Durch einen Modus (Plural Modi) wird die subjektive Stellungnahme des Sprechers zur Satzaussage ausgedrückt. Im Gotischen existieren die drei Modi Indikativ, Optativ und Imperativ.

Der gotische Optativ hat drei Verwendungsweisen:

  1. Optativ des Wunsches (kupitiv)
  2. Optativ der Vorschrift (preskriptiv)
  3. Optativ des Möglichen (Potentialis)

Hinzukommen die Verwendungsweisen im Nebensatz. Der kupitive Optativ drückt im Präsens einen erfüllbaren Wunsch, im Präteritum einen unerfüllbaren Wunsch aus:

Beispiel (erfüllbarer Wunsch)
nu fraleitais skalk þeinana, frauja, bi waurda þeinamma in gawairþja;
"Nun lässt du, Herr, deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast;"
(Lk 2,29)

Der 'preskriptive Optativ besitzt eine ähnliche Bedeutung wie der Imperativ und steht ebenso in der 2. Person, ist jedoch abgemildert als dieser. Er erscheint oft nach einem Gebot, dessen Erfüllung bildet zugleich die Voraussetzung zur folgenden Handlung:

Beispiel (preskriptiver Optativ)
jah athaitands alla þo managein qaþ im: hauseiþ mis allai jah fraþjaiþ.
"Und er rief das Volk wieder zu sich und sprach zu ihnen: Hört mir alle zu und versteht es!"
(Mk 7,14)

Ein Verbot wird regulär mit ni + Optativ ausgedrückt und nur in wenigen Fällen mit dem Imperativ, dann meist bei Aufforderungen, eine bereits begonnene Handlung zu beenden (vgl. z. B. Lk 8,52). Ebenso werden Befehle an die dritte Person meist mit Optativ ausgedrückt; nur selten erscheint hier der Imperativ (Mt 27,42f., Mk 15,32 und 1. Kor 7,9). Ebenso vertritt der preskriptive Optativ den Imperativ für Wörter ohne Imperativformen (wisan, sowie die Präteritopräsentia ohne ogan "fürchten"). Umgekehrt ist in der 1. Person Plural der Imperativ der Standard-Modus für Befehle, während der Optativ nur vereinzelt vorkommt (z. B. 1. Röm 13,13).

Der potentiale Optativ drückt eine Möglichkeit eines Geschehens aus und steht im Gotischen besonders häufig in Fragesätzen:

Beispiel (potentialer Optativ)
sai, jau ainshun þize reike galaubidedi imma aiþþau Fareisaie?
"Seht doch, glaubt einer von den Regierenden oder von den Pharisäern an ihn?"
(Joh 7,48)

Als Unterart des Potentialis kann der dubitative Optativ gelten, der einen Zweifel ausdrückt:

Beispiel (dubitativer Optativ)
nu saiwala meina gadrobnoda, jah hva qiþau? atta, nasei mik us þizai hveilai. akei duþþe qam in þizai hveilai.
"Nun ist meine Seele unruhig. Und was soll denn ich sagen? Vater, hilf mir aus dieser Stunde? Doch darum bin ich in diese Stunde gekommen."
(Joh 12,27)

Man beachte auch den Gebrauch des Optativs in parataktischen Sätzen.

Imperativ

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Der Imperativ ist die Befehlsform. Er tritt im Gotischen bei Geboten der 2. Personen und der 1. Person Plural regulär auf. In der dritten Person, bei einigen (Modal)verben und bei Verboten, insbesondere bei dauernden Verboten, tritt hingegen oft der Optativ in Erscheinung. Eine Ausnahme bildet u. a. das Präteritopräsens ogan, das als Imperativ die Form ogs bildet, die sprachhistorisch auf einen alten Konjunktiv Perfekt zurückgeht:

Beispiel (Imperativ ogs)
... jah qaþ du Seimona Iesus: ni ogs þus, fram himma nu manne siud nutans.
"... Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen."
(Lk 5,10)

Gegenwart

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Die Gegenwart wird im Gotischen, wie in den meisten anderen Sprachen, mit dem Präsens ausgedrückt.

Eine grammatische Kategorie Futur gibt es im Gotischen nicht. Ähnlich wie im Deutschen kann eine zukünftige Handlung mit dem Präsens ausgedrückt werden, wenn der Kontext es zulässt:

Beispiel (zukünftiges Präsens)
qiþa auk izwis þatei nibai managizo wairþiþ izwaraizos garaihteins þau þize bokarje jah Fareisaie, ni þau qimiþ in þiudangardjai himine.
"Denn ich sage euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht besser ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, dann kommt ihr nicht in das Himmelreich."
(Mt 5,20)

Aus dem Kontext wird bereits deutlich, dass der "Gang ins Himmelreich" etwas zukünftiges ist und damit reicht auch das Präsens. Im Deutschen wäre die Verwendung des Futurs ("dann werdet ... kommen") in der Schriftsprache das Standardtempus. Im Gotischen ist das Präsens hier die unmarkierte Form. Möchte man aber die Zukünftigkeit des Geschehens ausdrücken, so gibt es mehrere Möglichkeiten:

