MathGymOS/ Analysis/ Epsilon-Delta-Definitionen von Grenzwert und Stetigkeit/ Grenzwert-Definition
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Der Grenzwert anschaulich erklärt
BearbeitenDer Grenzwert ist auf universitärem Niveau wohl das wichtigste Hilfsmittel der Analysis. Im Grunde haben wir ihn auch schon im Kapitel über Folgen gesehen und er wird uns auch im Kapitel über Kurvendiskussionen begegnen und implizit bei allem ein Begleiter sein. Nur wie soll man sich den Grenzwert vorstellen?
Der Grenzwert sagt etwas über die Eigenschaften von Abbildungen an deren Grenzen aus. Eine solche Abbildung kann beispielsweise eine reelle Folge sein, aber auch eine Funktion. Der Grenzwert hilft uns dann, etwas über deren Verhalten auszusagen, denn er erlaubt es uns, Dinge zu betrachten, die eigentlich nicht berechenbar sind. Anschaulich macht man sich das am Besten an zwei Beispielen deutlich:
Beispiel: Grenzwert einer Folge
Im vorherigen Kapitel haben wir uns über das Verhalten von Folgen im Unendlichen unterhalten. Unendlich können wir ja nicht einfach einsetzen, um das Ergebnis zu erhalten, denn Unendlich ist keine Zahl. Wir können aber immer größere Zahlen einsetzen, beispielsweise und uns dann anschauen, was mit der Folge passiert. Wenn wir nun die immer größer werden lassen, sodass sie quasi unendlich werden - dann ist das die Betrachtung im Unendlichen.
Nehmen wir an, sei eine Folge, die gegen konvergiert. Im Grunde haben wir dabei den Grenzwert gebildet, denn nichts anderes ist der Grenzwert. Anstatt zu schreiben könnten wir auch schreiben:
lim bedeuted hierbei limes, was lateinisch für Grenze ist.
Beispiel: Grenzwert einer Funktion
Des weiteren können wir auch Grenzwerte von Funktionen entweder in deren Definitionsbereich oder an den Definitionsrändern bilden. Mit dem gesamten Definitionsbereich werden wir uns im nächsten Kapitel beschäftigen, meist sind aber nur ganz bestimmte Stellen interessant - zum Beispiel an Stellen, an denen die Funktion nicht definiert sind. Das ist auch der Fall, der uns in der Kurvendiskussion (siehe Polstelle) begegnen wird.
Dabei betrachten wir, was passiert, wenn der Funktionswert immer näher an die Stelle heranrückt, die wir untersuchen würden. Häufig läuft es darauf hinaus, dass wir im Grunde so tun, als ob die Funktion an der Stelle doch existierte - und setzen einfach ein.
Nehmen wir an, sei unsere Funktion. Sofern ist die Funktion wohldefiniert, wir können kürzen und haben unseren Funktionswert. Die Funktion ist eine Gerade. Was aber im Fall ? Hier können wir einen Grenzwert bilden. In dem Fall, wollen wir uns der Funktion von rechts nähern. Es gilt also: (dies sagt der kleine Pfeil statt des normalen Pfeils , näheres dazu später). Dann bilden wir von der Funktion den Grenzwert - wir wollen ja wissen, was denn wirklich passiert, wenn .
Wie gesagt, betrachten wir nur positive . Für diese Werte jedoch ist wohldefiniert und wir dürfen kürzen:
Der Ausdruck der jetzt dort steht, ist auch für definiert. Durch Einsetzen erhalten wir dann also den Grenzwert:
Es mag im ersten Augenblick etwas dubios erscheinen, dass wir zunächst nicht einsetzen durften, dann aber genau das doch gemacht haben - aber wenn man sich die Funktion aufzeichnet, dann erkennt man, dass die Idee, so vorzugehen, doch einigermaßen plausibel ist.
Definition: Grenzwert von Folgen
BearbeitenKonvergiert eine Folge gegen einen Wert , so sagt man auch (siehe oben), dass die Folge den Grenzwert besitzt. Konvergenz und Grenzwert einer Folge sind also identisch. Damit ist auch die Definition für Folgenkonvergenz mit der Definition des Grenzwertes identisch. Es gilt:
Sei unsere Folge und .
Wenn es für jedes einen Index gibt, sodass für alle gilt: , dann gilt:
Die Folge konvergiert gegen oder .
Definition: Grenzwert von Funktionen
BearbeitenNun betrachten wir eine Funktion - der Einfachheit halber eine reelle Funktion, also eine für die gilt: ( ist eine Abbildung von einer Teilmenge aus den reellen Zahlen auf die reellen Zahlen oder auch nur eine Teilmenge davon).
Jetzt geht es uns um den Grenzwert an einer Stelle , die entweder aus dem Definitionsbereich stammt, oder an dessen Rand liegt. In diesen beiden Fällen kommen wir mit Funktionswerten nah genug an die Stelle. Anschaulich sollte klar sein, dass es sinnlos ist zum Beispiel von einem "Grenzwert" an der Stelle zu sprechen, wenn die Funktion für kein definiert ist. Wie soll dieser Punkt jemals erreicht werden? Was soll der Grenzwert?
Also betrachten wir nur Punkte im Definitionsbereich oder am Rand. Wie können wir uns sinnvoll einen Grenzwert vorstellen? Wir müssen beachten, dass wir nun zwei Aspekte haben:
- Die x-Werte gehen gegen unseren Wert .
- Was machen die Funktionswerte? Die werden wohl auch irgendwie konvergieren.
Unsere Grenzwertdefinition wird also so ähnlich aussehen, wie die Definition bei Folgen - nur können wir ja jetzt nicht mit einem Index arbeiten, da wir nicht alle Zahlen in der Nähe abzählen können. Daher müssen wir auch dort eine Art Epsilon-Schlauch anlegen - nur jetzt vertikal - und auch diesen verkleinern. Da aber Epsilon schon verbraucht ist, nehmen wir Delta und erhalten das sogenannte Epsilon-Delta-Kriterium:
Wenn gilt:
Für jedes existiert ein , sodass gilt: für alle .
Dann gilt:
Wir erkennen die Ähnlichkeit zum Folgenkriterium mit dem Unterschied im Delta.
Übertragungsprinzip
BearbeitenDies mag nicht unbedingt Schulstoff sein, dient aber dem Verständnis von Grenzwerten:
Was jetzt vielleicht immer noch nicht einleuchtet ist, warum wir uns jetzt so lange mit Folgen beschäftigt haben. Bisher kennen wir nur Ähnlichkeiten.
Und nun kommt der Trick der Mathematiker, das Übertragungsprinzip. Es besagt:
Die Aussage Die Funktion besitzt im Punkt den Grenzwert ist äquivalent zur Aussage: Für alle Folgen mit gilt: .
Im Grunde bedeutet das, dass man fast alle Arbeit, die man einmal für Folgen gemacht hat, jetzt einfach für Funktionen übertragen darf. Eine konkrete Anwendung wäre hier aber zu weitreichend.