Geschichte und Politik Tibets/ Völker- und menschenrechtliche Betrachtung
Die völkerrechtliche Situation Tibets ist umstritten. Nach chinesischer Auslegung war Tibet immer Teil Chinas und somit nie ein eigenes Volk, welches Anspruch auf das internationale Völkerrecht hat. Diese Ansicht begründet sich vor allem auf die traditionelle chinesische Art der Geschichtsschreibung, die sich, wie es auch einige europäische Geschichtsschreiber taten, an den jeweiligen Herrschaftshäusern orientierte und Sachverhalte darstellte, wie sie aus chinesischer Sicht hätten geschehen sollen und somit Fakten verzerren.
Betrachtet man jedoch, wie weiter oben behandelt, die tatsächliche Geschichte Tibets, vor allem die der letzten Jahrhunderte, so wird deutlich, dass das tibetische Volk vom Besitz eigener Sprache, Kultur, Religion, Historie, Regierung und der Anzahl selbst her keine chinesische Minderheit, sondern ein Volk ist.
Nach Teil 1, Artikel 1, Absatz 1 des internationalen Völkerrechts haben alle Völker das Recht der Selbstbestimmung und sind somit frei in der Festlegung ihres politischen Status und der Ausübung ihrer ökonomischen, sozialen und kulturellen Entfaltung[1]. Dem tibetischen Volk wird die Selbstbestimmung jedoch verweigert, ebenfalls sind sie in der Ausübung ihrer Traditionen und ihrer Religion sehr eingeschränkt. Die Reformen Mao Tsetungs sorgten dafür, dass von ehemals 2700 tibetischen Klöstern und Tempeln nun nur noch 8 existieren[2], durch Einführung chinesischer Bräuche, Mode und Sprache sowie durch den Transfer chinesischer Bevölkerung nach Tibet wurde und wird die tibetische Kultur angegriffen.
Auch Teil 3 des Völkerrechts, welcher die Todesstrafe und Folter behandelt, wird in der Autonomen Region Tibet nicht respektiert. Wie oben gesagt werden in China immer noch Menschen ohne Gerichtsverhandlung zum Tode verurteilt, die Autoren des jährlich erscheinenden „Annual Report Tibet“ aus dem Jahre 2004 berichten von mehr als 5000 Exekutionen im Jahre 2003[3] und werfen der Volksrepublik Missachtung fundamentaler Völker- und Menschenrechte vor. Die Anzahl bekannter, politisch inhaftierter Tibeter liegt 2004 bei 146[4].
Die eben genannten Aspekte verstoßen nicht nur gegen das Völker- sondern auch in gleicher Weise auch gegen das Menschenrecht, welches Folter und verfahrenslose Verurteilungen verbietet (Artikel 5 und 10 des allgemeinen Menschenrechts)[5]. Artikel 18,19 und 20 gewährleisten die Rechte jedes Menschen auf Religions-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, welche von der chinesischen Besatzungsmacht nicht respektiert werden. Die oben beschriebene gewalttätige Niederschlagung des Protests 1959 in Lhasa, das Verbot der Religionsausübung und die gleichzeitige Zerstörung vieler Klöster beweisen diese Menschenrechtsmissachtung. Auch heute noch, selbst wenn bei Betrachtung der jährlichen Menschenrechtsberichte eine Besserung erkennbar ist, wird in Tibet und an der Lage der tibetischen Bevölkerung ein erheblicher Verstoß gegen die international anerkannten und geltenden Völker- und Menschenrechte durch China verübt.
[1]Vgl. International Covenant on Civil and Political Right, 1966, aus: http://www.ohchr.org/english/law/ccpr.htm, 15.1.2006
[2] Vgl. „Zeittafel Tibet“, Tsewang Norbus, aus „Tibet – Eine Kolonie Chinas“ (Hg. Helmut Steckel), 1993, S. 316
[3] Es handelt sich hierbei um Schätzungen, da es keine offiziellen Zahlen der Regierung der Volksrepublik China gibt.
[4] „Human Rights Situation in Tibet: Annual Report 2004“, S. 87,91, 132-138, aus: http://www.tchrd.org/publications/annual_reports/, 10.1.2006
[5] Universal Declaration of Human Rights, 1948, aus http://www.unhchr.ch/udhr/lang/ger.htm, 15.1.2006