Radioonkologie (PORT)/ Diagnosen/ Pleuramesotheliom (malignes)
Übersicht
BearbeitenInzidenz von malignen Mesotheliomen 10 bis 15/100.000 pro Jahr.
m/w = 4:1
Mittleres Alter 60 J.
Asbestexposition in etwa 70% nachweisbar.
Latenzzeit 20-50, im Mittel 30-45 Jahre nach Asbestexposition. Eine Inzidenzerhöhung wird ab 2020 erwartet. Als Berufserkrankung anerkannt.
Diagnostik
BearbeitenMethode der Wahl zur Diagnosesicherung: Thorakoskopie mit Biopsie (Sensitivität für den histologischen Nachweis 80%). Tumorzellnachweis im Pleurapunktat dagegen nur 30 - 50%.
Zur Diagnose nach Empfehlungen der AWMF 1996
- Rö Tx
- CT Thorax, fakultativ zusätzlich MR Thorax
- Bronchoskopie (wegen der DD BC)
Zum Staging nach Empfehlungen der AWMF
- CT Thorax
- CT Abdomen
- Skelettszintigraphie
- CCT vor geplanter Pleuropneumonektomie
- fakultativ Mediastinoskopie, v. a. vor extrapleuraler Pneumonektomie
Zur Feststellung der funktionellen Operabilität Lungenfunktion.
Histologie
BearbeitenDas Pleuramesotheliom geht von der pleuralen Stammzelle aus, die sich einerseits epithelial, anderseits mesenchymal differenziert. Ein Pleuramesotheliom hat daher sowohl epitheliale, als auch sarkomatöse Anteile. Abhängig davon, welche Komponente überwiegt, unterscheidet man 3 Formen:
- epithelial (50-70%)
- fibrosarkomatös (7-20%)
- gemischtförmig (20-35%)
Lokalisation
BearbeitenPleurales Mesotheliom 4 bis 5 mal häufiger als das peritoneale.
Ausbreitung
BearbeitenWachstumsmuster entlang präformierter Höhlen und entlang Faszien oder artifizieller Gänge (Biopsiekanäle, operative Zugangswege). Sogenannte Impfmetastasen in bis zu 20%.
lokoregionäre Ausbreitung
in Autopsieserien
- Mediastinum 63%, in mediastinale LK 40%
- Zwerchfell 65%
- Perikard 49%
- Peritoneum 39%
- kontralaterale Pleura 37%
hämatogene Disseminierung
meist spät im Krankheitsverlauf. Häufigkeit:
- Leber 12-30%
- kontralaterale Lunge 16%
- Nieren 7-13%
- Nebennieren 5-12%
- Knochen 6-10%
- Pankreas 9%
- Milz 9%
- Gehirn 3%
Stadieneinteilung
BearbeitenTNM 7. Auflage (gültig ab 2010)
Bearbeitens. [1]
T- Status | ||
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T1 | ipsilaterale parietale Pleura | |
T1a | keine viszerale Pleura | |
T1b | viszerale Pleura | |
T2 | ipsilaterale Lunge, Zwerchfell, viszerale Pleura konfluierend; mindestens ein Kriterium erfüllt:
| |
T3 | endothorakale Faszie, mediastinales Fett, Brustwand fokal, Perikard nicht-transmural; mindestens ein Kriterium erfüllt:
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T4 | außer der ipsilateralen Pleura besteht eine Tumorinfiltration
| |
N- Status | ||
N1 | LK- Metastasen ispilateral bronchopulmonal und / oder hilär | |
N2 | LK- Metastasen subkarinal, ipsilateral an A. mammaria interna, und/ oder ipsilateral mediastinal | |
N3 | LK- Metastasen kontralateral mediastinal, kontralateral an A. mammaria int., kontralateral hilär, ipsilateral in Skalenusgruppe / supraklavikulär und/ oder kontralateral in Skalenusgrupper / supraklavikulär | |
M- Status | ||
M1 | Fernmetastasen |
Anm.: Ein Befall ausschließlich endozervikaler Drüsen (ohne Stromabeteiligung) wird als T1 klassifiziert.
cave: Das jetztige T1a- Stadium umfasst die früheren T1a- und T1b- Stadien, das jetztige T1b entspricht dem früheren T1c.
UICC Stadien (7. Auflage, gültig ab 2010) | |||
---|---|---|---|
IA | T1a | N0 | M0 |
IB | T1b | N0 | M0 |
II | T2 | N0 | M0 |
III | T1, T2 | N1, N2 | M0 |
T3 | N0, N1, N2 | M0 | |
IV | T1, T2, T3 | N1 | M0 |
T4 | jedes N | M0 | |
jedes T | N3 | M0 | |
jedes T | jedes N | M1 |
frühere und alternative Klassifikationen
Bearbeiten- TNM 2002
- - wie TNM 7. Auflage -
UICC Stadien 2002 (entspricht IMIG- Stadien 1995)
IMIG - International Mesothelioma Interest Group
IA - T1a N0 M0
IB - T1b N0 M0
II - T2 N0 M0
III - T1-2 N1-2 M0, T3 jedes N M0
IV - jedes T4, jedes N3, jedes M1
Häufig angewendet wurde auch die Stadieneinteilung nach Butchart.
