Examensrepetitorium Jura: BGB Familienrecht: Der Verwandtenunterhalt

Der Verwandtenunterhalt hat folgende Voraussetzungen

  1. Tatbestand § 1601 BGB
  2. Bedürftigkeit § 1602 BGB
  3. Höhe bzw. Maß des Unterhalts § 1610 BGB
  4. Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners § 1603 BGB

Der Tatbestand

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Ein Anspruch auf Unterhalt zwischen Verwandten in gerader Linie ergibt sich aus § 1601 BGB. Nach der Richtung der Bedürftigkeit wird der Kindesunterhalt vom Elternunterhalt abgegrenzt.

Der Kindesunterhalt: Bedürftigkeit

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Nur wer sich nicht selbst unterhalten kann im Sinne einer Einkommensgenerierung, und damit bedürftig ist, ist berechtigt, Unterhalt zu verlangen gemäß § 1602 BGB. Umgekehrt trifft denjenigen, der sich selbst unterhalten kann, eine Obliegenheit zum Erwerb. Die Bedürftigkeit beschränkt den Anspruch auf Verwandtenunterhalt und wird daher auch als Teil des Unterhaltstatbestandes angesehen. Ein minderjähriges Kind ist in der Regel nicht in der Lage, sich selbst zu unterhalten und damit ohne Weiteres bedürftig. Dies ist eine gesellschaftspolitische Wertung, die aus § 1602 Abs. 2 BGB entnommen wird. Soweit Kinder krankheitsbedingt nicht in der Lage sind, sich selbst zu unterhalten, besteht die Bedürftigkeit über die Volljährigkeit hinaus fort.

Darüber hinaus wird aus § 1610 Abs. 2 BGB gefolgert, dass bis zum Abschluss einer abgeschlossenen Berufsausbildung keine Erwerbsobliegenheit besteht, soweit die Ausbildung zum Beruf die Erwerbstätigkeit hindert. Der télos ist, das Kind soweit zu unterstützen, dass es sich durch den erlernten Beruf selbst unterhalten kann. nach dem Sinn und Zweck ist nur eine Ausbildung geschuldet. Auch müssen Zeiten, in denen die Ausbildung ruht, etwa Wartesemester, Semesterferien grundsätzlich dazu genutzt werden, sich selbst zu unterhalten. Beruf ist dabei jede Erwerbstätigkeit, Ausbildung jede Form der berufsvorbereitenden Ertüchtigung. Die Berufsausbildung muss den Neigungen, der Eignung und der Befähigung des Kindes entsprechen. Im Gegenzug zu der fortbestehenden Bedürftigkeit während der Ausbildung schuldet das Kind eine zielgerichtete, effiziente Ausbildung, sowie eine Information der Eltern über den Stand der Ausbildung und die weiteren Ausbildungsschritte (sog. "Gegenseitigkeitprinzip").

Zu der Frage, welche Ausbildung die Bedürftigkeit nicht entfallen lässt, besteht eine weite Kasuistik. Die Anerkennungswürdigkeit ist das Ergebnis einer umfassenden Abwägung. Zusammengefasst ist jeder Ausbildungsweg, der staatlicherseits basierend auf einem Abschluss individuell ermöglicht wird (etwa weil die Vornote erreicht wurde), grundsätzlich auch angemessen (Argument der Einheit der Rechtsordnung). Auch indiziert eine Regelausbildungsdauer, etwa eine vorgesehene Semesterzahl, die Angemessenheit der Dauer der Ausbildung. Das schließt private Ausbildungen nicht aus. Soweit dadurch Kosten entstehen, die einen Mehrbedarf des Kindes auslösen können, ist jedoch die Frage, ob eine staatliche gleichwertige und günstigere Alternative besteht, sowie die Frage, ob die zusätzliche finanzielle Belastung angemessen ist, mit zu berücksichtigen.

Der Kindesunterhalt: Maß bzw. Höhe

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Nach § 1610 Abs. 1 BGB bestimmt die Lebensstellung des Bedürftigen das Maß des Unterhalts. Nach der Systematik ist mit Lebensstellung die finanzielle Stellung gemeint. Minderjährige Kinder haben in der Regel noch keine eigene finanzielle Lebensstellung, sondern leiten diese von ihren Eltern ab. Damit bestimmt sich die Höhe des Kindesunterhalts durch die Einkommens- und (in deutlicher Abstufung dazu) den Vermögensverhältnissen der Eltern.

Der Haftungsmaßstab

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Grundsätzlich haften beide Eltern für den Kindesunterhalt gemäß § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB (anteilig). Daher ist auch beider (addierter) Einkommen zur Bemessung des Kindesunterhalts heranzuziehen. Allerdings regelt§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB, dass Bar- und Betreuungsunterhalt bei minderjährigen, unverheirateten Kindern gleichwertig sind. Damit haftet in den Fällen, in denen ein minderjähriges, unverheiratetes Kind von einem Elternteil betreut wird, der andere Elternteil für den Basisbarunterhalt alleine, so dass es auch nur auf sein Einkommen ankommt.

