Materialwirtschaft: Lagerhaltung und Lagerkennziffern: Materiallagerung


Was ist ein Lager?

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Operativer Beschaffungsprozess

Willkommen im letzten Hauptkapitel dieses Buches. Damit haben wir unsere Reise durch den operativen Beschaffungsprozess beinahe abgeschlossen. Bestellung und Bestellüberwachung haben wir vertrauensvoll dem Einkauf überlassen und um die Zahlungsabwicklung soll sich das Rechnungswesen kümmern.

Nun kommt die Ware an, geht durch die Qualitätskontrolle und kommt anschließend ins Lager. Aber, obwohl wir uns mit den unterschiedlichsten Arten der Bestandskontrolle bereits beschäftigt haben, bleiben einige Fragen noch offen. Was ist eigentlich ein Lager? Welche Funktionen nimmt es wahr? Woher weiß eine Unternehmung, wieviele Güter sich überhaupt im Lager befinden?

Lagerhaltung bedeutet die gewollte Unterbrechung des betrieblichen Materialflusses, d.h. es entstehen bewusst gebildete Bestände. Die Lagerhaltung erfordert ein Lager, d. h. einen Raum, ein Gebäude oder ein Areal, in dem Waren oder Güter aufbewahrt werden können.

Funktionen der Lagerhaltung

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Ist die Beschaffungsmenge größer als die Produktionsmenge, so wird durch die Ausgleichsfunktion das für die Produktion überflüssige Material gelagert. Ein Lager kann daher als Puffer benutzt werden, um Schwankungen des Einkaufs- bzw. Verkaufsmarktes zu kompensieren.

Bei der Bereitstellungs- oder Sortimentsfunktion trägt die Lagerhaltung zu einer Kontinuität im Sortiment bei. Insofern ergänzt die Bereitstellungsfunktion die Ausgleichsfunktion, da dadurch die Teile des Sortiments, wo Diskrepanz zwischen Beschaffung und Verkauf besteht, überbrückt werden.

Bei der Sicherungsfunktion dient das Lager zur Sicherstellung der Produktion, wenn ungenügend Informationen über zukünftige Mengenbedarfe, Liefer- und Bedarfszeitpunkte im Unternehmen vorhanden sind. Dies kann der Fall sein, wenn Produkte, die von Lieferengpässen bzw. saisonalen Schwankungen geprägt sind, beschafft werden müssen.

Die Veredelungsfunktion wird auch Produktionsfunktion des Lagers genannt, die erst eine anschließende Verarbeitung ermöglicht. Eine Veredelungsfunktion entsteht, wenn die Lagerung eine Veränderung des Produktes bewirkt und Teil des Produktionsprozesses ist (Bsp: Wein, Käse, Whisky, Bourbon).

Gründe für die Spekulationsfunktion der Lagerung können vorhersehbare extreme Preisschwankungen auf dem Beschaffungsmarkt oder besonders niedrige Einstandspreise sein. Als Stichwort sei hier nur der Rohölmarkt genannt. Außerdem kann durch die Bestellung großer Mengen und den dadurch erhaltenen Rabatten mit Lagerware spekuliert werden. Allerdings kann sich dies bei einem Preisverfall des Gutes auch negativ auswirken, z.B. Elektronikware.

Lagerstrategien bzw. -verfahren

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Hochregallager

Beim Fifo-Prinzip (first in – first out) werden die zuerst eingelagerten Vorräte auch wiederum zuerst verbraucht. Zur Realisierung werden oft Durchlaufregale verwendet. Dieses Prinzip wird angewandt, um zum Beispiel Veralterung oder Verderb zu vermeiden. Also zum Beispiel Produkte, die einem Mindesthaltbarkeitsdatum unterliegen.

Beim Lifo-Prinzip (last ln – first out) werden die zuletzt eingelagerten Vorräte zuerst verbraucht. Bei dieser Lagerstrategie werden in der Regel Einschubregale verwendet, um zum Beispiel im Falle der Blocklagerung einen schnellen Zugriff zu ermöglichen. Diese Lagerart ist aber auch bei losen Schüttgütern unabdingbar, da die zuerst eingelagerte Ware nicht im Zugriff ist, sondern die zuletzt aufgeschüttete Ware (Sand, Kies) entnommen wird.

Bei den beiden weiteren Lagerstrategien, Hifo-Prinzip (highest in – first out) und Lofo-Prinzip (lowest in – first out), werden bei der Lagerplatzzuweisung die jeweils zugrundeliegenden Bewertungsansätze der Lagergüter berücksichtigt.

Lagerarten

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Die Einteilung der Lager kann nach verschiedenen Kriterien erfolgen:

nach der Lagerplatzzuordnung

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Die Planung der Lagerstandorte muss unter der Voraussetzung erfolgen, dass die Fertigungsstellen fortlaufend mit den benötigten Materialien versorgt werden müssen:

Bei der festen Lagerplatzzuordnung werden für jeden Artikel feste Lagerplätze bereitgestellt, die nur für diese Artikel reserviert sind („Gleiches zu Gleichem“). Der Vorteil liegt in der genauen Bestimmbarkeit des Lagerortes, wobei der hohe Platzbedarf einen Nachteil darstellt.

