Geschichte und Politik Tibets/ Stellungnahme Tibets

„As a result of the Chinese occupation, Tibetans in Tibet are deprived of their basic human rights (Anm.: "Als Folge der chinesischen Besetzung werden Tibeter in Tibet ihrer grundlegenden Menschenrechte beraubt")“, beginnt der Dalai Lama die Darstellung seiner Vision eines freien Tibets vom 26.2.1992[1]. Vor der chinesischen Besetzung habe es in Tibet ein von der Bevölkerung anerkanntes System gegeben, aufgrund dessen Frieden in Tibet geherrscht habe. Die Begründungen Chinas mit historischer Zusammengehörigkeit Chinas und Tibets werden von Tibet als ungerechtfertigt angesehen. Tibet sei wie jede andere Nation zeitweise mächtiger, zeitweise schwächer als andere Nationen gewesen. Als Tibet unter der mongolischen Yuan-Dynastie und später unter der Qing-Dynastie der Mandschu stand, habe jeweils auch China unter diesen Fremddynastien gestanden, der chinesische Kaiser sei kein Chinese gewesen und daher habe China auch nicht das Recht, seine Ansprüche auf diese Dynastien zu gründen[2]. Die vier Jahrzehnte tibetischer Unabhängigkeit zwischen 1912 und 1951 seien durch chinesische Propaganda selektiv umgeschrieben worden, um den Anspruch Chinas weiterhin rechtmäßig erscheinen zu lassen. Tibet sei in dieser Zeit ein vollkommen souveräner Staat gewesen. Mao Tsetung selbst habe Tibet vor seinem Amtsantritt 1949 als „ausländisch“ bezeichnet, was den Unabhängigkeitsanspruch bestärke[3].
Die tibetische Exilregierung beschuldigt China, es nehme dem tibetischen Volk sein auf Völkerrecht basierendes Recht auf Selbstbestimmung. Tibet erfülle alle nötigen völkerrechtlichen Aspekte, die es zu einem eigenen Volk und Staat machten[4].
China habe Tibet 1951 unter Druck gezwungen das 17-Punkte-Abkommen zu unterzeichnen, wodurch die chinesische Oberherrschaft anerkannt wurde, die nötigen tibetischen Siegel seien gefälscht worden[5].
Wie in dem tibetischen „White Paper“ weiter berichtet wird, wirft Tibet China Völkermord und Kulturzerstörung vor. China bezwecke die Angleichung Tibets an China, womit die Vernichtung von Kultur, Religion, Traditionen und auch des tibetischen Volkes gemeint ist. Vor allem mit der Kulturrevolution Mao Tsetungs sei dies geschehen, die chinesische Bevölkerung in Tibet sei mittlerweile höher als die tibetische. Viele Tibeter und tibetische Führungspersönlichkeiten seien seit Jahrzehnten in Haft, die menschenrechtliche Lage unter der chinesischen Herrschaft habe sich seit dem Tod Mao Tsetungs zwar gebessert, immer noch würden jedoch Tibeter gefoltert und getötet[6], der Panchen Lama Gedhun Choekyi Nyima[7] und seine Familie seien von China verschleppt worden, um den Einfluss der ehemaligen tibetischen Regierungsgewalt einzuengen.
Die Argumentation, China habe Tibet modernisiert, wird von der tibetischen Exilregierung ebenfalls nicht akzeptiert. China habe zwar für bessere medizinische und schulische Versorgung gesorgt, jedoch würden die Rechte einer modernen Gesellschaft, wie die Ausübung des eigenen Willens, von der totalitären chinesischen Regierung nicht gewährt. Die Verbesserung der Infrastruktur Tibets habe den schnelleren Abtransport der tibetischen Ressourcen zum alleinigen Ziel und Tibet werde als Kolonie Chinas behandelt[8].
Der Dalai Lama hat mittlerweile seine Forderungen geändert. Da China jeden Dialog verweigert, sieht er keine Möglichkeit, Tibet in naher Zukunft als unabhängigen Staat zu regieren. Daher sind die Anforderungen der tibetischen Exilregierung seit 1987 ein Ende des Bevölkerungstransfers nach Tibet, Restauration und Schutz der tibetischen Kultur und Umwelt, Achten jedweder international geltender Rechte des tibetischen Volkes und ernste Diskussionen über die mögliche Zukunft eines autonomen Tibets mit eigener unabhängiger Regierung in Beziehung zu China[9].



[1] Vgl. The Government of Tibet in Exile, His Holiness the Dalai Lama’s Vision for a Future Free Tibet, 26.02.1992, aus: http://www.tibet.com/future.html, 31.12.2005
[2] Vgl. Department of Information and International Relations, Tibetan Government in Exile, “Tibet: Proving Truth From Facts”, 1996, S.8-9, aus: http://www.tibet.net/en/diir/pubs/wp/tb96/content.html, 24.1.2006; im Folgenden angeführt als: DIIR, “Tibet: Proving Truth From Facts”
[3] Vgl. DIIR, “Tibet: Proving Truth From Facts”, S. 16
[4] Vgl. DIIR, “Tibet: Proving Truth From Facts”, S. 33
[5] Vgl. DIIR, “Tibet: Proving Truth From Facts”, S. 37-40
[6] Bis zu dem Tod Mao Tsetungs seien ca. 1.2 Mio. Tibeter aufgrund der chinesischen Okkupation gestorben, siehe dazu Anhang
[7] Der Panchen Lama ist der höchste religiöse Würdenträger unter dem Dalai Lama. Auch die Besetzung dieses Amtes erfolgt nach der lamaistisch-buddhistischen Reinkarnationlehre.
[8] Vgl. Department of Information and International Relations, Tibetan Government in Exile, “Height of Darkness: Chinese Colonialism on the World’s Roof”, 2001, S. 6-10, aus: http://www.tibet.net/en/diir/pubs/wp/hod01/content.html, 24.1.2006
[9] Vgl. O. Weggel, S. 157