Die Düsseldorfer Tabelle

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Das Gesetz gibt außer der Bemessung des Mindestunterhalts, der sich aus dem Existenzminimum eines Kindes ergibt nach § 1612a BGB, die Höhe des Unterhalts abhängig von der Lebensstellung der Eltern nicht vor. Um eine Einheitlichkeit der Rechtsanwendung zu gewähren, wurde die sogenannte Düsseldorfer Tabelle entwickelt. Hier werden abhängig von einem bereinigten Einkommen in Stufen und bis zu 5000 € anteilige Erhöhungen des Mindestunterhalts (100% der Tabelle) vorgeschlagen. Die Düsseldorfer Tabelle hat keine Gesetzeskraft oder formelle oder materielle Rechtskraft. Sie wirkt alleine dadurch, dass sich die Obergerichte, und mit ihnen nolens volens die Ausgangsgerichte, daran halten. Dies strahlt auf die außergerichtliche Rechtswirklichkeit aus. Da eine vollständige Einheitlichkeit der Obergerichte nicht hergestellt werden kann, bestehen weitere Leitlinien, die zum Teil Abweichungen und Ergänzungen der Düsseldorfer Tabelle enthalten, und für einen oder mehrere ("Süddeutsche Leitlinien") OLG-Bezirke gelten.

Zur Einordnung in Einkommensgruppen ist das Einkommen, wie generell im Unterhaltsrecht, zu "bereinigen". "Bereinigung" ist dabei eine wertende Betrachtung nach der Grundfrage, welcher Teil des Einkommens dem Pflichtigen tatasächlich zur Verfügung steht. So sind bei einem Pflichtigen, der krankheitsbedingte nicht von einer Krankenversicherung erstattungsfähige regelmäßige Aufwendungen hat, diese abzuziehen. Die Kriterien dieser wertenden Betrachtung sind wiederum je nach Unterhaltstatbestand unterschiedlich. Für den Kindesunterhalt ist anerkannt, dass für das Kind, das seine Lebensstellung von der der Eltern ableitet, etwaige Mehrungen oder Minderungen des verfügbaren Einkommens grundsätzlich die Unterhaltshöhe unmittelbar beeinflussen. So führt die Aufnahme eines nicht unterhaltsrechtlich leichtfertig aufgenommenen Kredits durch den Unterhaltspflichtigen zu einer Reduzierung des - um die Rate des Kredits zu bereinigenden - Einkommens.

Der sich aus der Düsseldorfer Tabelle ergebende Tabellenbetrag gilt, wie sich aus den Anmerkungen zur Tabelle ergibt, für den Fall, dass der Unterhaltspflichtige zwei Berechtigten tatsächlich Unterhalt bezahlt, wobei es aus Vereinfachungsgründen nicht darauf ankommt, wem und in welcher Höhe Unterhalt bezahlt wird. Falls der Unterhaltspflichtige an mehr als zwei Unterhaltsberechtigte bezahlt, er also in Summe einer höheren Unterhaltslast gegenübersteht als der "Grundfall" der Düsseldorfer Tabelle es vorsieht, ist es billig, je weiteren Unterhaltsberechtigten einen um eine Einkommensstufe reduzierten Unterhalt zu bezahlen ("Herabstufung"). Der Mindestunterhalt (100%) bildet die nicht weiter reduzierbare Basis. Umgekehrt ist der Unterhalt der nächst höheren Einkommensstufe zu entnehmen, wenn der Pflichtige ohne weitere Unterhaltsverpflichtungen nur den streitgegenständlichen Kindesunterhalt bezahlt.

Von dem so ermittelten Tabellenbetrag ist die Hälfte des Kindergeldes, wenn ein Fall des § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB vorliegt, und in allen anderen Fällen das volle Kindergeld abzuziehen, § 1612b BGB. Das Kindergeld, nach dem Einkommensteuerrecht eigentlich eine vorab gewährte Steuervergünstigung für die Eltern, wird unterhaltsrechtlich damit wie ein Einkommen des Kindes behandelt, das seine Bedürftigkeit senkt.

Der Kindesunterhalt: Leistungsfähigkeit

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Aus dem Gedanken, dass niemand durch Leistung von Unterhalt selbst bedürftig werden soll oder der Sozialhilfe anheim fällt, besteht die Möglichkeit der Geltendmachung der Einrede der mangelnden Leistungsfähigkeit nach § 1603 BGB. Aus der Ausgestaltung als Einrede folgt, dass der Unterhaltsverpflichtete für die Darlegung der mangelnden Leistungsfähigkeit darlegungs- und beweispflichtig ist. Es bestehen aus dem Sozialhilferecht abgeleitete und in der Düsseldorfer Tabelle bzw. den Leitlinien veröffentlichte Beträge, die dem Unterhaltsverpflichteten monatlich zur Sicherung seiner Existenz bleiben müssen. Dieser notwendige Eigenbedarf oder Selbstbehalt beträgt in 2016 nach der Düsseldorfer Tabelle für Erwerbstätige 1080 € (und für nicht Erwerbstätige 880 €). In dem Betrag sind rechnerisch 380 € Wohnkosten vergleichbar einer Warmmiete enthalten, so dass der Betrag bei abweichenden notwendigen Wohnkosten anzupassen ist.

