Einführung in die Systemtheorie/ Gewöhnliche Differenzialgleichungen
Gewöhnliche Differenzialgleichungen
BearbeitenEine Differenzialgleichung (kurz DGL) ist eine Gleichung, die eine oder mehrere Ableitungen einer unbekannten Funktion enthält.[1]
Kommen Ableitungen nur bezüglich einer Variablen vor, spricht man von „gewöhnlichen Differenzialgleichungen“, wobei der Begriff „gewöhnlich“ sich darauf bezieht, dass die betrachtete Funktionen nur von einer Veränderlichen abhängt.
Mit den gewöhnlichen DGL-en lassen sich viele dynamische Systeme aus der Technik, Natur und Gesellschaft beschreiben. Viele auf den ersten Blick sehr verschiedene physikalische Probleme lassen sich mit der DGL jedoch formal identisch darstellen.
Gleichungen, deren Lösungen Funktionen mehrerer Variablen sind und die partielle Ableitungen dieser Funktionen enthalten, sind „partielle Differenzialgleichungen“.
Eine lineare DGL enthält die gesuchte Funktion und deren Ableitungen nur in der ersten Potenz. Es dürfen keine Produkte der gesuchten Funktion und ihren Ableitungen auftreten. Die gesuchte Funktion darf auch nicht in Argumenten von Winkelfunktionen, Logarithmen usw. erscheinen.
Nichtlineare Differenzialgleichungen sind nur in sehr seltenen Ausnahmefällen analytisch lösbar. Sie können mittels der numerischen zeitdiskreten Methoden gelöst werden
Ein dynamisches System kann durch das Aufstellen von Differenzialgleichungen modelliert werden. Dazu werden für sämtliche Energiespeicher des Systems die zugehörigen Bilanzgleichungen benötigt, die durch eine Differenzialgleichung 1. Ordnung beschrieben werden. Für jeden konzentrierten Energiespeicher entsteht eine Differenzialgleichung erster Ordnung. Das Ergebnis ist eine lineare zeitinvariante gewöhnliche DGL mit konstanten Koeffizienten.
Nach der Systemtheorie wird ein lineares dynamisches System g(t) durch einen oder mehrere Eingänge u(t) und einen oder mehrere Ausgänge y(t) beschrieben. Lineare Systeme mit mehreren Ein- und Ausgängen werden durch ein System von Differenzialgleichungen beschrieben.
Grundlagen der Differenzialgleichung
Bearbeiten- Notation zur Darstellung der Ableitungen[2]
In der Differenzialrechnung gibt es keine einheitliche Notation für Differenziale!
- Die formal korrekte Darstellung einer Ableitung einer Funktion f(x) lautet:
- oder
- (Leibnizsche Notation)
- Die gleiche Funktion in Kurzform: . (Lagrangesche Notation)
- Die 2. Ableitung dieser Funktion lautet:
- Bei höheren Ableitungen ist diese Kurzform nicht geeignet, stattdessen wird n = Zahl der Ableitungen in Klammern angegeben:
- Bei physikalischen Prozessen wird häufig nach der Zeit abgeleitet und dies bei der Kurzform durch Punkte gekennzeichnet.
- Beispiel: Geschwindigkeit v = Weg Δs / Zeit Δt.
- Bestimmung der Geschwindigkeit:
- Bestimmung der Geschwindigkeit in Kurzform: . (Newton'sche Notation)
- Bestimmung der Beschleunigung a als 2. Ableitung des Weges s:
- Allgemeine Definition
Eine Differenzialgleichung ist eine Gleichung, in der eine Funktion y(x) und deren Ableitungen auftreten. Gesucht ist die Funktion.
Beispiele für Formen gewöhnlicher DGL:
Eine gewöhnliche Differenzialgleichung erster Ordnung ist eine DGL, die nur die Ableitung erster Ordnung der gesuchten Funktion enthält, nicht jedoch höhere Ableitungen. Außerdem kann die DGL erster Ordnung noch die Funktion selbst, einen konstanten Term oder die unabhängige Variable enthalten.
