Dresden im Mittelalter/ Dresdner Persönlichkeiten im Mittelalter/ Peter von Dresden
Quellen
BearbeitenVerein für Geschichte Dresdens: Vortrag am 11. Dezember 1907
BearbeitenSonnabend den 14. Dezember 1907
Verein für Geschichte Dresdens
Im Dresdner Geschichtsverein sprach am 11. Dezember Herr Obernstudienrat Prof. Dr. Welzer über Peter von Dresden. Den Anlaß zu dem Vortrage gab die Auffindung einer kleinen Schrift Peters von Dresden, welche das einzige bis jetzt bekannte Zeugnis einer schriftstellerischen Tätigkeit desselben bildet. Redner zeigte zwei Tafeln mit photographischen Nachbildungen aus dieser Schrift. Peter war die erste bürgerliche Persönlichkeit Dresdens, die eine gewisse Bedeutung erlangt hat. Ältere Arbeiten über ihn sind wenig zuverlässig. Besseres Material hat Redner in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens, Heft 7 (1886) zusammengestellt. Im 19. Heft derselben Zeitschrift konstatiert Viktor Hantzsch, daß 1373 in Prag ein Petrus de Dreste baccalaureus artium wurde, offenbar der bekannte Peter, der um die Mitte des 15. Jahrhundert geboren wurde, nach Vollendung seiner Studien auswanderte und lange in Prag wirkte. Wie lange er hier weilte und in welcher Stellung, ist nicht bekannt. 1409 wanderte er von Prag infolge der damaligen Irrungen nach Sachsen zurück. Es läßt sich aber nicht ersehen, ob Peter danach in Zwickau und Chemnitz an einer Schule tätig war. Zwei richtige Funde verdanken wir dem Oberegierungsrat Ermisch: 1) eine in einem Stadtbuch von Dresden enthaltene Schulordnung der Kreuzschule, die älteste von dem Schulmeister und Stadtschreiber Nikolaus Thirmann (mitgeteilt von Ermisch im 13. Bande und behandelt von Melber im 14. Bande des Neuen Archivs für sächsische Geschichte), aus der wir erfahren, daß Peter hier wirklich Schulmeister war, und der wir manches Wichtige über den damaligen Zustand der Kreuzschule entnehmen; 2) ein Erlaß des Meißner Bischofs vom Jahre 1411, in dem allen Lehrern, außer an Universitäten, verboten wird, die Heilige Schrift zu lesen und zu erklären. Dieser Erlaß war gegen Peter und seine Genossen gerichtet. Aber nicht deshalb wanderte Peter aus. Die förmliche Ausweisung erfolgte wohl Anfang des Jahres 1413. Manche seiner Schüler, unter ihnen Johannes Drändorff, der erste mit Namen bekannte Kreuzschüler, folgten ihm nach Prag. Ob Peter dadurch veranlaßt wurde, nach Prag zu gehen, weil es hier schon eine von der Lehre der Kirche abweichende Gemeinde gab, oder ob er erst anfing, eine Gemeinde aufzubauen, läßt sich nicht entscheiden. Im Deutschen Reiche gab es damals viele Waldenser-Gemeinden, die als alleinige Norm die Heilige Schrift anerkannten. Peter war mit solchen Ideen schon durchtränkt, als er nach Dresden kam. Als Lokat stand Peter an der Kreuzschule ein gewisser Friedrich zur Seite, von dem wir sonst fast nichts erfahren, sowie ein Magister Nikolaus. Dieser wanderte auch nach Prag aus. Hier wirkten sie in der bursa am jetzigen „Graben“ nebst einem gewissen Nikolaus Englisch als Schulmeister. Unter den Prager Schülern wird besonders Bartholomäus Rautenstock genannt. Während von Nikolaus von Dresden eine ganze Reihe von Schriften, bis jetzt nur handschriftlich, erhalten ist, die einmal auf ihren Wert hin untersucht werden möchten, kennen wir von Peter keine Schrift religiösen Inhalts. Er war also vieleicht nur unterrichtlich tätig. Lehrsätze von ihm sind noch durchaus waldensisch, aber der Utroquismus kommt hinzu. Schon in Dresden soll er für die Austeilung des Abendmahls in beiderlei Gestalt eingetreten sein. Von seinen ferneren Schicksalen erfahren wir nur, daß er, nach Angabe einer Regensburger Chronik, 1421 in Regensburg verbrannt wurde. Das Schriftchen Peters, das 13 grammatikalische und einen musikalischen Traktat enthält, wurde erst nach der Neukatalogisierung der Prager Universitätsbibiliothek von Dr. Viktor Hantzsch in Prag entdeckt. Sein Inhalt ist nicht bedeutend; aber es ist immerhin wert, abgedruckt zu werden. Das Werkchen bewegt sich ganz in den Bahnen der damaligen Grammatik, die zu einer rein spekulativen Wissenschaft geworden war und die Sprache nach den Regeln des Denkens zu verbessern suchte.
