Dieses Kapitel soll über die Belange des Kletterns an künstlichen Anlagen informieren. Die meisten Anlagen sind in überdachten Hallen zu finden, dieses Kapitel gilt aber genauso für künstliche Anlagen im Freien.

Kletterwand in einer Kletterhalle

Motivation zum Indoor-Klettern

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Zugegeben, an einer künstlichen Halle zu klettern, entspricht in etwa dem Training auf einem Heimtrainer im Vergleich zu einer Radtour unter freiem Himmel. Trotzdem gibt es mehrere Gründe eine Kletterhalle zu benutzen, als nur das Training im Winter.

Gerade in der ersten Lernphase bietet eine künstliche Anlage viele Vorteile:

  • durch das Fehlen der Wettereinflüsse können Kurse regelmäßig und ohne langen Anstieg stattfinden
  • Umwelteinflüsse, z. B. wenig Platz und Absturzgefahr am Einstieg oder fehlender Schatten an einem sonnigen Tag fallen weg
  • durch die farbigen Griffe kann man einem Kletterer sehr viel besser Griff- und Trittmöglichkeiten erklären
  • räumliche Nähe der Kletterrouten, so dass der Überblick über eine Gruppe viel leichter ist
  • das Vorhandensein ausreichender Leihausrüstung, auch in Über- und Untergrößen

Aber auch für den Fortgeschrittenen bieten Indoor-Anlagen gute Trainingsmöglichkeiten, um das "Vokabular" der Kletterbewegungen auszubauen.

Benötigte Ausrüstung

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Künstliche Kletterrouten lassen sich in zwei Kategorien einteilen:

  • Seile sind bereits an den Routen eingehängt. Diese Routen werden normalerweise nur im Top-Rope-Stil geklettert und somit benötigt man nur den Klettergurt, Schuhe und ein Sicherungsgerät.
  • Seile sind nicht vorhanden. Somit müssen dies Routen im Vorstieg begonnen werden und man benötigt auch ein eigenes Seil. Je nach Anlage sind allerdings dann die Expressen fest an der Wand befestigt oder es gibt nur die blanken Haken an der Wand, dann benötigt man auch eigene Expressen. Helm, Klemmgeräte, Eispickel oder Einschlaghaken können üblicherweise daheim gelassen werden, außer man legt Wert auf den Poser-Faktor.

Verhaltensregeln und Gefahrenquellen

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  • Vorstiegsrouten nur im Vor-/Nachstieg klettern, Toprope-Routen nur im Top-Rope. Denn oft fehlen je nach dem die Haken zum Vorsteigen oder eine passende Seilumlenkung.
  • Routen nicht unnötig blockieren. Ist man mit einer Route fertig und will eine Pause machen gebietet es die Höflichkeit, die Route auch freizumachen. Gerade in einer Indoor-Anlage läuft einem eine Route nicht weg und kann auch ein anderes mal wieder begangen werden.
  • Auch auf umstehende Kletterer achten. Nicht (nur) des Flirtens wegen, sondern oft finden sich durch die geringe Hemmschwelle Personen in Kletterhallen, die keinerlei Vorkenntnisse und Übung haben und der Meinung sind, ohne Kenntnis der Sicherungstechniken klettern gehen zu können. Falls also jemand nebenan meint, ohne Sicherungsgerät sichern zu können, lieber freundlich auf Fehler hinweisen oder den Hallenbetreiber verständigen. Auch im eigenen Interesse, so muss man sich dann im Falle eines Unfalls auch keinen Diskussionen über die Garantenpflichten o.Ä. aussetzen.
  • Fest eingehängte Top-Rope-Seile kritisch betrachten. Durch die hohe Frequentierung nutzen sich Seile viel schneller ab.
  • Nur mit Kletterschuhen klettern. Aus hygienischen Gründen sieht es kein Anlagenbetreiber gerne, wenn jemand barfuß an der Anlage klettert. Bei Turnschuhen wird manchmal ein Auge zugedrückt, allerdings kommt man damit auch nicht sehr weit.
  • Griffe nicht verändern, ab- oder umschrauben. Falls ein Griff locker ist, wieder in der Originalstellung festschrauben. Oft kann man dies an einem Magnesium-Schatten gut erkennen. Bei künstlichen Klettergriffen kann eine Drehung um einige Grad bereits eine massive Veränderung einer Kletterroute bedeuten.
  • Auf Aktionen wie Free-Solo-Klettern, schnelles Ablassen, wilde Sprünge und Schwünge verzichten. Damit macht man sich nur lächerlich.

