Radioonkologie (PORT)/ Diagnosen/ Lymphome/ NHL (aggressive)

Übersicht Bearbeiten

medianes Erkrankungsalter 58 J.

über 8000 Neuerkrankungen pro Jahr in D

Die NHL ist eine heterogene Gruppe Lymphome unterschiedlicher Biologie. Die Inzidenz hat sich bei Männern in den letzten 20-25 Jahren verdoppelt, bei Frauen Zunahme um 70%. Damit ist das NHL die hämatologische Erkrankung mit der stärksten Zunahme. Gesicherter ätiologischer Faktor ist eine Schwächung des Immunsystems. Weitere Faktoren sind Chemikalien (Herbizide, organische Lösungsmittel), virale Infekte (Hepatitis C) und rheumatische Vorerkrankungen.

In der Strahlentherapie spielen folgende NHL eine Rolle:

  • indolente Lymphome in den Stadien I und II mit kurativer Zielsetzung. Insbesondere gilt dies für das follikuläre Keimzentrumslymphom (cb/cc-Lymphom): hier auch im im Stadium III A.
  • aggressive und sehr aggressive Lymphome: nach Chemotherapie Eliminierung der indolenten Lymphomanteilen durch Bestrahlung von Bulk und extranodalem Befall
  • niedrigmalignes MALT-Lymphom des Magens: im Stadium I, HP negativ und Stadium II: kurative Radiatio
  • hochmalignes MALT des Magens: nach Chemotherapie  IF-Bestrahlung
  • primären ZNS-Lymphome: Ganzhirnbestrahlung mit oder ohne MTX

Diagnostik Bearbeiten

Übliche Staging Untersuchungen, s. a. HD

Besonderheit:

beim follikulären Keimzentrumslymphom, bei dem bildmorphologisch ein Stadium I oder II vorliegt, muss eine beidseitige KM-Punktion und eine Leberblindpunktion durchgeführt werden.

cerebrales Lymphom: solides Lymphom fast immer primär. Sekundär zu 99% leptomeningeal.

Histologie Bearbeiten

Die NHL werden nach der WHO Klassifikation eingeteilt. Man unterscheidet dabei zwischen B- und T- Zell- Lymphomen sowie solchen, die von frühen ("precursor") oder von reiferen (den "peripheren") Vorläuferzellen abstammen. Innerhalb der peripheren Lymphomen werden alle Subtypen aufgezählt, eine Differenzierung hinsichtlich Prognose findet nicht statt.

Die Precursor Lymphome haben eine Ähnlichkeit mit Leukämien, die Übergänge sind fliessend. Sehr hohe Disseminierungstendenz. Daher selbst im Stadium I keine primäre RT Indikation.

Unter klinischen Gesichtspunkten teilt man in aggressive und indolente Lymphome ein. Die Termini hoch- und niedrigmaligne der Kieler Klassifikation kommen nicht mehr zur Anwendung.

Agressiv sind jene, die ohne Behandlung innerhalb weniger Wochen oder Monate zum Tod führen. Der häufigste Subtyp - mit einem Anteil von mehr als 2/3 an den aggressiven NHLs -  ist das diffus-großzellige B-Zell-NHL. Es macht 31% aller Lymphome weltweit aus. Altersmedian 64 Jahre. Die Hälfte wird in den Stadien I und II diagnostiziert.

Lokalisation Bearbeiten

primär extranodaler Befall 30 - 40%

Ausbreitung Bearbeiten

Die meisten NHL haben eine deutliche Tendenz zur Disseminierung. Eine relative Ausnahme bildet das follikuläre Keimzelllymphom (cb/cc-Lymphom), das meist in LK entsteht und sich langsam lymphogen ausbreitet.

Stadieneinteilung Bearbeiten

Ann Arbor 1971 (modifiziert) Nodalstadien Bearbeiten

vgl. [1].

