Einführung in die Funktionentheorie/ Funktionen einer komplexen Veränderlichen

Definitionen

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Funktion einer komplexen Veränderlichen

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Einer Menge M von komplexen Zahlen z sei durch eine bestimmte Rechenvorschrift f je genau eine komplexe Zahl w zugeordnet. Dann bezeichnet man die Größe w als eine Funktion der Größe z und schreibt dies:


 


Die Menge M heißt Definitionsbereich D der Funktion f(z). Die Menge aller Zahlen, welche die "abhängige Variable" w annimmt, wenn die "unabhängige Variable" z alle Werte des Definitionsbereichs durchläuft, heißt Wertebereich W der Funktion. Die Zahl w, die durch die Funktion einer Zahl z zugeordnet ist, heißt der zu z gehörige Funktionswert w(z).

Es sei f eine Funktion von z und w der Funktionswert von z. Setzen wir


 


so sind u und v reelle Funktionen der beiden reellen Variablen x und y:


 


Man nennt u den reellen und v den imaginären Teil der Funktion f(z). (Der zweite Name ist natürlich nicht ganz korrekt, denn der "imaginäre Teil" ist ja eine reelle Funktion - genauso wie der "Imaginärteil" einer komplexen Zahl eine reelle Zahl ist. Aber diese Namenskonventionen sind bequem und haben sich daher durchgesetzt.)

Da wir es bei Funktionen einer komplexen Veränderlichen mit vier Variablen (x, y, u, v) zu tun haben, ist eine bequeme Veranschaulichung, wie wir sie von reellen Funktionen mit zwei oder auch drei Variablen kennen, nicht möglich. Bei einer Funktion f(x, y) von zwei reellen unabhängigen Variablen lässt sich ein Funktionswert z = f(x, y) als "Höhe" eines Punktes über der XY-Ebene darstellen, und die Gesamtheit der Funktionswerte bildet eine Fläche (ein "Gelände") im Raum. Bei Funktionen einer komplexen Variablen dagegen sind die Funktionswerte ebenfalls komplexe Zahlen, die sich als Punkte in der UV-Ebene darstellen lassen. Diese Punkte müssen dann auf irgendeine Weise mit den jeweils dazugehörigen Punkten der XY-Ebene verknüpft werden. Dies kann etwa dadurch geschehen, dass man für eine Anzahl von Kurven in der XY-Ebene (z. B. für die Geraden eines Gitternetzes) die dazugehörigen Bildkurven in der UV-Ebene konstruiert und zusätzlich eine Auswahl einander entsprechenden Punkten markiert.

Beispiel:


 


 
 

 

Grenzwert einer Funktion einer komplexen Veränderlichen

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Wie bei den reellen Funktionen spielt auch hier der Begriff des Grenzwerts eine wichtige Rolle, und er wird hier analog wie dort definiert:

Dem Definitionsbereich D einer Funktion f werde eine Zahlenfolge (zn) entnommen, die dem Grenzwert ζ zustrebt und deren Glieder sämtlich von ζ verschieden seien. Wenn für alle solche Zahlenfolgen die Folge (wn) der dazu gehörigen Funktionswerte wn = f(zn) demselben Grenzwert ω zustrebt, dann sagt man, es sei der Grenzwert von f(z) für z gegen ζ gleich ω, und schreibt dies:


 


Dieser Sachverhalt kann auch so ausgedrückt werden:

Für jede (noch so kleine) positive Zahl ε lässt sich stets eine andere positive Zahl δ angeben, so dass für


 


 

Stetigkeit

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Eine Funktion f(z) einer komplexen Veränderlichen z ist an der Stelle z = ζ stetig, wenn stets


 

ist. ("Stets" bedeutet hier: für jeden beliebigen Weg der Annäherung an den Wert ζ.)


 


Anders ausgedrückt: An einer Stelle, an der die Funktion stetig ist, fällt der Grenzwert der Funktion bei Annäherung an die Stelle ζ stets mit dem Funktionswert an der Stelle ζ zusammen.

Ist eine Funktion an jeder Stelle des Definitionsbereichs D stetig, so sagt man, sie sei im ganzen Definitionsbereich stetig.

Wie bei den reellen Funktionen gilt:

  • Jedes Polynom einer komplexen Veränderlichen z ist in der ganzen z-Ebene stetig.
  • Eine rationale Funktion von z ist überall dort stetig, wo sie definiert ist.
  • Eine Funktion f(z) = u(x, y) + i v(x, y) ist genau an den Stellen stetig, an denen die reellen Funktionen u und v stetig sind.