Routenschrauben

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Das Routenschrauben beschreibt die Aktivität Kletterrouten vom Fels auf Indoorwänden mit Kunstgriffen nachzubilden. Natürlich müssen hier nicht wiklich existierende Griff-Tritt Konstellationen verwendet werden, doch da diese Kletterart dem Klettern am Fels nachempfunden ist, sollten sie die Natur "repräsentieren" bzw wenigstens mögliche Gegebenheiten simulieren.
Natürlich kann die oben genannte 1:1 Nachbildung auch gewünscht sein, um Projekte ohne äußerliche Faktoren (Wetter, Temperatur, Zustieg ...) zu trainieren.

Das -Schrauben kommt daher, dass die zu montierenden Kunstgriffe meist durch das Einschrauben von Inbusschrauben befestigt werden.

Die Definition von möglichen, der Route zugehörigen Halte- bzw Steigpunkten, ist meist nötig, da in der "Halle" nicht so viel Raum ist, um alle Wege nebeneinander anzulegen, und sie deshalb of ineinander verschachtelt vorkommen. Sie kann prinzipiell beliebig erfolgen, doch meist sind Kennzeichnung der Route durch einheitliche Farbe der Griffe, oder farbige Magnetmarkierungen an Griffen, Markierung durch Klebebänder in der Nähe der Haltepunkte üblich.

Prinzipiell wird der Akt des Routensetzens von einem professionellen Routensetzer ausgeführt, der genau weiß wie er die Schwierigkeit mittels kleinen Griffen, Steilheit, weiten Zügen (wenigen Griffen) ... beeinflussen kann.

Um an einer leeren Wand eine neue Route entstehen zu lassen, gibt es kein Patentrezept. Gerade hier gilt auch der Grundsatz: "Übung macht den Meister"

Ein paar Tips und Tricks zur Herangehensweise:

