Dimensionsformel für lineare Abbildungen – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“

Dieser Abschnitt ist noch im Entstehen und noch nicht offizieller Bestandteil des Buchs. Gib den Autoren Zeit, den Inhalt anzupassen!

Im letzten Abschnitt haben wir den Isomorphiesatz kennengelernt. Dieser besagt, dass bei einer linearen Abbildung zwischen zwei endlichdimensionalen -Vektorräumen und das Bild isomorph ist zu .

Das bedeutet, es gibt eine bijektive lineare Abbildung zwischen den Vektorräumen und . Also sind diese Vektorräume in gewisser Weise ähnlich zueinander. Nun stellt sich die Frage, ob die Dimension von mit der Dimension von zusammenhängt. Wir werden sehen, dass gilt.

Dimension von zwei zueinander isomorphen Vektorräumen Bearbeiten

Satz

Sind zwei endlich-dimensionale  -Vektorräume   und   zueinander isomorph, so gilt  .

Wie kommt man auf den Beweis?

Die Dimension eines endlich-dimensionalen Vektorraums entspricht der Anzahl seiner Basiselemente. Also müssen wir zeigen, dass zwei Basen der Vektorräume   und   gleich viele Elemente haben.

Wir wissen, dass eine lineare Abbildung   existiert. Mit Hilfe dieser Abbildung versuchen wir aus einer Basis von  , eine Basis von   zu konstruieren.

Nehmen wir an, dass   eine Basis von   ist. Wir können vermuten, dass auch   eine Basis von   ist. Hierzu müssen wir zwei Dinge überprüfen:

  1.   ist linear unabhängig
  2.   ist ein Erzeugendensystem von  

Beweis

Sei   eine Basis von  . Wir behaupten, dass   eine Basis von   ist. Dazu zeigen wir

  1.   ist linear unabhängig
  2.   ist ein Erzeugendensystem von  

Beweisschritt:   ist linear unabhängig

Seien   so, dass  .

Es gilt:

 

Die Abbildung   ist bijektiv und linear. Wegen   ist  . Da   linear unabhängig ist, gilt   für alle  .

Somit haben wir gezeigt, dass   linear unabhängig ist.

Beweisschritt:   ist ein Erzeugendensystem von  

Sei ein beliebiger Vektor   gegeben. Die Abbildung   ist bijektiv und somit gibt es ein   mit  .

Da   ein Erzeugendensystem von   ist, gibt es Koeffizienten   mit  .

Folglich ist

 

Also ist   eine Linearkombination von Elementen aus  . Da   beliebig gewählt war, ist   ein Erzeugendensystem von  .

Damit ist   eine Basis von  

und es gilt

 

und folglich

 

Alternativer Beweis

Sei wie oben   eine Basis von  . Wir behaupten, dass   eine Basis von   ist. Dazu zeigen wir

  1.   ist linear unabhängig
  2.   ist ein Erzeugendensystem von  

Da   ein Isomorphismus ist, wissen wir insbesondere, dass   injektiv (also ein Monomorphismus) und surjektive (also ein Epimorphismus) ist.

Aber Monomorphismen bilden linear unabhängige Mengen (also insbesondere Basen) auf linear unabhängige Mengen ab, und Epimorphismen bilden Erzeugendensysteme (also insbesondere Basen) auf Erzeugendensysteme ab.

Damit ist   ein linear unabhängiges Erzeugendensystem, also eine Basis.

Sind   und   endlich-dimensional, so haben sie nach dem Satz die gleiche Dimension, das heißt  .

Dimension des Faktorraums Bearbeiten

Im letzten Abschnitt haben wir den Vektorraum   kennengelernt. Inzwischen wissen wir auch, dass   gilt, falls dieser Vektorraum endlich-dimensional ist.

Die Dimension und Basis eines Vektorraums hängen eng zusammen:

Wissen wir, wie viele Elemente eine Basis des Vektorraums hat, so kennen wir auch seine Dimension.

Unser nächstes Ziel ist es, explizit eine Basis von   zu konstruieren.

Satz

Es seien   und   zwei endlich-dimensionale  -Vektorräume und   linear. Sei weiter   ein Untervektorraum von   mit Basis   und   eine Ergänzung dieser Basis zu einer Basis von  .

