Einführung in die Funktionentheorie/ Differentialrechnung von Funktionen einer komplexen Variablen

Differenzierbarkeit einer Funktion einer komplexen Variablen

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Eine Funktion   einer komplexen Variablen sei in einem Gebiet   der Zahlenebene definiert, und es sei   eine Stelle im Inneren dieses Gebietes.

Wenn der Differenzenquotient

 

oder – was dasselbe ist – der Differenzenquotient

 

konvergiert, dann heißt die Funktion   an der Stelle   differenzierbar. Der Grenzwert heißt (Wert der) Ableitung oder Differentialquotient der Funktion   an der Stelle  . Gebräuchlich sind dafür folgende Bezeichnungen

 

Beispiel einer Funktion, bei der dies nicht der Fall ist:

 


 


 
 

Für   (längs der Vertikalen) ist

 

für   (längs der Horizontalen) ist

 

für   (längs der unter 45° geneigten Geraden) ist

 

Es gilt   für (reelle)   dann und nur dann, wenn  . Also kann der Grenzwert   für   nicht existieren, d. h.,   ist in keinem Punkt   differenzierbar. Für den Nullpunkt gilt die Betrachtung

 

Also ist   im Nullpunkt differenzierbar mit  .

Ist die Funktion   in einem Gebiet definiert und an jeder Stelle des Gebietes differenzierbar (kurz: „in diesem Gebiet differenzierbar“), dann ist auch die Ableitung der Funktion eine in diesem Gebiet definierte Funktion. Sie wird bezeichnet mit

 

Jede in einem Punkt   differenzierbare Funktion ist dort auch stetig, aber nicht jede dort stetige Funktion ist auch differenzierbar (siehe unten).

 

Die Differentialgleichungen von Cauchy-Riemann

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Es soll nun untersucht werden, unter welchen Bedingungen eine Funktion einer komplexen Variablen differenzierbar ist.

Die Funktion w(z) = f(z) sei in einem Gebiet G definiert und in einem Punkt z0 im Innern dieses Gebietes differenzierbar.

Es sei

 


Wenn wir die Funktion f(z) wie oben (siehe 2. Teil) in ihren reellen und ihren imaginären Teil zerlegen, so erhalten wir


 


wobei u und v reelle Funktionen von z und somit auch von x und y sind.


Beispiel:


 

 


Wenn die Funktion f(z) an der Stelle z0 differenzierbar ist, so heißt das, dass der Differenzenquotient


 


für Δz gegen 0 einem Grenzwert G zustrebt. Gemäß der Definition der Konvergenz bedeutet dies, dass es für jede (noch so kleine) positive reelle Zahl δ eine reelle Zahl ε gibt, sodass


 


wird, wenn


 


ist.

Wir bezeichnen die von Δz abhängige, gegen 0 strebende (komplexe) Differenz zwischen dem Differenzenquotienten und G mit Δ:


 


und stellen auch Δ und G als komplexe Zahlen dar:


 


 


Setzen wir ferner


 

,


so wird aus Gleichung (1):


 


Wir multiplizieren nun diese Gleichung mit Δz = Δx + i Δy und trennen dann Realteil und Imaginärteil:


 


Realteil:


 


Imaginärteil:


 


Setzt man in (2) Δy = 0, lässt also nur Veränderungen in x-Richtung zu, und teilt dann durch Δx, so erhält man den partiellen Differenzenquotienten (nach x)


 


Für Δx gegen 0 geht auch Δ1 gegen 0, und man erhält die partielle Ableitung nach x


 


Setzt man dagegen in (2) Δx = 0, so erhält man analog die partielle Ableitung nach y


 


Entsprechend findet man aus (3)


 


Durch Vergleich der entsprechenden Gleichungen ergeben sich die Differentialgleichungen von Cauchy-Riemann


 

 


Aus (1) folgt für Δz gegen 0:


 


und weiter


 


Die Ableitung f '(z) kann also auf zwei verschiedene Weisen berechnet werden, die nicht notwendig zum selben Wert führen müssen, da die Funktionen u und v voneinander unabhängig sind.

Hieraus folgt: Sind u(x, y) und v(x, y) zwei beliebige , im Gebiet G definierte Funktionen der reellen Veränderlichen x und y, so ist die Funktion


 


der komplexen Veränderlichen z = x + i y im Allgemeinen nicht differenzierbar, auch wenn die Funktionen u(x, y) und v(x, y) überall in G nach x und y differenzierbar ("vollständig differenzierbar") sind. Für die Differenzierbarkeit von f(z) ist nämlich erforderlich, dass die Differentialgleichungen von Cauchy-Riemann erfüllt sind. Außerdem unterliegen die Funktionen u und v noch weiteren Beschränkungen, auf die gleich eingegangen wird.

Der reelle und der imaginäre Teil einer Funktion können also nicht unabhängig voneinander gewählt werden, wenn die Funktion differenzierbar sein soll. Aber auch jeder dieser Teile für sich ist noch besonderen Beschränkungen unterworfen. Darüber mehr im nächsten Kapitel.


 

Die Laplacesche Differentialgleichung

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Wenn eine Funktion f(z) einer komplexen Veränderlichen in einem Gebiet G einmal differenzierbar ist, so ist sie – anders als bei Funktionen reeller Veränderlicher – dort auch ein zweites Mal differenzierbar. (Hier zunächst ohne Beweis aufgeführt.) Aus der Existenz von f '(z) in einem Gebiet folgt also die Existenz von f "(z) in diesem Gebiet, daraus wieder die Existenz von f "'(z) usw. Also gilt:

Jede in einem Gebiet einmal differenzierbare Funktion einer komplexen Veränderlichen ist dort beliebig oft differenzierbar.


