Radioonkologie (PORT)/ Diagnosen/ gutartige/ Dupuytrensche Kontraktur

Übersicht

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Angaben aus: [1] , sofern nicht anders vermerkt.

synonym: Palmarfibromatose, digitopalmare Kontraktur.

Bei der Dupuytren- Kontraktur handelt es sich um eine oberflächliche (von den Faszien ausgehende) Fibromatose. Die Fibromatosen zeichnen sich durch benigne Bindegewebsproliferationen mit Tendenz zum lokal invasiven Wachstum und Rezidivneigung. Die oberflächlichen Formen wachsen langsam und sind überwiegend nur gering ausgedehnt. Andere oberflächliche Fibromatosen sind u. a. die Plantarfibromatose des Fußes (M. Ledderhose), Penisfibromatose (Induratio penis plastica, M. Peyronie).[2] Ursache ist eine allgemeine Bindegewebserkrankung und geht mit ektopen Ablagerungen einher. Die Prävalenz beträgt in Deutschland bei der männlichen Population 9,8% und unter Frauen 3,3%. Der Altersgipfel liegt in der 5. und 6. Dekade. Unter Männern über 60 ist jeder fünfte betroffen.

Diagnostik

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Klinisches Erscheinungsbild und Verlauf erlauben meistens die Diagnose ohne weitere Bildgebung. In unklaren Fällen kommen Ultraschall, MRT und Nadelbiopsie (z. B. zum Ausschluß von Weichteilsarkomen) zur Anwendung.

Histologie

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Die chronologische Entwicklung umfasst 3 Stadien, in denen sich das histologische Bild unterschiedlich ausbildet:

  1. Proliferation: vermehrt Fibroblasten
  2. Involution: vermehrt Myofibroblasten
  3. Residualphase: Kollagenfasern dominieren im Bindegewebe.

Lokalisation

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An der Palmarfaszie sind vor allem die Strahlen DIII bis DV betroffen. Somit ist der sogenannte ulnare Typ häufiger als der radiale. Eine bilaterale Manifestation ist viermal häufiger als der isolierte Fibrose auf nur einer Seite. Eine Korrelation der Seite mit der Händigkeit besteht nicht.

Ausbreitung

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Klinisch durchläuft der M. Dupuytren meistens mehrere Manifestationsstadien:

  • Krankheitsbeginn

    gelegentlich Mißempfinden (Juckreiz, Brennen, Spannungsgefühl). Erste Änderungen des Hautrelief. Das Hugh- Johnson- Zeichen ist pathognomisch: Hauteinziehungen meist angrenzend an der distalen Hautfurche der Hohlhand. Ursache sind die von einem Knoten ausgehenden erkrankten Faserbündel, die in die Haut einstrahlen. [3]

  • Nodularstadium

    weiche Knoten, diskrete Strangausbildung, Extension der Finger und Abduktion des Daumens ohne Einschränkungen.

  • Strangbildung

    zunehmende Knötchen harter Konsistenz zusammen mit ersten Strängen mit runzeliger Palmarhaut. Extensionsdefizit maximal 10°.

  • Kontrakturen

    zunehemdende Strangentwicklung mit Flexionskontraktur. Die Schwereausprägung der Flexionskontraktur wird nach Tubiana eingeteilt (s. u.).

Stadieneinteilung

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Die am meisten verbreitete Einteilung der Schweregrade ist die nach Tubiana:

Stadium Abduktionseinschränkung, nur D1 (Daumen) Punkte Streckhemmung, D1 - D5 (pro Strahl) Punkte
0 kein Knoten, keine Abduktionsminderung 0 kein Streckdefizit, keine Knoten, keine strangartigen Veränerungen 0
N Knoten ohne Abduktionsminderung 0,5 Knötchen, aber keine Flexionskontraktur 0,5
I Abduktion auf 45° - 30° eingeschränkt 1 Die Summe der Extensionseinschränkung aller Fingergelenke ist maximal 45° 1
II Abduktion auf 29° - 15° eingeschränkt 2 Die Summe der Extensionseinschränkung aller Fingergelenke ist 46° - 90° 2
III Abduktion auf 14° - 0° eingeschränkt 3 Die Summe der Extensionseinschränkung aller drei Fingergelenke ist 91° -135° 3
IV n. a. n. a. Die Summe der Extensionseinschränkung aller Fingergelenke überschreitet 135° 4

Der Tubiana Score ist die Summe der einzeln vergebenen Punkte, maximal sind 23 Punkte möglich. Beachte: Beim Daumen werden Abduktionshemmung im Grundgelenk sowie die Streckdefizite in den Interphalangealgelenken beurteilt.

Therapieprinzipien

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  • medikamentöse Therapieansätze

    zahlreiche medikamentöse Therapieansätze sind beschrieben, aber keiner dieser Ansätze haben in kontrollierten klinischen Studien langfristig günstige Ergebnisse erbracht. Nach derzeitigem Kenntnisstand sind sie daher als experimentiell einzustufen.

