Radioonkologie (PORT)/ Diagnosen/ Vulvakarzinom

Übersicht

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Inzidenz 7,2/ 100.000. Mittleres Erkrankungsalter 72 Jahre, Altersgipfel 60. - 74. LJ. [1]

Wahrscheinlich gibt es zwei Varianten: Das HPV- negative Karzinom hat als Vorläuferläsion ein Lichen sclerosus, plattenepiteliale Hyperplasien und eine differenzierte vulväre intraepitheliale Neoplasie (VIN). Die HPV- positive Form besitzt als Vorläuferlasion eine VIN 3 (schwere intraepitheliale Dysplasie oder Carcinoma in situ). Das Erkrankungsalter ist jünger, eine multizentrische Ausdehnung häufig[2].

Diagnostik

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vgl. [3], [4].

histologische Diagnosesicherung
Stanzbiopsie vorzugsweise als "Punch"- Biopsie (kreisförmige Stanze).
Staging im FIGO Stadium I und II
Röntgenuntersuchung des Thorax und Sonographie der Leber fakultativ.
Staging im FIGO Stadium III
Röntgenuntersuchung des Thorax und Sonographie der Leber obligat. Zystoskopie und/ oder Rektoskopie bei V.a. auf Tumorinfiltration von Vagina, Urethra oder Rektum.
Untersuchungen im FIGO Stadium IV
Alle Untersuchungen fakultativ. Abhängig ausschließlich von der therapeutischen Konsequenz.

Klinik: Die häufigsten Beschwerden sind Pruritus, Brennen, Wundsein oder Dyspareunie. Symptome bestehen in 88% schon mindestens 6 Monate[4].

Histologie

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vgl. [5]

Die Präkanzerosen werden als VIN (vulväre intraepitheliale Neoplasie) bezeichnet.

  • VIN I: geringgradige Dysplasie
  • VIN II: mäßiggradige Dysplasie
  • VIN III: hochgradige Dysplasie und Carcinoma in situ

Die Bezeichnungen bowenoide Papulose, bowenoide Papulose, Erythroplasia Queyrat und Carcinoma simplex vulvae sind überholt.

Bei den invasiven Karzinomen handelt es sich fast immer um Plattenepithelkarzinome (> 95%), gefolgt von Basalzellkarzinomen. Selten gehen die Karzinome von den Bartholini Drüsen aus. Davon sind je 40% Adenokarzinome und Plattenepithelkarzinome. Bei den übrigen handelt es sich um adenoid- zystische, adenosquamöse, kleinzellig- neuroendokrine und Transitonalzellkarzinome.

Lokalisation

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nach[6].

Labien: 70% Klitoris: 15 - 20% multifokal 5%

weitere Strukturen: Mons pubis, Bulbus vestibularis (mit Bartholinischen Drüsen), Scheideneingang

Ausbreitung

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nach [6],[4]

Über lange Zeit steht die lokale Ausbreitung per continuitatem in Vagina, Urethra, Perineum und Anus im Vordergrund. Ab einer Infiltrationstiefe über 1 mm ist eine lymphogene Metastasierung nach inguinofemoral möglich. Bei lateralem Tumorsitz ist die Metastasierung isoliert auf die Gegenseite selten (< 1%). Ist der Tumor dagegen in der hinteren Kommissur, periurethral oder periklitoridal gelegen, sind beidseits Metastasen möglich.

FIGO Stadium Invasionsstiefe Risiko LK- Metastasen [7], [6]
I 10 - 20%
<1 mm 0%
1,1 mm - 2,0 mm 7,6%
2,1 mm - 3,0 mm 8,3%
3,1 mm - 5,0 mm 26,7%
>5 mm 34,2%
II 30 - 40%
III/ IV 50 - 90%

Erst spät kann es zu hämatogenen Metastasen bevorzugt in Lunge, Leber und Knochen kommen.

Stadieneinteilung

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TNM 2002
T- Klassifikation
T1 Begrenzt auf Vulva und Perineum, Größe bis 2 cm
T1a Stromainfiltration bis 1 mm
T1b Stromainfiltration über 1 mm
T2 Begrenzt auf Vulva und Perineum, Größe über 2 cm
T3 Tumorausdehnung auf distale Urethra, Vagina und/ oder Anus
T4 Tumorinfiltration proximale Urethra, Harnblasenmukosa, Rektumukosa oder Beckenknochen
N- Klassifikation
N1 unilateral inguinofemoral
N2 bilateral inguinofemoral
M- Klassifikation
M1 Fernmetastasen, auch: pelvine LK- Metastasen