Eine DGL erster Ordnung ist linear, wenn sie in folgender Form darstellbar ist.
Die Funktion g(t) wird als Störfunktion oder Störglied bezeichnet. Fehlt das Störglied, so handelt es sich um eine homogene lineare Differenzialgleichung erster Ordnung. Ist g(t) von Null verschieden, so wird die DGL als inhomogen bezeichnet. Der Zusatzterm g(t) ist die Inhomogenität.
- Mathematische Definition der Differenzialgleichung mit der Systemausgangsgröße y(t) als Variable
Eine gewöhnliche Differenzialgleichung (DGL) ist eine Bestimmungsgleichung für eine Funktion einer Variablen. Die Ordnung der DGL ist bestimmt durch die höchste auftretende Ableitung:
Eine Gleichung, in der gewöhnliche Ableitungen einer unbekannten Funktion y(t) bis zur n-ten Ordnung auftreten, wird als gewöhnliche DGL n-ter Ordnung bezeichnet. Eine gewöhnliche DGL n-ter Ordnung enthält als höchste Ableitung die n-te Ableitung y(n)(t) der unbekannten Funktion y(t). Sie kann auch Ableitungen niedrigerer Ordnung sowie die Funktion y(t) und deren unabhängige Variable t enthalten.
Eine DGL erster Ordnung heißt linear, wenn sie in der Form je nach Art der Variable wie folgt darstellbar ist:
Die DGL können in impliziter oder expliziter Form dargestellt werden.
In der impliziten Form lässt sich eine DGL n-ter Ordnung wie folgt beschreiben:
Ist die implizit dargestellte DGL nach der höchsten Ableitung y(n) auflösbar, so ergibt sich die explizite Form:
- Lösung einer Differenzialgleichung durch Separation der Variablen
Eines der bekanntesten Verfahren zum expliziten Lösen der DGL ist das Lösen durch Trennung der Variablen. Für die homogene DGL erster Ordnung ist das Standardlösungsverfahren die Trennung bzw. Separation der Variablen. Dabei wird die DGL auf eine Form gebracht, bei der die Variablen x und y nur noch in voneinander getrennten Termen auftreten. Die entstehende Gleichung kann dann sofort integriert werden.
Dazu werden alle Terme mit y auf die eine Seite der Gleichung gebracht, alle Terme mit x auf die andere.
- Beispiel der Lösung einer linearen DGL 1. Ordnung
Differenzialgleichung Rechenschritte Aufgabenstellung: Lösung der DGL nach dem Separationsverfahren. Die Gleichung wurde durch y2 dividiert und mit dx multipliziert. Beide Seiten der DGL wurden integriert. Lösung des Integrals. C1 auf beiden Seiten subtrahiert und C = C2 - C1 eingesetzt. Gleichung wurde nach y aufgelöst mit .
(C ist ein Element der reellen Zahlen)
Entstehung einer Differenzialgleichung
BearbeitenEine DGL ist eine Bestimmungsgleichung für eine unbekannte Funktion. Die Lösung einer DGL ist keine Zahl, sondern eine Funktion!
- Beispiel elektrischer Schwingkreis
Spannungsbilanz: Nach dem 2. Kirchhoffschen Satz ist Summe aller Spannungen einer Masche gleich Null.
Der Spannungsabfall am Widerstand R ergibt sich zu UR = i * R. Nach dem Induktionsgesetz ist die Spannung an der Induktivität UL = L * di / dt. Der Ladestrom am Kondensator ist proportional der Spannungsänderung am Kondensator i(t) = C * dy / dt.