 

Potenzreihen als Funktionen einer komplexen Veränderlichen

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Eine (komplexe) Potenzreihe (siehe 1. Teil)


 


mit dem Mittelpunkt z0 und einem Konvergenzradius r > 0 hat für jeder Stelle z im Innern ihres Konvergenzkreises einen bestimmten Wert. Also wird durch die Potenzreihe jedem Wert z im Innern des Konvergenzkreises ein bestimmter Zahlenwert w zugeordnet. Genau dies ist aber das Kennzeichen einer Funktion. Also definiert die Potenzreihe im Innern ihres Konvergenzkreises eine bestimmte Funktion


 


Von dieser Funktion sagt man, sie sei durch die Potenzreihe dargestellt oder (in besonderen Fällen) sie sei in die Potenzreihe entwickelt.

Die durch Potenzreihen dargestellten oder darstellbaren Funktionen heißen analytische Funktionen.

Analytische Funktionen sind im Innern ihres Konvergenzkreises stetig und differenzierbar.

 

Polynomfunktionen

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Eine Funktion  , die durch einen Ausdruck der Form

 

gegeben ist, heißt Polynomfunktion. Man kann Polynomfunktionen auffassen als Potenzreihen, bei denen nur endlich viele Koeffizienten von null verschieden sind.

Der Fundamentalsatz der Algebra

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Jedes Polynom in  

 

dessen Grad   ist, hat mindestens eine Nullstelle. Das heißt: Wenn n eine natürliche Zahl ist und   beliebige komplexe Zahlen sind und   ist, so gibt es mindestens eine komplexe Zahl ζ, für die

 

ist.

Zerlegung ganzer rationaler Funktionen in Linearfaktoren

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Gegeben sei eine ganze rationale Funktion n-ten Grades der komplexen Veränderlichen z


 


und es sei z1 eine Nullstelle des Polynoms.

Dann ist, wie man leicht zeigen kann, dieses Polynom durch (zz1) ohne Rest teilbar. Die Division ergibt ein neues Polynom p1(z) von (n – 1). Grad, sodass


 


wobei der Koeffizient des höchsten Gliedes zn-1 wiederum an ist.


Wenn n > 1 ist, so ist (n – 1) > 0, und man kann auf p1 wiederum den Fundamentalsatz anwenden, wonach auch dieses Polynom mindestens eine Nullstelle z2 hat, woraus folgt

 


und so weiter. Schließlich erhält man für das ursprüngliche Polynom (und die ursprüngliche ganze rationale Funktion) die "Produktdarstellung"


 


Also gilt:

Jedes Polynom n-ten Grades (n>= 1) kann als Produkt von n Polynomen 1. Grades (sog. Linearfaktoren) und des Koeffizienten an dargestellt werden.

Daraus folgt sofort, dass ein Polynom n-ten Grades genau n Nullstellen hat, die aber nicht alle verschieden sein müssen. Vielmehr können jeweils mehrere der Nullstellen und damit jeweils mehrere der Linearfaktoren gleich sein.

Bezeichnen wir die voneinander verschiedenen Nullstellen mit ζ1, ζ2,..., ζk und die Häufigkeit ihres Auftretens der Reihe nach mit ν1, ν2,...,νk, so können wir die Produktdarstellen des Polynoms so schreiben:


 

Reelle Polynome einer komplexen Veränderlichen

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Ein Polynom einer komplexen Veränderlichen, dessen Koeffizienten ak alle reell sind, wird ein reelles Polynom genannt.

Hat ein reelles Polynom p(z) eine nicht reelle Nullstelle


 


so ist auch die zu z1 konjugierte komplexe Zahl


 


eine Nullstelle von p(z).

(Dieser Sachverhalt kann so begründet werden, dass beim Ausmultiplizieren der Linearfaktoren die Entstehung eines nicht reellen Koeffizienten nur dann verhindert wird, wenn komplexe Nullstellen paarweise konjugiert komplex auftreten.)

Das reelle Polynom p(z) ist dann durch das reelle Polynom zweiten Grades


 


ohne Rest teilbar. Der Quotient ist dann wiederum ein reelles Polynom, usw.

