Radioonkologie (PORT)/ Diagnosen/ Hirnmetastasen

Übersicht Bearbeiten

Inzidenz 3-11 / 100.000.

Medianes Alter 59 Jahre. Frauen und Männer gleich häufig betroffen.

Die häufigsten Primärerkrankungen sind BCs (ca. 50%), Mamma-Ca (ca. 10%, d. h. bei Frauen 20%) und Magen-Darm-Tumoren (ca. 8%). Die Erkrankungen, die am häufigsten eine cerebrale Metastasierung aufweisen, sind Keimzelltumoren und maligne Melanome.

In Obduktionsstatistik der früheren DDR wurden bei 7,3% von Tumorerkrankten eine Hirnmetastasierung gefunden [1]. In anderen Serien bestehen laut [Karstens] bei 20-30%, laut [2] in bis zu 45% der obduzierten Tumorerkrankten eine Hirnmetastasierung.

Diagnostik Bearbeiten

Mittel der Wahl zum Nachweis von Hirnmetastasen ist das MRT. Vor stereotaktischer Bestrahlung obligat. Eine Computertomographie kann zusätzlich differentialdiagnostisch u. U. wichtige Verkalkungen oder eine ossäre Destruktion nachweisen.

Histologie Bearbeiten

Die häufigsten Primärerkrankungen sind BCs (ca. 50%), Mamma-Ca (ca. 10%, d. h. bei Frauen 20%) und Magen-Darm-Tumoren (ca. 8%). Verhältnismässig häufig sind CUP-Syndrome, die über Hirnmetastasen auffallen (bis 20%). In diesem Fall ist eine stereotaktisch neurochirurgische Biopsie erforderlich.

Der histologische Typ ist für das zu erwartende Ansprechen von untergeordneter Bedeutung.

Lokalisation Bearbeiten

Zu 80% supratentoriell, überwiegend subkortikal.

In 16-18% im Kleinhirn. Diese Verteilung entspricht der Blutversorgung.

Ausbreitung Bearbeiten

Stadieneinteilung Bearbeiten

Therapieprinzipien Bearbeiten

Operation

Eine Operation kommt bei solitären Hirnmetastasen in Frage, bei günstiger Lokalisation wird die Indikation bei bis u drei Metastasen bis 30 mm Maximaldurchmesser gestellt. Dabei muss der Primärtumor beherrscht sein und weitere Metastasen anderer Lokalitäten nicht nachweisbar sein. Eine anschliessende Ganzhirnbestrahlung verlängert das mittlere Überleben signifikant.

Ausserdem profitiert diese Gruppe von einer Dosisaufsättigung der Metastasenregion (Boost): Lamert et al (Strahlenther Onkol 2004 Suppl: 11, V-043) bestrahltenbei 43 Patienten nach Metastasektomie mit 40 Gy auf das Ganzhirn Boost von 10 Gy. Metastasen-Lokalrezidive traten nach 2 J bei 20% und 0% auf, das 2-J- ÜL lag bei 6% vs. 35% und das mediane ÜL 7 vs. 12 Monate jeweils zugunsten der Boost-Gruppe.

Radiochirurgie

Die Indikation wird analog zum operativen Vorgehen analog gestellt: bis 3 Metastasen bis 30 mm. Die Überlebenszeiten entsprechen denen der Operation plus Ganzhirnbestrahlung. Die Radiochirurgie hat aber Vorteile. Bei ihr bestehen weniger Einschränkungen durch eine ungünstigere Lage und durch einen eingeschränkten Allgemeinzustand. Die Hospitalisations- und Behandlungszeit ist erheblich kürzer, so dass die Radiochirurgie einem operativen Vorgehen vorzuziehen ist, wenn sie verfügbar ist.

Ganzhirnbetrahlung

Standardvefahren zur Behandlung von Hirnmetastasen. Ihre Wirksamkeit ist bereits seit 1954 bekannt.

