Radioonkologie (PORT)/ Diagnosen/ Rektumkarzinom
Übersicht
BearbeitenVon den kolorektalen Karzinomen sind 50 bis 60% im Rektum lokalisiert. Männer erkranken etwa 1,5 mal häufiger als Frauen.
Inzidenz bei Frauen etwa 15, bei Männern 23 auf 100.000.
Risiko: Colitis ulcerosa, FAP
Diagnostik
BearbeitenNotwendig nach DKG:
- Anamnese unter besonderer Berücksichtigung der Familienanamnese (HNPCC und familäre adenomatöse Polyposis, FAP). Konsequenz: humangenetische Beratung der Familienangehörigen.
- Rektoskopie mit P.E.
- Koloskopie (in 10 % Zweitkarzinom)
- Sono Abdomen
- Rö Tx 2 Eb.
- CEA
- U-Sediment
im Einzelfall nützlich:
- Endosono (Sensitivität und Spezifität für T-Kategorien T3 und T4 je über 90%[1]. Für das N-Stadium wird eine Genauigkeit von 75% erreicht[2])
- CT Abd. bei sonogr. unklaren Leberbefunden
- MR oder CT Becken bei V. a. auf organüberschreitenden Tumoren und vor neodjuvanter Chemo
- Zystoskopie
- Gynäkolgische Untersuchung
- Sphinktermanometrie
Histologie
BearbeitenWHO unterscheidet:
- Adenokarzinome
- muzinöse Adenokarzinome
- seltene Karzinomtypen (Plattenepithelkarzinom, Siegelringzellkarzinom)
Für die Therapie ist die Unterscheidung zwischen low grade und high grade Tumoren.
Low risk: G1/2, keine Lymphgefäßinfiltration.
High risk: G3/4, Siegelringzellkarzinom, kleinzellige oder undifferenzierte Karzinome.
Lokalisation
BearbeitenDas Rektum wird in ein oberes, mittleres und unteres Drittel eingeteilt. 4 cm ab der anocutanen Linie befindet sich die Linea dentata im Analkanal (untere Grenze der Zona haemorrhoidalis). 4 cm proximal davon beginnt das Rektum. Alle 4 cm beginnt das nächste Drittel. Ein Karzinom, das im hauptsächlich im Sigma liegt, aber das obere Ende des Rektums infiltriert, wird auch als Rektumkarzinom aufgefasst. Jedes Karzinom, dessen aboraler Rand maximal 16 cm von der Anokutanlinie, mit dem starren Edoskop gemessen, entfernt liegt, zählt zu den Rektumkarzinomen.
Ausbreitung
BearbeitenInfiltration der Wand.
Lymphabfluss perirektal,
- Befall bei ED 50%
- entlang A. rectalis sup. in A. mesenterica inf.
- entlang Aa. rectales inf. zu Beckenwand in A. iliacae int.
- LK meist nicht tiefer als 3 cm distal der unteren Tumorebene
Fernmetastasen angeordnet entsprechend Häufigkeit
- bei ED in 25%
- Leber
- Lunge
- Skelett
- Nebenniere
- Gehirn
Stadieneinteilung
BearbeitenTNM 7. Auflage (gültig ab 2010)
Bearbeitens. [3]
T- Klassifikation | ||
---|---|---|
T1 | Tumorinfiltration in Submukosa | |
T2 | Tumorinfiltration in Muscularis propria | |
T3 | Tumorinfiltration durch die Mucularis propria in die Subserosa oder in nicht peritonealisiertes perirektales/ perikolisches Gewebe | |
T4 | Tumorinfiltration in andere Organe oder Strukturen und / oder -perforation des viszeralen Peritoneums | |
T4a | Tumorperforation in das viszerale Peritoneum | |
T4b | Tumorinfiltration in andere Organe oder Strukturen | |
N- Status | ||
N1 | 1 - 3 regionäre Lymphknotenmetastasen | |