Folglich gilt:

Jedes reelle Polynom einer Veränderlichen, dessen Grad größer als 1 ist, kann in ein Produkt reeller Polynome ersten oder zweiten Grades zerlegt werden.


 

Rationale Funktionen

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Sind   und   zwei Polynome in  , so liefert der Quotient   eine Funktion, die außerhalb der (endlich vielen) Nullstellen von   definiert ist. Eine solche Funktion nennt man rationale Funktion. Da Potenzreihen in einem Punkt mit einem von null verschiedenen Wert invertierbar sind, die inverse Funktion also selbst durch eine Potenzreihe beschreibbar ist, sind rationale Funktionen analytisch.

Transzendente Funktionen einer komplexen Veränderlichen

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Die Exponentialfunktion

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Die Potenzreihe

 

worin x eine reelle Variable ist, ist beständig konvergent und definiert daher eine für alle Werte x stetige Funktion, die mit der Exponentialfunktion ex identisch ist.

Sie wird nun dazu benutzt, die Exponentialfunktion für komplexe Variable zu definieren. Da eine Potenz mit komplexem Exponenten von sich aus keinerlei Bedeutung hat, dürfte man diese ganz beliebig definieren. Eine solche Definition sollte jedoch nicht willkürlich geschehen, sondern die Zweckmäßigkeit und die Kontinuität berücksichtigen. Das bedeutet in diesem Fall, dass die Definition der Exponentialfunktion mit komplexem Exponenten für den Sonderfall eines reellen Exponenten (der ja auch eine komplexe Zahl ist) mit der Definition für reelle Exponenten übereinstimmt und dass die bisher gültigen Rechengesetze allenfalls erweitert, aber nicht außer Kraft gesetzt werden. Diese (und weitere Gesichtspunkte) berücksichtigt folgende Definition: Es ist


 


Zunächst erkennt man, dass die Definition für den Fall, dass z eine reelle Zahl ist, mit der eingangs angegebenen Definition übereinstimmt.

Ferner lässt sich zeigen, dass das Additionstheorem für die Exponentialfunktion weiterhin gilt, d. h. es ist


 


Ferner wird verabredet, dass für eine reelle Zahl a gelten soll:


 


Für eine reelle Zahl y folgt aus der Definition


 

 


woraus folgt


 


oder in der meist benutzten Form


 


Speziell folgt daraus


 


Setzt man z = x +i y, so ist


 


Aus dieser Gleichung kann der Wert von ez für jedes z berechnet werden.

In der trigonometrischen (oder goniometrischen) Form geschrieben, ist


 


Durch Vergleich der letzten beiden Gleichungen ergibt sich dann


 


Nach dem Additionstheorem der Exponentialfunktion ist


 


und wegen exp (2πi) = exp (ki) = 1 ist


 


wobei k irgendeine ganze (möglicherweise auch negative) Zahl ist.

Die Exponentialfunktion ist also periodisch mit der Periode 2πi. Daher folgt aus


 


dass


 


ist.

Die trigonometrischen Funktionen

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Analog zur Exponentialfunktion werden auch die Funktionen sin z und cos z für komplexe Argumente z durch die aus dem Reellen bekannten Potenzreihen eindeutig definiert:


 


 


Ferner wird definiert


 


und


 


Ähnliche Überlegungen und Untersuchungen wie oben bei der Exponentialfunktion bestätigen die Zweckmäßigkeit dieser Definitionen. Insbesondere lässt sich aus den Definitionen herleiten:

Die Eulerschen Formeln gelten auch für komplexe Zahlen z:


 


 


Die Additionstheoreme für Sinus und Kosinus gelten auch für komplexe Zahlen w und z:


 


 


Ebenso gilt


 


Durch Anwendung des Additionstheorems auf sin z = sin (x + i y) erhält man zunächst


 


Ersetzt man dann cos iy und sin iy durch die entsprechenden Exponentialfunktionen, so ergibt sich


 


und dann – unter Vorgriff auf die Hyperbelfunktionen -


 


und ebenso


 

Die Hyperbelfunktionen

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Ebenso wie bei den trigonometrischen Funktionen werden bei den Hyperbelfunktionen die Definitionen einfach auf komplexe Argumente übertragen:


 


Durch Vergleich ergibt sich auch


 


Über die Reihenentwicklung der jeweils rechts stehenden trigonometrischen Funktionen ergeben sich die beständig konvergenten Potenzreihen