Buchanfang lineare Algebra/Abstellraum Euklidische Vektorräume – Serlo „Mathe für Nicht-Freaks“


Der euklidische Vektorraum Bearbeiten

Wenn wir die Zeilenvektoren des reellen Koordinatenraums   in Spaltenvektoren umwandeln, erhalten wir den reellen Vektorraum

 

.

Die Vektoraddition und die Skalarmultiplikation funktioniert komponentenweise, ganz analog zur Addition und Skalarmultiplikation im Koordinatenraum  . Die Skalar Multiplikation im   führt einen Vektor ebenfalls in einen Vektor über,

also für   und   gilt  

Das Skalarprodukt Bearbeiten

Wie wir im vorhergehenden Kapitel[1] schon gesehen haben, können Vektoren im   und   als Pfeile dargestellt werden. Dabei stellen Pfeile, die parallel, gleich lang und gleich orientiert sind, den selben Vektor dar. Diese Definition von Vektoren ist dir sicher aus deiner Schulzeit bekannt.

 
Das Skalarprodukt zweier Vektoren im Anschauungsraum hängt von der Länge der Vektoren und dem eingeschlossenen Winkel ab.

Zusätzlich zur Vektoraddition und Skalarmultiplikation wollen wir eine weitere Verknüpfung von zwei Vektoren   einführen, die den beiden Vektoren einen Skalar (Zahl) in   zuordnet. Wir nennen diese Verknüpfung Skalarprodukt und definieren sie geometrisch in der euklidischen Ebene[2] wie folgt:

Definition (Skalarprodukt)

Seien die Längen der Vektoren   mit   bezeichnet. Sei weiterhin   der von   und   eingeschlossenen Winkel, dann ist das Skalarprodukt

 

Hinweis

+++ Ganz analog gilt diese Definition auch im   +++

Warnung

Das Skalarprodukt ergibt keinen Vektor sondern einen Skalar (eine Zahl)!

Geometrische Veranschaulichung Bearbeiten

 
Orthogonale Projektion   des Vektors   auf die durch   bestimmte Richtung

Betrachte zur Veranschaulichung der obigen Definition die orthogonale Projektion   des Vektors   auf die durch   bestimmte Richtung und setze

 

Es gilt dann   und für das Skalarprodukt von   und   gilt:

 

Ganz analog gilt für die orthogonale Projektion   des Vektors   auf die durch   bestimmte Richtung und setze

 

Es gilt   und für das Skalarprodukt von   und   gilt:

 

Eigenschaften des Skalarprodukts Bearbeiten

Aus der Definition des Skalarprodukts   ergibt sich direkt:[3]

  • Sind   und   parallel und gleichorientiert, d.h.   und damit   so gilt
 
  • Sind   und   parallel und entgegengesetzt orientiert, d.h.   und damit   so gilt
 
  • Insbesondere ergibt das Skalarprodukt eines Vektors mit sich selbst das Quadrat seiner Länge
 
  • Sind   und   orthogonal, d.h.   und damit   so gilt
 
  • Umgekehrt gilt für  

Ist   dann ist   und   orthogonal, denn

 
  • Ist   ein spitzer Winkel, d.h.   und damit   so gilt
 
  • Ist   ein stumpfer Winkel, d.h.   und damit   so gilt
 

Skalarprodukt im kartesischen Koordinatensystem Bearbeiten

Führen wir in der euklidischen Ebene und im euklidischen Raum kartesische Koordinaten ein, dann erhalten wir folgende Menge für die euklidische Ebene

 

und für den euklidischen Raum die Menge

 

In der euklidischen Ebene lässt sich das Skalarprodukt der Vektoren   und   darstellen als  

 
Kanonische Einheitsvektoren in der euklidischen Ebene

Diese Vektoren lassen sich mit Hilfe der kanonischen Einheitsvektoren   und   darstellen als

  und  

Zunächst gilt, dass die Einheitsvektoren   orthogonal sind und damit ist wegen der obigen Eigenschaften des Skalarprodukts:

 

Außerdem haben die Einheitsvektoren die Länge 1 und damit gilt wegen der obigen Eigenschaften des Skalarprodukts:

  und  

Damit ist

 