Stadium Beschreibung
I Befall einer einzigen LK-Region
II Befall mehr als einer LK- Region, ausschliesslich supradiaphragmal oder ausschliesslich infradiaphragmal
III Befall von LK-Regionen beidseits des Zwerchfells
IV nichtlokalisierter, diffuser oder disseminierter Befall eines oder mehrerer extralymphatischer Organe oder Gewebe
Substadien
ergeben sich durch Anhängen von Buchstaben mit folgender Bedeutung
  • "A" - ohne Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust
  • "B" - Fieber, Nachtschweiß oder Gewichtsverlust ("B- Symptome"
  • "E" - extranodale Manifestation (z. B. Leber)
  • "S" - Milz (Splen)
  • "E + S" - Lymphommanifestationen der Milz und extranodal
Zu den lymphatischen Gewebe zählen
  • LK
  • Milz
  • Thymus
  • Waldeyer Rachenring
  • Appendix
  • Peyersche Plaques
Es werden 11 Lymphknotenregionen (Ann Arbor Regionen) unterschieden
  1. Waldeyer Rachenring
  2. cervikal/ supraklavikulär
  3. infraklavikulär
  4. axillär
  5. mediastinal
  6. hilär
  7. paraaortal
  8. Milz
  9. mesenterial
  10. iliakal
  11. inguinal/ femoral


Therapieprinzipien Bearbeiten

Diffuse grosszellige B-Zell-Lymphome

Chemotherapie mit CHOP

Die precursor Lymphome sind eng verwandt mit den lymphoblastischen Leukämien. Sie haben eine extrem hohe Neigung zur Generalisation. Über 90% sind bei ED im Stadium IV. Aber auch im Stadium I kann eine Strahlentherapie nicht zu einer Heilung führen.

Formen

B-Zell lymphoblastisches / B-Precursor lymphoblastisches Lymphom

T-Zell-lymphoblastisches Lymphom: Häufig (ca. 70%) mit Mediastinaltumor

Burkitt Lymphom: häufig abdominelle Konglomerattumoren

Therapie

aggressive Chemotherapie bei gutem AZ und Alter bis 60 z. B. wie bei B-ALL, sonst CHOP.

Bei Ansprechen auf Chemotherapie zusätzlich RT des ehemaligen Bulks mit 36 Gy. Das Rezidivverhalten kann hierdurch an die Gruppe ohne Bulk angeglichen werden.

Mantelzelllymphom: schlechte Prognose, mediane ÜLZ 2,5 J. In den seltenen frühen Stadien Heilung durch eine alleinige RT möglich.

Indikation RT Bearbeiten

aggressive Lymphome

frühe Stadien: Stadium IE, II, IIE, bulky I, sofern nach Chemotherapie eine komplette Remission besteht. Ausgenommen: Patienten über 60 J. mit normalem LDH und Karnofskyindex ab 90%.

  • entsprechend ECOG 1484 Studie (Horning, JCO 2004: 3032) führt eine adjuvante Bestrahlung nach kompletter Remission im Stadium IE, II, IIE und I mit Bulk zu einem besseren krankheitsfreien Überleben nach 6 Jahren (73% vs. 56%). Die Verbesserung des Gesamtüberlebens war nicht signifikant. Für diesen Endpunkt war die Studie allerdings auch nicht ausgelegt.
  • Bei Patienten über 60 Jahren mit einem initial normalen LDH- Wert und einem günstigen Karnofskyindex 90% - 100% ist eine zusätzliche Strahlentherapie nach 4 Zyklen CHOP ohne Vorteil

[2] . Die isolierten Lokalrezidive sind seltener (47% vs 21%), nicht aber das ereignisfreie Überleben nach 5 Jahren (61% vs. 64%) oder das Gesamtüberleben (72% vs. 68%). Möglicherweise ist die Chemotherapie mit 4 x CHOP nicht ausreichend. Beim Alter über 70 J. entwickelt sich das Gesamtüberleben tendentiell schlechter nach RT (70% vs. 58% nach 5 J, nicht signifikant, p=0,1). Hier könnten v. a. kardiale Nebenwirkungen eine Rolle spielen.