Bei der freien (chaotischen) Lagerplatzzuordnung (open warehouse system) werden die Artikel an einem freien Lagerplatz gelagert. Ein Vorteil dieser Methode ist, dass, wenn Störungen zum Beispiel in einer Lagergasse auftreten, dasselbe Material von einer anderen Lagergasse entnommen werden kann. Um den späteren Zugriff auf die Lagerartikel zu gewährleisten, müssen jedoch die Lagerplätze genau dokumentiert werden.

nach dem Zentralisationsgrad

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Bei der Wahl von Lagerstandorten muss entschieden werden, ob das Lager zentral oder dezentral geführt wird. Bei der Entscheidung über den Zentralisationsgrad ist häufig der räumliche Aspekt ausschlaggebend:

Zentrale Lagerhaltung bedeutet die räumliche Zusammenfassung aller Lagerhaltungsfunktionen und aller Lagergüter unter einheitlicher Leitung. Die Vorteile, die sich aus der zentralen Lagerung ergeben sind, eine Erleichterung der Warenannahme, Pflege, Erhaltung, Bestandsermittlung und –prüfung. Weitere Punkte sind die geringe Kapitalbindung des Umlaufvermögens, geringere Vorräte und geringere Raumkosten. Man braucht weniger Personal im Vergleich zur dezentralen Lagerung.

Bei der dezentralen Lagerhaltung werden die Einsatzstoffe am Ort des Bedarfsträgers in Form von Zwischenlager (Pufferlager) gelagert. Die wesentlichen Vorteile dieser Lagermethode sind die höhere Flexibilität, die genauere Disposition der einzelnen Materialien in den Fertigungsbereichen und die kürzeren Transportwege.

nach der Ausführungsform

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  • Lager für Gase (Gasspeicher)
  • Lager für Flüssigkeiten (Druckbehälter, Wasserturm)
  • Lager für Schüttgut (Silo)
  • Blocklager, z. B. für Container
  • Hochregallager

Mengenerfassung

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Skontrationsmethode

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Mittels der Skontrationsmethode werden die Zugänge und Abgänge im Lager fortgeschrieben. Die Zugänge werden dabei mit Hilfe der Lieferscheine ermittelt. Die Abgänge mit Hilfe von Materialentnahmescheinen. Die Anfangsbestände werden mittels Inventur bestimmt. Die vorgenannten Belege müssen natürlich auch bearbeitet und verwaltet werden. Einerseits bietet dieses Verfahren eine große Genauigkeit, andererseits aber auch einen großen Organisationsaufwand.


Beispiel

Anfangsbestand
– Abgang 01.01.06
– Abgang 02.01.06
+ Zugang 03.01.06
(...)
Endbestand

Inventurmethode

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Die Methode beruht - wie der Name bereits sagt - auf Inventuren. Der Verbrauch wird dabei ermittelt, indem der mittels Inventur erfasste Endbestand vom Anfangsbestand und den per Lieferscheinen ermittelten Zugängen abgezogen wird. Diese Methode garantiert weniger Verwaltungsaufwand, jedoch mangelt es ihr an Genauigkeit. Abgänge sind nicht auf Kostenstellen zurechenbar, Diebstähle fallen nicht auf und der Materialwirtschaft fehlen aktuelle Lagerbestandszahlen.


Beispiel

Anfangsbestand
+ Zugang Januar
+ Zugang März
+ Zugang April
(...)
– Endbestand
= Verbrauch

Retrograde Erfassung

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Bei der retrograden Erfassung (Rückrechnung) werden aufgrund der fertiggestellten Erzeugnisse die einzelnen Bestandteile (und damit deren Lagerverbrauch) anhand von Stücklisten und mitels Gozintographen zurückgerechnet. Diese Methode ist jedoch hauptsächlich theoretischer Natur, da die benötigte Rechnung sehr komplex ist und die Methode nur bei einfachen Fertigungsverfahren genutzt werden kann, in denen möglichst kein Schwund oder Ausschuss auftritt.

Inventurmethoden

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Stichtagsinventur

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Die Stichtagsinventur ist eine körperliche Inventur, bei welcher an einem Stichtag (meistens nahe dem Bilanzstichtag) alle Lagerartikel durch Zählen, Messen und Wiegen erfasst werden. Ohne Einsatz von Computersystemen ist die Stichtagsinventur jedoch sehr fehleranfällig.

Permanente Inventur

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Die permanente Inventur ist die kontinuierliche detaillierte Fortschreibung der einzelnen Bestände, kombiniert mit körperlichen Bestandsaufnahmen zu beliebigen Zeitpunkten. Dies hat den Vorteil, dass je nach Einordnung in das Schema der ABC-Güter, unterschiedlich oft geprüft werden kann. Diese Methode erfordert eine korrekte Lagerbuchhaltung mittels Belegen oder Softwaresystemen.

Stichprobeninventur

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Bei der Stichprobeninventur werden nur die hochwertigen A-Güter körperlich erfasst, da diese den größten Anteil am Lagerwert ausmachen. Aus dem restlichen Lagerbestand wird eine Stichprobe genommen, die auf den Gesamtbestand hochgerechnet wird.