Einführung in das Quäkertum/ Leiden und Erlösung

Einleitung Bearbeiten

William Penn schrieb in "No Cross, No Crown" (1682), während der Gefangenschaft im Tower zu London (1668-1669):

„Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben!“ da Diejenigen, die in fleischlichen Lüsten und Begierden gefangen liegen, das Kreuz nicht erdulden können; und Solche, die das Kreuz nicht tragen, niemals eine Krone erlangen werden. Wollen wir mit herrschen, so müssen wir auch erst mit leiden![1]


Ich gehe so weit und behaupte: Ohne das Suffering-Konzept der Quäker verstanden zu haben, ist es nicht möglich das Quäkertum als ganzes zu verstehen. Das Quäkertum ohne Suffering währe wie die Katholische Kirche ohne Papst. Jemand mag Gottgefällig leben, handeln und denken aber dazu muss man kein Quäker sein. Das allein macht ein Quäker noch nicht aus. Das Friedenszeugnis teilen die Quäker auch mit anderen. So die Mennoniten und Buddhisten z.B. Dach das Zeugnis der Einfachheit haben andere. Z.B. die Bettelmönche und Asketen anderer Konfessionen. Oder das Zeugnis der Wahrhaftigkeit. Auch die Mennoniten lehnen das Schwören ab. Das Prinzip der Gleichheit steht im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und in den allgemeinen Erklärung der Menschenrecht der UN und ist schon bei den "True Levellers" also den "Wahre Gleichmacher" als Programm zu finden. Nein, alle vier Zeugnisse und auch nicht das "im jeden innewohnende Innere-Licht" ist ein Konzept was nicht irgend wo anders nicht auch schon proklamiert und praktiziert wurde. Auch nicht die Monats- Viertel- und Jahresversammlungen sind ein Alleinstellungsmerkmal der Quäker. Die buddhistischen Mönche hatten schon 2000 Jahre vorher ein ähnliches Konzept des sense of the meeting[2]. Es ist in meinen Augen allein das Suffering-Konzept was die Quäker einzigartig und revolutionär macht und was sie u.a. zu ihrem Fortbestehen verhalf.

Materialsammlung Bearbeiten

Das Meeting for Suffering Bearbeiten

Suffering bedeutet (er-)Leiden oder Erdulden. Hier in Sinne von Märtyrertum. Das Leiden für ihrer Überzeugung verstanden die Quäker als Zeichen und Beleg für eine wahrhafte Nachfolgerschaft Jesus. Auch das macht die Quäker noch nicht zu etwas besonderem. Auch die Mennoniten haben bereitwillig für ihrer Überzeugung gelitten (wofür sie übrigens bei den Quäkern hohes Ansehen genossen). Das Neue bei den Quäkern war die gezielte propagandistische Abschlachtung diesen Leidens. Es war kein stilles Erdulden sondern ein öffentlich zelebrierte Leiden. Die England und Teile Europas wurden regelrecht überflutet mit Flugblättern, in den die Quäker die Gräuel, die ihnen angetan wurden, anklagten. Zwischen 1655 und 1720 wurden über 300 Schriften nur alleine in den Niederlanden gedruckt. Zu dem wurde um massiv in einflussreichen Kreisen um Partei für sich geworben.

Das alles wurde schon früh koordiniert und organisiert. Noch lange bevor es die ersten Monats oder Jahresversammlungen gab. Die stelle wo das koordiniert wurde, war zu beginn Margaret Fell in Swarthmore Hall bei Kendal, welche später G. Fox heiratete und die Verfasserin des bekannten Friedenszeugnisses war. Nicht ohne Grund auch Hier flossen alle Berichte über Gräuel zusammen und hier wurde darüber beraten, wie damit um zu gehen ist. Später, als die Jahresversammlung gegründet wurde, ging die Aufgabe 1673 an das so genannte Morning Meeting über.[3]

Das Gremium war ungeheuer wichtig für die Gemeinschaft. Vielleicht sogar das wichtigste Gremium überhaupt. Es dient nicht nur der Verteidigung gegen Verfolgung, in dem es Gelder bereit stellte für Druckschriften und die Ungerechtigkeiten in einem sogenanntem Book of Cases als Präzedenzfälle fest gehalten wurden oder verfolgten Mitgliedern deren Eigentum beschlagnahmt wurde finanzielle Hilfe bot und sie in Gefängnissen besuchten und juristisch halfen.[4] Es war auch ein erfolgreiches Disziplinierungsmittel nach innen. Diese Gremium entschied auch darüber welche Prediger auf ihren Missionsreisen finanziell unterstützt werden. Durch dieses Gremium wurde auch indirekt oder direkt gesteuert, welche Theologischen Ausrichtungen gefordert und welche unterdrückt werden. Unliebsame Ansichten von Mitgliedern, konnten sanktioniert werden, dadurch, das ihrer Schriften nicht in Druck gingen. Oder das ihrer Missionsreisen nicht Finanziell oder Logistisch unterstützt wurden. Oder wenn Prediger mit unerwünschten Ansichten ins Gefängnis kamen, setzte man sich nicht mit voller Energie für dessen Freilassung ein. Und so weiter... Alles hat eben seine zwei Seiten.