Die Anwendung des Maschensatzes führt zunächst zu einer Differenzialgleichung 1. Ordnung:
Setzt man in die DGL für i(t):
ein, dann ergibt sich die Schwingungsgleichung:
Es können Zeitkonstanten wie T1 = R * C und T2² = L * C eingeführt werden. Ersetzt man auch die in der Systembeschreibung übliche Darstellung der Eingangsgröße u(t) und Ausgangsgröße y(t), dann lautet die bekannte DGL für einen Reihenschwingkreis:
oder in allgemeiner Darstellung:
Aus der Mechanik existiert das bekannte Beispiel einer linearen gewöhnlichen DGL eines schwingfähigen Systems mit der Federkraft c, Masse m und Dämpfung d. Eingangsgröße: Kraft F, Ausgangsgröße: Weg x
Es handelt sich hier in beiden Fällen um eine lineare gewöhnliche DGL 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Befinden sich beide Systeme in Ruhe, d. h. die Anfangswerte der Energiespeicher sind Null, dann ist der Verlauf einer Sprungantwort abhängig von der Größe der Koeffizienten a1 und a0, ob der Systemausgang y(t) aperiodisch oder gedämpft schwingend das Niveau des Eingangssprungs u(t) erreicht.
Derartige DGL-en können in eine allgemeine Form beliebiger Ordnung dargestellt werden für die in der Systembeschreibung üblichen Signalbezeichnungen der Ausgangsgröße y(t) und der Eingangsgröße u(t).
- Allgemeine Form einer DGL mit konstanten Koeffizienten ai der System-Ausgangsgröße und mit bi der System-Eingangsgröße
- Anmerkungen zur Form einer DGL aus der Sicht der Systemtheorie
- Die Koeffizienten der Terme der DGL enthalten die Parameter, aus denen die DGL entstanden ist. Es kann für die verschiedenen Lösungswege der DGL sinnvoll sein, den Koeffizienten der höchsten Ableitung an auf 1 zu beziehen, in dem sämtliche Terme durch an dividiert werden.
- Die Koeffizienten ai beziehen sich auf die Ableitungen der Ausgangsgröße y(t), deren Terme üblicherweise links des Gleichheitszeichens stehen.
- Die Koeffizienten bi beziehen sich auf die Ableitungen der Eingangsgröße u(t), deren Terme rechts des Gleichheitszeichens stehen.
- Die Ein- und Ausgangsgrößen y(t) und u(t) sind die Variablen der DGL.
- Der höchste Grad der Ableitung von gibt die Anzahl der Speicherelemente des Übertragungssystems wieder. Das Verhältnis der maximalen Ableitungen der Ausgangsgröße zur Eingangsgröße eines Übertragungssystems bezieht sich auf n ≥ m. In der Praxis sind nur Systeme n > m realisierbar.
Lösung gewöhnlicher linearer Differenzialgleichungen
Bearbeiten- Gesamtlösung einer inhomogenen DGL
- Ein lineares dynamisches Übertragungssystem mit dem Eingangssignal u(t) und dem Ausgangssignal y(t) wird durch eine gewöhnliche inhomogene DGL mit konstanten Koeffizienten beschrieben.
- Die Lösung einer inhomogenen DGL besteht aus der allgemeinen Lösung der homogenen DGL und einer speziellen Lösung (partikuläre Lösung) der inhomogenen DGL. Deshalb erfolgt das Lösungsverfahren der inhomogenen DGL unabhängig von der Ordnung in zwei Stufen. Die Gesamtlösung ist die Summe der beiden Lösungen:
- Die homogene Lösung der DGL beschreibt das Systemverhalten mit Anfangswerten der Systemspeicher zum Zeitpunkt t = 0 und dem Eingangssignal u(t) = 0. Die homogene Lösung der DGL ist 0, wenn alle Anfangsbedingungen von y(0) = 0 sind.
- Die partikuläre Lösung der DGL beschreibt das Übertragungsverhalten von y(t) für u(t) ≠ 0 als erzwungene Bewegung. Je nach Systemordnung müssen alle Anfangsbedingungen y(0) = 0 sein.