R.
Erschienen mglw. im Dresdner Anzeiger
Hubert Georg Ermisch: Dresden und die Hussitenkriege
BearbeitenHubert Georg Ermisch (* 21. September 1883 in Dresden; † 11. November 1951 ebenda) war ein deutscher Architekt. Er „gilt als Erretter des Dresdner Zwingers“
Von jeher standen unser Land und unsere Stadt in engen Beziehungen zu dem Nachbarlande. Ganz Böhmen, namentlich auch die an Meißen angrenzenden Teile Nordböhmens, erfreute sich eines fruchtbaren Bodens, auf dem alle Arten Getreide, Hanf, Wein [42] und Hopfen gediehen, weite Wiesen die Viehzucht begünstigten, große Waldungen Bau- und Brennholz, Flüsse und Teiche Fische in Fülle lieferten; auch eine rege industrielle Tätigkeit hatte sich in diesen Gebieten entwickelt.[29] Da Meißen im Vergleiche dazu ein armes Land war, fand ein lebhafter Einfuhrverkehr von Böhmen aus statt, das umgekehrt Salz, Seefische und wohl auch Metalle vielfach aus und durch Meißen bezog. Aber auch geistige Güter tauschte man aus, namentlich seit in Prag die erste Universität in deutschen Landen entstanden war. In politischer Beziehung wechselten freundliche und feindliche Zeiten; vor allem waren die Grenzgebiete oft Gegenstand des Streites. Schon seit 1298 war Pirna mit seiner Umgebung im Besitz der böhmischen Krone. Eine weitere Umklammerung der meißnischen Gebiete gelang dem geschicktesten Diplomaten des 14. Jahrhunderts, dem Kaiser Karl IV.; er erwarb die Niederlausitz (1367), die wichtigen Elbplätze Strehla und Mühlberg, die Grenzfeste Eilenburg (1372); auch im Innern des Landes wußte er durch allerhand Begünstigungen so manchen der dort ansässigen Dynasten zum Verkauf oder zur Lehensauftragung seiner Besitzungen an die Krone Böhmen zu veranlassen.[30] Nur vorübergehend litt darunter sein freundschaftliches Verhältnis zu den Wettinern, wurde aber durch den Pirnaischen Vertrag vom 25. Nov. 1372 bald wieder hergestellt, ohne daß der König auf irgend eine seiner Erwerbungen verzichtet hätte.[31]
Nach dem Tode Karls IV. (1378) änderten sich die böhmisch-meißnischen Beziehungen. Karls schwacher Nachfolger König Wenzel setzte weder das freundliche Verhältnis zu den drei Linien, in die das Haus Wettin seit der Chemnitzer Teilung von 1382[32] zerfiel, noch auch die Erweiterungspolitik seines Vaters fort. Im Gegenteil gelang es dem bedeutendsten der damaligen Wettiner, dem Markgrafen Wilhelm I., die Ergebnisse dieser Erweiterungspolitik größtenteils rückgängig zu machen und namentlich die Grenzen des ihm durch jene Teilung zugefallenen Landes Meißen besser zu gestalten, als er sie übernommen hatte. Trotz des Widerstandes, den König Wenzel leistete, erwarb er 1397 durch Kauf die Herrschaft Eilenburg[33], bald darauf, zuerst pfandweise, dann dauernd die Stadt Mühlberg mit Strehla und der Herrschaft Würdenhain,[34] 1398 das als Grenzfeste gegen Nordböhmen wichtige Schloß Riesenburg nebst der bedeutenden dazu gehörigen Herrschaft, der Stadt Dux und dem Kloster Ossegg[35] und endlich mit Waffengewalt im Jahre 1402 Schloß und Herrschaft Dohna, die Burg Schreckenstein bei Aussig, das Schloß Weesenstein, 1405 Schloß und Stadt Pirna mit dem Städtlein Gottleuba, 1406 die starke Feste Königstein.[36] Er nötigte ferner 1402 Heinrich IX., Herrn zu Plauen, ihm das Oeffnungsrecht an seinen Schlössern Königswart und Würschengrün bei Eger, Konrad von Reytenbach und Benesch von der Duba dasselbe Recht an ihren Schlössern Graslitz bei Eger und Kostenblatt bei Teplitz zu übertragen,[37] und dies werden wohl nicht die einzigen derartigen [43] Verträge gewesen sein, die Wilhelm damals schloß. Rechnet man dazu, daß seine Neffen Friedrich IV., Wilhelm II. und Georg, denen in der Teilung das Osterland zugefallen war, die Städte Brüx und Laun pfandweise besaßen,[38] so sieht man, daß die Südgrenze unsres Landes gegen Böhmen hin jetzt bedeutend besser geschützt war als beim Tode Karls IV. Ohne diese Fürsorge hätte unser Land viel schwerer unter den Angriffen der hussitischen Scharen zu leiden gehabt, als dies dann der Fall war.