  • OP

    Die Handchirurgie ist die am häufigsten angewendete Therapieform. Sie ist Therapie der Wahl bei den symptomatischen Stadien. Rezidive sind dennoch häufig. Innerhalb der ersten 3 Jahre treten sie bei etwa einem Drittel der Patienten, nach 5 bei der Hälfte und 10 Jahren bei etwa zweidrittel auf.

Indikation RT

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Die wissenschaftliche Datenlage zur Bestrahlung ist eingeschränkt, weil es keine randomisierten Studien mit einer Kontrollgruppe gibt. Kadhum et al schätzen die Bestrahlung im Frühstadium sogar als "experimentell" ein.[4] Auch das NICE weist darauf hin, dass die Datenlage eine Beurteilung der Effizienz von Bestrahlungen nicht erlaubt. Hinweise auf Sicherheitsbedenken gibt es andererseits auch nicht. Sie verweist auf das Empfehlungen der Royal College of Radiologists zu gutartigen Erkrankungen hin, Bestrahlungen nur zu indizieren, wenn innerhalb der letzten 6 - 12 Monate eine Progression eingetreten ist.[5]

  • Frühstadium

    Im Stadium N und N/I kann mit einer antiproliferativen Radiatio anhaltend eine funktionelle Verschlechterung in 83% der Fälle verhindern (87% im Stadium N und 70% im Stadium N/I). Das Stadium N/I ist dabei als frühes Stadium I definiert, bei dem ein Streckdefizit (in der Summe) lediglich 1° - 5° beträgt.[6]

  • keine unmittelbar postoperative Radiatio
    Eine unmittelbar postoperative Bestrahlung ist nicht gerechtfertigt, da ein erheblicher Anteil der Patienten unnötig strahlenexponiert würde. Sollte im Verlauf ein Frührezidiv - typischerweise nach 3 - 6 Monaten - eintreten, wird zur umgehenden Bestrahlung, z. B. mit 5 x 3 Gy, geraten. Ein weiterer Vorteil der verzögerten Bestrahlung ist, dass das Zielvolumen begrenzter ausfallen kann. Außerdem würde das potentielle - allerdings fragliche - Risiko einer Beeinträchtigung der Wundheilung vermieden.[7]

Zielvolumen

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In das Zielvolumen werden alle tastbaren Knoten und Stränge eingeschlossen mit einem Abstand lateral von 1 cm und 2 cm nach distal sowie proximal.

Dosis RT

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In dem 13 Jahre langen Nachbeobachtungsintervall in der Publikation von Betz et al[6]hat sich die Bestrahlung mit GD 30 Gy, ED 3 Gy in zwei Serien mit je 5 x 3 Gy und einer planmäßigen Pause von 6 Wochen bewährt. Gleich effektiv war nach 1 Jahr die Fraktionierung mit ED 3 Gy, zwei- bis dreimal pro Woche, bis zur GD von 21 Gy.[8]

Nebenwirkungen

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In der Publikation von Betz[6] traten keine ausgeprägten langfristigen Nebenwirkungen (III°/ IV°) auf. Hauttrockenheit und vermehrte Schuppen I°/II°: 23%. Hautatrophie 7%, Teleangiektasien II°: 2%. Bei 2 von 42 bestrahlten Patienten, die im weiteren Verlauf eine Operation bedurften, traten Wundheilungsstörungen auf (5%). Das entspricht dem Risiko für Wundheilungsstörungen ohne Bestrahlung. Das Risiko für eine Tumorinduktion wurde mit 0,02% abgeschätzt.[4]

Prognose

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siehe Indikation.

Literatur

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  1. Seegenschmiedt: Morbus Dupuytren/ Morbus Ledderhose. In: Brady L, Seegenschmiedt M, Makoski H, Trott K. Radiotherapy for Non-Malignant Disorders (Medical Radiology / Radiation Oncology). 1. Aufl. Springer; 2007.
  2. Netter FH. NETTERs Dermatologie. 1. Aufl. Thieme Georg Verlag; 2006. ISBN 3131410019.
  3. Esfahanian, Soheil: Dupuytren Kontraktur. Dissertation, Münster 2005.
  4. 4,0 4,1 Kadhum, M, Smock, E, Khan, A, Fleming, A: Radiotherapy in Dupuytren’s disease: a systematic review of the evidence. J Hand Surg Eur Vol 2017, 42: 689-692.
  5. National Institute for Health and Care Excellence (NICE): Radiation therapapy for early Dupuytreny for early Dupuytren’s disease. Interventional procedures guidance 573. http://nice.org.uk/guidance/ipg573. Zugriff: 27.05.2020
  6. 6,0 6,1 6,2 Betz N, Ott OJ, Adamietz B, u. a. Radiotherapy in Early-Stage Dupuytren’s Contracture. Strahlenther Onkol. 2010;186(2):82-90.
  7. Seegenschmiedt MH, persönliche Mitteilung an Stallmann C vom 27.03.2012
  8. Seegenschmiedt MH, Olschewski T, Guntrum F. Optimierung der Radiotherapie bei Morbus Dupuytren Erste Ergebnisse einer kontrollierten Studie. Strahlenther Onkol. 2001;177(2):74-81.