Ist die Übertragungsfunktion G(s) als Laplace-transformierte DGL gegeben, so ist die Berechnung des System-Ausgangssignals y(t) für ein gegebenes Eingangssignal Y(s) bei Anwendung der inversen Laplace-Transformation immer eine partikuläre Lösung.
Die partikuläre Lösung der DGL ist in der Regelungstechnik meist von hauptsächlichem Interesse.
- Die Gesamtlösung der inhomogenen DGL ist y(t) = yH(t) + yP(t)
- Integrationskonstante
- Die Lösung einer DGL erfolgt durch Integration. Die Integration ist keine eindeutige Rechenoperation, denn man erhält zu jeder Funktion f(x) verschiedene Stammfunktionen F(x) mit dem Begriff des unbestimmten Integrals.
- Bei der Integration wird zwischen dem bestimmten und dem unbestimmten Integral unterschieden. Die Stammfunktion F(x) ist Lösung des unbestimmten Integrals:
- Diese Lösung ist unbestimmt wegen der unbestimmten Integrationskonstante C.
- Jede Integration ergibt Integrationskonstanten, deren Anzahl durch die Ordnung der DGL bestimmt ist. Die Lösung einer DGL n-ter Ordnung enthält n voneinander unabhängige Integrationskonstanten. Diese sind für eine spezielle Lösung der DGL, abhängig von den Eigenwerten und gegebenen Anfangsbedingungen des Übertragungssystems, zu bestimmen.
- Anfangsbedingungen
- Als Übertragungsverhalten eines dynamischen Systems ist die Bewegung des Ausgangssignals y(t) dieses Systems in Abhängigkeit vom Eingangssignal u(t) bei verschwindenden Anfangsbedingungen definiert. Dieses Verhalten kennzeichnet die partikuläre Lösung der systembeschreibenden DGL.
- Die Anfangsbedingungen beschreiben einen speziellen Zustand des Übertragungssystems.
- Liegen Anfangswerte y(0), y'(0), …, y(n)(0) der Energiespeicher des Übertragungssystems vor, so wird der homogene Teil der DGL für das Eingangssignal u(t) = 0 gelöst.
- Die Lösung der homogenen DGL entspricht der freien Bewegung des Systems und ist abhängig von den Anfangswerten y(t = 0) = y(0) zum Zeitpunkt t = 0. Sind keine Anfangswerte gegeben, ist die homogene Lösung der DGL yH = 0.
- Lösungsschema der gewöhnlichen linearen DGL
- Die homogene (charakteristische) DGL beschreibt das Verhalten ohne Eingangsgröße (also für u(t) = 0), das sog. Eigenverhalten, d. h. das System bleibt, ausgehend von den Anfangswerten, sich selbst überlassen:
- Für diese DGL ist die homogene Lösung für yH(t) zu bestimmen.
- Mit Hilfe des Exponentialansatzes und der sich daraus ergebenden charakteristischen Gleichung lassen sich auch DGL höherer Ordnung lösen. Er gilt als universelles Lösungsverfahren für homogene DGL beliebiger Ordnungen mit konstanten Koeffizienten.
- Folgender Exponentialansatz für y(t) liefert Ableitungen der Form:
- Die Ableitungen des Lösungsansatzes ergeben sich zu:
- Werden diese Ableitungen in die oben stehende homogene DGL eingesetzt, entsteht die charakteristische Gleichung als Polynom n-ter Ordnung:
- Die homogene Lösung einer inhomogenen Differenzialgleichung lautet damit allgemein für den Fall reeller ungleicher Nullstellen λi:
- Anmerkung: Das Verfahren der Separation der Variablen auf lineare homogene DGL-gen ist auf DGL-gen 1. Ordnung beschränkt.
- Eigenwerte (Nullstellen)
- Unter der Nullstelle einer Funktion versteht man den Wert, der die Funktion zu Null macht. Zu unterscheiden sind reelle und konjugiert komplexe Nullstellen.