Wir betrachten nun wieder eine Funktion


 


und nehmen an, dass in einem Gebiet G sowohl die partiellen Ableitungen erster Ordnung als auch alle partiellen Ableitungen höherer Ordnung der Funktionen u(x, y) und v(x, y) existieren (was durchaus nicht selbstverständlich ist, da es sich ja hier um Funktionen reeller Veränderlicher handelt.). Dann erhält man aus den in G geltenden Gleichungen


 


durch nochmaliges partielles Differenzieren nach x die Gleichungen


 


Da nach dem Satz von SCHWARZ


 


ist, gilt


 


Durch partielles Differenzieren der Ausgangsgleichung nach y findet man analog


 


Es gilt daher der Satz:

Eine reelle Funktion u(x, y) kann nur dann der reelle oder der imaginäre Teil einer in einem Gebiet G differenzierbaren Funktion f(z) = f(x +i y) sein, wenn u in G alle partiellen Ableitungen erster und höherer Ordnung besitzt und wenn dort überall


 


ist. Für die Summe der zweiten partiellen Ableitung schreibt man auch kurz Δu, wobei Δ der Laplacesche Operator ist. Die Gleichung


 


heißt die Laplacesche Differentialgleichung.

 

Differentiationsregeln

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Potenzfunktionen

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Bei der Potenzfunktion einer komplexen Variablen


 


wobei n eine positive ganze Zahl sein soll, ist


 


und daher


 


und

 


Offensichtlich kann der Grenzwert berechnet werden, ohne dass irgendwelche Annahmen über den Weg des Grenzgangs gemacht werden müssen. Das bedeutet, dass der Grenzwert vom Weg unabhängig ist. Folglich ist die Funktion in der ganzen Z-Ebene differenzierbar.

Es fällt auf, dass bei der Berechnung der Ableitung nirgends berücksichtigt werden muss, dass z eine komplexe Variable ist. Das bedeutet, dass auch die folgenden Differentiationsregeln einfach von den Funktionen reeller Variabler übernommen werden können. Insbesondere können Summen von Potenzfunktionen gliedweise differenziert werden. Dies gilt im Inneren ihres Konvergenzkreises auch für Potenzreihen.


Potenzreihen

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Hat die Potenzreihe

 


einen positiven Konvergenzradius, so stellt sie im Inneren ihres Konvergenzbereichs eine Funktion f(z) dar. Diese Funktion hat dort Ableitungen jeder Ordnung, die durch gliedweise Differentiation berechnet werden. Also ist


 



 


und


 


Da


 


ist, kann man dafür auch schreiben


 


Ersetzt man hierin n - k durch n und dementsprechend n durch n + k, so ergibt sich die zum Rechnen bequemere Formel:


 


Hat eine Potenzreihe den Mittelpunkt z0 (statt wie oben den Mittelpunkt 0):


 


so kann sie durch die Koordinatentransformation ζ = zz0 auf die oben angegebene Form gebracht werden. Durch Rücktransformation ergibt sich für die k-te Ableitung dann


 


Potenzfunktionen und die durch Potenzreihen dargestellten Funktionen sind also (im Inneren ihres Konvergenzbereichs) reguläre (oder analytische) Funktionen.

Exponentialfunktion, trigonometrische und hyperbolische Funktionen

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Die Funktionen exp z, sin z, cos z, sinh z und cosh z sind auch im Komplexen durch beständig konvergente Potenzreihen dargestellt. Sie sind daher in der ganzen Z-Ebene regulär (oder analytisch). Durch gliedweise Differentiation der Potenzreihen findet man


 


 


Weitere wichtige Ableitungen gewinnt man über die Umkehrfunktionen.


Umkehrfunktionen und die Ableitungen weiterer Funktionen

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In einem Gebiet G sei eine reguläre (und somit differenzierbare und stetige) Funktion w = f(z) definiert, und jeder zum Definitionsbereich der Funktion gehörige Funktionswert trete nur einmal auf.

Dann gibt es zu jedem auftretenden Funktionswert w genau eine Zahl z derart, dass w = f(z) ist. Somit kann die Variable z als eine Funktion der Variablen w aufgefasst werden, wobei dann w die unabhängige und z die abhängige Variable ist. Auch die Begriffe "Definitionsbereich" und Wertebereich vertauschen dann ihre Rollen.

Die so definierte Funktion z = g(w) heißt die Umkehrfunktion oder inverse Funktion zu w = f(z).

Der Differenzenquotient der inversen Funktion ist


 


ihr Differentialquotient ist


 


Die Umkehrfunktion g(z) ist also in ihrem Definitionsbereich und für f' (z) ungleich 0 ebenfalls differenzierbar.

Unter Benutzung der Umkehrfunktion können nun weitere Funktionen differenziert werden.

Beispiel: Die Funktion

 


ist für


 


in der ganzen Ebene umkehrbar eindeutig. Ihre Umkehrfunktion ist


 


das ist der Hauptwert des natürlichen Logarithmus. Wegen


 

ist


 


Durch Vertauschung der Variablen ergibt sich die übliche Schreibweise