, den Begriff des Heiligen der Gottesidee voranzustellen, hat Gladigow Schleiermacher in seinen Reden über die Religion entwickelt.
Dieser Begriff des Heiligen orientiert sich weitestgehend an jüdisch–christlichen Kategorien des Transzendenten. Er ist daher nicht geeignet, als universale Kategorie der Religionsgeschichte zu dienen. Denn der latente monotheistische Hintergrund versperrt den Zugang zu den polytheistischen Religionen. (Gladigow S. 8.)
Manche Stätten, Gebäude, Bäume oder Berge werden als heilige Orte bezeichnet, besonders im Animismus; auch im Christentum, etwa, wenn ein Heiliger (Vollkommener) dort gewirkt hat. Häufig wurden auch christliche Kirchen an ehemals heidnischen Heiligtümern errichtet. Die Benennung eines Gegenstandes als heilig, wie ein Altar, Gefäße oder Geräte für kultischen Gebrauch, wird von Menschen getroffen. Schriftreligionen verehren Heilige Schriften –
- im Christentum die Bibel,
- im Islam den Koran,
- im Judentum die Torah.
Abkürzung
BearbeitenWährend die Abkürzung in der Einzahl hl. (z. B. der hl. Antonius) bzw. Hl. (z. B. die Hl. Schrift) geläufig ist, findet man die Mehrzahl-Abkürzung hll. eher schon selten (z. B. die hll. Peter und Paul).
Der Begriff Heilig im Judentum
BearbeitenIm Judentum ist die Entsprechung für Heilig ein Wort, das vor allem die einfache Bedeutung von besonders oder das Besondere hat.
"Heilig sollt ihr sein, denn heilig bin Ich, der Ewige, euer Gott." (3. Buch Moses 19:2)
Die jüdische Tradition versteht 'heilig' auf verschiedene Weisen. Am prominentesten jedoch in Bezug auf die Tora und die Gebote, die Gott am Berg Sinai offenbarte. Das enthält im Grunde die Trennung zwischen dem weltlichen, dem physikalischen, dem menschlichen einerseits, dem das ewige Wesen, Gott, andererseits gegenübersteht und es übersteigt. Das Wort, das in Leviticus für diese Trennung steht, hivdil, wird in Genesis für den Prozess der Erschaffung benutzt. Die Erschaffung als ein Vorgang der ordentlichen Trennung betrifft Land und Wasser, Licht und Dunkelheit – auch Heiligkeit und Profanheit, Gerechtigkeit und Willkür. Die Priesterschaft und Israel – ein Volk von Priestern – haben die Aufgabe, diese am Sinai geoffenbarte Ordnung zu erhalten. Davon hängt das Wohl jedes Juden bzw. Israeliten, des Volkes Israel, ja sogar das der Menschheit und der Erde ab. (Beachte, das Wohl der Menschheit zu hegen bedeutet hier nicht, alle Menschen der Welt, sanft oder durch blutigen Kampf oder durch Zwangstaufe zu Juden zu machen, zu missionieren. Es bedeutet für die Juden, sich um sich selbst und ihre heiligen Gebote und ihre heilige Lehre zu kümmern.)
Diese Trennung, diese Ordnung scheint nach der Mischna eine graduelle zu sein, zwischen dem Allerheiligsten und dem Heiligen. Die Mischna listet darum "Kreise der Heiligkeit" aus: Allerheiligstes, Vorraum zum Allerheiligsten, Halle der Priester, Halle der Israeliten, Halle der Frauen, Tempelberg, Mauern von Jerusalem, alle ummauerten Städte Israels und die Grenzen des Heiligen Landes, Eretz Israel. Es gibt Unterscheidungen, was für wen jeweils in welchem Bereich erlaubt ist. Ebenso ist der Kalender unterteilt, so dass der Schabbat sehr heilig ist, wie auch der Tag der Reue Jom Kippur, andere Feste sind heilig, wie die Pilgerfeste. Die Genesis legt die Ordnung von Raum und Zeit ebenso an, mit dem Schabbat, dem Ruhetag Gottes als zeitlichem Höhepunkt und dem Garten in Eden als räumlicher Entsprechung zum Tempel.
In der Heiligkeit zeigt sich die Verbindung zu Gott, die es den Geboten gemäß zu ordnen gilt, und die sich in Macht auswirkt, wenn sie nachlässig oder mangelhaft vom Volk der Priester, Israel, unterhalten wird. Es gibt verschiedene Berichte in der Bibel über Krankheit und Zerstörung, hervorgerufen durch unsachgemäße Handhabung oder unreine Behandlung von heiligen Dingen, wie z.B. dem Allerheiligsten. Diese Beziehung von göttlicher Ordnung und göttlicher Macht ist heilig – daher das Heilige in besonderer Weise mit der göttlichen Nähe verbunden. Die genaue Art der Beziehung der göttlichen Macht, Nähe zu den heiligen Dingen ist nicht klar oder einfach ersichtlich, jedoch entspricht Heiligkeit nicht dem ewigen Wesen, Gott. In einfacher Näherung durchwirkt das Ewige Wesen, Gott, in und durch das Heilige die Welt. Israel existiert und daher ist Gott der Erde nahe. Israel hält einen Bund, Vertrag mit Gott und dadurch zeigt sich die Gerechtigkeit und Liebe Gottes auf Erden. Die Juden beten, bemühen sich die heiligen Gebote zu erfüllen und halten daher nahe Beziehung zum lebendigen Gott und ermöglichen es, dass sich Gottes Plan für die Welt erfüllt.