- Die Lösungen der Ableitungen des Exponentialansatzes für ein Beispiel 2. Ordnung lauten:
- Die Lösungen werden in die folgende homogene DGL 2. Ordnung eingesetzt:
- Damit entsteht die allgemeine Bestimmungsgleichung beliebiger Ordnung für die Eigenwerte von λi.
- Polynome mit λ zweiter Ordnung werden mit der Formel der gemischt-quadratische Gleichung gelöst. Für die Berechnung der Nullstellen von Polynomen höherer Ordnung sind gegebenenfalls aufwendige Rechenverfahren anzuwenden. Beispiele mit DGL-gen 2. Ordnung siehe nachfolgende Kapitel!
- Bestimmung der Integrationskonstanten
- Aus der charakteristischen DGL lassen sich bei gegebenen Koeffizienten mittels verschiedener Methoden die Nullstellen λi des Polynoms bestimmen.
- Die Berechnung der Integrationskonstanten Ci erfolgt durch Einsetzen der Anfangswerte von anstelle y(t) durch y(0)(t) und y'(0)(t) in die Gleichung der allgemeinen homogene Lösung mit dem Lösungsansatz
- Für ein Beispiel 2. Ordnung ergeben sich folgende zwei Gleichungen:
- Für yH(t) wird der Anfangswert von y(0)(t) eingesetzt und die Gleichung für t = 0 gerechnet. Damit verschwinden die exponentiellen Funktionen:
- In der zweiten Gleichung wird anstelle von yH(t) der Anfangswert der Ableitung y'(0)(t) eingesetzt. Danach folgen 2 mathematische Operationen:
- Die zwei Terme der Exponentialfunktionen werden einmal differenziert.
- Für die so behandelten zwei Terme wird t = 0 eingegeben, damit die Exponentialfunktionen verschwinden.
- Aus diesen zwei Gleichungen lassen sich die beiden Integrationskonstanten C1 und C2 algebraisch berechnen.
Homogene Lösung einer DGL 1. Ordnung
BearbeitenDie DGL der Beschreibung einer elektrischen Beschaltung mit einem Widerstands R im Eingang und einem Kondensator C mit dem Eingangssignal u(t) und dem Ausgangssignal y(t) am Kondensator lautet: [3]
Diese Gleichung wird so umgeformt, dass der Koeffizient der Ableitung R * C = 1 ist, in dem sämtliche Terme der Gleichung durch R*C dividiert werden und die Koeffizienten neu geordnet werden. Damit verschwindet der Koeffizient der Ableitung und wird zu 1.
Die Normalform der inhomogenen DGL 1. Ordnung lautet:
- Lösung der DGL 1. Ordnung
Die Gesamtlösung der gewöhnlichen DGL ergibt sich aus der Überlagerung der Systemantworten für die Anfangsbedingung und dem Eingangssignal:
Für die homogene Lösung der DGL wird das Eingangssignal u(t) gleich 0 gesetzt. Die Ausgangsgröße y(t) beschreibt das Verhalten des Systems g(t) für einen Anfangswert y(0) des Systemspeichers zum Zeitpunkt t ≥ 0:
Die homogene Lösung der DGL mit einem Anfangswert y(0) z. B. = 1 = 100 % lautet:
Die partikuläre Lösung der DGL geschieht mit Hilfe des Faltungsintegrals. Das Faltungsintegral beschreibt die Beziehung des Eingangssignals zum Ausgangssignal des Übertragungssystems g(t) im Zeitbereich.