FIGO Stadien
  • IA: T1a
  • IB: T1b
  • II: T2
  • IIIA: T3
  • IIIB: N1
  • IVA: N2
  • IVB: M1

Therapieprinzipien

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Tumorexzision
  • VIN II und VIN III sollen nach der S2 Leitlinie 2009 im Gesunden entfernt werden. Für die notwendige Breite des tumorfreien Resektionsrand gibt es keine evidenzbasierte Vorgabe. Bei sehr ausgedehnten oder multifokalen Läsionen als Alternative zur radikalen Vulvektomie: Skinning- Vulvektomie.[8] Bei ihr erfolgt die Resektion in 3 - 5 mm Tiefe, das subkutane Fett und die Muskelschicht bleiben erhalten. In geeignete Fällen: Laservaporisation, u. U. in mehreren Sitzungen.[2]
  • T1: Tumorexzision mit 1 cm seitlichem Sicherheitsabstand, in die Tiefe Resektion bis zur Muskelfaszie. Bei jungen Patientinnen kann unter histopathologischer Kontrolle bei klitorisnahem Tumorsitz zu einem kleineren Sicherheitssaum entschieden werden.
  • T2: radikale weite Tumorexzision, sofern es die Tumorausdehnung erlaubt. Ansonsten radikale Vulvektomie. Ist R0 kontinenzerhaltend nicht möglich, sollte differentialtherapeutisch zwischen Exenteratio und Radio-/ Chemotherapie erwogen werden.
  • T3/ T4: Therapie der Wahl ist die Radio-/ Chemotherapie, evt. als neoadjuvante Modalität vor definitver OP.
Lymphadenektomie
ab T1b inguinofemoral oberflächlich und tief.
  • einseitig: bei streng einseitiger Tumorlokalisation
  • beidseitig: bei LK Metastasierung auf der Primärtumorseite und bei mittellinienerreichenden Tumoren - hintere Kommissur, periklitoridal, periurethral.
Die Indikation zur pelvinen Lymphadenektomie kann gestellt werden, wenn große inguinale LK tastbar sind, mindestens 2 inguinofemorale LK tumorbefallen sind, oder mindestens 1 LK ein Kapseldurchbruch aufweist.

Indikation RT

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postoperativ Lymphabfluss
nach S2 Leitlinie Vulva 2009[8]
  • ab 3 LK Metastasen
  • bei Kapseldurchbruch einer LK Metastase
  • bei LK Metastase > 10 mmm (Makrometastase)
postoperativ Vulva
nach S2 Leitlinie Vulva 2009
  • Resektionssaum unter 10 mm
  • nach R1/ R2, sofern keine Nachresektion möglich
erweiterte Empfehlungen ausserhalb der S2 Leitlinie
  • bei tiefer Invasion bis in das subkutane Fett
  • bei Lymphangiosis
  • bei größerem Tumordurchmesser
  • bei Tumorinvasion von mehr als 5 mm, sofern eine nodale Metastasierung bestand
primär

vgl. [9]

  • Therapie der Wahl bei lokal fortgeschrittenen Tumoren, sofern eine radikale Vulvektomie (falls erforderlich mit Defektdeckung durch Lappenplastik) eine R0- Resektion nicht erreichen würde.
  • Falls möglich, sollte eine simultane Chemotherapie mit Cisplatin/ 5-FU oder Mitomycin C/ 5- FU erfolgen.
  • Nach Teilremission ist eine definitive Operation der Primärtumorregion angezeigt, bei Vollremission wahrscheinlich auch. Die Indikation zur Lymphadenektomie besteht dagegen nicht.
Rezidiv

Eine Cochrane- Analyse folgerte, daß bei operablem Situs das Rezidiv primär operiert, bei einem inoperablen Situs eine Radio-/ Chemotherapie durchgeführt werden sollte[10].

Zielvolumen

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Nach [11] umfasst die Bestrahlung der Lymphabflusswege die inguinalen, iliakal internen und -externen Stationen. Bestehen pelvine Lymphknotenmetastasen: zusätzlich auch iliakal kommun.

Dosis RT

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präoperativ (neoadjuvant)
GD 45 - 50 Gy
adjuvant
GD 45 bis 50,4 Gy
konsolidierend (R1, R2) oder primäre, definitive RT
GD ad 60 Gy.
falls simultane Chemotherapie: GD ad 54 Gy, ED 1,8 Gy.