Dann ist   eine Basis von  .

Insbesondere gilt  .

Wie kommt man auf den Beweis?

Wir überprüfen zwei Dinge, um zu zeigen, dass   eine Basis von   ist:

  1.   ist linear unabhängig
  2.   ist ein Erzeugendensystem

Dabei können wir benutzen, dass   linear unabhängig und ein Erzeugendensystem von   ist. Außerdem ist  .

Um   zu zeigen, reicht es, die Anzahl der Basiselemente in   abzuzählen und mit der Anzahl der Basiselemente in   und   zu vergleichen.

Beweis

Um zu zeigen, dass   eine Basis von   ist, müssen wir folgendes überprüfen:

  1.   ist linear unabhängig
  2.   ist ein Erzeugendensystem

Beweisschritt:   ist linear unabhängig

Wir erinnern nochmals daran, dass  .

Seien   so gewählt, dass  .

Dann gilt

 

Wir wissen, dass   linear unabhängig ist. Folglich gilt   für alle  . Damit ist   linear unabhängig.

Beweisschritt:   ist ein Erzeugendensystem

Sei  . Dann gibt es   mit  .

Also ist

 

Also ist   ein Erzeugendensystem von  .

Damit haben wir gezeigt, dass   eine Basis von   ist.

Es bleibt lediglich zu zeigen, dass  .

Das gilt wegen

 

Daraus ergibt sich eine wichtige Folgerung:

Der Dimensionssatz Bearbeiten

Satz (Dimensionssatz)

Sei   eine lineare Abbildung zwischen zwei endlich-dimensionalen  -Vektorräumen   und  . Dann gilt

 

Beweis (Dimensionssatz)

Es ist   isomorph zu   und somit  . Da   ein Untervektorraum von   ist, gilt nach dem obigen Satz  . Folglich ist  .

Zusammenhang von Injektivität und Surjektivität von linearen Abbildungen Bearbeiten

Im Allgemeinen sind Injektivität und Surjektivität von Abbildungen nicht äquivalent, wie folgende Beispiele zeigen.

Beispiel

Die Funktion   ist surjektiv, denn  .

Sie ist aber nicht injektiv, denn sei   das bedeutet aber für   gilt  . Damit ist   nicht injektiv.

Beispiel

Die Funktion   ist injektiv, denn aus   folgt  . Damit ist   injektiv.

Sie ist aber nicht surjektiv, denn zu   gibt es keinen Vektor   für den gilt  . Damit ist   nicht surjektiv.

Bei linearen Abbildungen zwischen zwei endlich-dimensionalen Vektorräumen gleicher Dimension sind Injektivität und Surjektivität äquivalent. Bearbeiten

Satz

Sei   eine lineare Abbildung zwischen zwei endlich-dimensionalen  -Vektorräumen   und   mit  . Dann sind folgende Aussagen äquivalent:

  1.   ist injektiv.
  2.   ist surjektiv.
  3.   ist bijektiv.

Beweis

Zum Beweis verwenden wir den Dimensionssatz und die Sätze zur Injektivität und Surjektivität von linearen Abbildungen.

Beweisschritt:   ist injektiv     ist surjektiv

Sei   injektiv. Dann ist   und folgich  . Also gilt:

 

Es folgt, dass   und somit   surjektiv ist.

Beweisschritt:   ist surjektiv     ist injektiv

Sei   surjektiv. Dann ist   und folgich  . Also gilt:

 

Es folgt, dass   und damit ist   injektiv.

Somit gilt auch:   ist surjektiv,     ist bijektiv.

Die Umkehrung gilt natürlich auch:   ist bijektiv     ist surjektiv und injektiv.

Warnung

Der obige Satz gilt nur für endlich-dimensionale Vektorräume. Für unendlich-dimensionale Vektorräume ist er im Allgemeinen falsch.

Ein Gegenbeispiel ist die Ableitung   mit   für gewisse   und  . Dieses Beispiel kennen wir bereits aus den Aufgaben zum Kern und Bild einer linearen Abbildung. Dort haben wir festgestellt, dass  . Also ist   surjektiv. Aber es gilt auch   und somit ist   nicht injektiv.