- = Faltungsoperator
Das Faltungsintegral der DGL 1. Ordnung lautet:
Die partikuläre Lösung der DGL für einen Einheitssprung 1 für t ≥ 0 als Eingangssignal u(t) lautet:
Es ergeben sich für den normierten Eingangssignal-Sprung 1(t) mit dem Koeffizienten a0 je drei Fälle des Verhaltens des Ausgangssignal y(t) der homogenen und partikulären Lösung der DGL:
Einfluss Koeffizient a0 Signalverlauf des Ausgangssignals Koeffizient a0 > 0 yH(t) klingt exponentiell von der Anfangsbedingung y(0) auf 0 ab
yP(t) nähert sich von 0 exponentiell dem Endwert b0 / a0Koeffizient a0 = 0 yH(t) verbleibt an dem Niveau der Anfangsbedingung y(0)
yP(t) steigt von 0 rampenförmig stetig anKoeffizient a0 < 0 yH(t) wächst exponentiell über die Anfangsbedingung y(0) hinaus über alle Grenzen
yP(t) wächst von 0 exponentiell über alle Grenzen
Homogene Lösung einer DGL 2. Ordnung
BearbeitenEine Differenzialgleichung zweiter Ordnung ist eine Erweiterung der DGL erster Ordnung, bei der eine zusätzliche 2. Ableitung der gesuchten Funktion auftritt. Die technische Realisierung entspricht, abhängig von den Koeffizienten ai, untereinander einem Übertragungssystem mit zwei in Reihe geschalteten Verzögerungsgliedern 1. Ordnung (2 PT1-Glieder) mit reellen Polen oder einem Schwingungsglied mit konjugiert komplexen Polen und einer Dämpfung 1 > D > 0.
Eine DGL einer elektrischen Schaltung folgender Art ist gegeben:
Diese Gleichung wird so umgeformt, dass der Koeffizient der höchsten Ableitung a2 = 1 ist, indem sämtliche Terme der Gleichung durch a2 dividiert werden und die Koeffizienten neu geordnet werden. Damit verschwindet a2.
Die homogene Lösung der DGL 2. Ordnung lautet:
Die Ableitungen des Exponentialansatz werden in die homogene DGL eingesetzt
Diese charakteristische Gleichung ist für beliebige y erfüllt, wenn das charakteristische Polynom verschwindet.
Die Ermittlung der Eigenwerte (Nullstellen) erfolgt mit der bekannten Lösung der gemischt quadratischen Gleichung:
Anfangswertproblem der Integrationskonstanten Cn
BearbeitenEine homogene DGL n-ter Ordnung hat mindestens einen Anfangswert bis n Anfangswerte. Für die homogene DGL zweiter Ordnung mit zwei vorzugebenden Anfangswerten y0 > 0 und y'0 > 0 können die Integrationskonstanten C1 und C2 errechnet werden, wenn die Wurzeln der homogen DGL bekannt sind.
Die Integrationskonstanten C1 und C2 errechnen sich durch Vorgabe von Anfangswerten y0 und y'0, die anstelle von yH(t) der Lösungsgleichung der homogenen DGL 2. Ordnung eingesetzt werden. Damit ergeben sich zwei Gleichungen für die zwei Anfangswerte. Für yH = y0 wird die erste Gleichung für t = 0 bestimmt. Für die zweite Gleichung mit yH = y'0 wird erst die Ableitung der Gleichung und dann die Gleichung für t = 0 errechnet.
Beispiel für eine homogene DGL mit zwei reellen Wurzeln λ1 = -0,5 und λ2 = -1 und Anfangswerten der Energiespeicher y'0(t) = 1; y0(t) = 1:
Lösung der homogenen DGL 2. Ordnung:
Berechnung der Integrationskonstanten:
Aus den beiden Gleichungen von y0(t=0) und y'0(t=0) lassen sich die Integrationskonstanten C1 und C2 bestimmen.
