Examensrepetitorium Jura: BGB Allgemeiner Teil: Geschäftsfähigkeit


Die Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit, Willenserklärungen selbst voll wirksam abgeben und entgegen nehmen zu können. Geschäftsfähig können nur natürliche Personen sein, da juristische Personen keinen eigenen Willen bilden können, sondern sich von ihren Organen vertreten lassen müssen. Im Grundsatz liegt dem BGB ebenso wie den Grundgesetz das Bild des mündigen Menschen zu Grunde, der seine eigenen Entscheidungen treffen kann. Deshalb sind in den §§ 104 bis 113 BGB[1] nur die Sonderfälle geregelt, die es erforderlich machen, die Geschäftsfähigkeit einzuschränken, weil keine ausreichende Entscheidungsfähigkeit angenommen werden kann.

Man unterscheidet die Geschäftsunfähigkeit (§§ 104-105a) und die beschränkte Geschäftsfähigkeit (§§ 106-111) sowie die Teilgeschäftsfähigkeit (§§ 112, 113). Daneben differenziert man bei der Geschäftsunfähigkeit noch zwischen der partiellen und der relativen Geschäftsunfähigkeit.


Abgrenzung zu anderen „Fähigkeiten“

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Die Geschäftsfähigkeit ist von den anderen "Fähigkeiten", die das Zivilrecht außerdem kennt, zu unterscheiden.

Fähigkeit = Fhk.

 Geschäftsfhk.Rechtsfhk.Deliktsfhk.Testierfhk.Ehemündigkeit
Inhalt Fhk., selbständig voll wirksame Willenserklärungen abzugeben Fhk., Träger von Rechten und Pflichten zu sein Fhk., eine deliktische Handlung vorzunehmen Fhk., ein Testament zu errichten Fhk., in die Ehe einzutreten
nicht vorhanden
  • 0 bis 6 Jahre
  • dauerhafte, krankhafte Störung der Geistestätigkeit
-----
  • 0 bis 6 Jahre
  • 7 bis 10 Jahre bei nicht vorsätzlicher Herbeiführung eines Unfalls mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienen- oder Schwebebahn
  • bis 18 Jahre, wenn die erforderliche Einsicht zur Verantwortlichkeit fehlt
  • Bewusstlosigkeit
  • dauerhafte, krankhafte Störung der Geistestätigkeit
  • 0 bis 15 Jahre
  • krankhafte Störung der Geistestätigkeit
  • Geistesschwäche
  • Bewusstseinsstörung

grds. bis zum Eintritt der Volljährigkeit (18 Jahre)

beschränkt 7 bis 17 Jahre ----- ----- ----- -----
voll ab 18 Jahre mit der Vollendung der Geburt (bis zum Tod) ab 18 Jahre ab 16 Jahre; (Keine Gültigkeit für eigenhändig errichtetes Testament nach §2247 IV)
  • grds. ab 18 Jahre
  • mit Befreiung vom Familiengericht ab 16 Jahre

(Kurz-)Übersicht über die Geschäftsfähigkeit

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Geschäfts-           beschränkte Ge-       volle Geschäfts-
unfähigkeit          schäftsfähigkeit         fähigkeit
                                                
  § 104                  §§ 106 ff.           §§ 2, 106

• 0 bis 6 Jahre      • 7 bis 17 Jahre      • ab einschließ-
• dauerhafte,                                lich 18 Jahre
  krankhafte
  Störung der Geis-
  testätigkeit

                                                
• alle WE nich-      • Folge abhängig      • alle WE grds. voll
  tig (§ 105 I)        von Art des Ge-       wirksam
• Ausn.: § 105a        schäfts

 Handeln durch
  gesetzl. Ver-
  treter


Geschäftsunfähigkeit

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Die Geschäftunfähigkeit ist in § 104 geregelt, in §§ 105, 105a Folgen und Ausnahmen.

Tatbestand

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Nach § 104 ist geschäftsunfähig, wer

  1. nicht das siebente Lebensjahr überschritten hat (Mit dem siebten Geburtstag ist das Kind also nicht mehr geschäftsunfähig)
  2. sich in einem die freie Willenbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.

