Platon: Hippias I Bearbeiten

Beim Hippias I handelt es sich ganz eindeutig um einen aporetischen Dialog, denn der Dialog endet ohne befriedigendes Ergebnis. Platon (Sokrates) bleibt uns am Ende ein Lösung schuldig. Darüber hinaus handelt es ich um einen definitorischen Dialog, denn es geht im Hippias I um die Suche nach einer Definition des Schönen. Im Grunde ist die Frage aufgeworfen: Was ist das Schöne seinem Wesen nach. Diese Frage wird in diesem frühen Dialog noch nicht als Frage nach der "Idee" des Schönen gestellt. Es geht hier nur um eine definitorische Annäherung. Die frühen Dialoge von Platon werden ganz allgemein auch die aporetisch-definitorischen genannt, weil sie oft einen vergleichbaren, oder doch ähnlichen Charakter haben. Die Frage nach den Ideen wird eigentlich erst mit Platons Übergang zur Ideenlehre in den mittleren Werken, beginnend mit der Politaia, gestellt.

Zum Einleitungsteil möchte ich nicht viele Worte verlieren. Man hat ein bisschen das Gefühl, dass Sokrates sich hier nur ein bisschen warmredet. Außerdem scheint er den Hippias ein bisschen aufzuziehen, weil dieser ja Geld für seine Dienste nimmt. Wir wissen aber, dass Sokrates nie Geld genommen hat. Interessant ist, dass Sokrates den armen Hippias nicht merken lässt, dass er diesen nur ein bisschen an der Nase herumführt. Am Ende kommt das Gespräch dann auf das Schöne. Und damit beginnt das eigentliche Gespräch.

Sokrates stellt zunächst fest:

  • Das Gerechte ist durch das Gerechte gerecht.
  • Das Gute ist durch das Gute gut.
  • Das Schöne ist durch das Schöne schön.

(Hier sehen wir wieder den Kanon der drei Transzendentalien angedeutet)

Das ist sicherlich ein Zugeständnis an Hippias, denn genau besehen handelt es sich bei diesen Sätzen um eine Pleonasmus (das Schöne des Schönen, das Grüne des Grünen). Ich glaube, auch Sokrates weiß das, er sagt aber trotzdem weiter nichts, denn wenn er jetzt fragt, was denn nun das Schöne sei, so stellt er Hippias zugleich eine Falle, und dieser tappt auch prompt hinein. Sokrates versteht nämlich unter dem Schönen etwas völlig anderes, als Hippias, nämlich das Schöne an sich, während Hippias darunter nur die schönen Dinge versteht. Und so kreisen denn die ersten Definitionsversuche des Hippias auch nur um einzelne Beispiele für schöne Dinge. Hippias erster Definitionsversuch geht dann auch dahin, die Frauen schön zu nenne. Er sagt: Die Frauen sind schön. Sokrates darauf: Und schöne Pferde? Hippias: Auch Sokrates: Und schöne Kannen? Hippias: Auch. Aber die Tongefäße sind im "Verhältnis" zu den Frauen eher hässlich. Sokrates: Wie die schönen Affen im Verhältnis zu den Menschen hässlich sind? Hippias: Wohl getroffen. Sokrates: Und wie die Menschen, und damit auch die Frauen, im Verhältnis zu den Göttern hässlich sind? Hippias: Wer ist er, dass er so sprechen kann? Dann ist eben (2. Definitionsversuch) das schöne Gold, dass die Frauen und die Pferde schmückt, das, was sie schön macht. Das Gold ist schön. Sokrates: Und die Kunstwerke der Bildhauer? Sie sind doch auch schön, aber sie sind nicht aus Gold, sonder vielleicht aus Elfenbein. Hippias: Elfenbein ist auch schön. Sokrates: Manche Statuen sind aber nur aus schönem Stein. Dann ist auch der Stein schön, und nicht nur das Gold und das Elfenbein. Hippias: Nein, das ist eine Frage der Schicklichkeit. Gold ist schicklich und daher schön, Stein ist es nicht. Sokrates: Und wenn Du einen Hirsebrei in einem Tongefäß rührst, ist es dann schicklicher, einen Goldlöffel zu nehmen, oder einen Löffel aus Feigenholz. Hippias: Einen Löffel auf Feigenholz. Sokrates: Der Löffel aus Feigenholz ist also hier schicklicher, als der Löffel aus Gold. Das Schickliche ist also nicht das Schöne. (Anmerkung: Natürlich ist dieser Umkehrschluss nicht erlaubt, und auch Sokrates weiß das. Darum wird er diesen Aspekt des Hippias bei seinen eigenen Definitionsversuchen noch einmal aufgreifen, in der Hoffnung, ihn retten zu können.) Dritter Definitionsversuch des Hippias: Schön ist das glückliche Leben, dessen Kriterium es ist, "nach" den Eltern und "vor" den Kindern zu sterben. Sokrates: Für meinen Einwand verdiene ich ja eigentlich Schläge, aber gilt das auch für die Götter und die Halbgötter unter den Menschen? Hippias: Nein, natürlich nicht. Was für ein Frevel. Sokrates: Deine Definition gilt also für die einen, aber nicht für die anderen. Damit scheidet auch diese Erklärung aus.

