Meisterhaft – Musterhaft Georg Bötticher/ Leben und Werk

Georg Bötticher – Leben und Werk
Hans Georg Bötticher, Portrait-Photographie, ca. 1888

Georg Bötticher entstammt einer Thüringer Gelehrten Familie. Er kommt erst nach dem Tod des Vaters im Haus seines Großvaters, des Geh. Hofrat Prof. Ferdinand Gotthelf Hand (1786–1851), in Jena in der Jenergasse 6 am 20. Mai 1849 zur Welt. Ferdinand Hand, Professor der Philosophie, ein berühmter Gräzist, verkehrte mit Goethe.

Georgs Vater ist der Pfarrer Hans Adam Bötticher (1811–1849) in Görmar bei Mühlhausen. Er verstarb vier Jahre nach Amtsantritt. Mutter Clementine Bötticher, geb. Hand (1815–1892), ist eine ehrgeizige Frau, die in ärmlichen Verhältnissen bis 1857 in Jena lebt. Georg Bötticher hat einen älteren Bruder Hans Carl (1847–1936).

Besuch des angesehenen Zenker’schen Instituts in Jena, einer Knabenschule mit Internat, geführt von Prof. Gustav Zenker (1798–1857), verheiratet mit Caroline, einer Tochter von Ferdinand Hand. Nach Beendigung nehmen der kinderlose Großonkel Dr. Friedrich Runde (1791–1868) und dessen Frau Caroline Henriette, Schwester von Ferdinand Hand, den Sechsjährigen auf und ermöglichen ihm anschließend den Besuch des Freimaurer-Instituts Dresden, das der 14-Jährige Ostern 1863 verlässt.

1863–65

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Ein Berliner Verwandter, Prof. Dr. Karl Bötticher (1806–1889), erkennt Georgs künstlerische Neigung. Das Geld für ein Kunststudium fehlt. Er ermuntert ihn deshalb, sich auf den neu entstandenen Beruf des Musterzeichners zu bewerben. Dazu besucht Bötticher das Dresdner Polytechnikum, die spätere Kunstgewerbeschule bis 1866, Abteilung kunstgewerbliches Zeichnen. Hier studiert er bis 1867. Einer seiner maßgeblichen Professoren war K. Krumbholz, der 1863 an das Polytechnikum in Dresden zurückkehrte - nach seinen Stationen Paris (1844–47), London, Paris (1854–1861). Er hat Bötticher sicherlich ermuntert, nach Paris zu gehen.

1866–67

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Zusätzlich besucht Georg anderthalb Jahre die Webschule Chemnitz, volontiert ein halbes Jahr in einer Textilfabrik und lernt Möbel- und Kleiderstoffe zu weben.

Umzug nach Dresden für ein halbes Jahr, Besuch der Abteilung Musterzeichner am Polytechnikum. Veröffentlichung von ersten Kompositionen in der Stuttgarter Fachzeitschrift „Gewerbehalle“; danach erste Aufträge.

schickt ihn der Großonkel Dr. Runde nach Paris auf die damalige „Hochschule aller besseren Dessinateure“. Er finanziert ihm auch den Start in der Metropole. Sein erster Gang führt ins Quartier Montmartre zu den beiden deutschen Zeichnern Rade und Beck, denen er sein Empfehlungsschreiben vorlegt. Sofort beginnt sein vielseitiger Einsatz. Parallel bewirbt er sich in Pariser Ateliers. Aufnahme, Vervollkommnung der Ausbildung und schließlich dauerhafte Beschäftigung als Entwurfszeichner, große Anerkennung im angesehenen Pariser „Atelier (Arthur) Martin“.

Mitte Dez. (1869)

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Weihnachtsbesuch bei der Mutter in Dresden.

Januar Rückkehr ins Pariser Atelier. Böttichers Entwürfe und Kompositionen ergeben ein Auftragsvolumen, das stetig größer wird sowohl für das Atelier Martin als auch für andere Ateliers wie z. B. „Paul Balin“. Sein Salär verdreifacht sich auf 15 FF/Tag. Er publiziert auch weiterhin für deutsche Fachzeitungen, die in der französischen Ausgabe erscheinen, allerdings ohne Bötticher als Urheber zu nennen.

Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges im Spätsommer (13. 7. 1870 Emser Depesche) und Mobilmachung Mitte Juli 1870. Die französischen Truppen Kaiser Napoléons III. werden besiegt, kämpfen jedoch als Republikaner weiter und geben erst bei der Belagerung von Paris im Frühjahr 1871 die Zustimmung zum endgültigen Friedensschluss.

Nach zwei Jahren muss Bötticher im August 1870 Paris verlassen, nicht als „unerwünschter Ausländer“ aber mit Existenzsorgen. Währenddessen ist man in Deutschland mit der Reichsgründung und der Kaiserproklamation am 18. 1. 1871 im Spiegelsaal von Versailles im Taumel eines nationalen Hochgefühls.

Am 4. September 1870 verschafft sich Bötticher in der amerikanischen Gesandtschaft einen Pass zur Ausreise über Belgien nach Deutschland. Zunächst reist er nach Mühlhausen zu den Thüringischen Verwandten, dem Stadtrat und Kaufmann. Hier arbeitet Bötticher nun weiter als kunstgewerblicher Zeichner für Tapeten, Teppiche und Bucheinbände und publiziert Fachartikel, was ihm Aufträge bringt: u.a. bei Herting in Einbeck b. Hannover und bei Engelhard in Mannheim.

Im November 1870 zieht er mit finanzieller Unterstützung des Onkels zur Mutter nach Dresden, mit dem Ziel, sich als Musterzeichner selbständig zumachen. Sein Zimmer ist sein Atelier. Von Herting und Engelhard kommen weiterhin Auftragsarbeiten.

Bötticher erhält eine lukrative Offerte vom Mannheimer Tapetenfabrikanten Engelhard, Umzug nach Mannheim. Als Musterentwerfer in einer der angesehensten Tapetenfabriken der Zeit vervollkommnet sich Bötticher und entwirft erfolgreich. Im Firmenauftrag kopierte er im Bruchsaler Schloss die Muster der Wandbespannungen. Ebenfalls im Firmenauftrag fährt er für vier Wochen nach München ins Nationalmuseum, wo er die die Gobelins der Sammlung studiert und kopiert.

Weltausstellung in Wien. Bötticher löst seinen Vertrag bei Engelhard in Mannheim. Er reist für drei Wochen nach Wien. Seine Muster, von Paul Balin übernommen, erregen große Aufmerksamkeit auf der Weltausstellung in Wien und werden auf einer Fachmesse prämiert. Als Urheber wird Bötticher nicht genannt.

Danach reist er in seine Geburtsstadt Jena, wohin seine Mutter vor kurzem von Dresden verzogen war. Bötticher richtet sich in Jena sein Atelier ein und arbeitet als freischaffender Zeichner viele Jahre für führende Firmen wie z.B.: Heinrich Engelhard, Schütz, Zuber, Flammersheim & Steinmann, Herting. Er erhält große Bestellungen im Hochpreissegment.

Seine Muster für Stoffe imitieren Tapeten mit Gold- und Silbereffekten. Neben Bucheinbänden entwirft er vor allem für renommierte Tapetenmanufakturen im In- und Ausland reich gestaltete „französische“ und „altdeutsche“ Blumenmuster und Bordüren mit Seiden-, Gold- und Samteffekten im Stil des Historismus. Es entstehen Muster für Möbelstoffe und Intarsien, die im In- und Ausland begehrt sind.

Er reist erneut zu Studienzwecken nach München, wo er mittlerweile eine kleine Wohnung unterhält. Nach vorangegangenen Korrespondenzen erstes Zusammentreffen mit Ernst Schütz, Mitinhaber der Tapetenfabrik August Schütz Wurzen in Sachsen

Umzug von Jena nach Wurzen bei Leipzig. Umgehendes Vorstellungsgespräch - nach zweiwöchiger Probearbeit engagiert ihn der Wurzener Tapetenfabrikant August Schütz als „1. Zeichner“.

