Examensrepetitorium Jura: StGB BT: § 185


Eine Beleidigung im weiteren Sinne ist jede Verletzung der persönlichen Ehre eines anderen. Die Beleidigung ist die Kundgabe der Miss- oder Nichtachtung einer anderen Person. Schutzzweck der Vorschrift ist in erster Linie die persönliche Ehre. Im Rahmen des aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts genießt diese selber grundrechtlichen Schutz.[1] Der Versuch der Beleidigung ist nicht strafbar.

Systematik der Ehrverletzungsdelikte

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Ehrverletzung

  • gegenüber dem Verletzten: § 185 StGB (Beleidigung)
  • gegenüber einem Dritten
    • bei Ehrverletzung in Form eines Werturteils: § 185
    • bei Ehrverletzung in Form einer Tatsachenbehauptung: § 186 (üble Nachrede)
      • speziell wider besseres Wissen: § 187 (Verleumdung)
      • speziell bei Personen des politischen Lebens: § 188 (üble Nachrede / Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens)
  • in Bezug auf einen Verstorbenen: § 189 (Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener)

Tatbestand

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Strafbar ist demnach die Kundgabe von Missachtung oder Nichtachtung gegenüber dem Beleidigten oder Dritten. Dabei ist der Sinn der Kundgabe aufgrund der Begleitumstände und des gesamten Zusammenhangs, in dem sie steht, zu bestimmen. Die Kundgabe muss ehrverletzend sein, was bei bloßen Unhöflichkeiten oder Taktlosigkeiten noch nicht der Fall ist. Der ethische oder soziale Wert des Beleidigten muss geringer dargestellt werden, als er tatsächlich ist. Als Kundgabeerfolg verlangt die überwiegende Ansicht, dass der ehrenrührige Sinn der Kundgabe erfasst worden sein muss (zweifelhaft z. B. bei Verwendung einer Fremdsprache).

Es sind drei Begehungsformen der Beleidigung möglich:

  • Äußerung von Werturteilen gegenüber dem Beleidigten
    • verbal (Verbalinjurie)
    • gestikulär oder tätlich
      • Zeigen einer Gestik (z. B. Mittelfinger, Scheibenwischergeste, Vogel zeigen)
      • Beleidigung mit Tätlichkeit (z. B. unsittliches Berühren/Anfassen, Schubsen, Anspucken usw.)
  • Äußerung von Werturteilen in Beziehung auf den (abwesenden) Beleidigten, gegenüber anderen Personen
  • Ehrverletzende Tatsachenbehauptungen, die in Anwesenheit des Beleidigten erfolgen (werden diese Tatsachen gegenüber anderen Personen geäußert, so kommen § 186 StGB (Üble Nachrede) u. § 187 StGB (Verleumdung) in Betracht)

Beleidigt werden kann jeder Mensch, aber auch Personenmehrheiten, die eine rechtlich anerkannte gesellschaftliche oder wirtschaftliche Funktion erfüllen und einen einheitlichen Willen bilden können (juristische Personen wie GmbH oder AG, Gewerkschaften, Vereine). Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, bleibt zu prüfen, ob nicht mehrere Menschen unter einer Sammelbezeichnung beleidigt wurden (z. B. eine bestimmte Familie, alle Polizeibeamten bei der Polizei - wobei eine Beleidigung unter Sammelbezeichnung nur bei einem abgegrenzten überschaubaren Personenkreis denkbar ist, was bei der Polizei ausscheiden dürfte, da es 16 Landespolizeien und eine Bundespolizei gibt).

Rechtswidrigkeit

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Handelt der Täter in Wahrnehmung berechtigter Interessen, so ist er gem. § 193 StGB gerechtfertigt. Ein berechtigtes Interesse kann nicht nur ein individuelles Interesse sondern auch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sein, so dass dieser Rechtfertigungsgrund insbesondere für Journalisten eine wichtige Rolle spielt.

Beleidigungen sind Äußerungen, die das verfassungsmäßige Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht mehr gewährleistet. Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet es seine Schranken vielmehr an den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre. Dazu gehört z. B. der § 185 StGB.

Um die Verurteilung tragen zu können, muss die Vorschrift jedoch ihrerseits mit dem Grundgesetz übereinstimmen und ferner in verfassungsgemäßer Weise ausgelegt und angewandt werden.[2]

"Einfallstor" für die Grundrechte ist dabei der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB. Bei Meinungsäußerungen zu öffentlichkeitsrelevanten Fragen spricht eine Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede. Die Äußerung ist nur dann nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt und damit strafbar, wenn es sich um Formalbeleidigungen (insbesondere klassische Schimpfworte) oder um Schmähkritik handelt. Dafür muss die inhaltliche Auseinandersetzung mit Handlungen oder Äußerungen des Opfers in den Hintergrund treten, so dass es dem Täter erkennbar nur um die persönliche Herabsetzung des Opfers geht. Dies ist z.B. bei der Äußerung eines Literaturkritikers angenommen worden, ein Autor sei „merkbefreit, steindumm, kenntnislos und talentfrei“.

Der Tatbestand besteht nur aus der Strafandrohung für die Beleidigung und enthält keine weitere Definition. Deshalb wird er häufig als verfassungsrechtlich zu unbestimmt bezeichnet. Die Gerichte sind dieser Ansicht nicht gefolgt, verfolgen aber mittlerweile - insbesondere in Hinblick auf viele liberale Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Meinungsfreiheit - eine überwiegend restriktive Auslegung des Tatbestands.

„Auch wenn das für eine unter der Geltung des Grundgesetzes erlassene Strafvorschrift als unzureichend anzusehen sein sollte, hat der Begriff der Beleidigung jedenfalls durch die über hundertjährige und im wesentlichen einhellige Rechtsprechung einen hinreichend klaren Inhalt erlangt, der den Gerichten ausreichende Vorgaben für die Anwendung an die Hand gibt und den Normadressaten deutlich macht, wann sie mit einer Bestrafung wegen Beleidigung zu rechnen haben.“[3]

Die Strafbestimmung des § 185 StGB ist somit, im Bezug auf ihre Bestimmtheit, mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar.

Konkurrenzen

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Tritt die Beleidigung mit einer unmittelbar auf den Körper gerichteten Einwirkung zusammen ("tätliche Beleidigung"), so liegt häufig – aber nicht notwendig – eine Körperverletzung vor, die in Tateinheit zur Beleidigung steht. Beleidigungen in Publikationen können durch die Landespressegesetze geregelt werden. Im Regelfall gilt hier eine sehr kurze Verjährungsfrist.

Fußnoten

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  1. vgl. BVerfGE 54, 148 (153 f.)
  2. vgl. BVerfGE 7, 198 (208 f.); ständige Rechtsprechung
  3. BVerfGE 71, 108 (114 ff.)