Dabei ist der Maßstab, welche Anforderungen an die Unterhaltsobliegenheit des Unterhaltsverpflichteten gestellt werden und welche Abzüge vom Einkommen im Rahmen der Bereinigung des Einkommens gestattet sind, um so strenger, je mehr der Mindestunterhalt der Kinder, und hier insbesondere der Mindestunterhalt der minderjährigen unverheirateten Kinder gemäß § 1603 Abs. 2 BGB gefährdet ist.

Der Elternunterhalt: Bedürftigkeit

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Eine Bedürftigkeit der Eltern des Unterhaltspflichtigen nach § 1602 Abs. 1 BGB besteht dann, wenn diese wegen Alters oder Krankheit ihren Unterhaltsbedarf nicht selbst decken können, etwa auch nicht durch Renten oder Leistungen der Pflegeversicherung. Wegen § 94 Absatz 1 S.3 SGB XII reduzieren ausnahmsweise auch Sozialleistungen die Bedürftigkeit. Ein bestehendes Vermögen ist zur Deckung des Bedarfs grundsätzlich heranzuziehen, § 1602 Abs. 2 BGB e contrario.

Der Elternunterhalt: Bedarf bzw. Höhe

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Nach § 1610 BGB bemisst sich die Höhe des Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen. Diese wird durch die erhaltenen Renten, Versicherungen und Sozialleistungen geprägt, so dass sich ein Unterhaltsanspruch nur ergibt, wenn die erhaltenen Leistungen hinter dem Mindestbedarf zurückbleiben. Es ist anerkannt, dass jeder Mensch einen Unterhaltsbedarf jedenfalls in Höhe seines Existenzminimums hat, das unterhaltsrechtlich wiederum schlüssig dem notwendigen Eigenbedarf oder Selbstbehalt zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit entspricht (wie oben dargestellt 880 € für nicht Erwerbstätige). Ein Unterhaltsbedarf ergibt sich daher dann, wenn das Existenzminimum, das grundsätzlich von der Sozialhilfe gedeckt wird, im konkreten Fall etwa durch Kosten einer notwendigen Heimunterbringung erhöht ist. Die Heimunterbringung deckt regelmäßig den Bedarf des Unterhaltsberechtigten neben einem Taschengeld vollständig.

Der Elternunterhalt: Leistungsfähigkeit

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Im Gegensatz zum Unterhalt gegenüber Kindern ist der Teil des Einkommens, der gegenüber Eltern dem Unterhaltspflichtigen zu belassen ist, nicht auf dessen Existenzminimum beschränkt. Anders als Kinder, die sich schlicht nicht selbst unterhalten können, besteht die Erwartung, dass Eltern grundsätzlich für eine mögliche Bedürftigkeit wegen Krankheit oder Alter vorsorgen können und eine Unterhaltsverpflichtung anders als bei Kindern nicht zwingend entsteht. Diese Wertung berücksichtigt der Gesetzgeber auch in der Vorschrift über den Rang der Unterhaltsverpflichtungen nach § 1609 BGB. Der dem alleine lebenden Unterhaltsverpflichteten müssen nach der Düsseldorfer Tabelle 2016 1800 € zuzüglich der Hälfte des 1800 € übersteigenden Betrages bleiben, bei mit einem (ebenfalls unterhaltsberechtigten) Ehegatten zusammenlebenden Pflichtigen gelten höhere Beträge.

Der Elternunterhalt: Verwirkung

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Während eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs des minderjährigen Kindes aufgrund eines gegen den Verpflichteten gerichteten Verhaltens gemäß § 1611 Abs. 2 BGB vollständig ausgeschlossen ist, sind beim Elternunterhalt die Voraussetzungen des § 1611 Abs. 1 BGB regelmäßig Streitgegenstand, zumal der Anspruch oftmals nicht von den Unterhaltsberechtigten selbst, sondern etwa von den Heimträgern geltend gemacht werden, auf die der Anspruch übergegangen ist. Dabei ist die Rechtsprechung äußerst zurückhaltend in der Annahme einer Verwirkung nach § 1611 BGB.

Die Verwirkung nach § 1611 BGB ist abzugrenzen von der "allgemeinen" Verwirkung nach § 242 BGB wegen der längeren Nichtgeltendmachung eines Anspruchs. Hier besteht eine das gesamte Unterhaltsrecht durchziehende ständige Rechtsprechung, wonach bei einer Geltendmachung von rückständigem Unterhalt (unter den weiteren Voraussetzungen des § 1613 BGB) der Zeitraum von vor über einem Jahr regelmäßig verwirkt ist (Vorliegen von Zeitmoment und aufgrund des anzunehmenden Verbrauchs von Einkommen auch Umstandsmoment).