Die zweite Möglichkeit bedeutet, dass jemand, der eine dauerhafte, krankhafte Störung der Geistestätigkeit hat, ebenfalls geschäftsunfähig ist. Dabei ist aber zu beachten, dass Willenserklärungen, die in einem sog. "lichten Moment" (lucidum intervallum) abgegeben werden, voll wirksam sind.

Rechtsfolge

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Nach § 105 I sind Willenserklärungen, die ein Geschäftsunfähiger abgibt, nichtig. Auch die Entgegennahme von Willenserklärungen ist nach § 131 Abs. 1 unwirksam. Dasselbe gilt für Willenserklärungen in fremdem Namen als Stellvertreter, wie sich aus § 105 und im Umkehrschluss aus § 165 ergibt.

Sollte jemand z.B. in Folge von Drogenkonsum oder Alkoholgenuss vorübergehend bewusstlos sein oder in seiner Geistestätigkeit gestört sein, ist auch seine Willenserklärung nichtig (§ 105 II).

Geschäfte des täglichen Lebens

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Tätigt ein volljähriger (!) Geschäftsunfähiger ein sog. Geschäft des täglichen Lebens, das mit geringwertigen Mitteln getätigt wird, so gilt der geschlossene Vertrag als wirksam, wenn Leistung und ggf. Gegenleistung bewirkt sind, § 105a S. 1. Ziel ist die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit und der sozialen Integration der Betroffenen. Rechtsfolge ist nach h.M. die Teilwirksamkeit des Vertrages. Er stellteinen Rechtsgrund zum Behaltendürfen der jeweiligen Leistungen dar und begründet die vertragliche Haftung des Geschäftspartners. Dagegen haftet der Geschäftsunfähige nicht. Eingeschränkt wird dies zum Schutze des Geschäftsunfähigen durch S. 2, wenn eine erhebliche Gefahr für die Person oder das Vermögen des Geschäftsunfähigen besteht.

Partielle Geschäftsunfähigkeit

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Partiell ist die Geschäftsunfähigkeit, wenn sie auf bestimmte Angelegenheiten beschränkt ist. Dies ist bspw. beim "Querulantenwahn" für die Prozessführung oder bei krankhafter Eifersucht für die Ehe anzunehmen.

Vom BGH abgelehnt wird hingegen die Figur der relativen Geschäftsunfähigkeit. Sie soll nur nur besonders schwerwiegende, nicht alltägliche Rechtsgeschäfte betreffen. Auf Grund der schwierig Abgrenzungsfragen und der daraus folgenden großen Rechtsunsicherheit, wird die relative Geschäftsfähigkeit nicht anerkannt.

Beschränkte Geschäftsfähigkeit

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Gemäß §§ 2, 106 ist derjenige beschränkt geschäftsfähig, der mindestens 7, aber noch nicht 18 Jahre alt ist. Die Rechtsfolgen dieser beschränkten Geschäftsfähigkeit bestimmen sich nach §§ 107 bis 111.

Kurzübersicht

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Diese Kurzübersicht kann auch als Prüfungsschema benutzt werden. Dabei müssen aber die hier nicht eingearbeiteten Fristen und Besonderheiten der §§ beachtet werden.

Voraussetzung: • WE eines Minderjährigen
               • Mj-keit richtet sich
                 nach §§ 2, 106
                  7 bis einschließlich 17 Jahre

          § 107lediglich rechtlicher Vorteil?
            │
   ┌────────┴────────┐
   │                 │
   ja              nein
   │                 │
   │          Einwilligung? (§ 107)
   │                 │
   │       ┌ ja ─────┤
   │       │        nein
   ├───────┘         │
   │          "Taschengeld"? (§ 110)
   │                 │
   │       ┌ ja ─────┤
   │       │        nein
   ├───────┘         │
   │          Genehmigung? (§ 108 I)
   │                 │
   │       ┌ ja ─────┤
   │       │        nein
   ├───────┘         │
   │                 │
 WE des Mj         WE des Mj
 = wirksam         = unwirksam


Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, § 107

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Demnach ist eine abgegebene Willenserklärung eines Minderjährigen wirksam, wenn er damit einen lediglich rechtlichen Vorteil erlangt (§ 107). Andernfalls ist der Vertrag schwebend unwirksam und bedarf zu seinem Wirksamwerden der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.