Am 20. April heiratet Georg Bötticher in der Stadtkirche zu Jena seine entfernte Verwandte, Rosa Marie geb. Engelhart (1856/7–1924), Tochter des Kaufmanns Gustav Friedrich Alexander Engelhart (1829–1892) und dessen Frau Ottilie, geb. Leiding aus Tilsit.

Bis 1882

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wohnt er mit seiner Frau in der Langegasse 13, dann in der Eilenburger Str. 50.

Im Oktober begeleitet Bötticher Carl Schütz für drei Wochen nach Paris.

1877–1878

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Veröffentlichung seiner Fachpublikation „Original-Compositionen zu Flachmustern“ in 12 Lieferungen zu je 4 Blatt mit 49 (48) in Lichtdruck abgebildeten Entwürfen, Dresden, 1877-1878 in Teilen im Grassi Museum Leipzig, Mappe im Kulturhistorischen Museum Wurzen.

Bötticher ist ein erfolgreicher Chefdesigner. Insgesamt 15 Jahre lang arbeitet er für August Schütz.

Geburt des ersten Sohnes Wolfgang (Wurzen 1879–1946 Leipzig-Markkleeberg), der spätere Ingenieur. Er wird Vater dreier Kinder: Wolfgang, Ottilie, Hans. Zeitlebens reißt der Kontakt in die Thüringische Heimat nicht ab. Man verlebt z. B. regelmäßig die Ferien bei den Verwandten.

Das Leipziger Kunstgewerbemuseum, heute Grassi Museum für angewandte Kunst, zeigt auf Anregung des Kunsthistorikers Cornelius Gurlitt (1850–1938), eine große Einzelausstellung mit Böttichers Tapetenmustern, die im zweiten Weltkrieg vernichtet wird.

Einzug in das barocke ehemalige Stadtgut am Crostigall 14, erste Etage. Sein Atelier befindet sich in der Lindenstr. 44 (Hinterhaus der Gaststätte „Zur Rose“)

Geburt der Tochter Ottilie (Wurzen 1882–1958 Leipzig-Markkleeberg), musisch begabt, besucht sie das Konservatorium und heiratet Hermann Mitter (1882–1967).

Geburt des zweiten Sohns Hans Bötticher (Wurzen 1883–1930 Berlin) – ab 1919 Ringelnatz. Vater Bötticher erkennt die Mehrfachbegabung seines Sohnes, der als Dichter, Literat, Maler, Rezitator und Matrose ihm in großer Anhänglichkeit nacheiferte.

Als „Diener dreier Herren“ fühlt Bötticher sich in der Firma Schütz unwohl und bittet, ihn aus dem festen Vertrag zu entbinden. Er bekommt freie Hand, führt schließlich ein eigenes Atelier mit zwei Angestellten. Er beliefert die großen Tapetenfabriken in Frankreich, Schweden, Amerika und Russland mit seinen Entwürfen. Für die Tapetenindustrie in Mannheim, Rixheim, Köln und Wurzen wird er namentlich als Designer genannt, während die Zeichner bis dahin normalerweise namenlos bleiben. Er entwirft für Chemnitzer und Elberfelder (b. Hannover) Möbelstofffabrikanten. Der Kontakt nach Paris besteht wieder, er zeichnet für das „Atelier Martin“.

Die guten wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben einen Umzug der Familie in die Messestadt Leipzig, laut Eintrag im „Wohnregister“ Wurzen: Ostern 1888, wohl am 1. April. Die Familie zieht in das Haus an der Alten Elster Str. 14, sein Atelier nimmt er in der Fregestraße (Verhaltschein = Zuzugsgenehmigung) für den Dessinateur Georg Bötticher und seine Familie in Leipzig (Wurzen 20. 3. 1888). Die beruflichen Bande nach Wurzen lockern sich weiter. Einmal im Jahr koloriert er die Farbkarten. Er entwirft weiterhin für Flammersheim & Steinmann Köln. Für sie koloriert er die Karten jährlich 2-3mal und reist bis 1905 dazu für bis zu vier Monate nach Köln.

