Examensrepetitorium Jura: StGB BT: § 242
Ein Diebstahl ist gemäß § 242 I die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache mit der Absicht, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen.
Aufbau
BearbeitenGrunddelikt: ¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ § 242 │ ├──Tatbestand │ │ │ ├───objektiver Tatbestand │ │ │ │ │ ├────Sache │ │ ├────fremd │ │ ├────beweglich │ │ └────Wegnahme │ │ │ │ │ ├─────Bruch fremden Gewahrsams │ │ └─────Begründung neuen Gewahrsams │ │ │ └───subjektiver Tatbestand │ │ │ ├────Vorsatz bzgl. der Merkmale des objektiven Tatbestandes (§ 15) │ └────Absicht der rechtswidrigen Zueignung │ │ │ ├─────Eventualvorsatz bzgl. dauernder Enteignung │ └─────Absicht (dolus directus 1. Grades) bzgl. (zumindest) │ vorübergehender Aneignung │ ├──Rechtswidrigkeit │ ├──Schuld │ ├──Strafzumessung (Besonders schwerer Fall, § 243) │ └──Strafantragserfordernis? (§§ 247, 248a) Qualifikationen: ¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ Die in den Tatbeständen angegebenen Merkmale der Qualifikationen (§§ 244, 244a) sind objektive Tatbestandsmerkmale. Der Vorsatz im subjektiven Tatbestand muss sich auch auf sie beziehen.
Einzelheiten
Bearbeitenobjektiver Tatbestand
Bearbeiten- Der Begriff der Sache richtet sich nach dem "strafrechtlichen" Sachbegriff. Ein Bezug zum Zivilrecht ist damit nicht gegeben. Grund hierfür ist die Einfügung des § 90a BGB vom 1. September 1990, wonach festgestellt wird, dass Tiere keine Sachen sind. Auf Grund des Analogieverbotes zu Lasten des Täters gem. Art. 103 II würde ein Bezug auf § 90 dazu führen, dass Tiere nicht unter § 242 I fallen und damit nicht geschützt wären.
- Fremd ist eine Sache dann, wenn sie im Allein-, Mit- oder Gesamthandseigentum eines anderen steht. oder negativ: Eine Sache ist nicht fremd, wenn sie im Alleineigentum des Täters steht und nicht herrenlos ist. (Beachte: Bei der negativen Formulierung die Herrenlosigkeit nicht vergessen!)
- Beweglich ist eine Sache, wenn sie tatsächlich fortgeschafft werden kann. Eine Sache ist auch dann beweglich, wenn der Täter der Sache diese Eigenschaft selbst verschaffen hat.
- Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams.
- Gewahrsam ist die von tatsächlich vorhandenem Herrschaftswillen getragene Sachherrschaft. Der Gewahrsam hat große Ähnlichkeit mit dem Besitz im Zivilrecht, ist aber nicht mit diesem identisch. Fiktionen, wie sie im Zivilrecht zB. beim Erbenbesitz, beim mittelbaren Besitz oder bei der Besitzdienerschaft gegeben sind, gibt es beim Gewahrsam nicht. Wann Gewahrsam vorliegt, wird durch die Verkehrsauffassung bestimmt. (str., ob faktischer oder sozial-normativer Gewahrsamsbegriff; sozial-normativ uä. wohl hM.)
- Fremder Gewahrsam liegt vor, wenn nicht der Täter Gewahrsam an der Sache hat.
- Bruch desselben ist gegeben, wenn der Gewahrsam des Gewahrsamsinhabers ohne oder gegen seinen Willen aufgehoben wird.
- Neuer Gewahrsam wird begründet, wenn eine andere Person die tatsächliche Sachherrschaft ausführt und dies auch will. Zu beachten ist, dass der neue Gewahrsam auch von anderen Personen als vom Täter begründet werden kann!
subjektiver Tatbestand
Bearbeiten- Gemäß § 15 ist auch hier Vorsatz bezüglich der objektiven Tatbestandsmerkmale notwendig.
- Absicht der rechtswidrigen Zueignungsabsicht:
- sog. "überschießende Innentendenz" (Dh., es liegt kein entsprechendes objektives Merkmal vor.)
- Eventualvorsatz bzgl. dauernder Enteignung:
- Enteignung = die Verdrängung des Eigentümers aus der Position, mit der Sache beliebig zu verfahren (Beachte: KEIN Eigentumserwerb auf Seiten des Täters oder einer anderen Person!)
- dauernd => Abgrenzungskriterium für furtum usus (Gebrauchsanmaßung, grds. nicht strafbar; Beachte: § 248b für Fahrräder und Kraftfahrzeuge (legal definiert in Abs. IV))
- Absicht im technischen Sinn bzgl. (zumindest) vorübergehender Aneignung:
- Aneignung = Einnehmen einer eigentümerähnlichen Stellung, dh. die Aneignung ist die entgegengesetzte Seite der Enteignung
- Abgrenzung zu bspw. der Sachbeschädigung
Rechtswidrigkeit und Schuld
Bearbeitenübliche Problematik
Strafzumessung
BearbeitenStrafantragserfordernis/ Privilegierungen
BearbeitenBezüglich des Diebstahls nach §§ 242, 242 iVm. 243, 244, 244a ist kein Strafantrag erforderlich.