Rechtsgeschäfte sind lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn sie die Rechtsstellung des Minderjährigen nicht schlechtern, indem sie ein bestehendes Recht aufheben oder einschränken, oder ihm zusätzliche Pflichten übertragen. Nur dann betrachtet das BGB den Minderjährigen als nicht schutzbedürfig. Ein rein wirtschaftlicher Vorteil ist demgegenüber unbeachtlich! Daraus folgt, dass auch eine WE auf Abschluss eines Kaufvertrages, bei dem der Minderjährige einen wirtschaftlichen Gewinn erzielen würde, rechtlich nachteilhaft ist. Grund dafür ist, dass auch den Minderjährigen eine Verpflichtung trifft, entweder Geld zu zahlen oder das Eigentum zu übertragen. Gleiches gilt für den Tausch, die Leihe oder sonstige zweiseitig verpflichtende Rechtsgeschäfte. Einseitig verpflichtende Rechtsgeschäfte, wie die Schenkung (teilweise mit Einschränkungen), sind nur rechtlich vorteilhaft, wenn der Minderjährige nicht der Verpflichtete ist.

Dem Telos der Norm entsprechend, den Minderjährigen zu schützen, wird § 107 aber reduziert, wenn der rechtliche Nachteil hinter dem Vorteil völlig zurücktritt.

Zu beachten sind folgende Probleme:

  • dingliche Belastung des erworbenen Rechts
→ Der Wert des erworbenen Rechts mindert sich um den belasteten Betrag. Beachte: Wenn die Belastung größer ist als der Wert des Rechts, würde der Minderjährige verpflichtet werden. Folglich wäre solch ein Rechtsgeschäft rechtlich nachteilhaft!
  • öffentliche Lasten
→ Steuern, Abgaben und Gebühren müssen auf Grund öffentlich-rechtlicher Gesetze von jedermann gezahlt werden. Somit sind diese Lasten keine direkten Folgen des Rechtsgeschäfts und damit ist dieses nicht rechtlich nachteilhaft.
  • zivilrechtliche Folgewirkungen
→ Sollte jemand durch bspw. die Übereignung eines Hauses danach gemäß § 566 in die bestehenden Mietverträge eintreten, ist dies auf Grund der dadurch entstehenden Verpflichtung rechtlich nachteilhaft.

Weiterhin gibt es neutrale Geschäfte, wie z.B. die Stellvertretung, die weder Vorteile noch Nachteile bringen. Nach der h.M. sind solche Geschäfte zustimmungsfrei.

Sollte ein Rechtgeschäft nicht rechtlich vorteilhaft sein, benötigt der Minderjährige eine Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters (vorherige Zustimmung, § 183 S. 1), § 107. Diese kann der gesetzliche Vertreter z.B. in der Höhe des zu leistenden Geldbetrages einschränken.

Anmerkung: Auch beim Zugang von WE kommt es auf den lediglich rechtlichen Vorteil oder die Einwilligung an. Ist eines von beiden nicht gegeben, so wird die WE erst wirksam, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht. (§ 131 II)

Schwebend unwirksame Verträge, §§ 108, 109

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Schließt der Minderjährige ein Rechtgeschäft ohne Einwilligung ab, haben die gesetzlichen Vertreter die Möglichkeit, ihre Genehmigung zu erteilen und damit das schwebend unwirksame Rechtsgeschäft voll wirksam werden zu lassen, § 108. Dabei sind u.U. bestimmte Fristen zu beachten. Werden nämlich die Vertreter aufgefordert, eine Erklärung abzugeben, können sie diese Erklärung nur dem Auffordernden gegenüber abgeben. Dies muss innerhalb von zwei Wochen nach Empfang der Aufforderung geschehen, sonst gilt die Genehmigung als verweigert. Ebenso erlischt mit der Aufforderung zur Erklärung über eine Genehmigung alles, was zum Minderjährigen über die Genehmigung gesagt wurde. Wird der Minderjährige in der Zwischenzeit volljährig, tritt seine Genehmigung an die seiner Vertreter.