Chemotherapie

Bestehen manifeste Hirnmetastasen, ist die Blut-Hirn-Schranke schon allein deshalb gestört, weil dies die Voraussetzung für eine cerebrale Metastasierung ist. Zusätzlich bilden Metastasen eigene Blutgefässe aus, die im Gegensatz zu den orthotopen eine Fenestrierung besitzen. Die Permeabilität ist um den Faktor 5-10, in Einzelfällen bis zu 100-fach erhöht. Aus diesem Grund können chemotherapeutische Substanzen in nennenswerter Konzentration zu den Metastasen gelangen. Die Ansprechraten und Überlebenszeiten entsprechen denen anderer Metastasierungslokalisationen. Ein randomisierter Vergleich zum "golden standard" Ganzhirnbestrahlung existiert bislang nicht. Eine Indikation sollte zumindest bei Rezidivmetastasen geprüft werden.

Symptomatische Therapie

Eine antiödematöse Therapie gegen den erhöhten Hirndruck erfolgt mit Osmofundin oder Dexamethason. Bei V. a. intrazerebrales Lymphom allerdings kein Dexamethason!

Indikation RT Bearbeiten

Radiochirurgie

Die Indikation wird analog zum operativen Vorgehen analog gestellt: bis 3 Metastasen bis 30 mm. Die Überlebenszeiten entsprechen denen der Operation plus Ganzhirnbestrahlung. Die Radiochirurgie hat aber Vorteile. Bei ihr bestehen weniger Einschränkungen durch eine ungünstigere Lage und durch einen eingeschränkten Allgemeinzustand. Die Hospitalisations- und Behandlungszeit ist erheblich kürzer, so dass die Radiochirurgie einem operativen Vorgehen vorzuziehen ist, wenn sie verfügbar ist.

Ganzhirnbetrahlung

Standardvefahren zur Behandlung von Hirnmetastasen. Ihre Wirksamkeit ist bereits seit 1954 bekannt. Symptome bessern sich bei mehr als 80%. Vor allem Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und Krampfanfälle bessern sich. Dagegen sind Lähmungen nur zu etwa 30% komplett rückläufig. Eine Verlängerung der Lebenszeit fällt nur gering aus.

Rebestrahlung

Die Indikation zur Rebestrahlung kann im Einzelfall gestellt werden. Dabei muss berücksichtigt werden, wie gut das Ansprechen bei der ersten Serie gewesen ist, und wie lange das Intervall seit der ersten Serie war.

Zielvolumen Bearbeiten

Bei Ganzhirn Bestrahlung

Gesamtes Gehirn. Kaudal Feldgrenze bei klinischer Einstellung verläuft vom Oberand der Orbitae und durch Obergrenze des äußeren Gehörgangs.

Dosis RT Bearbeiten

Die RTOG hat mehrfache Dosisfindungsstudien durchgeführt. Dabei waren die unterschiedlichen Fraktionierungen und Gesamtdosen ohne signifikanten Unterschied.

Gesamtdosis Bestrahlungszeit Überleben
30 Gy 2 Wochen 21 Wochen
30 Gy 3 Wochen 18 Wochen
40 Gy 4 Wochen 18 Wochen
40 Gy 3 Wochen 18 Wochen
40 Gy 4 Wochen 18 Wochen
20 Gy 1 Woche 15 Wochen

Als Standarddosis gilt 10x3 Gy, die die bestmögliche Lokalkontrolle bei guter Verträglichkeit ermöglicht. Sie ist bei einer RTOG Dosiseskalationsstudie auch die Fraktionierung des Standardarms gewesen. Bei höheren Einzeldosen nimmt die Gefahr von NW deutlich zu[3]. Rades et al. wiesen nach, dass eine akzellerierte Radiatio mit 5x4 Gy in einer Woche die gleiche Wirkung wie eine standardfraktionierte Bestrahlung mit 10x3 oder 20x2 Gy besitzt[4]. Daher ist z. B. bei der RPA Klasse III diese Kurzeitbestrahlung gerechtfertigt, weil angesichts der medianen Überlebenszeit von 2,1 Monaten ein chronisches Nebenwirkungsrisiko vernachlässigbar ist.

Karstens differenziert nach der relativen Prognose und einer möglicherwesie begleitenden Chemotherapie[5]. Stanadrddosierungen seien 10 x 3 Gy, 15 x 2,5 Gy, seltener 20x2 Gy.