Allerdings befinden sich in §§ 247, 248a Privilegierungen, bei denen ein Strafantrag erforderlich ist. Bei § 248a muss kein Strafantrag gestellt werden, sollte das besondere öffentliche Interesse bejaht werden.
§ 247
BearbeitenIn § 247 wird ein Strafantragserfordernis erhoben, wenn der Täter eines Diebstahl oder einer Unterschlagung in einem besonderen Näheverhältnis zu dem Geschädigten steht. Abschließend aufgezählt sind folgende Verhältnisse:
- Angehöriger (richtet sich nach § 11 I Nr. 1)
- Vormund (nach bürgerlichem Recht)
- Betreuer (nach bürgerlichem Recht)
- häusliche Gemeinschaft
- = jede frei gewählte Wohn- und (nichteheliche) Lebensgemeinschaft, die auf Dauer angelegt und von dem ernstlichen Willen getragen ist, Verpflichtungen aus persönlicher Bindung zu übernehmen
Beachte: Nach der Auflösung einer häuslichen Gemeinschaft oder einer anderen Beziehung entfällt das Antragserfordernis nicht.
Grund für diese Privilegierungen sind die Wahrung des Haus- und Familienfriedens, der durch ein gerichtliches Verfahren wahrscheinlich gestört würde.
§ 248a
BearbeitenDiebstahl und Unterschlagung werden ebenfalls nur auf Antrag verfolgt, wenn es sich um eine geringwertige Sache handelte, es sei denn, es besteht ein besonderes öffentliches Interesse.
Eine geringwertige Sache ist eine solche, deren objektiver Wert zum Tatzeitpunkt um die 50 € liegt. Dabei ist zu beachten, dass dies keine starre Grenze ist, sondern es sich auch um eine geringwertige Sache handeln kann, wenn sie bspw. 54, 72 € wert ist, oder um eine nicht geringwertige, wenn sie "nur" 46, 24 € wert ist.
Qualifikationen
BearbeitenAbgrenzung zum Betrug
BearbeitenProblematisch ist die Abgrenzung des Diebstahls zum Betrug (§ 263). Nach der allgemein vertretenen Exklusivitätsthese kann eine Tathandlung nur entweder ein Diebstahl oder ein Betrug sein. Es kann nur eine Wegnahme des Täters oder eine Vermögensverfügung des Opfers vorliegen, jedenfalls kann bei einem Tatobjekt nicht beides gleichzeitig vorliegen.
Abgrenzungsschwierigkeiten treten deshalb beim Dreiecksbetrug bzw. beim Diebstahl in mittelbarer Täterschaft auf, sowie bei den Fallkonstellationen des Trickdiebstahls.
Dreiecksbetrug
BearbeitenWährend der Diebstahl ein Fremdschädigungsdelikt darstellt, ist ein Betrug ein Selbstschädigungsdelikt. Problematisch ist die Einordnung von Fallkonstellationen, in denen ein Dritter - beispielsweise ein Familienangehöriger - irrtümlich eine Sache des Opfers an den Täter herausgibt.
Im Wesentlichen sind in diesem Zusammenhang zwei Theorien zu nennen: Die "Theorie der rechtlichen Befugnis" und die "Lagertheorie".
Die Theorie der rechtlichen Befugnis stellt ein Selbstschädigungsdelikt (also einen Betrug) nur dann fest, wenn derjenige, der das Tatobjekt an den Täter heraus gibt (Irrtumsträger), rechtlich dazu befugt war, über die Sache zu verfügen.
Die Lagertheorie stellt auf das Näheverhältnis zwischen Irrtumsträger und Opfer (bzw. Täter) ab. Stand der Irrtumsträger "im Lager" des Opfers (z.B. ein Familienangehöriger) liegt ein Selbstschädigungsdelikt vor. Stand der Irrtumsträger dagegen "im Lager" des Täters (z.B. ein Komplize) wird ein Fremdschädigungsdelikt angenommen.
Trickdiebstahl
BearbeitenBeim Trickdiebstahl wird dem Opfer eine Situation vorgetäuscht, in der es glaubt, dass ein Widerstand gegen die Übergabe zwecklos erscheint und die Sache somit dem Täter übergibt. Obwohl dogmatisch insoweit eine Wegnahme im Sinne des § 242 StGB nicht vorliegt, wird hier kein Betrug (wegen des Vortäuschens) oder eine Erpressung (wegen der Zwangslage) angenommen, da das Opfer dauerhaft den Gewahrsam verliert (und eben einen Widerstand gegen die Weggabe als zwecklos vermutet).