Natur und Technik für den Pflichtschulabschluss: Ein einfaches Beispiel

Wenn wir ein Blatt Papier und ein Stift gleichzeitig fallen lassen, fällt der Stift schneller. Das ist der erster Schritt des wissenschaftlichen Vorgangs: die Beobachtung der Natur. Wir haben so was oft in der Natur gesehen.

Der zweite Schritt ist ein Erklärungsversuch. Die meisten Menschen (wenn nicht alle) denken, dass der Stift schneller fällt, weil er schwerer ist. Dass schwerere Objekte schneller fallen, beobachten wir oft in der Natur.

In der Wissenschaft sollen wir allerdings Kritik ausüben. Wir sollen ein Experiment planen, das diese Erklärung widerlegen kann. Was ist das Gegenteil von unserer Hypothese? Dass leichtere Objekte schneller fallen. Unseres Ziel ist also, ein Experiment zu planen, wo ein leichterer Gegenstand schneller als ein schwererer fällt.

In unserem Beispiel ist dies relativ leicht. Wir können ein kleines Stück aus dem Blatt Papier ausschneiden und zusammenknüllen. Das große Stück Blatt ist schwerer. Laut Hypothese sollte es schneller fallen. Trotzdem fällt das kleine Stückchen Papier schneller. Wir müssen also denken, dass unsere Erklärung (wissenschaftlich "Hypothese" genannt) falsch war.

Dann kommt oft der Vorschlag, dass die Fläche das Entscheidende ist. Das Blatt Papier hat eine viel größere Fläche als das zusammengeknüllte Papierstückchen. Das Blatt fällt langsamer. Daher sollten Objekte mit einer größeren Fläche langsamer fallen.

Wir können noch ein Experiment machen, um diese Annahme zu überprüfen. Wir nehmen ein Heft und schneiden aus diesem Heft ein halbes Blatt Papier oder noch kleiner. Wir knüllen in diesem Fall das Blatt nicht zusammen. Das Heft hat eine größere Fläche, es sollte nach unserer neuen Hypothese langsamer fallen. Es fällt doch schneller. Diese Hypothese ist daher auch falsch.

Durch viele weitere ähnliche Versuche ist die Wissenschaft zu der Annahme gekommen, dass alle Objekte in Vakuum (wenn keine Luft da ist) gleichzeitig und mit der gleichen Beschleunigung fallen. Wenn die Luft da ist, ist das Phänomen kompliziert und hängt vom Gewicht, von der Fläche und von weiteren Faktoren ab. Diese Beschreibung des sogenannten "freien Falls" wurde für eine lange Zeit und bis heute nicht widerlegt.

Der erste Schritt in der Wissenschaft ist also die Beobachtung der Natur. Wir sehen beispielsweise, dass alle Objekte, die nicht von irgendwas gehalten werden, nach unten fallen. Der zweite Schritt ist ein Erklärungsversuch (Hypothese). Der dritte Schritt ist, ein Experiment zu planen, das zeigt, dass die Erklärung falsch ist. Die Erklärung wird dann manchmal völlig widerlegt, wie die erste und die zweite Erklärung in unserem Beispiel. Manchmal kommt auch der Fall vor, dass eine Erklärung erweitert wird. In diesem Fall stellt die alte Erklärung einen Grenzfall der neuen dar.

Ein Beispiel dafür ist die sogenannte "Gravitationstheorie". Diese Theorie versucht zu beschreiben, wie die Masse der Objekte (grob gesagt, ihr "Gewicht") ihre Bewegung beeinflusst. Im 18. Jahrhundert hat der berühmte Physiker Isaac Newton mathematische Gesetze entdeckt, die diesen Zusammenhang beschreiben. Seine Gesetze wurden für lange Zeit nicht widerlegt und gelten heutzutage immer noch, allerdings als Grenzfall einer allgemeineren Theorie, der Relativitätstheorie. Nach dieser Theorie gelten die Gesetze von Newton fast genau in unserem Alltag, nicht aber mehr, wenn Objekte sich sehr sehr schnell bewegen.

Unsere Erfahrung in der Wissenschaft zeigt, dass die Theorien immer robuster werden. Es wird immer schwieriger, nicht nur eine Theorie völlig zu widerlegen, sondern sie auch zu erweitern. Die Theorien werden ständig überprüft und werden immer sicherer. Ganz sicher können wir allerdings nicht sein und wir können auch gar nicht völlig ausschließen, dass unsere Theorien in der Zukunft sich doch wieder ändern werden. Das wird einfach unwahrscheinlicher, es hängt allerdings nur von unseren Beobachtungen in der Natur und von den Ergebnissen der Experimente ab.