Butchart Klassifikation
I Tumor begrenzt auf ipsilaterale Pleura und Lunge
II Tumorinfiltration von Thoraxwand, Mediastinum, Perikard, kontralaterale Pleura
III Tumorbeteiligung von Thorax, Abdomen, oder LK ausserhalb des Thorax
IV Fernmetastasen
Therapieprinzipien
BearbeitenOperation
extrapleurale Pleuropneumoektomie
Einziger kurativer Ansatz ist die extrapleurale Pleuropneumoektomie mit Perikard und Zwerchfellresektion. Diese kommt für Patienten mit günstigen Prognoseparameter in Frage: Stadium I nach Butchart bzw I/II nach UICC, epithelialer Subtyp, guter AZ, Alter bis 60 Jahre. 3-J-ÜLR bis zu 40-45%. Bei N2 oder fibrosarkomatöser und gemischtförmiger Histologie sinkt diese Rate auf 5-10% bei ansonsten gleicher Merkmalsausprägung des Kollektivs. In früheren Behandlungsserien ohne Angabe des histologischen Subtyps oder des Stadium 5-J-ÜLR 3,5 bis 10%. Perioperative Mortalität bis 31%, in den aktuelleren Serien 5-10%.
Pleurektomie/ Dekortikation
Langfristige Tumorfreiheit 2 %, perioperative Mortalität 1-2%. Bezüglich des Überlebens gibt es widersprüchliche Ergebnisse retrospektiver Studien. Eine kanadische Studie fand bei 322 Patienten keinen Unterschied nach Pleurektomie/Dekortikation (9,8 Monate), extrapleuraler Pneumonektomie (9,3 Monate) und nichtoperierten (8 Monate). Im Heidelberger Kollektiv von 301 Patienten war dagegen die Überlebenszeit nach Pleurektomie/Dekortikation (315 Tage) und nach Pleuropneumektomie (284 Tage) signifikant besser als beim Gesamtkollektiv (238 Tage). Die AWMF empfiehlt eine Pleurektomie/Dekortikation nur bei therapierefraktären Ergüssen und bei Lokalkomplikationen. Die Erfolgsrate bei den Ergüssen beträgt 70 bis 85%.
Chemotherapie
Die wirksamsten Monosubstanzen mit einem Ansprechen von 10-20% sind Adriamycin, Mitomycin-C, 5-FU, Ifosfamid, Cisplatin, Carboplatin. Kombinationen wiesen in multizentrischen Studien Ansprechraten von 10 - 25% auf. Am gebräuchlichsten sind Cisplatin/Adriamycin und Cisplatin/Mitomycin. Bei Platin-Kontraindikation Ifosfamid/Adriamycin. In Metaanalysen Ansprechen für Adriamycin/Cisplatin-Kombination von 29%, Cisplatinhaltige Kombinationen 19% und für Adriamycinhaltige Kombinationen von 14-19%. Längerfristige Remissionen sind allerdings sehr selten (bis 3%). In Evaluation Gemcitabin, erste Ergebnisse positiv, Ansprechen ca. 30%).
Intrakavitär wird meistens Cisplatin oder Carboplatin bei Erguss eingesetzt. Voraussetzung ist, dass keine Kammerung des Ergusses vorliegt.
Mögliche Indikationen für eine Chemotherapie: rasche Tumorprogredienz, klinische Symptomatik, oder günstige prognostische Parameter.
Strahlentherapie
Indikation besteht bei lokalisierten Tumormanifestationen wie z. B. bei Impfmetastasen zur Palliation. Diese kann nur bei ausreichender Dosierung längerfristig gesichert werden (minimal 40 Gy bei konventineller Fraktionierung). Zur Vermeidung der Manifestation von Impfmetastasen (nach Eberhardt et al. Häufigkeit 20%. In einer kleinen Serie sogar 40%, Boutin 1995 ) wird eine Strahlentherapie mit 3x7 Gy oder 5x4 Gy mit Elektronen 2 Wochen nach Eingriff empfohlen. Boutin berichtete, dass in einer randomisierten Studie keiner von 20 Patienten, die mit 3x7Gy bestrahlt wurden, Impfmetastasen erlitten. Bei den nicht nachbestrahlten war es nach 1-13 Monate (median 6 Monate) in 8/20 Fällen (40%) zu Impfmetastasen gekommen.
Die Bestrahlung postoperative Tumorresiduen hat in kleinen Serien im Rahmen multimodaler Konzepte bei wenigen Patienten eine längerfristige Tumorfreiheit oder jahrelange Progressionsfreiheit geführt.