Duratives Futur

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Eine andauernde (durative) Handlung kann auf vier Weisen ausgedrückt werden (vgl. Streitberg 1981:45f.):

  1. duginnan "beginnen" + Infinitiv: ... jah in þamma fagino, akei jah faginon duginna. ("... so freue ich mich darüber. Aber ich werde mich auch weiterhin freuen." Phil 1,18)
  2. haban "haben" + Infinitiv: ... ei þatei anabudum izwis, jah taujiþ jah taujan habaiþ. ("... dass, was wir gebieten, tut ihr und werdet tun." 2. Thes 3,4)
  3. skulan "sollen" + "waírþan" "werden": hva skuli þata barn wairþan? ("Was wird aus diesem Kindlein werden?" Lk 1,66)
  4. Optativ: þande nu jainis melam ni galaubeiþ, hvaiwa meinaim waurdam galaubjaiþ? ("Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben?" Joh 5,47)

Perfektives Futur

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Als perfektiv bezeichnet man eine Handlung, die als abgeschlossen gekennzeichnet wird. Steht das Verb im Präsens, so liegt der Abschluss der Handlung in der Zukunft. Im Gotischen kann die Perfektivität mit der Vorsilbe ga- gekennzeichnet werden. Ein griechisches Futur in der Vorlage wird im Gotischen daher gerne, aber keineswegs durchgängig, mit Präsens und Präfix ga- übersetzt:

Beispiel (Perfektives Futur)
þatei weis gahausidedum qiþandan ina þatei ik gataira alh þo handuwaurhton jah bi þrins dagans anþara unhanduwaurhta gatimrja.
καὶ διὰ τριῶν ἡμερῶν ἄλλον ἀχειροποίητον οἰκοδομήσω (Futur)
"Wir haben gehört, dass er gesagt hat: Ich will diesen Tempel, der mit Händen gemacht ist, abbrechen und in drei Tagen einen andern bauen, der nicht mit Händen gemacht ist."
(Mk 14,58)

Das Ereignis, der Bau des neuen Tempels, liegt in der Zukunft, was regulär mit dem Präsens ausgedrückt wird. Der Abschluss der Handlung in drei Tagen (bi þrins dagans) wird zusätzlich mit dem Präfix ga- ausgedrückt.

Vergangenheit

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Im Gotischen drückt das Präteritum eine vergangene (aktive) Handlung aus. Eine passive Handlung der Vergangenheit muss umschrieben werden (vgl. den Abschnitt Passiv). Ein sog. historisches Präsens wird im Deutschen gerne in Erzählungen verwendet, um diese zu vergegenwärtigen, z. B. "1954: Deutschland gewinnt die Fußball-Weltmeisterschaft. Das Land jubelt." Ein solches Erzähl-Präsens existiert im Gotischen nur vereinzelt und ausschließlich als Nachahmung des griechischen Textes. Das Gotische gibt jedoch das historische Präsens des Griechischen in der Regel mit einem Präteritum wieder. Umgekehrt wird das griechische Perfekt, welches einen resultativen Zustand aus einer vorangegangenen Handlung bezeichnet, gewöhnlich mit einem Präsens ausgedrückt (z. B. unte atist asans "der Herbst ist gekommen", Mk 4,29).

Der Fragesatz

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Die Frage kann im Gotischen auf drei Arten ausgedrückt werden:

  1. ohne Anzeige, kann also nur aus dem Kontext bzw. dem Ton erschlossen werden.
  2. durch Interrogativpronomina und Adverbien. Falls sich die Frage auf etwas bereits erwähntes bezieht, tritt an den Satzanfang das Wort an "denn".
  3. durch -u, das an das erste Wort des Satzes angehängt wird.
  4. Wenn man eine verneinende Antwort erwartet, setzt man ibai

Die negative Frage kann ebenso mit drei Konstruktionen angezeigt werden:

  1. ohne Anzeige, nur mit der Negation ni: ni fraþjiþ, þatei... "Merkt ihr (denn) nicht, dass..."
  2. Wenn man eine bejahende Antwort voraussetzt, wird ni durch niu ersetzt: ni=u þata ist sa timrja? "Ist das denn nicht der Zimmermann ?"
  3. nach ibai steht die Verneinung vor dem Verb und es wird eine bejahende Antwort erwartet; nibai kann mit "doch nicht etwa?" übersetzt werden (vgl. Joh 8,22)
  4. Wenn man eine verneinende Antwort erwartet, setzt jau.

Die Antwort erfolgt in der Regel im ganzen Satz; nur selten wird jai bzw. ja "Ja" benutzt.

