Examensrepetitorium Jura: Schwerpunktbereich Internationales Privatrecht: Außervertragliche Schuldverhältnisse


Die Anknüpfung außervertraglicher Schuldverhältnisse ist EU-weit (mit Ausnahme Dänemarks) durch die Rom-II-Verordnung[1] vereinheitlicht. Sie ist am 11. Januar 2009 in Kraft getreten.

Anwendbarkeit

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Die Verordnung hat Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht der EU-Mitgliedstaaten. Sie gilt nicht in Dänemark (Art. 1 Abs. 4), wird aber ausweislich Art. 3 von allen anderen Mitgliedstaaten im Verhältnis zu Dänemark angewandt ("loi uniforme"). Sie gilt nach Art. 25 Abs. 2 nicht innerhalb territorial gespaltener Mehrrechtsstaaten (dies betrifft zum Beispiel das Vereinigte Königreich und Spanien).

Sachlicher Anwendungsbereich

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In Anlehnung an Art. 1 EuGVVO gilt die Verordnung nur für Zivil- und Handelssachen. Die zur EuGVVO entwickelten Abgrenzungskriterien gelten insoweit entsprechend. Sie gilt nicht für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten (acta iure imperii); dies schließt auch die Amtshaftung aus.

Ihr Anwendungsbereich umfasst die Anknüpfung von Delikten, Geschäftsführung ohne Auftrag, ungerechtfertigter Bereicherung und der culpa in contrahendo (Art. 2 Abs. 1). Ausgenommen sind nach Art. 1 Abs. 2 unter anderem

  • außervertragliche Ansprüche aus Wechsel, Scheck und Eigenwechsel
  • außervertragliche Schuldverhältnisse aus dem Gesellschaftsrecht, Vereinsrecht und dem Recht juristischen Personen
  • außervertragliche Schuldverhältnisse zwischen den an einem trust beteiligten Personen
  • Ansprüche aus Schäden durch Kernenergie
  • Ansprüche aus Verletzung der Privatsphäre, des Persönlichkeitsrechts oder Verleumdung.

Zeitlicher Anwendungsbereich

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Nach Art. 31 gilt autonomes staatliches Recht weiter für Fälle, die bis zum 10. Januar 2009 eingetreten sind. Die Bezeichnung „schadensbegründendes Ereignis“ beschränkt den Anwendungsbereich nach Art. 2 Abs. 1 nicht auf das Deliktsrecht, sondern umfasst auch das Verhalten, das relevant ist für ein Verschulden bei Vertragsanbahnung, für einen bereicherungsrechtlichen Vorgang oder für eine Geschäftsführung ohne Auftrag.[2]

Unerlaubte Handlungen

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Grundsatz

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Grundsatzanknüpfung (Art. 4 Abs. 1)

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Nach Art. 4 Abs. 1 wird grundsätzlich an den Erfolgsort, also den Ort des Schadenseintritts, angeknüpft. Maßgeblich ist aber auch nur der Erfolgsort des unmittelbaren Schadens, indirekte Schäden sind durch Art. 4 Abs. 1 letzter Halbsatz ausgenommen.

Beispiel: Das Opfer eines Unfalls in Frankreich verstirbt in Österreich.
Erfolgsort des unmittelbaren Schadens ist nur Frankreich.

Nach traditioneller Ansicht wurde im Kollisionsrecht fast aller Länder an den Tatort der unerlaubten Handlung, die lex loci delicti, angeknüpft. Als Tatort gilt aber beispielsweise nach Art. 40 Abs. 1 des deutschen EGBGB sowohl Handlungs- als auch Erfolgsort. Diesem Ubiquitätsprinzip wird nach der Verordnung nicht mehr gefolgt. Der rechtspolitische Zweck ist, den Geschädigten zu bevorzugen.

Führt eine Handlung zu unmittelbaren Schäden in verschiedenen Ländern (Streudelikt) ist die Lösung umstritten. Die herrschende Meinung folgt der sog. Mosaiktheorie; diese besagt, dass jeder Erfolgsort das anwendbare Recht für die Schäden bestimmt, die in diesem Staat entstanden sind. Nach anderer Ansicht ist ein Schwerpunkt zu suchen, an dem die Schädigung sich konzentriert und an diesen anzuknüpfen.

Gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt (Art. 4 Abs. 2)

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Art. 4 Abs. 2 ist gegenüber Abs. 1 vorrangig zu beachten: Haben Schädiger und Geschädigter ihren gewöhnlichen Aufenthalt im selben Staat, findet das Recht dieses Staates Anwendung.

Beispiel: Ein Deutscher und ein Österreicher haben beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Italien. Der Deutsche fährt den Österreicher mit seinem Pkw in Spanien an und verletzt diesen.
Da beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Italien haben, findet italienisches Recht Anwendung.

Ausweichklausel (Art. 4 Abs. 3)

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Die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 verdrängt Abs. 1, wenn eine offensichtlich engere Beziehung zu einem anderen Staat besteht. Dies kommt vor allem bei einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis (Vertragsverhältnis, Delikte bei Verlobten) in Betracht.

Rechtswahl (Art. 14)

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Für alle gesetzlichen Schuldverhältnisse ist nach Art. 14 der Verordnung die freie Rechtswahl möglich. Die nachträgliche Rechtswahl ist nach lit. a ohne Einschränkungen möglich; die vorherige Rechtswahl nur bei Parteien, die einer kommerziellen Tätigkeit nachgehen.