Nach Operation einer solitären Hirnmetastase: 20x2 Gy oder 10x3 Gy Ganzhirn, zusätzlich 5x2 Gy auf die Metastasenregion. Der zusätzliche Boost verbessert das 1- Jahres Überleben von 41% auf 66% (p=0,001)[6]

Nebenwirkungen Bearbeiten

akut können Hirndruck zu Kopfschmerzen und neurologischen Symptomen führen. Nach dem interdisziplinären Tumorzentrum sollte während der Strahlentherapie bei asymptomatischen Patienten 3 x 1 mg Dexamethason gegeben werden. Bei Hirndruckzeichen wird mindestens 3 x 4 mg empfohlen.

subakut: 2-3 Monate nach RT reversible Demyelinisierung. Auswirkung: Antriebsarmut, Konzentrationsschwäche.

chronisch: Nekrosen erst nach 9 Monate bis 3 Jahren. Bei ED 2 Gy TD 5/5 : 60 Gy.

klinisch manifeste Leukenzephalopathien bereits ab 50 Gy nach Ganzhirn-RT möglich. Sie beruhen auf Störungen der Mikrozirkulation.

Prognose Bearbeiten

Die Prognose hängt entsprechend multivariater Analyse ab von

  • Vorhandensein extrazerebraler Metastasen
  • Allgemeinzustand (KI > 90% günstig)
  • Alter (< 60 J. günstig)

Die günstigste Untergruppe (nur Hirnmetastasen, KI 100, Alter < 60 J.) hat ein medianes Überleben von 6 Monaten, 20% leben länger als 1 Jahr.

Anhand der RTOG Datenbank sind 3 prognostische Klassen entwickelt worden (Gaspar, red j 1997):

I: Karnofsky > 70, Alter < 65 J., kontrollierter Primärtumor, keine extrakranialen Metastasen

II: weder I, noch III

III: Karnofsky < 70

Die identifizierten Prognosefaktoren werden vom Primärtumor mitbestimmt.

Medianes Überleben bei Hirnmetastasen von einem BC 4,2 Monate, vom Mamma-Ca 6,8 Monate. Am schlechtesten sollen sich multiple Metastasen vom Nierenzellkarzinom und vom Malignen Melanom verhalten.

Sind beim Mamma-Ca. nur Hirnmetastasen nachweibar, beträgt das  Überleben median 15 Monaten. Ist ein zusätzliches Organsystem befallen, sinkt es auf 5,5 Monate. Beim BC-Metastasen und ansonsten beherrschter Erkrankung: median 10 Monate.

Mittleres Überleben abhängig von der Therapie

ohne Therapie: 1-2 Monate

mit Kortekoiden: 2-3 Monate

mit Strahlentherapie: 4-5 Monate

singuläre Metastase nach chirurgischer Exzision und anschliessender Ganzhirn-RT: 6-12 Monate

singuläre Metastase nach sterotaktischer Bestrahlung: 6 - 11 Monate

Nachsorge Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  1. Mennel, H. D.: Metastasierungsweg und Inzidenz von ZNS-Metastasen. In: Staab, H. J., Kraueneck P.: Hirnmetastasen - eine interdisziplinäre Herausforderung. 5. Salzburger Symposium. Thieme Stuttgart, New York  1998.
  2. Flentje, M.; Oppitz, U.: Differenzierte Strahlentherapie von Hirnmetastasen. In: Staab, H. J., Kraueneck P.: Hirnmetastasen - eine interdisziplinäre Herausforderung. 5. Salzburger Symposium. Thieme Stuttgart, New York  1998.
  3. Staab H, Krauseneck P. Hirnmetastasen, eine interdisziplinäre Herausforderung. 5. Salzburger Symposium. Thieme, Stuttgart; 1998. ISBN 3131047615
  4. Rades D, Bohlen G, Dunst J, u. a. Comparison of short-course versus long-course whole-brain radiotherapy in the treatment of brain metastases. Strahlenther Onkol. 2008;184(1):30-35.
  5. Karstens J. Strahlentherapie und Radioonkologie aus interdisziplinärer Sicht. Lehmanns Media; 2005. ISBN 9783936427950
  6. Rades D, Pluemer A, Veninga T, Dunst J, Schild SE. A boost in addition to whole-brain radiotherapy improves patient outcome after resection of 1 or 2 brain metastases in recursive partitioning analysis class 1 and 2 patients. Cancer. 2007;110(7):1551-1559.