  • Die hohe Kunst beim -Schrauben ist es, eine Route zu erschaffen, die weder für jemand mit kleiner Körpergröße als zu weit, als auch von jemand Grossem als zu langweilig empfunden wird. Auch sollte man den Zeitaufwand nicht unterschätzen, je nach Perfektionismus kann man mehrere oder viele Stunden an einer Route optimieren.
  • Zu Beginn erstmal die vorhandenen Griffe sortieren, zB. der Größe nach und die passenden Schrauben dazulegen. Je nach Griffsystem können unterschiedliche Schraubenköpfe nötig sein. Wenn dies nicht beachtet wird, kann z.B. ein konischer Schraubenkopf einen Griff mit gerader Aufnahme beim Festschrauben sprengen. Auch sollte die Schraubenlänge passen.
  • Abzählen, wieviel Griffe man zur Verfügung hat und wieviele bei benachbarten Routen benutzt wurden. Besser man stellt vorher fest, ob überhaupt genug Material vorhanden ist, als das man eine halbe Route aus Materialmangel wieder abbauen muss. Ein grober Richtwert ist, das man für 10m Wandhöhe ohne weitere Hilfmittel wie Strukturen oder Spaxe rund 15-20 Griffe/Tritte benötigt.
  • Grundsätzlich ist es nicht schlecht, für eine neue Route sich ein paar Klettertechniken auszusuchen (z.B. Eindrehen, Dynamo...) und diese dann in den Schlüsselstellen gezielt zu fordern. Auch sollte man sich den Charakter einer Route vorher aussuchen. (Eine Schlüsselstelle, mehrere Schlüsselstellen, Umgehungsmöglichkeiten, konstante oder ansteigende Schwierigkeit...) Der konkrete Schwierigkeitsgrad wird erst hinterher bewertet, die grobe Einordnung ergibt sich aber meistens aus den eingesetzten Griffen und der Wandsteilheit.
  • Der Materialtransport beim Schrauben stellt eine gewisse Herausforderung dar. Grundsätzlich sollte man sich immer bewusst sein, das wenn jemand von einem grossen herabfallenden Griff am Kopf getroffen wird, dies lebensbedrohliche Verletzungen verursachen kann. Das umliegende Areal am Wandfuss sollte also frei von Personen sein, oder diese sollten zumindest einen Helm tragen. Auch kann je nach Bodenbeschaffenheit ein Griff beim Runterfallen splittern.
  • Praktisch zum Transport der Griffe kann ein Eimer oder eine Stofftasche sein. Allerdings haben Klettergriffe ein hohes Gewicht, was zur Überlastung der Materialschlaufen oder Riss der Tasche oder des Eimers führen kann.
  • Schrauben kann man von einer Leiter oder Hebebühne aus, allerdings kann man dann die Route nur schwer ausprobieren. Wenn man klassisch im Toprope gesichert wird, kann dies dem Sichernden anstrengend und fad werden, wenn sich das Schrauben über längere Zeit hinzieht. Eine Alternative ist dann noch die Selbstsicherung am Fixseil oder Grigri, was aber mit geringerer Sicherheit verbunden sein kann.
  • Geschraubt wird normalerweise von unten nach oben, will man allerdings bestimmte Schlüsselstellen bilden, kann es auch sinnvoll sein, diese zuerst zu erstellen und danach den Weg dazwischen zu gestalten.
  • Meistens bildet ein Griff auch in höherer Position wieder einen Tritt, dies sollte man immer vorausplanen.
  • Griffe sind frisch aus der Waschmaschine noch rauh, die Oberfläche wird aber bei häufiger Benutzung durch Handschweiß und Magnesia immer rutschiger werden. So sollte man nicht vergessen, das u.U. Auflegegriffe (Sloper) nach ein paar Wochen nicht mehr benutzbar sein können.
  • Bei Vorstiegsrouten sollte man beachten, das es normalerweise eine Ruheposition an jedem Haken geben sollte. Gerade bei den ersten Haken sollte man dies berücksichten, da hier die Gefahr eines Grounders, ausgelöst durch eine schlechte Klinkposition, gross ist. Weiter oben fällt man bequem ins Seil, da darf die Position am Haken auch spannender sein.
  • Die Wand sollte im Bereich einer Vorstiegsroute frei von weit hervorstehenden Griffen sein, damit man daran im Falle eines Falles nicht hängenbleiben kann.
  • Nachdem eine Route an der Wand ist, lohnt es sich, möglichst vielen Leuten beim Klettern dieser Route zuzusehen und noch weiter zu optimieren. Gerade das Urteil von Kletterern mit exotischeren Körperproportionen kann sehr hilfreich sein, die Route noch harmonischer zu optimieren.
  • Eine Bewertung stellt immer nur eine subjektive Meinung dar, die je nach persönlichen Vorlieben für bestimmte Techniken auch unterschiedlich sein kann. Deswegen wird es bei jeder Route auch immer Personen geben, denen die neue Route nicht gefallen wird. Davon sollte man sich aber nicht entmutigen lassen.

Der Weg nach draußen

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Hat man seine Kletterkarriere in einer Halle begonnen und es steht das erste mal Outdoor-Klettern an, gibt es einige Dinge, an die man sich gewöhnen muss.

Eine künstliche Anlage ist eine brave behütete Stube, draußen trifft einen die Härte der Umwelt:

  • Sicherungen sind der Verwitterung ausgeliefert, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Haken ausbricht ist viel größer und gar nicht mehr so undenkbar.
  • Die Wettereinflüsse wie Sonne, Regen und Wind kommen ins Spiel und ein schneller Rückzug unter ein schützendes Dach ist oft nicht möglich.
  • Felsen sind zwar steinhart, aber trotzdem nicht unzerstörbar. Die Steinschlaggefahr ist ständig gegeben, ein Helm sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Es ist nicht unmöglich, dass man plötzlich auch einen Klettergriff in der Hand hält, weil er ausgebrochen ist.

Auch sind einer künstlichen Anlage Griffe und Tritte leicht zu identifizieren (Farbkennzeichnungen), wohingegen man an einem echten Fels oft erst länger suchen muss, um einen guten Tritt oder Griff zu finden. Deswegen ist es ganz normal, wenn man draußen erstmal ein bis zwei Grade unter seinem Hallenniveau klettert.

Verzeichnisse von Kletterhallen

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Da sich im Internet mehrere recht umfassende Verzeichnisse von Kletteranlagen zu finden sind, wollen wir an dieser Stelle keine eigene Liste aufbauen.

Alternativ kann man in einer Suchmaschine einfach die Begriffe "Klettern" und den Ortsnamen eingeben.

Links und Referenzen

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