Erste Hilfe im Gelände/ Höhenkrankheiten

Die fünf „goldenen Regeln“ der Himalayan Rescue Association

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  1. Jeder kann höhenkrank werden, aber niemand muss daran sterben
  2. Jede Gesundheitsstörung in der Höhe ist so lange eine Höhenkrankheit, bis das Gegenteil bewiesen wurde
  3. Bei milder Höhenkrankheit kein weiterer Aufstieg
  4. Wird's schlimmer, Abstieg
  5. Personen auch mit milder Höhenkrankheit niemals alleine lassen

Einleitung

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Von Höhenkrankheiten spricht man bei Erkrankungen, die aufgrund des verringerten Umgebungsdruckes z. B. beim Höhenbergsteigen auftauchen können. Hierbei ist die Unterscheidung wichtig, ob die grundlegende Ursache in dem verringerten Umgebungsdruck liegt, oder ob es zu der Erkrankung auch auf Meereshöhe gekommen wäre.

Der Sauerstoffpartialdruck beträgt auf 5500 m nur noch die Hälfte, auf 8500 m nur noch ein Drittel des Druckes gemessen auf 0 m. Hinzu kommt, dass der Luftdruck in großen Höhen von der Nähe zu den Erdpolen abhängig ist. Je näher ein Gebirge an den Polen liegt, desto geringer ist der Luftdruck in großen Höhen.

Höhenstufen

1500–2500 m mittlere Höhen Sofortanpassung ist ausreichend
2500–5300 m große Höhen Akklimatisierung ist notwendig
5300–8848 m extreme Höhen Akklimatisierung ist nicht mehr möglich, Kurzaufenthalt durch Atemanpassung ist möglich

Sofortanpassung beschreibt einen Vorgang, der automatisch im gesunden menschlichen Körper stattfindet. Er ist gekennzeichnet durch schnellere Atmung und Steigerung des Pulses. Akklimatisierung beschreibt einen Vorgang, in dem der Mensch durch aktives Verhalten, wie z. B. hoch klettern, niedrig schlafen oder andere Akklimatisierungsstrategien seinen Körper an die Höhe gewöhnt.

Im folgenden werden in diesem Kapitel besondere medizinische Probleme dargestellt, die in großen Höhen auftreten können. Auf eine detaillierte Beschreibung von Akklimatisierungsstrategien wurde hierbei absichtlich verzichtet.

Milde akute Höhenkrankheit

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(engl. AMS, altitude mountain sickness), typisch in Höhen von 2500 bis 5500 m

Symptome:

  • Höhenkopfschmerz (Leitsymptom)

plus mindestens eines der folgenden Symptome:

  • Müdigkeit
  • Schwäche
  • Appetitlosigkeit
  • Übelkeit
  • Ruhepulserhöhung > 20 %
  • Atemnot unter Belastung
  • Schlaflosigkeit
  • häufige nächtliche Atempausen
  • Teilnahmsloses Verhalten
  • Unterhautödeme
  • unkoordinierte Muskelbewegungen, z. B. Gang- und Stehprobleme
  • plötzlicher Leistungsabfall
  • deutliche verringerte Flüssigkeitsausscheidungen über 24 h


Ein anderes Hilfsmittel zur AMS-Diagnose ist das Lake Louise Scoring System. Es unterscheidet 5 Leitsymptome und vergibt jedem Leitsymptom einen Punktewert von 0 bis 3. Hierbei gilt eine Summe von Punkten größer 3 als AMS.


Kopfschmerz 0 ohne 1 wenig 2 mittel 3 stark
Magen-/Darmsymptome 0 keine 1 kein Appetit, leichte Übelkeit 2 stärkere Übelkeit, Erbrechen 3 extreme Übelkeit, Erbrechen
Müdigkeit 0 keine 1 schlapp 2 müde 3 extreme Müdigkeit
Schwindel 0 kein 1 leichtes Schwindelgefühl 2 mittleres Schwindelgefühl 3 starkes Schwindelgefühl
Schlaflosigkeit 0 keine 1 ungewohnte Schlafstörungen 2 häufiges Aufwachen 3 kein Auge zumachen können


Der AMS kommt eine besondere Beachtung zu, da viele ernste Verläufe von akuten lebensbedrohlichen Höhenerkrankungen durch die Beachtung von AMS-Symptomen und dem richtigen Handeln hätten vermieden werden können. Der Gruppendruck, dem man sich häufig selbst aussetzt, indem man seine Kameraden nicht aufhalten will, können jedoch spätestens, wenn es zu ernsten, lebensbedrohlichen Erkrankungen kommt, das gesamte Vorhaben für alle in Frage stellen.


Maßnahmen:

  • kein weiterer Aufstieg
  • Ruhetag, d. h. völlige körperliche Inaktivität
  • bewusste Schnellatmung


Typischerweise verschwinden die Symptome nach 1 bis 2 Tagen. Verschlimmern sich die Symptome jedoch bis zum nächsten Morgen, muss abgestiegen werden. Bei schwerer AMS sofortiger Abstieg, ggf. als Abtransport durch seine Begleiter. Besonders die Geh- und Stehprobleme können ein selbständiges Absteigen unmöglich machen und große körperliche Anstrengungen können das Krankheitsbild deutlich verschlimmern.