Sonderregelungen für einzelne Deliktstatbestände

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Produkthaftung (Art. 5)

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Für die Produkthaftung gilt nach der Verordnung eine besondere Anknüpfung in folgendem Stufenverhältnis:

  1. der Gewöhnlicher Aufenthalt des Geschädigten, sofern das Produkt in diesem Staate in Verkehr gebracht wurde
  2. der Erwerbsort des Produktes, sofern das Produkt in diesem Staate in Verkehr gebracht wurde
  3. der Ort des Primärschadens, sofern das Produkt in diesem Staate in Verkehr gebracht wurde.

Art. 5 Abs. 1 S. 2 enthält eine Einschränkung für den Fall, dass das In-Verkehr-Bringen des Produktes nicht vernünftigerweise vorhersehbar war; dann wird das Recht des Staates angewandt, in dem der Geschädigte seien gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Ungerechtfertigte Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag und Verschulden bei Vertragsverhandlungen

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Ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 10)

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Art. 10 differenziert für die ungerechtfertigte Bereicherung zwischen zwei Fällen:

  1. Knüpft ein Bereicherungsanspruch an ein bestehendes Rechtsverhältnis an, so gilt das Recht des Staates dieses Rechtsverhältnisses (Abs. 1)
  2. Kann nicht an ein solches Rechtsverhältnis angeknüpft werden, gilt das Recht des Staates des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes, hilfsweise der Ort des Bereicherungseintritts.

Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 11)

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Die Struktur der Anknüpfung für die ungerechtfertigte Bereicherung wurde entsprechend für die Geschäftsführung ohne Auftrag übertragen.

Culpa in contrahendo (Art. 12)

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Die culpa in contrahendo wird nach dem Recht behandelt, das auf den Vertrag anzuwenden ist bzw. anzuwenden gewesen wäre, wenn ein Vertrag zustande gekommen wäre; hilfsweise enthält Abs. 2 eine Ausweichklausel.

Freie Rechtswahl

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Art. 14 bestimmt, dass die Parteien nachträglich (also nach Eintritt des anspruchsbegründenden Ereignisses) das anzuwendende Recht wählen können. Wenn beide Parteien kommerziellen Tätigkeiten nachgehen, kann das Recht auch antizipiert gewählt werden (Abs. 1 lit. b). Die Abs. 2 und 3 regeln das Verhältnis zu zwingenden Normen des Schadensortes.

Gemeinsame Vorschriften

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Geltungsbereich des anzuwendenden Rechts (Art. 15)

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Art. 15 regelt den Anwendungsbereich der jeweiligen Statute. Die Regelung ist nicht abschließend.

Gesetzlicher Forderungsübergang (Art. 19)

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Beim gesetzlichen Forderungsübergang von Forderungen aus außervertraglichen Schuldverhältnissen wird das Recht des Staates angewandt, dessen Recht den Forderungsübergang herbeiführt.

Mehrfache Haftung (Art. 20)

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Der Regressanspruch eines Schädigers gegen andere Mitschädiger (in Deutschland etwa § 426 Abs. 1 iVm § 840 Abs. 1 BGB) unterliegt dem Recht des Staates, nach dessen Recht sich auch der deliktische Anspruch richtet. Besteht die Rückgriffsmöglichkeit jedoch aufgrund einer Legalzession (in Deutschland etwa bei § 426 Abs. 2) findet Art. 19 Anwendung.

Sonstige Vorschriften

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Die sonstigen Vorschriften enthalten Bestimmungen zum allgemeinen Teil des internationalen Privatrechts und dem Verhältnis zu anderen Rechtsnormen.

Gewöhnlicher Aufenthalt (Art. 23)

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Der Ort des gewöhnlichen Aufentshalts wird für Gesellschaften, Vereine und juristische Personen auf den Ort ihrer Hauptverwaltung festgelegt. Handelt eine natürliche Person im Rahmen ihrer Berufsausübung ist ihr gewöhnlicher Aufenthalt der Ort ihrer Hauptniederlassung.

Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung (Art. 24)

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Der renvoi, also die Verweisung auch auf das Kollisionsrecht eines Staates, ist ausgeschlossen.

Öffentliche Ordnung im Staat des angerufenen Gerichts (Art. 26)

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Die Anwendung einer Sachnorm des berufenen Rechts kann unterbleiben, wenn die Sachnorm dem ordre public des Staates des zuständigen Richters dieses Staates zuwiderläuft.

Verhältnis zu anderen Gemeinschaftsrechtsakten (Art. 27)

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Andere Gemeinschaftsrechtsakte bleiben durch die Verordnung unberührt.

Verhältnis zu bestehenden internationalen Übereinkommen (Art. 28)

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Nach Art. 28 Abs. 1 bleiben bisher bestehende Staatsverträge (vgl. die Liste in Art. 29) von Mitgliedstaaten in Kraft, es sei denn diese gelten ausschließlich zwischen den Mitgliedstaaten (Art. 28 Abs. 2). Dadurch soll vermieden werden, dass die betroffenen Mitgliedstaaten durch die Verordnung zur Verletzung von Staatsverträgen gezwungen werden.

Literatur

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  • Thomas Rauscher (Hrsg.): EuZPR/EuIPR, Band: Rom I-VO, Rom II-VO. Sellier European Law Publishers, München 2011, ISBN 978-3-86653-091-1.
  • Thomas Rauscher: Internationales Privatrecht. Mit internationalem und europäischem Verfahrensrecht. 4. Auflage. C.F. Müller, Heidelberg 2012, ISBN 978-3811498631.
  • Staudinger, Ansgar / Steinrötter, Björn: Europäisches Internationales Privatrecht: Die Rom-Verordnungen, JA 2011, 241 (PDF)

Einzelnachweise

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  1. Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht,
  2. BeckOK BGB/Spickhoff, Stand. 01. Februar 2013, VO (EG) 864/2007 Art. 32 Rn. 3
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