Examensrepetitorium Jura: Grundrechte: Art. 14 GG (Eigentum)


Zunächst sind alle natürlichen Personen Grundrechtsträger. Die Grundrechtsmündigkeit (soweit man die für erforderlich hält)[1] läuft parallel zur Geschäftsfähigkeit nach §§ 104 ff. BGB[2]. Auch teil- und nichtrechtsfähige Gesellschaften können nach Art. 19 III GG Träger sein. Es sei noch einmal auf das Ausschlag gebende Merkmal "Sitz" (dazu ausführlich in Kapitel 1: Allgemeine Grundlagen) hingewiesen; auf die Nationalität der Gründer/Gesellschafter kommt es ebensowenig an wie auf eine evtl. beherrschende Gesellschaft mit ausländischem Sitz.

Öffentlich-rechtliche juristische Personen sind, mit Ausnahme der Religionsgemeinschaften, nicht Träger dieses Grundrechts. "In ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen"[3] lässt das BVerfG die Möglichkeit von Abweichungen offen. Diskutiert wird hier z.B. die Trägerschaft von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten oder Zwangskorporationen[4], soweit ein die Ausübung unterstützendes Verhalten betroffen ist. Wesentliches Kriterium ist die grundrechtstypische Gefährdungslage, die sich auch einer vergleichbaren privatrechtlich organisierten Vereinigung gegenüber realisiert hätte (zB. Jagdgenossenschaft, siehe auch § 9 BJagdG). Diese könnten von Eigentumseingriffen bei den Mitgliedern ebenso betroffen sein wie eine privatrechtliche Vereinigung oder der Eigenjagdbezirk (§ 7 BJagdG)[5].

Schutzgut

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Eigentum zur eigenverantwortlichen Gestaltung des Lebens durch Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich

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Abwehrrecht

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Das Eigentum iSd. Art. 14 GG umfasst zunächst Mobiliar- und Grundeigentum. Darüberhinaus werden vermögenswerte Rechte wie Forderungen, Nutzungsrechte, Immaterialgüterrechte uvm. geschützt. Kurz gefasst ist somit Bestand und Nutzung geschützt, für den Erwerb geht aber Art. 12 GG vor. Nicht von Art. 14 GG erfasst sind bloße Gewinnaussichten oder eine bestimmte "Werthaltigkeit" und das Vermögen als solches.

(P) Steuern und Abgaben: Diese werden aus dem Gesamtvermögen und nicht aus einzelnen Vermögensrechten bestritten. Daher liegt schon kein Eingriff vor, so der 1. Senat des BVerfG (Ausnahme: Erdrosselungssteuer). Der 2. Senat sieht in der Anknüpfung der Abgabe an eine bestimmte Eigentumsposition iVm. einer hohen Belastungswirkung zunächst einen Eingriff.

Mit dem Grundeigentum ist das Recht verbunden, ein Grundstück im Rahmen der Gesetze zu bebauen.

(P) Schutz individueller Rechte an öffentlich-rechtlichen Positionen: Wenn sich die Leistung von Privaten (Beitragszahlung) mit staatlichen Mitteln (etwa im Sozialversicherungswesen oder bei Subventionen) vermischt, unterfällt der entstandene Anspruch nach BVerfG dem Schutz des Art. 14 GG, wenn der staatliche Anteil nicht überwiegt.

Institutsgarantie

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Der zweite Teil der Eigentumsgarantie hat wenig Klausurbedeutung. In der Sache wird die Pflicht des Staats abgeleitet, Grundvoraussetzungen für Eigentum zu schaffen: Gesetze zu Inhalt, Übertragung und Behauptung gegenüber Dritten (Verfahrensgarantie).

Erbrecht

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Abwehrrecht

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Einschränkungen des Erblassers in seiner Testierfreiheit und des begünstigten Erben in seinem Erbanspruch (zB. durch Erbschaftssteuern) sind an Art. 14 I GG zu messen.

Institutsgarantie

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Das Institut des Erbrechts wurde durch das 5. Buch des BGB umgesetzt. Institutionelle Kernpunkte sind wohl: Grundsatz der Testierfreiheit, gesetzliche verwandtschaftliche Privaterbfolge, Mindestbeteiligung der Kinder.

Schranken

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Inhalts- und Schrankenbestimmungen (Art. 14 I 1 GG)

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Schrankenbestimmungen engen bereits bestehendes Eigentum ein. Für die Zukunft bedeutet die gleiche Bestimmung aber, dass kein belastetes Eigentum erworben wird sondern gar keins, da der bestimmte Teil in Zukunft nicht mehr unter die Definition Eigentum zu fassen ist.

Eine Inhaltsbestimmung stellt demnach regelmäßig auch eine Schrankenbestimmung dar, was aber nicht zwingend ist. Es ist bspw. möglich, dass der Gesetzgeber eine Inhaltsbestimmung erlässt, die aber die bestehenden Eigentumsverhältnisse nicht betreffen soll. Bei einem späteren Eigentumsübergang würde dann die Inhaltsbestimmung greifen, auf diese Weise würde nach gewisser Zeit nur noch die neue Inhaltsbestimmung gelten.