Werden mehrere Fragen hintereinander gestellt, wobei die erste Frage mit einem Fragepronomen beginnt, fehlt oft ein -u in den anderen Fragen:

Beispiel:
... hvana wileiþ ei fraletau izwis? Barabban þau Iesu, saei haitada Xristus?
"Wen soll ich euch losgeben? Barabbas oder Jesus, von dem gesagt wird, er sei der Christus?"
(Mt 27,17)

Der indirekte Fragesatz

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Die Fragewörter der indirekten Fragesätze entsprechen denen der direkten Frage. Im Satz frah ina juþan gadauþnodedi (Mk 15,44), in dem scheinbar kein Fragewort vorkommt, könnte juþan als ju + Fragepartikel -u + þan analysiert werden.[1] Zu beachten ist jedoch die Tempusverschiebung, die eintritt, wenn im Hauptsatz Präteritum und im Fragesatz Optativ steht, so dass im Nebensatz der Optativ Präteritum steht.

jah witaidedun imma hailidedi-u sabbato daga, ei wrohidedeina ina.
Indikativ Präteritum (HS) + Optativ Präteritum statt Präsens (NS)
"und sie achteten darauf, ob er ihn am Sabbat heilen würde, damit sie ihn anklagen konnten."
(Mk 3,2)

Ausnahmen der Tempusverschieben sind jedoch belegt (z. B. Lk 16,4). Eine Modusverschiebung tritt bei der Fragepartikel ibai ein, die eine negative Antwort erwartet. Eine direkte Frage mit ibai hat im Gotischen immer ein Verb im Indikativ stehen, in indirekten Fragen steht es im Optativ

direkte Frage:
ibai magun sunjus bruþfadis, und þatei miþ im ist bruþfaþs, fastan?
"Wie können die Hochzeitsgäste fasten, während der Bräutigam bei ihnen ist?"
(Mk 2,19)
indirekte Frage:
unte og, ibai aufto qimands ni swaleikans swe wiljau bigitau izwis
"Denn ich fürchte, wenn ich komme, finde ich euch nicht, wie ich will"
(2. Kor. 12,20)

Der negierte Satz

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Als Grundregel gilt, dass die Negation ni im Gotischen vor das Verb tritt. Insbesondere am Satzanfang können zwischen Negation und Verb gemäß den Regeln der Satzstellung der Partikel auch Enklitika und ander Partikel erscheinen, wie z. B. -u, þau oder auk:

ni=u hauseis hvan filu ana þuk weitwodjand?
"Hörst du nicht, was sie alles gegen dich vorbringen?"
(Mt 27,13)

Wenn nur ein Satzglied verneint werden soll, oder es kein Verb gibt, so tritt die Negation vor das zu verneinende Satzglied. Erscheint im Satz ein Indefinitpronomen, so kann die Negation vor dem Verb oder vor dem Indefinitpronomen stehen:

ni manna mag qiman at mis (Joh 6,44)
ainshun ni qimiþ at attin (Joh 14,6)

In Präpositionalphrasen tritt die Verneinung - im Gegensatz zum Deutschen - auch vor Indefinitpronomen vor diese (ni du ainaihun "zu niemanden" Lk 4,26; Ausnahmen 2. Tim 2,14 und Sk 6,4). Daneben kann auch eine doppelte Verneinung stehen, die im Deutschen mit einer einfachen Verneinung wiedergegeben werden muss. Dies betrifft in erster Linie die Wörter waiht "etwas" und þanaseiþs "weiter noch". Auch hier scheint die doppelte Verneinung nicht obligatorisch:

ni=u andhafjis ni waiht (Mk 15,4)
ni=u andhafjis waiht (Mk 14,60)

Als Negation existiert auch nih mit unterschiedlicher Bedeutung. Verbindet es Sätze oder Satzteile kann es mit "und nicht", mitunter auch "auch nicht" übersetzt werden und ist hier als ni + -(u)h "und" zu analysieren. Es kann aber auch zur Hervorhebung zusätzlich zu ni erscheinen und bedeutet dann etwa "nicht einmal" oder "selbst nicht":

jah sa motareis fairraþro standands ni wilda nih augona seina ushafjan du himina, ak sloh in brusts seinos qiþands: guþ, hulþs sijais mis frawaurhtamma.
"Der Zöllner aber stand fern, wollte nicht einmal die Augen aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig!"
(Lk 18,13)

Daneben kann nih gelegentlich auch anstelle von ni eine einfache Verneinung ausdrücken (z. B. Mt 10,34). Vor þan scheint regulär nih (auch assimiliert als niþ=þan) vertreten zu sein.

Indirekte Rede

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Die indirekte Rede wird in der Regel wie im Deutschen mit þatei "dass" eingeleitet. Daneben kann er im Gotischen auch mit einem Akkusativ mit Infinitiv gebildet werden:

Si qiþiþ þatei is gaggiþ
"Sie sagt, dass er geht"

wird zu

Si qiþiþ ina gaggan
wörtlich: "Sie sagt ihn gehen"
richtig: "Sie sagt, er gehe."

Manchmal kann der Infinitiv auch durch den Akkusativ des PPA ersetzt werden.

Wenn der vorangegangene Satz einer indirekten Rede negativ ist, im Optativ steht oder eine Frage ist, die eine Unsicherheit enthält, steht die indirekte Rede im Optativ. Ebenfalls im Optativ stehen indirekte Fragen.

  1. so von Schulze (in: Historische Sprachwissenschaft 40. S. 564) vorgeschlagen