N1a | 1 LK Metastase | |
N1b | 2 - 3 LK Metastasen | |
N1c | Satelitten ("tumor deposits") im subserösen Fettgewebe oder im nicht peritonealisierten perikolischen/ perirekatalen Fettgewebe | |
N2 | mindestens 4 regionäre Lymphknotenmetastasen | |
N2a | 4 - 6 LK Metastasen | |
N2b | mindestens 7 LK Metastasen | |
M- Status | ||
M1 | Fernmetastasen | |
M1a | Metastasen in nur einem Organ (Leber, Lunge, Ovar, nichtregionäre Lymphknoten) | |
M1b | Metastasen in mehr als einem Organ oder im Peritoneum |
- UICC Stadien 7. Aufl. (2010)
- I: T1 - T2, N0, M0
- IIA: T3, N0, M0
- IIB: T4a, N0, M0
- IIC: T4b, N0, M0
- III: jedes T, N1-2
- IIIA: T1 - T2, N1a, M0 oder T1, N2a, M0
- IIIB: T3 - T4a, N1, M0 oder T2 - T3, N2a, M0 oder T1 - T2, N2b, M0
- IIIC: T4a, N2a, M0 oder T3/ T4b, N2b, M0 oder T4b, N1-2, M0
- IVA: jedes T, jedes N, M1a
- IVB: jedes T, jedes N, M1b
frühere und alternative Klassifikationen
BearbeitenTNM 2002
T1 | Infiltration der Submukosa |
T2 | Infiltration der Muscularis propria |
T3 | Infiltration in das nicht peritonealisierte perirektale Gewebe oder in die Subserosa |
T4 | Infiltration von Nachbarorganen oder anderen Strukturen |
N1 | 1-3 LK-Metastasen |
N2 | ab 4 LK-Metastasen |
für pN0 sollten 12 LK vorliegen
Anm.:
- Adhärenz an Nachbarorganen bedeutet cT4, wenn histologisch nicht bestätigt pT3.
- perirektale isolierte Knötchen gelten über 3 mm als LK-Metastase, auch wenn kein lymphatisches Restgewebe mehr nachweisbar ist. Unter 3 mm werden sie als skip lesion in das Perirektalgewebe gedeutet (T3).
UICC Stadien 2002
I: T1/2 N0 M0
IIA: T3 N0 M0
IIB: T4 N0 M0
IIIA: T1-2 N1 M0
IIIB: T3-4 N1 M0
IIIC: T1-4 N2 M0
IV: M1
TNM 1997
T1: Infiltration der Submukosa
T2: Infiltration der Muscularis propria
T3: Infiltration in das nicht peritonealisierte perirektale Gewebe oder in die Subserosa
T4: Infiltration von Nachbarorganen oder anderen Strukturen
N1: 1-3 LK-Metastasen
N2: ab 4 LK-Metastasen
pN0 erfordert 12 LK
perirektale isolierte Knötchen gelten über 3mm als LK-Metastase, auch wenn kein lymphatisches Restgewebe mehr nachweisbar ist. Unter 3 mm werden sie als skip lesion in das Perirektalgewebe gedeutet (T3).
UICC Stadien 1997
Stadium I: T1/2 N0 M0
Stadium II: T3/4 N0 M0
Stadium III: N+
Stadium IV: M+
Änderungen TNM 2002
Adhärenz an Nachbarorganen bedeutet cT4, wenn histologisch nicht bestätigt pT3.
Stadium II teilt sich auf in IIA (T3 N0) und IIB (T4 N0)
Stadium III teilt sich auf in IIIA (T1-2 N1 M0), IIIB (T3-4 N1 M0) und IIIC (T1-4 N2 M0).
Gebräuchlich ist im klinischen Alltag auch die
Stadieneinteilung nach Mason
Kriterium ist die Verschieblichkeit gegenüber der Umgebung.
CS I: Tumor voll mobil gegenüber Rektumschlauch. Gleitschicht ist Lamina submucosa.
CS II: Tumor ist mobil. Rektumwand bewegt sich mit.
CS III: Mobilität von Tumor und Rektum ist leicht behindert.
CS IV: Tumor und Rektumwand sind fixiert.
Das Stadium korreliert mit dem entsprechenden T-Stadium.