Anmerkung: Die Ableitung d / dt von
Tabelle: Durch die verschiedenen Arten der Lösungen der Wurzel, bedingt durch die Größe des Radikanden, ergeben sich drei unterschiedliche Fälle der Eigenwerte λ der DGL wie:
Lösung der homogenen linearen Differenzialgleichung
2. Ordnung mit konstanten KoeffizientenWurzeln (Nullstellen) Anfangswertproblem
Bestimmung C1, C2Der Radikand > 0 hat 2 reelle Wurzeln
Der Radikand = 0 hat 2 gleiche Wurzeln
Der Radikand < 0 führt zu konjugiert komplexen Wurzeln
Berechnungsbeispiel der Lösung einer homogenen DGL 2. Ordnung mit reellen Nullstellen
Bearbeiten- Übertragungsfunktion
- Zugehörige systembeschreibende DGL
- Vorgegeben: Anfangswerte der Energiespeicher (Integratoren): y'0(t) = 1; y0(t) = 1;
- Vorgegeben: Eingangsgröße u(t) ist eine normierte Sprungfunktion 1 für t > 0.
- Für die homogene Lösung wird u(t) = 0 gesetzt.
- Errechnet: Es ergeben sich zwei reelle Wurzeln:
- Errechnet: Die Integrationskonstanten errechnen sich laut Tabelle mit C1 = -1; C2 = 2
- Analytische homogene Lösung laut Tabelle für zwei reelle Wurzeln:
- Mit den eingesetzten Zahlenwerten lautet die analytische Lösung der homogenen DGL wie folgt:
Berechnungsbeispiel der partikulären Lösung einer DGL 2. Ordnung mit der Laplace-Transformationstabelle
Bearbeiten- Vorgegeben:
- Eingangssignal: Sprungfunktion U(s) = 1 / s
- Übertragungsfunktion des Systems:
- Gesucht: Partikuläre Lösung yP(t) für die gegebene Übertragungsfunktion:
- Suchbegriff für die Laplace-Transformationstabelle:
- Errechnet:
- Die gefundene analytische Gleichung f(t) der partikulären Lösung laut Transformationstabelle durch Eingabe der Koeffizienten lautet:
Allgemeine Lösung der DGL 2. Ordnung mit Hilfe der Laplace-Transformation
BearbeitenDie partikuläre Lösung beschreibt das Übertragungsverhalten des Systems als Funktion des Eingangssignals u(t) und ist meist von hauptsächlichem Interesse. Die Anfangsbedingungen y(0) und y'(0) haben dabei den Wert 0.[4]
Die bereits durchgeführte partikuläre Lösung der DGL 1. Ordnung erfolgte über das Faltungsintegral. Die Berechnung des Faltungsintegrals ist jedoch aufwendig für Systeme höherer Ordnung. Die Zeitfunktionen g(t) und u(t) können sehr kompliziert werden, und damit ist das Faltungsintegral schwierig zu lösen.
Deshalb gestaltet sich der partikuläre Lösungsweg der DGL über die Laplace-Transformation mit anschließender Rücktransformation einfacher.
Lösung der gegebenen DGL 2. Ordnung:
Die Gleichung wird so umgeformt, dass der Koeffizient der höchsten Ableitung a2 = 1 wird, indem die restlichen Terme der Gleichung durch a2 dividiert wird und die Bezeichnung der übrigen Koeffizienten beibehalten wird.
Die Übertragungsfunktion eines Systems entsteht z.B. durch Austausch der zeitabhängigen Terme einer DGL mit den Laplace-Transformierten. Voraussetzung ist, dass die Anfangsbedingung des Systems Null ist. Je nach Grad der Ableitungen einer Funktion y(t) entstehen nach der Transformation folgende Laplace-Transformierte y(s):
Mit den transformierten Termen kann die Übertragungsfunktion des dynamischen Systems G(s) aufgestellt werden:
Polynome einer Übertragungsfunktion werden durch Nullstellenbestimmungen in Linearfaktoren (Grundpolynome: Monom, Binom und Trinom) zerlegt. Liegen Zahlenwerte der Koeffizienten einer Übertragungsfunktion 2. Ordnung vor, können die Pole (= Nullstellen im Nenner der Übertragungsfunktion) durch die bekannte Formel zur Lösung einer gemischt-quadratischen Gleichung ermittelt werden.