Höhenbedingte Funktionsstörungen des Körpers

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Höhenreizhusten

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Ursache ist häufig die trockene Luft in großen Höhen, die Schleimhäute reizt. Die Folgen der insbesondere nächtlichen Hustenattacken können von Erschöpfungszuständen durch den gestörten nächtlichen Schlaf bis hin zu Rippenbrüchen reichen.

Maßnahmen Achtung! Keine codeinhaltigen Hustenblocker geben, da Codein die Atmung verlangsamt und somit schweren Höhenkrankheiten Vorschub leisten kann. Hustenmittel wie Capval oder Clobutinol sind, nach derzeitigem Wissen des Autors, zu bevorzugen, da sie den Husten dämpfen, ohne die Atmung zu verlangsamen. Dies kann und darf jedoch keine Medikamentenempfehlung sein und soll lediglich ein Ansatzpunkt für ein Gespräch mit dem Hausarzt des interessierten Lesers sein.

Augenhintergrund-Blutungen

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(engl. HARH, high altitude retinal hemorrhage) HARH kommt besonders in Höhen über 5000 m in den ersten Tagen mit einer Häufigkeit von über 50 % vor. Ursache Pressatmung unter Anstrengung in großer Höhe und Hustenattacken führen zu einer vorübergehenden Steigerung der Hirndruckes und somit auch zum Augeninnendruck, der wiederum die Äderchen in den Augen platzen lassen kann.

Maßnahmen Keine. HARH heilt in der Regel selbständig innerhalb von 7 bis 14 Tagen ab. HARH gilt jedoch als Warnsymptom für das höhenbedingte Hirnödem (HACE).

Unterhautödeme

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(engl. HALE, high altitude localised edeme)

Unterhautödeme, Blutergüsse unter der Haut, treten bei Frauen häufiger auf als bei Männern und betreffen typischerweise das Gesicht, insbesondere die Augenlider, sowie die Hände und Füße. Die Schwellungen sind unangenehm und spannen, verschlimmern sich in der Nacht und werden tagsüber besser.

Ursachen Anstrengungen, UV-Strahlung, Kälte und einschnürende Rucksackträger gelten als HALE-fördernd.

Maßnahmen Medizinische Therapie durch den Expeditionsarzt, ohne weitere Anzeichen von AMS jedoch kein unbedingter Abstieg.

Akute, lebensbedrohliche Höhenerkrankungen

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Höhenbedingtes Lungenödem

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(engl. HAPE, high altitude pulmonary edeme)

Eine allgemeine Beschreibung des Lungenödems findet man im Lungenödem bei der Pflegewiki.de.

Symptome:

  • akuter Leistungsabfall (Warnzeichen)
  • Pulsanstieg
  • Atemnot unter Anstrengung, später auch im Ruhezustand
  • trockener Reizhusten bis hin zu Husten mit blutig-schaumigem Auswurf
  • Druckgefühl hinter dem Brustbein
  • Übelkeit/Erbrechen
  • Urinausscheidungen unter 500 ml / 24 h
  • Fieber bis 38,5 °C
  • Ein flaches Hinlegen ist unmöglich

HAPE verschwindet bei schneller und richtiger Therapie komplett, kann aber ohne Therapie innerhalb von 24 h zum Tod führen.

Maßnahmen:

  • sofortiger Abtransport in tiefere Lagen unter Beachtung der Wärmeerhaltung
  • Lagerung mit erhöhtem Oberkörper (Grundlegende Erste Hilfe: wer schlecht Luft bekommt, bekommt den Oberkörper hoch)


Höhenbedingtes Hirnödem

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(engl. HACE, high altitude cranial edeme)

HACE wird auch als schwere AMS bezeichnet, woraus sich ableiten lässt, dass AMS ein HACE-Vorbote ist. Eine allgemeine Beschreibung des Hirnödems findet man in Wikipedia hier

Symptome:

  • Trittunsicherheit (Warnsignal)
  • extreme, medikamentenresistente Kopfschmerzen
  • Magen-/Darmprobleme
  • Schwindel
  • Sehstörungen, Lichtscheue, Halluzinationen
  • unangepasstes Verhalten
  • erhöhte Körpertemperatur
  • Bewusstseinsstörungen
  • Bewusstlosigkeit
  • Urinausscheidungen unter 500 ml / 24 h
  • neurologische Ausfallserscheinungen wie z. B. Krampfanfälle und Halbseitenlähmung

HACE hat eine hohe Sterblichkeitsrate, kommt häufig zusammen mit HAPE und ist grundsätzlich immer sehr ernst zu nehmen.

Maßnahmen:

  • sofortiger Abtransport in tiefere Lagen unter Beachtung der Wärmeerhaltung
  • Lagerung mit erhöhtem Oberkörper (eine Oberkörperhochlage verringert den Hirndruck)

Referenzen/Quellen

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Als Referenz für diesen Artikel biete ich das "Handbuch der Trekking- und Expeditionsmedizin" Franz Berghold, Wolfgang Schaffert an. Zu beziehen über den DAV Shop, auf der Webseite des Alpenvereins. Aber auch andere Quellen, wie z. B. die Empfehlungen der IKAR/CISA und der UIAA geben Hinweise auf dieses Thema.