Therapieprinzipien
BearbeitenOperation[4]
In seltenen "low risk" Fällen ist eine Lokalexzision ausreichend. Bedingungen hierfür sind
- T1 Tumor
- Grading G1 oder G2
- keine Lymphgefäßinvasion (L0)
Das Lymphknotenmetastasenrisiko und damit das Lokalrezidivrisiko beträgt dann lediglich 3% - 10%. Das Risiko für Moratalität bzw. schwerer Morbidität durch eine ausgedehnte Operation liegt in gleichen Größenordnung und ist deswegen bei einer solchen Konstellation nicht gerechtfertigt.
Der Standardeingriff besteht der Standard in einer anterioren Rektumresektion mit totaler mesorektaler Exzision (TME). In lediglich 10% bis 20% ist aus onkologischen Gründen eine abdominoperineale Rektumamputation notwendig. Dies betrifft Tumoren, die den Sphinkter infiltrieren oder bis 1 cm an die Linea dentata heranreichen. Ein Sicherheitsabstand von 1 - 2 cm nach distal in der Darmwand haben sich als ausreichend radikal erwiesen. Bei Tumoren des kranialen Drittels ist nach bisherigem Kenntnisstand eine partielle mesorektale Exzision (PME) ausreichend, bei der die Mesorektumanteile 5 cm distal des Tumorunterrandes belassen werden.
Radiatio
neoadjuvant
In den Stadien II und III kommt eine Kombinationstherapie mit OP, RT und Chemotherapie zur Anwendung. Entsprechend den günstigeren Ergebnissen der CAO-/ ARO-/ AIO-94- Studie wird die neoadjuvante Radio-/ Chemotherapie als Standard angesehen. Wegen des Gefahr eines präoperativen Overstaging sollten grenzwertig wandüberschreitende oder nur fraglich nodal positiven Tumoren u. U. zunächst operiert werden, insbesondere, wenn sie im proximalen oder mittleren Drittel liegen.
adjuvant
Durch eine postoperative Radiochemotherapie erreicht man im Vergleich zur alleinigen Operation signifikant höhere Überlebensraten und weniger Lokalrezidive. Auch nach TME reduziert eine RCT signifikant die Lokalrezidivrate. In einer Studie war dies eine Reduktion von 13% auf 8%. In der schwedischen Kapiteijn-Studie war die Lokalrezidivrate nach 5x5 Gy präoperativ mit 2,4% ebenfalls signifikant besser als mit 8,4% in der alleinigen TME. Ein verbessertes Überleben resultierte hieraus in beiden Studien nicht.
Abweichend vom ursprünglichen NCI Schema sollte entsprechend mit den Leitlinien der DKG 2004 die Radiatio nach Operation bereits mit dem ersten Zyklus 5-FU beginnen.
Chemotherapie
Die Chemotherapie erfolgt mit 5-FU. Im Vergleich zur Bolusapplikation (wie beim NCI-Schema, s. u.) führt die kontinuierliche Dauerinfusion mit 225 mg/m²/d während der gesamten Bestrahlungszeit zu einer besseren Lokalkontrolle, zu weniger Fernmetastasen und zu einer besseren 5-J-ÜL-Rate (O Conell, NEJM 94). Eine Modulation mit Levamisol oder Leukovorin verbessert die Wirkung nicht. Mit Leukovorin kommt es sogar zu einer signifikanten Erhöhung der gastrointestinalen NW.
NCI Schema:
Beginn: 4 bis 8 Wochen nach OP
Woche 1: 5 -FU mit je 500 mg/m²/d über 5 Tage
Woche 5: 5 -FU mit je 500 mg/m²/d über 5 Tage
Woche 9: Beginn der RT (ED 1,8 Gy bis 45 Gy, Boost 5,4 Gy)
Woche 9: 5 -FU mit je 500 mg/m²/d über 3 Tage
Woche 13: 5 -FU mit je 500 mg/m²/d über 3 Tage
Woche 17: 5 -FU mit je 450 mg/m²/d über 5 Tage
Woche 21: 5 -FU mit je 450 mg/m²/d über 5 Tage
Indikation RT
Bearbeitenprimär
im Stadium I, wenn OP kontraindiziert
neoadjuvant
bei T3-, T4- und nodal positiven Tumoren in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der CAO-/ ARO-/ AIO- 94- 1- Studie, bei denen die präoperative Radio-/ Chemotherapie zur besseren lokoregionären Kontrolle geführt hat als die gleiche Radio- / Chemotherapie postoperativ verabreicht.
adjuvant
bei nodal positiven oder wandüberschreitenden Tumoren zur Vermeidung des Lokalrezidivs, sofern keine neoadjuvante Therapie durchgeführt worden ist.