In England, Holland und den Kolonien war das Meeting for Suffering sehr erfolgreich. Es konnten Finanzielle Härten abgefangen werden. Freilassungen erwirkten. Und Duldungen ausgehandelt werden. Das Meeting for Suffering war auch wichtig für die Missionserfolge, da es Konvertiken auch ökonomische Sicherheit versprach. Aber es gab auch Gebiete, in denen das Meeting for Suffering nicht seine Wirkung entfalten konnte. Das Schema der Quäkermissionare war, zunächst um jeden Preis zu provozieren und damit Aufmerksamkeit zu erregen. Die provozierten Reaktionen wurden dann Propagandistisch ausgeschlachtet.[5] Dabei wurde sehr planvoll und koordiniert vorgegangen. Zu den Häufigen Provokationen zählte das stören von Gottesdiensten und anklagende Reden, die Verweigerung des Kirchenzehnten, exzentrisches Auftreten, Verweigerung des Eid und Missachtung von Feiertagen.[6]

Weniger erfolgreich war dieses Konzept des Suffering in den sogenannten „dark countries“ zu den alle Katholischen Länder gehörten. Die Verfolgung war hier so erbarmungslos und auch schamlos, das das Suffering keine Wirkung entfalten konnte. John 'Love' Luffe bezahlte mit seinen Besuch und Misionierungsversuch bei Papst Alexander VII in Rom mit dem Leben. Und für Franciscus Mercurius van Helmont sah es eine weile auch nicht gut aus, ob wohl er beste Verbindungen zu höchsten Kreisen hatte.

Mit dem nachlassen der Verfolgung und den ablegen der aggressiven Missionierungsversuchen, verlagerten sich auch die Aufgaben des Meeting for Suffering im 18. Jahrhundert. Nun wurde nicht mehr nur für das eigene Wohl und eigenen Rechte gestritten sondern auch die der anderen. So lief der Lobbyismus der Quäker noch mal zur Höchstform auf bei der Sklavenbefreiung bzw. Sklavenhandel.[7] Auch hier vollbrachte das Meeting for Suffering Pionierleistung. Im Zuge der Kampagne gegen Sklavenhandel, organisierten die Quäker nämlich den ersten Historisch belegen Verbraucher-Boykott in der Geschichte. Eine damals völlig neue Form des friedlichen Widerstands.

Viele Formen des praktizierten Widerstands des Meeting for Suffering finden sich in den Strategien von Martin Luther King und Mahatma Gandhi wieder. Ich will keine direkte Linie ziehen, denn es gibt immer wieder verblüffende Parallelen in der Geschichte die in keinerlei Zusammenhang stehen oder stehen müssen. Aber die Parallelen auf zu Zeigen ist denke ich legitim. Sowohl Mahatma Gandhis als auch Martin Luther Kings Widerstand beruhte auf wohl kalkulierte Provokation und die Ausschlachtung der Reaktionen des Gegenübers.[8] Die Frage, ob die Techniken auch bei einem Regime wie dem Nationalsozialismus funktioniert hätten, würde ich mit nein beantworten. So wie es bei den Katholiken nicht funktioniert hätte, so hätte es auch bei einer Diktatur wie dem Nationalsozialismus nicht funktioniert. Es währe nur die Flucht geblieben. Alles andere hätte in der Selbstvernichtung oder der Selbstverleugnung geendet. So wie der Protest beim „Prager Frühling“ und die weltweite Entrüstung über deren Niederschlagung keine Wirkung bei der Kommunistischen Diktatur zeigte. Wo immer totalitäre System sind, die auf keine Kooperation mit Anderen angewiesen sind, da wird das Suffering-System keine Wirkung zeigen.

Gottes neue Welt - heaven on earth Bearbeiten

Wer sich wahrharhaft selbst verleugnet, ist ein Pilger, der Selbstsüchtige hingegen, ein Ansiedler in dieser Welt. Jener bedient sich ihrer, wie man Schiffe gebraucht, zur Überfahrt, um nach Hause zu kommen. Der Andere, - was er auch immer schwatzen mag, - sieht oder sorgt nicht weiter, als wie er sich hier am besten im Überflusse niederlassen und in Gemächlichlichkeit festsetzen möge; und dieses liebt er so sehr, daß er , wenn es in seine Macht stände, seinen Zustand nie vertauschen möchte. Er mag sich auch mit den Gedanken an eine andere Welt nicht beunruhigen, bis er endlich überzeugt wird, daß er nicht länger in dieser Welt leben kann.[9]

Parallelen und Beziehungen zu Mennoniten Bearbeiten

Die Mennoniten pflegten eine sehr ausgeprägte Gedächtniskultur,[...] So erschien fast 70 Jahre vor Joseph Besses "Collection of Suffering" (1753) bereits die zweit, mit jan Luyken Stichen illustrierte Auflage des stattlichen Märtyrerspiegels von Thieleman Jansz van Braght, das letzte und gewichtigste in einer langen Reihe deutsch- und niederländisch sprachiger Märtyrerbücher der Täufer und Mennoniten. In einem weiteren Sinne sahen sich sowohl Quäker als auch Mennoniten in der christlichen Märtyrertradition, einer historischen Gemeinschaft der rechtgläubig Leidenden.[10]

