Examensrepetitorium Jura: BGB Sachenrecht: Mobiliarsachenrecht: Erwerb des Eigentums an beweglichen Sachen


Erwerb vom Berechtigten

Bearbeiten

Der Erwerb des Eigentums vom Berechtigten vollzieht sich in zwei Schritten, § 929 S. 1 BGB:

  1. Einigung
  2. Übergabe

Hinweis: Die Prüfung des Eigentumsübergangs erfolgt jedoch in drei Schritten; hinzu kommt als dritter Punkt die Berechtigung. Da hier von der Berechtigung des Veräußerers ausgegangen wird, bedarf der Prüfungspunkt keiner eingehenden Behandlung.

Einigung

Bearbeiten

Laut § 929 S. 1 BGB müssen sich Erwerber und Eigentümer darüber einig sein, dass das Eigentum an der Sache übergehen soll. Insofern legt das Gesetz den Inhalt der Einigung eindeutig fest.

Die Einigung ist dabei ein Rechtsgeschäft. Wie jeder Vertrag besteht sie aus zwei Willenserklärungen, die inhaltlich übereinstimmen. Dabei ist alles zu beachten, was es auch bei einem schuldrechtlichen Vertrag zu beachten zu gilt, die Regeln des dem allgemeinen Teils des BGB finden Anwendung. Insoweit ist insbesondere auf die §§ 107 ff. (Geschäftsfähigkeit); 119 ff. (Anfechtung); 133, 157 (Auslegung einer WE); 158 ff. (Bedingung und Befristung); 182 ff. (Zustimmung) BGB zu achten. Möglich sind ebenfalls die Stellvertretung gemäß §§ 164 ff. BGB wie auch eine konkludent erfolgte Einigung ( Stillschweigende Übergabe der Brötchen beim Bäcker).

Die Einigung muss zum Zeitpunkt der Übergabe noch vorliegen. Sie kann auch vorweggenommen werden. Fraglich ist jedoch die Möglichkeit, die erfolgte Einigung zu widerrufen.Die h.M. lehnt eine Bindung an die Einigung ab, arg. Wortlaut des § 929,vgl. etwa BGHZ 27,360.Achtung: Die schuldrechtliche Verpflichtung wird hiervon natürlich nicht berührt, sodass in der Klausur auf SE-Ansprüche überzugehen ist, sofern die Fragestellung hierzu Anlass gibt.

Übergabe

Bearbeiten

Die Übergabe ist ein tatsächlicher Akt. Es ist die Verschaffung des Besitzes, wie sich aus § 929 S. 2 BGB entnehmen lässt. Gemäß § 854 I BGB wird der Besitz durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben. Schematisch sieht dies so aus:

  1. vollständiger Verlust der tatsächlichen Sachgewalt auf Veräußererseite
  2. Begründung tatsächlichen Sachgewalt auf Erwerberseite
    Dabei muss der Veräußerer die tatsächliche Sachgewalt auf Grund eigener Veranlassung verloren haben. Folglich:
  3. auf Veranlassung des Veräußerers

Hat der Erwerber schon Besitz an der Sache, etwa durch Leihe oder Verwahrung, genügt gemäß § 929 S. 2 die bloße Einigung über den Übergang des Eigentums (brevi manu traditio – Übereignung kurzer Hand).

Nun kann es passieren, dass der Veräußerer den Besitz an der Sache behalten möchte oder ein Dritter Besitz an der Sache hat. In diesem Fall finden die §§ 930 f. BGB Anwendung, wonach die Übergabe durch sogenannte Surrogate ersetzt werden kann.

Übergabesurrogate

Bearbeiten

Besitzkonstitut

Bearbeiten

Gemäß § 930 BGB ist es möglich, die Übergabe durch ein Besitzkonstitut zu ersetzen. Dies ist eine Abrede, durch die zwischen dem Eigentümer und dem Erwerber ein Rechtsverhältnis vereinbart wird, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt.

Das ist zunächst schwer verständlich. Ein Beispiel soll es verdeutlichen:

A bekommt zu seinem Geburtstag ein Buch geschenkt. Nun liest er zwar gerne und viel, hält jedoch nichts davon, sich seine Wohnung mit Büchern zuzustellen. Da trifft es sich gerade recht, dass sein Freund B das Buch, was A gerade bekommen hat, noch braucht, um seine Sammlung zu vervollständigen. B fragt A noch bei der Geburtstagsfeier, ob A das Buch verkauft. Der sagt ja, möchte es aber erst noch lesen. B meint daraufhin, er kaufe es A entweder nur jetzt gleich oder niemals ab. Er habe auch nichts dagegen, wenn A es vorerst behielte, um es zu lesen.

In solch einem Fall ist es unsinnig, dass A B zunächst den Besitz verschafft und beide dann etwa eine Leihe oder eine Verwahrung vereinbaren. dadurch würde A nämlich in den Besitz der Sache gelangen, B wäre aber weiterhin Eigentümer.