Aufgaben Bearbeiten

In den beiden vorherigen Abschnitten haben wir den Kern und das Bild einer linearen Abbildung als wichtige Untervektorräume kennengelernt.

Aufgabe

Sei   eine lineare Abbildung zwischen zwei endlich-dimensionalen  -Vektorräumen   und  . Sei weiter   eine Basis des Kerns von   und   eine Basis des Bilds von  , wobei   und   für alle   und alle  .

Zeige, dass   eine Basis von   ist.

Wie kommt man auf den Beweis?

Um zu zeigen, dass   eine Basis von   ist, müssen wir zuerst überprüfen, dass   linear unabhängig ist.

Frage: Welchen Ansatz müssen wir wählen?

Wir schreiben   als Linearkombination der Elemente aus  :  

Frage: Was müssen wir nun zeigen?

Wir müssen zeigen, dass für alle   und alle   gilt:   und  .

Der Trick besteht nun darin, auf beide Seiten der Gleichung die Abbildung   anzuwenden.

Die linke Seite ist klar:  .

Versuche bei der Umformung der rechten Seite zu verwenden, dass   linear ist und   sind. Schreibe das Ergebnis als eine Linearkombination von Elementen aus  .

Frage: Was das Ergebnis bei der rechten Seite?

 

Frage: Wie können wir nun anwenden, dass   eine Basis von   ist?

  ist linear unabhängig und wir haben gerade berechnet, dass  . Folglich gilt für alle  , dass  .

Schreibe nun   als Linearkombination von Elementen aus   und verwende unser Ergebnis des letzten Schritts und die lineare Unabhängigkeit von  .

Frage: Was folgt nun?

Es gilt   und da   linear unabhängig sind, sind auch alle  .

Also haben wir gezeigt, dass   linear unabhängig ist.

Um zu zeigen, dass   eine Basis von   ist, würden wir normalerweise auch nachweisen, dass   ein Erzeugendensystem ist. Wie im Beweis zu dieser Aufgabe gezeigt wird, ist das eine Möglichkeit.

Wesentlich einfacher ist jedoch der Beweis der Dimensionsformel. Wir wissen bereits, dass   eine linear unabhängige Teilmenge von   ist. Gilt zudem, dass die Anzahl der Elemente gleich der Dimension von   ist, so ist   eine Basis von  .

Frage: Wie überprüfen wir, dass die Anzahl der Elemente in   gleich der Dimension von   ist?

Es gilt

 .

Nach dem Dimensionssatz ist aber

  und somit  

Also ist   eine Basis von   und unser Beweis ist fertig.

Beweis

Wir zeigen folgende Punkte:

  1.   ist linear unabhängig.
  2.   ist aus Dimensionsgründen eine Basis von  .

Beweisschritt:   ist linear unabhängig.

Wir schreiben zunächst   für gewisse  . Wir wollen zeigen, dass alle Koeffizienten   und   Null sind.

Wir wenden   auf beide Seiten der Gleichung an:

  und

 

Also:  .

Da   linear unabhängig ist, ist   für alle  .

Somit ist  .

Wegen der linearen Unabhängigkeit von   ist auch   für alle  .

Also ist   linear unabhängig.

Beweisschritt:   ist aus Dimensionsgründen eine Basis von  .

Wir wissen, dass   linear unabhängig ist und eine Teilmenge von   ist. Also können wir   zu einer Basis von   ergänzen. Diese Basis hat nach dem Dimensionssatz   Elemente.   hat so viele Elemente. Das heißt,   ist bereits eine Basis von  .

Alternativer Beweis (Direkter Beweis, dass B ein Erzeugendensystem ist)

Alternativ hätten wir auch zeigen können, dass   linear unabhängig und ein Erzeugendensystem ist. Die lineare Unabhängigkeit kann wie oben gezeigt werden.

Beweisschritt:   ist ein Erzeugendensystem

Sei   beliebig. Dann ist   und es gibt   mit  , so dass

 

Aufgrund der Linearität von   gilt  . Folglich ist  . Also gibt es geeignete   mit   und  .

Somit ist   und wir haben gezeigt, dass   ein Erzeugendensystem ist.