Er bezweifelte, 'ob sie [die Quäker] auch solche Probe aushalten werden, die Mennos Nachfolger ausgehalten haben, und Leben, Gut und Blut dafür riskieren, und das mit einem fröhlichen Gemüt.' Im Gegenteil - [der Quäker] Ames wage nicht, in reformierten, lutherischen, katholischen und jüdischen Gemeinden zu missionieren, 'vielleicht, weil er fürchtet, dort härter angegangen zu werden als bei uns, und Schläge als Lohn zu bekommen.[11]

Die Zeit der Blutigen Verfolgungen war zwar für die meisten Mennoniten des 17.Jahrhunderts längst vorbei, doch die Erinnerung an ihre Täufervorfahren bildete nach wie vor einen zentralen Bestandteil ihres Selbstverständnisses,[...] Auch die Quäker hatten seit James Parnells Tod im Gefängnis von Colchester (1656) einen (jugendlichen) Märtyrer, und drei Jahre später kamen auf spektakuläre Weise die "Boston Martyrs" Mary Dyer, W. Robinson und M. Stephenson hinzu. Auf solche aktuellen Fälle fokussierte die Gemeinschaft ihre Bemühungen, sich juristisch und durch gezielte Lobbyarbeit gegen die Verfolgung zur Wehr zu setzen. Angesichts andauernder Verfolgung und Ermangelung einer eigenen Märtyrergeschichte entwickelten sie einen gegenwartsbezogenen und offensiven Umgang mit >suffering<. [12]

[...] die Zahlung von Schutzgeldern durch die Mennoniten [war] eine von Quäkern abgelehnte Möglichkeit, Verfolgung zu vermeiden.[13]

Thesenvorschlag / Bewertungsversuch Bearbeiten

Gruppenaufgaben Bearbeiten

Zusatzaufgaben für Bibelfeste Bearbeiten

Fußnoten Bearbeiten

  1. 3. Kapitel, §6 wikisource.org
  2. H. W. Schumann, "Der historische Buddha", Eugen Diederichs Verlag, 7. Auflage, 1999, ISBN 3-424-01472-9, dort Seite 180-181
  3. Sünne Juterczenka, Über Gott und die Welt - Entzeitvisionen, Reformdebatten, und die europäische Quäkermission in der frühen Neuzeit, Vandenhoeck&Ruprecht, 2008, ISBN 978-3-525-35458-2, Seite 131
  4. Sünne Juterczenka, Über Gott und die Welt - Entzeitvisionen, Reformdebatten, und die europäische Quäkermission in der frühen Neuzeit, Vandenhoeck&Ruprecht, 2008, ISBN 978-3-525-35458-2, Seite 47
  5. Sünne Juterczenka, Über Gott und die Welt - Entzeitvisionen, Reformdebatten, und die europäische Quäkermission in der frühen Neuzeit, Vandenhoeck&Ruprecht, 2008, ISBN 978-3-525-35458-2, Seite 70–71
  6. Sünne Juterczenka, Über Gott und die Welt - Entzeitvisionen, Reformdebatten, und die europäische Quäkermission in der frühen Neuzeit, Vandenhoeck&Ruprecht, 2008, ISBN 978-3-525-35458-2, Seite 47
  7. Adam Hochschild, Sprengt die Ketten, Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2007
  8. vg. Ausführungen bei Daniel Moosbrugger, Die amerikanische Bürgerrechtsbewegung 'Schwarze Revolution' in den 1950er und 60er Jahren, 2004, ISBN 3-89821-415-X, Erschienen bei: Ibidem
  9. W. Penn, "no ckross, no crown", in der Übersetzung von 1825 "Ohne Kreuz keine Krone", Seite 56.
  10. Sünne Juterczenka, "Über Gott und die Welt - Entzeitvisionen, Reformdebatten, und die europäische Quäkermission in der frühen Neuzeit", Vandenhoeck&Ruprecht, 2008, ISBN 978-3-525-35458-2, Seite 233
  11. Sünne Juterczenka, "Über Gott und die Welt - Entzeitvisionen, Reformdebatten, und die europäische Quäkermission in der frühen Neuzeit", Vandenhoeck&Ruprecht, 2008, ISBN 978-3-525-35458-2, Seite 234
  12. Sünne Juterczenka, "Über Gott und die Welt - Entzeitvisionen, Reformdebatten, und die europäische Quäkermission in der frühen Neuzeit", Vandenhoeck&Ruprecht, 2008, ISBN 978-3-525-35458-2, Seite 235
  13. Sünne Juterczenka, "Über Gott und die Welt - Entzeitvisionen, Reformdebatten, und die europäische Quäkermission in der frühen Neuzeit", Vandenhoeck&Ruprecht, 2008, ISBN 978-3-525-35458-2, Seite 238