Das Gesetz lässt nun zu, dass der Veräußerer den Besitz behält; nach der Definition des § 929 S. 1 BGB könnte dann aber kein Eigentum übergehen, weil der Besitz verschafft werden müsste. § 930 BGB normiert, dass der Veräußerer im Besitz der Sache bleiben darf, jedoch müssen Erwerber und Veräußerer ein Rechtsverhältnis vereinbaren, durch das der Veräußerer dazu berechtigt ist, unmittelbaren Besitz an der Sache zu behalten. Der Eigentümer soll durch dieses Rechtsverhältnis mittelbarer Besitzer werden. Mittelbarer Besitzer ist, wer dazu verpflichtet ist, einem anderen auf Grund eines Rechtsverhältnisses den (unmittelbaren) Besitz an der Sache herauszugeben. Er hat auf Grund des Rechtsverhältnisses einen Anspruch auf (Wieder-)Erlangung des unmittelbaren Besitzes, vgl. § 868 BGB. Dort sind auch Beispiele genannt, wodurch solch ein Besitzverhältnis entsteht. Unter anderem ist die Verwahrung genannt, die Leihe jedoch nicht. Jedoch ist man sich darüber einig, dass die Leihe solch ein „ähnliches Verhältnis“ ist.

Wie das Beispiel weitergehen könnte:

Zunächst schließen A und B den obligatorischen Kaufvertrag. Dadurch wird A verpflichtet, B das Eigentum an der Sache zu übertragen (§ 433 I 1 BGB). Daraufhin erfolgt die dingliche Einigung dahingehend, dass A dem B das Eigentum an der Sache überträgt, § 929 S. 1 BGB. A und B entschließen sich, keine Übergabe zu vollziehen, sondern ein Besitzkonstitut zu vereinbaren. Sie entscheiden sich für die Leihe (§§ 598 ff. BGB). Statt der Übergabe vereinbaren A und B, dass A das Buch solange behalten darf, bis er das Buch gelesen hat. Dadurch ist A berechtigt, unmittelbaren Besitz am Buch zu behalten; B wird mittelbarer Besitzer. Gemäß § 930 BGB liegt somit ein Rechtsverhältnis vor (Leihe), durch das der Erwerber (B) den mittelbaren Besitz (gemäß § 868 BGB) erlangt.

Abtretung des Herausgabeanspruchs

Bearbeiten

Abwandlung des obigen Falls:

A bekommt zu seinem Geburtstag ein Buch geschenkt. A ist jedoch ein richtiger „Lesemuffel“. Der Bekannte C hingegen liest sehr gerne, hält aber nichts davon, seine Wohnung zu einer Bibliothek auszubauen. Er fragt A, ob er sich das Buch ausleihen dürfe. A hat nichts dagegen und übergibt es C, der sofort anfängt, darin zu lesen. Später erfährt auch B von dem Geschenk des A und möchte das Buch für seine Sammlung haben. B fragt A, ob A das Buch verkauft. Der sagt ja, meint aber, dass C es sich von ihm ausgeliehen habe. B meint daraufhin, er kaufe es A entweder nur jetzt gleich oder niemals ab. Er habe auch nichts dagegen, wenn C es vorerst behielte, um es zu lesen.

In solch einem Fall ist § 931 BGB einschlägig, wonach statt der Übergabe ein bestehender Herausgabeanspruch abgetreten werden kann.

Wie das Beispiel weitergehen könnte:

Es erfolgt der Schluss des Kaufvertrages zwischen A und B gemäß § 433 BGB. Statt der Übergabe tritt A gemäß §§ 398 ff. BGB den Herausgabanspruch an B ab, der sich aus der Leihe ergibt (§ 604 BGB). Dadurch erwirbt B das Recht, den unmittelbaren Besitz zu erlangen; er selbst wird dadurch zum mittelbaren Besitzer des Buches. Folglich hat B gemäß § 931 BGB Eigentum an dem Buch erworben.

Erwerb vom Nichtberechtigten

Bearbeiten

Beispiel

Bearbeiten
Beispiel: A verkauft und übergibt seinen Pkw an B. Den Fahrzeugbrief behält A ein. B zahlt den Kaufpreis nicht, stattdessen verkauft und übergibt er den Pkw an C. A verlangt nun Herausgabe des Pkw von C. Dieser wiederum verlangt von A die Herausgabe des Fahrzeugsbriefs.[1]