*** Therapieempfehlungen der AWMF 1996 ***
Stadium I
Pleuropneumonektomie mit Perikard- und Zwerchfellresektion, wenn günstige Prognosefaktoren erfüllt sind (Alter <60 J., guter AZ, epithelialer Subtyp, möglichst keine mediastinalen LK-Metastasen). Fakultativ postoperative Chemotherapie
Stadium I/II
Sofern keine Pleuropneumonektomie nicht erfolgt: Pleurektomie/Dekortikation, anschliessend systemische Chemotherapie. Gggfs. zusätzliche intrapleurale Therapie.
Rezidivierende Ergüsse
intrapleurale Therapie mit Fibrinkleber, Tetrazykline, oder Cisplatin. Bei Therapieversagen Pleurektomie.
Palliative Chemotherapie
immer Einzelfallentscheidung bei rascher Progression, klinischer Symptomatik, oder bei günstigen Parametern.
Palliative Strahlentherapie
bei lokal infiltrierenden oder verdrängenden Tumormassen
Indikation RT
BearbeitenNach Pleurektomie/Dekortikation, wenn der verbliebene Tumorrest als umschrieben eingeschätzt wird und günstige Prognosefaktoren vorliegen (UICC Stadium I/II, guter AZ, Alter bis 60, epithelialer Subtyp).
Nach Thorakoskopie / transthorakale P. E. / Thorakotomie ist eine Radiatio des Zugangsweges zur Vermeidung von Impfmetastasen indiziert mit 5x4 Gy oder 3x7 Gy.
Schmerzen durch Tumormanifestation der Thoraxwand oder durch Infiltration des Plexus brachialis. Durch RT eine anhaltende Besserung der Symptome in 50-70%.
Zielvolumen
BearbeitenIm Falle einer palliatven Bestrahlung wegen Thoraxschmerzen: makroskopischer Tumoranteil, der für die Beschwerden verantwortlich ist.
Nach Thorakotomie, P.E, Thorakoskopie zur Vermeidung von Impfmetastasen: Zugangsweg.
Nach Pleurektomie/Dekortikation: Tumorrest
Dosis RT
BearbeitenZugangsweg einer Thorakoskopie, P.E. oder Thorakotomie: 3x7 Gy oder 5 x 4 Gy Elektronen an aufeinanderfolgenden Tagen.
Palliative Bestrahlung einer Thoraxwandinfiltration: mindestens 40 Gy bei konventioneller Fraktionierung, ansonsten keine Aussicht auf andauernden Erfolg. Übliche GD 45 bis 50 Gy (siehe Review von Schiebe et al. in Strahlenther Onkol 1994). Postoperativ auf R1-Stelle mit Aussicht auf längerfristige Remission GD 60 Gy.
Nebenwirkungen
BearbeitenPrognose
BearbeitenMedianes Überleben Gesamtkollektiv: 7 -12 Monate
2-J-ÜLR: maximal 25%
4-J-ÜLR: maximal 6%
Parameter für eine günstigere Prognose:
- Tumorstadium I nach Butchart
- junges Patientenalter (je nach Studie 50-65 J.)
- AZ WHO 0-I
- epithelialer Subtyp
medianes Überleben bei günstiger Prognose: 10-18 Monate,
bei ungünstiger Prognose 5-8 Monate
Möglicherweise ebenfalls Hinweise auf eine bessere Prognose sind:
- - Fehlen von Thoraxschmerzen
- - lange Dauer Symptombeginn bis Diagnose (über 6 Monate)
- - Keine Thrombozytose (Thrombozyten bis 400.000)
mediane Überlebenszeiten
mit supportiver Therapie zwischen 4 und 18 Monate, im Mittel 7 Monate
Nachsorge
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- ↑ Wittekind C, Meyer H. TNM: Klassifikation maligner Tumoren. 7. Aufl. Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA; 2010.
NCI Leitlinie, Stand 6.6.2003
Eberhart W, Dienemann H, Stüben G: Malignes Mesotheliom. In: Seeber S, Schütte J.: Therapiekonzepte Onkologie, S713ff. 4. Auflage, Springer 2003.
Leilinien der AWMF: Malignes Pleuramesotheliom, Stand 1996 (http://www.krebsinfo.de/ki/awmf/haem_onk/20_ihaem026.html, abgerufen 14.7.2003)
Mesotheliom Leilinie der Uni Essen (http:www.uni-essen.de/tumorforschung/leitlinien-wtz/mesotheliom-ll.html, abgerufen 14.7.2003)
Anm.:
In den strahlentherapeutischen Lehrbüchern (Scherer/Sack, Richter/Feyerabend, Karstens et al., Lohr/Wenzel, Lindner, Perez/Brady) sind keine Beiträge zum Pleuramesotheliom oder malignen Mesotheliom.