In der Buch- und Messestadt hat Bötticher viele gleichgesinnte Freunde. Zu seinem Freundeskreis gehören zahlreiche Künstler, Illustratoren, Bildhauer, Redakteure, Schriftsteller wie Adolf Menzel, Max Klinger, Theodor Fontane, Wilhelm Raabe, Edwin Bormann, Victor Blüthgen und Johannes Trojan. Er widmet sich verstärkt seiner Neigung zur humorvollen Schriftstellerei. In den mehr als 19 Jahren schriftstellerischer Tätigkeit hinterläßt er Gedichte, Erzählungen, Märchen, Humoresken, Dramen in ca. 40 Exemplaren.

Humoreske „Verse eines Kleinstädters“ – auf Kleinstadterlebnisse u.a. in Wurzen gemünzt.

Es entstehen weiterhin Fachartikel, so in: „Kunst und Dekoration“.

Herausgabe des opulenten Fachwerkes „Original-Compositionen zu Flachmustern“ In seinem Fachbuch „Die deutsche Musterzeichner-Kunst und ihre Geschichte“, Darmstadt 1890 bezeichnet Cornelius Gurlitt (1850–1938) Bötticher als denjenigen Musterzeichner, der unter den Fachkollegen die größte Anerkennung genießt. Darin ist ein Gedicht gedruckt:

"Entzückt dich ein Tapetenton
O, sieh dich heut noch satt dran, Sohn!
Bedenk, beim nächsten Morgenschein
Kann er schon längst verschwunden sein.
Doch nimmst du wahr, dass Deiner Wand
Der tiefe satte Ton entschwand -
Nur Mut, du schaust die Herrlichkeit aufs neu
Rückst ein Bild beiseit“

Bötticher widmet sich der Schriftstellerei, wird bekannt als mundartlicher Dichter, Kunstkritiker. Erzählungen, Balladen und Schwänke Humorvolles, Ironisches und Drolliges gelingen ihm eindrucksvoll, Musterexemplare kleinstädtischen Stumpfsinns und Wichtigtuerei formuliert er exzellent. „Schilda“ 1889 mag so ein philanthropisches Beispiel seiner Kunst sein. Seine Schilderungen finden in den Charakteren der Gründerzeit unter preußischer Führung reichlich Nahrung. Ab 1891 arbeitet er auch für die Schwedische Firma Dahlander & Co. in Göteborg.

1894–1909

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nimmt der Schriftsteller sein Atelier in der Pölitzstraße 1, Leipzig-Gohlis.

1899–1918

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19 Jahre lang gibt er „Auerbachs Deutschen Kinderkalender“ heraus.

Seit 1900

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hindert den 51-Jährigen ein Augenleiden an der zeichnerischen Arbeit. In diesem Jahr endet seine Tätigkeit für die Tapetenfabrik in Wurzen, aber er quittiert diese Arbeiten endgültig erst 1905 auch für Flammersheim & Steinmann Köln.

1901–1909

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1901 bezieht er Wohnung mit Büro in Leipzig in der Ponitowskystr 12 und beendet seine Designarbeit 1905 endgültig um fortan ausschließlich literarisch zu arbeiten.

Er ist freier Mitarbeiter der „Fliegenden Blätter“ der „Jugend“ und bei „Meggendorfer Blätter“. Bötticher wird Mitbegründer von zwei Künstlergesellschaften „Die Stalaktiten“ und „Die Leoniden“. Daran erinnert eine Plakette am Alten Rathaus in Leipzig (Naschmarktseite) mit den Konterfeis von Georg Bötticher und Edwin Bormann.

Am 15. 1. 1918 stirbt Georg Bötticher in Leipzig-Markkleeberg mit nur 69 Jahren in seiner Wohnung in der Harkortstr. 19 in Leipzig an den Folgen einer Lungenentzündung. Er wurde im Familiengrab auf dem Johannisfriedhof in Leipzig beigesetzt. Seine Frau Rosa Marie stirbt am 18. Januar 1924 verarmt in Leipzig.

Bildhauer Carl Seffner (1861–1932) schuf im Auftrag der „Leoniden“ das Bildnis von Bötticher.