cerebrales Lymphom

Nach Hartmann ist nur bei manifesten cerebralen Lymphomen eine Radiatio des Cerebrums indiziert. Diese erfolgt nach dem ersten Zyklus Chemotherapie. Das Cerebrum erhält 36 Gy, Boost auf Lymphom bis 50,4 Gy. Ein primär cerebrales Lymphom hat eine schlechte Prognose. Hier empfiehlt sich eine Teilnahme an einer multizentrischen Studie der Freien Universität Berlin, Prof. Thiel. Med III.

Zielvolumen Bearbeiten

Bei cerebralen Befall:

Cerebrum unter Einschluss der Meningen, bis HWK2 Unterkante, hintere Anteile der Orbita

Dosis RT Bearbeiten

indolente NHL: mindestens 30 Gy adjuvant, mindestens 40 Gy auf makroskopischen Tumor

aggressive NHL: nach Chemotherapie 36-45 Gy, bei alleiniger RT 50 Gy.

Volumenabhängig: Bei Tumoren < 3,5 cm Dosis 30-40 Gy nach Chemotherapie, bei grösseren Tumoren 40 - 50 Gy.

cerebral: 5 x 1,8 Gy bis 39,6 Gy, Dosisaufsättigung auf das Lymphom bis 54 Gy oder 5 x 1,5 Gy bis 45 Gy (Ganzhirn, ohne lokale Dosisaufsättigung)[3].

Nebenwirkungen Bearbeiten

RT vor MTX intrathekal oder hochdosiert i. v.: hohes Risiko für Leukenzephalopathien. Wenn RT vor oder simultan zu Chemotherapie: in 50% kognitive Funktionsverschlechterung! (Lohr / Wenz 2003)

Nachsorge Bearbeiten

Prognose Bearbeiten

Internationaler Prognose Score für aggressive NHL

  • Alter > 60 J.
  • KI < 80
  • Stadium > II
  • LDH erhöht
  • mehr als 1 extranodale Manifestation

Summe aller Punkte

0-1 niedriges Risiko

2 niedrig intermediär

3 hoch intermediär

4-5 hohes Risiko

10-J-ÜL 35%, relatives 10-J-ÜL 48% (d. h. gemessen an den zu erwartenden Lebenserwartung)

mittlere ÜL-Zeit: 3,6 J.

günstigeres ÜL für

  • jüngere Pat. (v. a. < 45 J.)
  • niedriges Ann Arbor Stadium
  • fehlende B-Symptome

primär extranodal (nach Lohr/Wenz 2003)

  • 75% 5-J-ÜLR, 62% 10-J-ÜLR
  • des Hodens: 20-30% 5-J-ÜLR
  • des ZNS: 20-25% 5-J-ÜLR

Literatur Bearbeiten

  1. Wittekind C, Meyer H. TNM: Klassifikation maligner Tumoren. 7. Aufl. Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA; 2010.
  2. Bonnet C, Fillet G, Mounier N, u. a. CHOP Alone Compared With CHOP Plus Radiotherapy for Localized Aggressive Lymphoma in Elderly Patients: A Study by the Groupe d'Etude des Lymphomes de l'Adulte. J Clin Oncol. 2007;25(7): 787-792.
  3. Müller, Bischof: "Tumoren des lymphatischen Systems" in Wannemacher, Debus, Wenz (Hrsg.): Strahlentherapie. Springer (Berlin, Heidelberg) 2006. ISBN 3-540-22812-8

Hartmann: Hochmal.  NHL. In Seeber/ Schütte: Therapiekonzepte Onkologie 4. Aufl. 2003

Horning, JCO 2004: 3032

Lohr / Wenz 2003