Durch die verschiedenen Arten der Lösungen der Pole bedingt durch die Größe des Radikanden der Wurzel ergeben sich drei unterschiedliche Fälle der Eigenwerte si der Übertragungsfunktion. Nachfolgend ist eine Korrespondenztabelle des s-Bereichs mit y(s) = u(s) * G(s) und des Zeitbereichs für y(t) für einen transformierten Eingangssprung u(t) = 1 → u(s) = 1 / s
Folgende Grundpolynome (Binome und Trinome bei konjugiert komplexen Polen) entstehen in Abhängigkeit von den Nullstellen. Die Lösungen der Übertragungsfunktionen als Sprungantwort im Zeitbereich sind einer Laplace-Transformationstabelle entnommen worden:
Die Laplace-Transformationstabellen können in zwei Formen der Produkt-Darstellung aufgeführt sein, wobei unterschiedliche Faktoren a0 und K berücksichtigt werden müssen. Die Umrechnung der Pole- Nullstellen in Zeitkonstanten ist einfach:
- Pole- Nullstellen-Darstellung (Stabiles System):
- Zeitkonstanten-Darstellung (Stabiles System):
f(s)
Übertragungsfunktion 2. Ordnung
Eingangssprung u(t) = 1 = Multiplikation mit 1/sf(t)
Partikuläre Lösung
Sprungantwort im ZeitbereichBestimmung der Pole s1 und s2
aus der Polynom-DarstellungDer Radikand > 0 hat 2 reelle Wurzeln
Der Radikand = 0 hat 2 gleiche Wurzeln
Der Radikand < 0 hat konjugiert komplexe Wurzeln
ω0 = Kreisfrequenz (ungedämpft) = 1 / T
Dämpfung D
Wird für den Fall der zwei reellen Wurzeln in die Gleichung für f(t) T1 = T2 eingesetzt, entsteht eine Division durch 0 (1 / (T1-T1), was nicht zulässig ist. Als „verschiedene“ Nullstellen gelten bereits Nullstellen, wenn sie sich in einer theoretisch unendlichen Dezimalstelle eines Wertes unterscheiden.
Die Gesamtlösung einer DGL ergibt sich aus der Überlagerung der Systemantworten auf die Anfangsbedingungen und auf das Eingangssignal:
Homogene Lösung einer DGL höherer Ordnung
BearbeitenBei DGL-en höherer Ordnung wird muss ebenfalls unterschieden werden, ob es sich um gleiche oder verschiedene Nullstellen handelt.
Für die homogene Lösung der DGL höherer Ordnung mit n verschiedenen Nullstellen: Für die homogene Lösung der DGL höherer Ordnung mit n gleichen Nullstellen:
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Prof. Dr. May-Britt Kallenrode, Universität Osnabrück, Fachbereich Physik: Vorlesungsmanuskript „Mathematik für Physiker“, Kapitel: „Differenzialgleichungen“, 611 Seiten, ausgestellt 2007.
- ↑ Prof. Dr. May-Britt Kallenrode, Universität Osnabrück, Fachbereich Physik: Vorlesungsmanuskript „Mathematik für Physiker“, Kapitel: „Differenzialrechnung“, 611 Seiten, ausgestellt 2007.
- ↑ Prof. Dr.-Ing. Oliver Nelles, Universität Siegen: Vorlesungskonzept Mess- und Regelungstechnik I, Kapitel: „Lösung der DGL 1. Ordnung“, 446 Seiten vom 8. Oktober 2009.
- ↑ Prof. Dr.-Ing. Oliver Nelles, Universität Siegen: Vorlesungskonzept Mess- und Regelungstechnik I, Kapitel: „Laplace-Transformation“, 446 Seiten vom 8. Oktober 2009.