Zielvolumen
BearbeitenPrimärtumor(region) mit ausreichendem Sicherheitsabstand (5 cm nach kaudal).
LAW perirektal, präsakral, entlang A. iliaca interna und communis bis Aortenbifurkation.
Dosis RT
Bearbeitenneoadjuvant
- 50,4 Gy (DKG).
- primär inoperable T4 Tumoren bis 55,4 Gy (Uni Erlangen)
adjuvant
- 45 + 5,4 Gy (NCI), oder
- 50,4 +5,4 (DKG)
Nebenwirkungen
BearbeitenImpotenz 30 - 95%.
Schmerzhafte Kohabitation durch Verlagerung der Beckenorgane.
Prognose
BearbeitenHeilungsrate ca. 40%.
Güte der Operation
intraoperative Tumorperforation bedeutet die Prognose wie bei einem T4-Stadium.
Nach R0-Resektion über alle Stadien 5-J-ÜL-Rate 60 - 70%.
Operationstechnik: Nach anteriorer Resektion beträgt das 5-J-ÜL 57,6%, nach abdominoperinealer Rektumamputation lediglich 38,5% (p = 0,008). Ursachen sind der größere Anteil an Resektionen non-in-sano mit 30,4% vs. 10,7% (p=0,002) und Perforationen (13,7% vs. 2,5%, p<0,001). Die ungünstige Resektionsebene im Schließmuskel, in der Submukosa oder Lumen lag bei über einem Drittel der Patienten vor. Ohnehin gelingt bei den tiefsitzenden Karzinomen die radikale Operation seltener (26,5% vs 12,6%, p=0,001), Nagtegaal JCO 2005.
5-J-ÜL-Raten nach R0- OP (Erlangen)
Stadienabhängig:
I: 90%
II: abhängig von der Invasionstiefe in das perirektale Fettgewebe. < 1mm Prognose wie Stadium I (88%), ansonsten 64-74%
III:
pN1: 67%
pN2: 35%
In Studien mit adjuvanter Radiochemotherapie nach OP 5-J-ÜL-Raten zwischen 57-67%
In einer Patterns of Care Studie, in denen Patienten ausserhalb von Studien analysiert wurden: 69%.
Lokalrezidiv
tritt zu 40% im 1. und zu 80% in den ersten 2 Jahren auf. Unbehandelt medianes ÜL 7 Monate, nur 4% überleben 5 Jahre. Die Hälfte hat ein reines Lokalrezidiv, das technisch resektabel ist. Gelingt die R0 Resektion des Rezidivs, besteht ein fast so gutes medianes Überleben wie bei Erstdiagnose.
Nachsorge
BearbeitenIm Stadium I wegen der guten Prognose nach 2 und 5 Jahren Koloskopie (Zweittumor?).
Bei den übrigen mit kurativer Intention behandelten:
alle 6 Monate die ersten 2 Jahr, danach jährlich bis 5 Jahre, anschließend alle 3 Jahre
Literatur
Bearbeiten- ↑ Puli SR, Reddy JBK, Bechtold ML, Antillon MR, Ibdah JA. How good is endoscopic ultrasound for TNM staging of gastric cancers? A meta-analysis and systematic review. World J Gastroenterol. 2008;14(25):4011-4019.
- ↑ Harewood GC. Assessment of publication bias in the reporting of EUS performance in staging rectal cancer. Am. J. Gastroenterol. 2005;100(4):808-816.
- ↑ Wittekind C, Meyer H. TNM: Klassifikation maligner Tumoren. 7. Aufl. Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA; 2010.
- ↑ Kreis M. Wie radikal muss die Chirurgie des Rektumkarzinoms sein? Der Onkologe. 2010;16(8):757-763.
DKG Leitlinie Rektum Ca. 2004
Nagtegaal, JCO 2005: 9257- 64.
Sauer, NEJM 2004: 1731