Jüdische Gebete, deren Bezeichnung von der Wurzel von "heilig" abgeleitet ist, heißen Kaddisch, Kiddusch und Keduscha. Letzteres ist ein Teil des Achtzehnbittengebets und bildet den Ursprung des christlichen Sanctus.
Weitere Bedeutungen von heilig/unheilig können parallel verstanden werden mit:
Der Begriff Heilig im Christentum
BearbeitenIm Neuen Testament gibt es drei griechische Wörter, die mit heilig übersetzt werden:
- άγιoς – hagios – die Übersetzung des hebräischen qadosch in der Septuaginta, im Lateinischen dann mit sanctus übersetzt. Es ist mit Abstand der häufigste der drei Begriffe im Neuen Testament. Diese Bezeichnung wird für den Heiligen Geist gebraucht, für die Heiligen (die, die Jesus ihren Herrn nennen), damit sind nicht die gesetzlich Frommen gemeint, sondern die von Gott Berufenen.
- όσιoς – hosios – die Übersetzung des hebräischen chasid in der Septuaginta.
Mit chasid oder hosios wird der bezeichnet, der gemäß den göttlichen Geboten handelt – die Heiligung des Lebenswandels fällt unter diesen Begriff.
- ιερός – hieros – im Lateinischen dann mit sacer übersetzt. Das, was der göttlichen Macht gehört oder von ihr erfüllt ist – der Gegensatz zu hieros ist profan, weltlich.
Im Neuen Testament ist das Wort heilig weniger im Zusammenhang mit Kultus wichtig, sondern in den von Gott gewirkten Lebensäußerungen. Die Grenze zwischen heilig und profan wird relativiert, im Gegensatz zur strengen Trennung der beiden im Judentum: Gott ist Geist, damit erübrigt sich die Frage nach dem rechten Ort für die Anbetung, rein und unrein ist weniger wichtig, als die Liebe zum Nächsten (Gleichnis vom Samariter), das Prädikat heilig gilt nicht nur den Priestern, sondern allen Christen.
Heiligmäßigkeit in der Askese und als Voraussetzung für die Heiligsprechung
BearbeitenIn der Askese der katholischen Tradition versteht man unter dem Attribut heilig, wenn er auf eine Person bezogen wird, die Vereinigung mit Gott, die Angleichung des eigenen Tuns an den Willen Gottes. Erst mit dem Tod ist die "Unificatio" (lat. für Vereinigung) ganz möglich. Von einem, der sich bemüht hat, diese Vereinigung schon auf Erden zu verwirklichen, sagt man, er habe ein heiligmäßiges Leben geführt. Der Nachweis eines heiligmäßigen Lebens ist übliche Voraussetzung für eine Heiligsprechung.
Heilige wurden in der frühchristlichen Zeit mit der Hilfe von Heiligenscheinen dargestellt.
Heiligkeit als Anredeform
BearbeitenDer Ausdruck Ihre Heiligkeit als Anredeform existiert in der Ost- und Westkirche.
Fußnoten
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Siehe auch
Bearbeiten- Heil, Heilige, Heilige Schrift, Liste von Heiligen
- Selige, Heiligenkalender, Heilung, Sankt
- Heiligsprechung
Literatur
Bearbeiten- Carsten Colpe: Über das Heilige. Versuch, seiner Verkennung kritisch vorzubeugen. Hain, Frankfurt a.M. 1990 ISBN 3-445-06003-7
- Carsten Colpe (Hrsg.): Die Diskussion um das "Heilige". Wege der Forschung 305. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1977 ISBN 3-534-05280-3 (wichtige Aufsätze aus der Forschung)
- Mircea Eliade: Die Religionen und das Heilige. Elemente der Religionsgeschichte (1954). Insel-Verl., Frankfurt 1986.
- Mircea Eliade: Das Heilige und das Profane. Vom Wesen des Religiösen. Suhrkamp, Frankfurt: 3. Aufl. 1987
- Burkhard Gladigow: "Mögliche Gegenstände und notwendige Quellen einer Religionsgeschichte." In: Germanische Religionsgeschichte. Quellen und Quellenprobleme. Berlin 1992. Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd. 5. S. 3–26.
- Günter Lanczkowski, Diether Kellermann, Michael Lattke, Johannes Laube: Art. Heiligkeit I. Religionsgeschichtlich II. Altes Testament III. Neues Testament IV. Systematisch-theologisch. In: Theologische Realenzyklopädie 14 (1985), S. 695-712.
- Angelika C. Messner: "Annäherungen an das 'Heilige' In kulturwissenschaftlicher Perspektive". In: Angelika C. Messner/Konrad Hirschler (Hrsg.): Heilige Orte in Asien und Afrika. Räume göttlicher Macht und menschlicher Verehrung. Asien und Afrika 11. EB-Verlag, Schenefeld/Hamburg 2006, S. 1-17. ISBN 3-936912-19-X
- Rudolf Otto: Das Heilige. Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen (1917). Nachdruck, München 1988
- Günther Pöltner (Hrsg.): Auf der Spur des Heiligen: Heideggers Beitrag zur Gottesfrage. Böhlau, Wien 1991 (107 S., kartoniert, ISBN 3-205-05375-3, 23.50 Euro)
- Hermann Schmitz: "Wie kann ein Ort heilig sein?". In: Angelika C. Messner/Konrad Hirschler (Hrsg.): Heilige Orte in Asien und Afrika. Räume göttlicher Macht und menschlicher Verehrung. Asien und Afrika 11. EB-Verlag, Schenefeld/Hamburg 2006, S. 163-177. ISBN 3-936912-19-X