Dresden, das damals mit den Vorstädten und Altendresden etwa 3500 Einwohner zählte, soweit die Geschoßregister eine allerdings sehr unsichere Berechnung gestatten,[39] war als die der Grenze nächste bedeutendere Stadt der Mark Meißen sowohl an der Dohnaschen Fehde[40] als auch an den Kämpfen der folgenden Jahre – denn es fehlte nicht an Versuchen, die verlorenen Gebiete der Krone Böhmen wiederzugewinnen – vielfach beteiligt. So hören wir, daß die Stadt durch Sendung von Lebensmitteln und Mannschaften für den Grenzschutz sorgte, als es um 1409 den Böhmen gelang, vorübergehend die Stadt Dux in ihre Gewalt zu bringen; auch in den folgenden Jahren begegnen wir wiederholt ihren Truppen auf dem Königstein und auf der Riesenburg.[41] Zum Wach- und Kriegsdienst waren in erster Linie die waffenfähigen Bürger verpflichtet, die sich freilich immer häufiger durch Söldner vertreten ließen.[42] Bei der Teilung der Gebiete des 1407 verstorbenen Markgrafen Wilhelm I. war Dresden mit den Grenzorten gegen Böhmen: Pirna, Dohna, Dippoldiswalde, Dux, dem Königstein, der Riesenburg an Landgraf Friedrich den Jüngern, den Sohn des Landgrafen Balthasar, gefallen;[43] in ihm, dem die Nachwelt den Beinamen des Einfältigen beigelegt hat, hatte Wilhelm einen sehr unähnlichen Nachfolger gefunden, der in steter Geldverlegenheit zeitweise sogar an einen Verkauf dieses wichtigen Grenzgebietes an Böhmen gedacht hat[44] und vielleicht seine Absicht ausgeführt hätte, wenn nicht seine Vettern Friedrich IV. und Wilhelm II. einer solchen Schmälerung des wettinischen Hausbesitzes entschieden entgegengetreten wären. Sie sahen auch in seiner Vermählung mit Anna, der Tochter des Grafen Günther (XXX.) von Schwarzburg zu Arnstadt und Sondershausen, und dem Einfluß, den seine Gattin und ihre Verwandten auf den schwachen Fürsten ausübten, nicht mit Unrecht eine Gefahr für das Haus und zwangen ihn mit Waffengewalt, sich ihrer Vormundschaft zu unterwerfen, obwohl er längst mündig war. Es ist hier nicht der Ort, auf diese Irrungen einzugehen; sie hatten das Ergebnis, daß trotz alles Widerstrebens Friedrich und Wilhelm ihrem Vetter die Regierung seines Landes tatsächlich aus den Händen nahmen, und so unterblieb auch der Verkauf jener Gebiete, der in den nächsten Jahren sich als sehr verhängnisvoll erwiesen haben würde.