1. Zu prüfen ist zunächst ein Herausgabeanspruch des A gem. § 985 BGB.

a) A müsste also Eigentümer des Pkw sein.
aa) A könnte das Eigentum an B verloren haben. Das wäre der Fall, wenn A seinen Pkw dem B übereignet hätte: A müsste eine Willenserklärung abgegeben haben, die B als (unbedingtes) Übereignungsangebot verstehen durfte (§§ 133, 157, 929 BGB). Das war jedoch nicht der Fall: Mit dem Einbehalten des Fahrzeugbriefs hat A unmissverständlich deutlich gemacht, dass er sich bis zur Zahlung des vollständigen Kaufpreises das Eigentum an seinem Pkw vorbehalten wollte (vgl. § 449 Abs. 1 BGB). Dafür kommt es nicht darauf an, ob der zwischen A und B geschlossene Kaufvertrag eine Klausel enthielt, in der ein Eigentumsvorbehalt geregelt war. Denn eine Eigentumsübergang findet selbst dann nicht statt, wenn der Verkäufer sich das Eigentum bei der Übergabe vertragswidrig vorbehält (Abstraktionsprinzip!). A hat sein Eigentum nicht an B verloren.
bb) A könnte das Eigentum an C verloren haben. Das wäre der Fall, wenn C von B wirksam Eigentum erwerben konnte.
(1) B handelte als Nichtberechtigter, da er – wie eben gezeigt – selbst kein Eigentum von A erwarb. Eine (konkludente) Ermächtigung zur Weiterveräußerung gem. § 185 Abs. 1 BGB kann nicht unterstellt werden. Vielmehr hat A durch den Eigentumsvorbehalt deutlich gemacht, dass er zur Sicherung seiner offenen Kaufpreisforderung Eigentümer des Pkw bleiben wollte.
(2) Es kommt ein gutgläubiger Erwerb in Betracht (§§ 929, 932 BGB). Dazu müsste der Rechtsschein bestanden haben, dass B Eigentümer des Pkw war. Der Besitz allein reicht dafür jedoch nicht aus, vielmehr muss sich der Käufer den Fahrzeugbrief vorlegen lassen (ständige Rspr. des BGH). C tat dies nicht und handelte damit grob fahrlässig im Sinne von § 932 Abs. 2 BGB.
(3) Es greift auch nicht die Vermutung des § 1006 Abs. 2 BGB, da hier feststeht, dass A Eigentümer des Pkw geblieben ist.
cc) Zwischenergebnis: A ist Eigentümer des Pkw.
b) Dem C könnte jedoch ein Recht zum Besitz (§ 986 BGB) zustehen.
aa) Zunächst ist an ein abgeleitetes Besitzrecht zu denken: Nach § 986 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB kann der Besitzer die Herausgabe verweigern, wenn der mittelbare Besitzer, von dem er sein Recht zum Besitz ableitet, dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt ist. Diese Regelung ist über ihren Wortlaut hinaus nach auch dann anwendbar, wenn – wie hier – zwischen dem Besitzer (C) und dem Vorbesitzer (B) kein Besitzmittlungsverhältnis besteht und der unmittelbare Besitzer (C) nicht Fremd-, sondern Eigenbesitzer ist (h. M.). Ein von B abgeleitetes Besitzrecht bestünde jedoch nicht, wenn A vom Kaufvertrag mit B – wegen der ausgebliebenen Kaufpreiszahlung - zurückgetreten wäre und B deshalb nicht mehr zum Besitz berechtigt wäre. Einen Rücktritt hat A jedoch nicht gegenüber B erklärt. Damit besteht ein abgeleitetes Besitzrecht des C.
bb) Es kommt auch ein eigenes Besitzrecht des C in Betracht. Dies könnte sich aus einem Anwartschaftsrecht ergeben: C hat von B zwar kein Eigentum an dem Pkw erwerben können, aber zumindest ein Anwartschaftsrecht. Es ist jedoch strittig, ob ein Anwartschaftsrecht auch ein Besitzrecht gem. § 986 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB gibt. Letztlich kann der Streit offen bleiben, da das Anwartschaftsrecht ebenfalls durch Rücktritt des A vom Kaufvertrag mit C untergehen würde.
cc) Zwischenergebnis: Solange A nicht den Rücktritt vom Kaufvertrag mit B erklärt, steht dem C ein Besitzrecht zu.
c) Zwischenergebnis: A hat derzeit keinen Anspruch auf Herausgabe des Pkw.


2. Zu prüfen ist noch der Anspruch des C auf Herausgabe des Fahrzeugbriefs. Der Fahrzeugbrief ist kein Traditionspapier, sondern folgt dem Recht am Fahrzeug (§ 952 BGB analog). Da A immer noch Eigentümer des Pkw ist, ist er auch Eigentümer des Fahrzeugbriefs. C kann dessen Herausgabe erst verlangen, wenn er Eigentümer des Pkw wird (also B den Kaufpreis an A zahlt, damit sich das Anwartschaftsrecht des C in volles Eigentum verwandelt).


3. Ergebnis: A kann die Herausgabe seines Pkw erst dann verlangen, wenn er B gegenüber den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. C hat erst dann einen Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugbriefs, wenn B den Kaufpreis an A zahlt.

Anmerkungen

Bearbeiten
  1. Nach BGH, NJW 2006, 3488. Die hier dargestellte Lösung folgt den Ausführungen des BGH.