Art. 14 I 2 GG stellt einen einfach Gesetzesvorbehalt dar.

Inhaltsbestimmungen stellen keinen Eingriff dar, sie sind lediglich der äußersten Grenze unterworfen, dürfen also nicht zu einer völligen Aushöhlung führen.

Schrankenbestimmungen sind als echte Eingriffe sowohl an Art. 14 I 1 GG selbst als auch an der Institutsgarantie zu messen. Für die Angemessenheit ist zu berücksichtigen, dass sich staatliche Ausgleichsregelungen (Ausnahme-, Übergangs-, Befreiungsvorschriften) und subsidiär finanzieller Ausgleich mildernd auswirken.

Enteignungen (Art. 14 III GG)

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Zunächst ist die Enteignung von der Inhalts- und Schrankenbestimmung abzugrenzen. Nach der heutige BVerfG Rechtsprechung gelten folgende Abgrenzungskriterien:

  • Inhalts- und Schrankenbestimmung:
    1. Rechtliche Regelungen
    2. mit denen der Gesetzgeber
    3. Inhalt und Schranken des Eigentums
    4. abstrakt und generell festlegt.
  • Enteignung:
    1. Vollständiger oder teilweiser Entzug
    2. konkreter Eigentumspositionen
    3. durch gezielten hoheitlichen Rechtsakt
    4. zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben.

Liegt demnach eine Enteignung vor, ist die Entschädigung durch Gesetz zu regeln. Fehlt eine Entschädigungsregel, ist das Gesetz rechtswidrig und der Enteignungsakt anfechtbar. Wird der Enteignungsakt unanfechtbar geht der Entschädigungsanspruch ersatzlos unter.

Sonderinstitute

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Die folgenden Sonderinstitute werden aus einfachem Recht hergeleitet und sollen nach Art. 14 I 2 GG fundiert sein[6].

  • Enteignungsgleicher Eingriff
    1. Eine hoheitliche Maßnahme (nicht förmliches Gesetz, nicht rechtmäßige Enteignung) greift in eine
    2. Eigentumsposition
    3. unmittelbar und
    4. unter materiellem Verstoß gegen Art. 14 GG ein und
    5. legt dem Betroffenen unzumutbare Opfer auf.
    6. Der Eingriff konnte nicht durch Rechtsmittel abgewehrt werden.
  • Enteignender Eingriff
    1. Eine rechtmäßige hoheitliche Maßnahme/Gesetz zieht
    2. unbeabsichtigte und atypische Folgen nach sich die
    3. eine Eigentumsposition iSd. Art. 14 GG
    4. unmittelbar und
    5. über die Maßen eines enteignungsrechtlich Zumutbaren hinaus benachteiligen.

Nach anderer Ansicht sind diese Figuren obsolet: Wenn in der Sache eine Enteignung vorliegt und dennoch eine Inhalts- und Schrankenbestimmung erlassen wurde, ist diese hinsichtlich Erforderlichkeit und Angemessenheit rechtswidrig: Eine Enteignung wäre ein milderes Mittel gewesen.

Klausurtypische Schwerpunkte

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  • Eigentumsbegriff
  • Abgrenzung Enteignung zu Inhalts- und Schrankenbestimmung
  • Teilenteignung
  • Angemessenheit von Inhalts- und Schrankenbestimmungen
  • Abgrenzung Berufs- und Eigentumsfreiheit
  • Erdrosselnde Wirkung von Steuern/Abgaben
  • Salvatorische Entschädigungsklauseln

Art. 15 GG Sozialisierung

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Art. 15 GG hat derzeit keine praktische oder klausurtechnische Bedeutung. Der Artikel wird als Anhaltspunkt für die Wertneutralität des GG hinsichtlich einer speziellen Wirtschaftsordnung (freie/soziale Marktwirtschaft, Planwirtschaft) gesehen.

Darüber hinaus stellt Art. 15 GG eine weitere Rechtfertigung für Eingriffe in Art. 14 GG dar. Schutzgüter sind Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel (das sind alle Wirtschaftsunternehmen!).

Schrankentauglich sind förmliche Gesetze. Es wird auf die Entschädigungsregeln nach Art. 14 III 3, 4 GG verwiesen.

Fußnoten

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  1. Jarass/Pieroth, "GG Kommentar", Art. 19 Rn. 13.
  2. Sachs-Wendt, "GG Kommentar", 5.Auflage, Art. 14, Rn. 13, 20.
  3. BVerfGE 61, 82.
  4. Sachs-Wendt, "GG Kommentar, 5. Auflage, Art. 14, Rn. 17, 18.
  5. Sachs-Wendt "GG Kommentar", 5.Auflage, Art. 14, Rn. 18.
  6. Jarass/Pieroth, "GG Kommentar", Art. 14, Rn.56.