Wir haben damit gezeigt, dass die geometrische Definition des Skalarprodukts mit der Definition des Skalarprodukts in Koordinatenform übereinstimmt.[4]

Im dreidimensionalen euklidischen Raum   erhält man entsprechend für die Vektoren

  und  

die Darstellung

 

Allgemein gilt für den n-dimensionalen euklidischen Raum   für das Skalarprodukt der Vektoren   und  

 

Bemerkungen Bearbeiten

Das Skalarprodukt ist damit eine Funktion  , die jedem geordneten Paar   von Vektoren die reelle Zahl   zuordnet, mit folgenden Eigenschaften:

  1. s ist symmetrisch,[5] d.h. es gilt das Kommutativgesetz:
      für alle Vektoren   und  
  2. s ist homogen[6] in jedem Argument (gemischtes Assoziativgesetz):
      für alle Vektoren   und   und alle Skalare  
  3. s ist additiv[7] in jedem Argument, d.h. es gilt das Distributivgesetz:
      und
      für alle Vektoren     und  

Die Eigenschaften 2 und 3 fasst man auch zusammen zu: Das Skalarprodukt ist bilinear[8].

  1. Die Bezeichnung gemischtes Assoziativgesetz für die 2. Eigenschaft verdeutlicht, dass dabei ein Skalar und zwei Vektoren so verknüpft werden, dass die Klammern wie beim Assoziativgesetz vertauscht werden können.
  2. Da das Skalarprodukt keine innere Verknüpfung ist, ist ein Skalarprodukt von drei Vektoren nicht definiert, daher stellt sich die Frage nach einer echten Assoziativität nicht. Im Ausdruck
      ist nur der erste Ausdruck ein Skalarprodukt von zwei Vektoren, die zweite Multiplikation ist das Produkt eines Skalars mit einem Vektor. Der Ausdruck stellt ein Vielfaches des Vektors   dar. Hingegen stellt der Ausdruck   ein Vielfaches von   dar.
  3. Im Allgemeinen gilt also
     
  4. Weder die geometrische Definition noch die Definition in kartesischen Koordinaten ist willkürlich. Beide folgen aus der geometrisch motivierten Forderung, dass das Skalarprodukt eines Vektors mit sich selbst das Quadrat seiner Länge ist, und der algebraisch motivierten Forderung, dass das Skalarprodukt die obigen Eigenschaften 1–3 erfüllt.

Aufgabe (Kommutativgesetz, gemischtes Assoziativgesetz und Distributivgesetz)

Zeige, dass das Skalarprodukt im   das Kommutativgesetz, das gemischte Assoziativgesetz

und das Distributivgesetz erfüllt

Wie kommt man auf den Beweis? (Kommutativgesetz, gemischtes Assoziativgesetz und Distributivgesetz)

Gesetze durch einfaches Ansetzen und Ausnutzen des Kommutativ-, und Assoziativ- und Distributivgesetzes in  

Beweis (Kommutativgesetz, gemischtes Assoziativgesetz und Distributivgesetz)

Kommutativgesetz:

 

gemischtes Assoziativgesetz:

 

und weiter gilt:

 

Distributivgesetz:

 

Ganz analog kannst du zeigen, dass gilt:

 

Hinweis

Im Vektorraum   ist das Skalarprodukt analog zum   definiert durch   Den Vektorraum   mit Skalarprodukt nennt man auch euklidischen Vektorraum. Auf diesen speziellen Vektorraum gehen wir in einem späteren Kapitel noch näher ein.


  1. https://de.wikibooks.org/wiki/Mathe_f%C3%BCr_Nicht-Freaks:_Vektorraum
  2. siehe auch euklidische Ebene
  3. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Skalarprodukt&action=edit&section=6
  4. http://www.mathematik.de/ger/fragenantworten/erstehilfe/vektorrechnung/5skalarprodukt.html
  5. siehe auch symmetrische Funktion
  6. siehe auch homogene Funktion
  7. siehe auch additive Funktionen
  8. siehe auch bilineare Funktion