Und nun stellt Sokrates zum wiederholten Mal fest, dass nach Beispielen für schöne Dinge nicht gefragt war, sondern nach dem Schönen an sich. Im 2. Hauptteil des Dialoges macht nun Sokrates vier eigene Definitionsversuche zu dem Begriff des Schönen.

1. Definitionsversuch: Das Schöne ist das Schickliche Bearbeiten

Sokrates greift den Gedanken des Hippias noch einmal auf, dass das Schöne das Schickliche sein. Er will diesen Gedanken retten. Denn als gesagt wurde, das Gold sei schön, wo es sich schicke, und hässlich, wo es sich nicht schicke, und mit allem anderen genau so, da klang das zunächst ganz vernünftig. Sokrates argumentiert nun, dass das Schickliche, wie gute Kleidung, nur das schön scheinen machende sei, aber nicht das schön sein machend, doch nur um letzteres könne ich es handeln. Darauf entgegnet Hippias, dass das Schickliche sehr wohl das auch schön sein machende sei. Dann wäre es aber, so Sokrates, unmöglich, dass das schön Seiende nicht zugleich auch das schön Scheinende sei. Beides falle aber in Wahrheit nicht zusammen, wie der ständige Streit um die Einrichtung der schönen Dinge zeigen würde, denn offensichtlich erscheinen die Dinge den Menschen sehr unterschiedlich, obwohl sich vielleicht tatsächlich schön seien. Das Schöne könne daher unmöglich das Schickliche sein.

2. Definitionsversuch: Das Schöne ist das Brauchbar Bearbeiten

Zunächst zählt Sokrates alle möglichen Dinge auf, die brauchbar sind, und nennt sich schön. Das Brauchbare, sei nun das Vermögende (im Sinne einer Fähigkeit oder einer besonderen praktischen Eigenschaft), das Unbrauchbare das Unvermögende. Die Menschen tun aber weit mehr böses mit ihnen, als Gutes, und das gerade auf Grund ihres Vermögens dazu, aber bestimmt nicht auf Grund ihres Unvermögens. Das Brauchbare bzw. (praktisch) Vermögende ist also immer auch dazu gut, etwas Schlechtes zu tun. Es kann daher nicht das Schöne sein. Also ist das Schöne nicht das Brauchbare und (praktisch) Vermögende.

3. Definitionsversuch: Das Schöne ist das Nützliche Bearbeiten

Das Schöne ist das Brauchbare und das (praktisch) Vermögende, aber eben nur, solange es Ursache des Guten ist. Und das nennen wir eben das Nützliche. So nimmt der 3. Definitionsversuch unmittelbar Bezug zum 2. Definitionsversuch. Wenn nun aber das Schöne (hier das Nützliche) unmittelbar die Ursache des Guten ist, so entsteht aus dem Schönen das Gute, und dann ist das Schöne nicht gut und das Gute nicht Schön. Und das kann eben nicht sein. Das Schöne kann unmöglich das Nützliche sein.

4. Definitionsversuch: Das Schöne ist das Angenehme Bearbeiten

Das Schöne ist das Angenehme bzw. das, was uns Lust bereitet, aber nur für die Augen und die Ohren, nicht aber für die übrigen Sinne. Der Begriff des Angenehmen, der aber auf alle Sinne ausgedehnt ist, ist also mächtiger, umfassender, als der des Schönen. Hiermit hätte Sokrates seine Argumentation schon beenden können. Kant wird die Argumentation später wieder aufgreifen, und tatsächlich hier beenden. Sokrates hingegen geht noch weiter. Wenn nur der Sehsinn und das Gehör uns einen Eindruck des Schönen vermitteln, da ihre Eindrücke uns angenehm sind, mache es einen Unterschied, ob die Wirkung des Angenehmen von Gesicht und Gehör einzeln auftrete, oder immer nur gemeinsam. Sokrates glaubt, darin einen Widerspruch zu erkennen. Aber auch er kommt am Ende zu der Erkenntnis, dass das Schöne unmöglich das Angenehme, sein kann, also das, was uns Lust bereite. Ich selber möchte ihm da Recht geben, glaube aber (genau wie Kant), der unterschiedliche Umfang der Begriffe des Angenehmen und des Schönen (letzterer bezieht sich eben nur auf den Sehsinn und das Gehör, ersterer auch alle Sinne des Menschen) genügt hier als Argument völlig. Am Ende muss die Frage nach dem Schönen an sich offen bleiben. Sokrates hat die Idee des Schönen nicht gefunden. Der Dialog endet aporetisch, sehr zum Missfallen des Hippias. Für Sokrates behält hingegen das allgemeine Sprichwort recht, dass das Schöne schwer sei.

Verwendete Begriffe Bearbeiten

  • Das Schöne
  • Das Schöne ist durch das Schöne schön
  • Das Schöne ist das Schickliche
  • Das Schöne ist das Brauchbare
  • Das Schäne ist das Nützliche
  • Das Schöne ist das Angenehme

Siehe auch Bearbeiten