Nebenwirkungen

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Akut können feuchte Epitheliolysen in der 3. bis 5. Woche entstehen. Chronische Nebenwirkungen: Hautatrophie, Teleangieektasien, Scheidenverkürzung, vaginale Trockenheit. Selten: Hüftkopfnekrosen v. a. bei Patientinnen mit Osteoporose und Raucherinnen.[12]

Prognose

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Risikogruppen nach GOG, vgl. [4]
Risikogruppe Definition 5-J-ÜL
Tumorgröße LK Metastasen
minimales Risiko bis 2 cm 0 97,90%
geringes Risiko 2,1 - 8 cm 0 87,40%
bis 2 cm 1
intermediäres Risiko über 8 cm 0 74,80%
über 2 cm 1
bis 8 cm 2, unilateral
hohes Risiko über 8 cm 2, unilateral 29,00%
beliebig 3, oder mehr
beliebig bilateral
Fernmetastasenrisiko abhängig von LK- Metastasen

Bei Primärdiagnose ist das Risiko hämotogener Metastasen mit maximal 2 Lymphknotenmetastasen lediglich 3,8%. Liegen mindestens 3 LK- Metastasen vor, liegt es bei 66% [8]

Nachsorge

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In der S2 Leitlinie 2009 [8] werden folgende Imtervalle bei der Tumornachsorge empfohlen:

  • in den ersten 3 Jahren: alle 3 Monate
  • im 4. und 5. Jahr: alle 6 Monate
  • ab 6. Jahr: jährlich

Obligat sind Anamnese, klinische Untersuchung und Kolposkopie. Suspekte Befunde sollten biopsiert werden. Apparative Untersuchungen wie Sonographie, CT oder Röntgen erfolgen nur symptombezogen.

Einzelnachweise

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  1. Fischer D, Katalinic A, Mundhenke C, u. a. Epidemiologie maligner Erkrankungen der Vagina und Vulva. Der Onkologe. 2009;15(1):8-14.
  2. 2,0 2,1 Schnürch, HG, Meerpohl, HG: Vulvakarzinom. In: Schmoll H, Höffken K, Possinger K. Kompendium Internistische Onkologie: Epidemiologie, Tumorbiologie, Zytostatika, Prinzipien der Tumortherapie, Supportive Maßnahmen. Therapiekonzepte ... und spezielle Therapiemodalitäten: 3 Bände. 4. Aufl. Springer, Berlin; 2005. ISBN 9783540206576
  3. Schnürch HG, Hantschmann P, Beckmann MW: Vulvakarzinom. In Krebsgesellschaft D. Kurzgefasste interdisziplinäre Leitlinien 2008: Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie maligner Erkrankungen. Neuauflage. Update. Zuckschwerdt; 2008. ISBN 3886039323.
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 Thill M, Bohlmann MK, Dittmer C, Diedrich K, Fischer D. Diagnostik und operative Therapie des Vulva- und Vaginalkarzinoms. Der Onkologe. 2009;15(1):28-39.
  5. Horn L, Schierle K. Pathologie der Präkanzerosen und der Karzinome von Vulva und Vagina sowie morphologische Prognosefaktoren. Der Onkologe. 2009;15(1):15-27.
  6. 6,0 6,1 6,2 Bremer M, Karstens JH, Hillemanns P: Vulva und Urethra. In: Bamberg M, Molls M, Sack H. Radioonkologie, Grundlagen und Klinik 1+2. 2. Aufl. Zuckschwerdt; 2009. ISBN 3886039447
  7. Schnürch H, Hampl M. Diagnostik und Therapie der Lymphknoten bei Tumoren von Vagina und Vulva. Der Onkologe. 2009;15(1):40-47.
  8. 8,0 8,1 8,2 8,3 Kommission Vulva/Vagina der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e. V. in der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG) sowie in der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. (DKG); Interdisziplinäre S2k-Leitlinie für die Diagnostik und Therapie des Vulvakarzinoms und seiner Vorstufen. pdf-Fassung, Download vom 8.8.2009.
  9. Hantschmann P. Fortgeschrittene Vulvakarzinome. Der Onkologe. 2009;15(1):64-68.
  10. Weikel W. Therapie des Rezidivs beim Vulva- und Vaginalkarzinom. Der Onkologe. 2009;15(1):76-81.
  11. Chao KSC, Cengitz M, Herzog T: Gynecologic Tumors. In: Gregoire V, Scalliet P, Ang K, u. a. Clinical Target Volumes in Conformal and Intensity Modulated Radiation Therapy: A Clinical Guide to Cancer Treatment. 1. Aufl. Springer; 2003. ISBN 9783540413806
  12. Misset B, Spight J: Vulvar cancer. In: Hansen EK, Roach M. Handbook of evidence-based radiation oncology. Springer; 2006:536. ISBN 9780387306476