Zitat § 109:

(1) Bis zur Genhmigung des Vertrags ist der andere Teil zum Widerruf
berechtigt. Der Widerruf kann auch dem Minderjährigen gegenüber er-
klärt werden.
(2) Hat der andere Teil die Minderjährigkeit gekannt, so kann er nur
widerrufen, wenn der Minderjährige der Wahrheit zuwider die Einwil-
ligung des Vertreters behauptet hat; er kann auch in diesem Falle
nicht widerrufen, wenn ihm das Fehlen der Einwilligung bei dem Ab-
schluss des Vertrags bekannt war.

Bewirken der Leistung mit eigenen Mitteln, § 110

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§ 110 wird auch als "Taschengeldparagraph" bezeichnet. Hiernach gilt ein Vertrag als von Anfang an wirksam, obwohl keine Zustimmung (Einwilligung oder Genehmigung) vorliegt, wenn der Minderjährige die Leistung vollständig mit Mitteln bewirkt, die ihm sein gesetzlicher Vertreter oder ein Dritter mit der Zustimmung des Vertreters zu dem Zweck oder zur freien Verfügung überlassen haben. Dogmatisch wird in diesem Fall von einer schlüssigen Einwilligung mit Überlassen der Mittel ausgegangen. Ausgenommen von dieser konkludenten Einwilligung sind Geschäfte, die offensichtlich dem Kindeswohl widersprechen, insbesondere der Kauf von Waffen oder Alkohol.

Von der Einwilligung umfasst sind in der Regel auch Folgegeschäfte über den mit den überlassenen Mitteln erworbenen Gegenstand, soweit der Wert des Erlangten mit dem der ursprünglich überlassenen Mittel noch in etwa übereinstimmt. Kauft sich der Minderjährige hingegen z.B. ein Lotterielos und gewinnt, sind Folgegeschäfte mit dem Gewinn nicht mehr von der Einwilligung umfasst.

Zu achten ist auf die Fiktion ("gilt"), dass der Vertrag von Anfang an als wirksam anzusehen ist. Dies ist allerdings nur der Fall, wenn der Minderjährige die vollständige Leistung bewirkt hat. Deshalb kann ein Minderjähriger auch Ratenkäufe abschließen. Der Vertrag wird aber erst als von Anfang an wirksam betrachtet, wenn alle Raten vollständig bezahlt sind.

Der gesetzliche Vertreter hat hier auch weiterhin die Möglichkeit seine Einwilligung einzuschränken und so bestimmte Geschäfte auszuschließen.

Einseitige Rechtsgeschäfte, § 111

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Für ein einseitiges Rechtsgeschäft (z. B. Kündigung, Anfechtung) ist stets eine Einwilligung des Vertreters erforderlich. Hat der minderjährige die Einwilligung des Vertreters, legt sie aber dem Empfänger nicht schriftlich vor, wird sie wirksam, wenn der Empfänger sie nicht unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern, § 121 I 1) zurückweist. Zurückweisen kann der Empfänger die WE nicht, wenn er von der Einwilligung des Vetreters in Kenntnis gesetzt wurde.

Teilgeschäftsfähigkeit, §§ 112, 113

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Die §§ 112, 113 sind bei ausführlicher Lektüre gut zu verstehen. Große Besonderheiten treten hier idR. nicht auf. Ausbildungsverträge werden von § 113 nicht umfasst; die Ausbildung bildet den Mittelpunkt, nicht der Dienst oder die Arbeit. Praktische Bedeutung kommt diesen Paragraphen auf Grund des Eintritts der Volljährigkeit mit 18 Jahren kaum noch zu.[2]

Fußnoten

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  1. Im Folgenden sind §§ ohne Kennzeichnung solche des BGB.
  2. Rüthers/Stadler, Allgemeiner Teil des BGB, 13. Aufl., München 2003, § 23 Rn. 39.