Die Beziehungen zu Böhmen waren es wohl, die das Eindringen ketzerischer Lehren in unsere Stadt begünstigten. Namentlich [44] scheint die schon seit dem 13. Jahrhundert in Deutschland nachweisbare Sekte der Waldenser auch in Dresden Anhänger gefunden zu haben.[45] Ihr gehörte wohl Peter von Dresden[46] an, der 1409 den Auszug der deutschen Professoren und Studenten aus Prag mitgemacht hatte und bald darauf Leiter der altberühmten Kreuzschule in Dresden geworden war, wo er gemeinsam mit seinen Lokaten Friedrich und Nikolaus den Lehren der Waldenser und Wicliffs Anhänger warb, bis ihn der Widerstand der kirchlichen Organe nötigte, die Stadt zu verlassen; er kehrte nach Prag zurück und setzte hier seine Lehrtätigkeit fort, bis er 1421 in Regensburg als Ketzer den Feuertod erlitt.[47] Zu seinen Dresdner Schülern gehörte der in der Geschichte des Hussitismus oft genannte Johannes von Drändorf.[48] Gegen Peter und seine Schule richtete sich wohl ein Erlaß des Bischofs Rudolf von Meißen vom 18. Okt. 1411, durch den den Lehrern von Partikularschulen in seiner Diözese, besonders in Dresden, verboten wurde, in allen Schulen und sonst mit Ausnahme der Universitäten die Bücher der h. Schrift und des kanonischen Rechts zu lesen und zu erklären.[49] Der Sekte der Waldenser gehörten vermutlich die Torschmiedin an, die „um Unglaubens willen“ aus Dresden verwiesen wurde und deren Haus in der Brüdergasse Landgraf Friedrich 1417 seinen und seiner Gattin Schneidern Heinrich und Christian schenkte,[50] und die Meltzerin, die am 25. August 1418 wegen Unglaubens zu Dresden verbrannt wurde.[51] Auf diesem Wege sind wohl auch die hussitischen Lehren in Dresden eingedrungen; leider ist eine Sammlung darauf bezüglicher Schriftstücke, die sich einst im Dresdner Ratsarchiv befand, bis auf den Umschlag mit der Aufschrift „Dabei findt man Befehlich, die Namen, das Sacramentshäusel und die Sacramentschänder belangend und anders, Johannes Hus, Wicleff und Hieronymus belangend“ abhanden gekommen[52] und auch andere Belege sind nicht erhalten. Vermutlich haben die Gefahren, die dann Jahrzehnte lang von Böhmen aus das Nachbarland und die Stadt Dresden bedrohten, der Verbreitung der Irrlehren ein schnelles Ende bereitet.
In Böhmen hatte die kirchliche und die damit in Zusammenhang stehende nationale Bewegung, die schon 1409 zur Auswanderung der deutschen Angehörigen der Prager Hochschule und damit zur Begründung der Universität Leipzig den Anlaß gegeben, fortdauernd zugenommen, begünstigt durch die Schwäche des Königs Wenzel und sein Mißtrauen gegen seinen Bruder und Erben Sigmund und verschärft durch die Hinrichtung des Johannes Hus in Konstanz (6. Juli 1415). Daß auch das meißnische Nachbarland davon berührt wurde, konnte umsoweniger ausbleiben, als zwischen König Sigmund und den Wettinern ernste Mißhelligkeiten bestanden, da Sigmund nicht gewillt war, die verlorenen böhmischen Grenzgebiete den letztern zu überlassen. Schon 1417, als Markgraf Friedrich IV. den König zu Konstanz um die Belehnung mit den Reichs- [45] und böhmischen Lehen bat, schlug ihm Sigmund dies mit dem Bemerken ab, er wolle in die Krone zu Böhmen nicht greifen, da sein Bruder Wenzel noch am Leben sei; erzürnt verließ der Markgraf damals Konstanz.[53] Auch die Bemühungen, durch die Vermittlung des kaiserlichen Erbkämmerers Konrad von Weinsberg die Belehnung zu erlangen, blieben Jahre lang ebenso erfolglos,[54] wie die oben S. 43 berührten Verhandlungen Sigmunds mit Landgraf Friedrich wegen Abtretung des Grenzbezirks.
So ist es begreiflich, wenn der Handelsverkehr zwischen Böhmen und Meißen schon im Anfange des Jahres 1418 Störungen erfuhr. Wiederholt wandte sich deswegen der Dresdner Rat an seinen Landesherrn Landgraf Friedrich,[55] der vermutlich wegen der damals schwebenden Verhandlungen über die erwähnten Gebietsabtretungen mit den getroffenen Gegenmaßregeln gegen die Getreidesperre nicht einverstanden war.[56] Daß man schon im Frühjahr 1419 sich vor einem Einfall von Böhmen aus nicht sicher fühlte, kann man aus der Sendung eines Boten nach Brüx „umbe der forschunge wegen“ schließen.[57]
Die ernsten Unruhen, die im Juli 1419 in Prag ausbrachen und zum „Fenstersturz“ der Neustädter Ratsherren führten, und die sich nach dem jähen Tode des Königs Wenzel (16. August 1419) wiederholten, mußten den König Sigmund, der mit Rücksicht auf die Bedrohung seines ungarischen Reiches durch die Türken bis dahin noch immer einen Ausgleich zwischen den streitenden Parteien in Böhmen versucht hatte, endlich zu kräftigerem Vorgehen veranlassen, da er seine Ansprüche auf die böhmische Erbfolge schwer gefährdet sah. Am 1. Oktober erließ er eine Einladung zu einem Reichstage in Breslau, auf dem nicht allein die bürgerlichen Streitigkeiten, die Breslau im Jahre 1418 durchgemacht hatte, zur Untersuchung kommen und die Zwistigkeiten zwischen dem Deutschen Orden und Polen geschlichtet werden, sondern zugleich ein Reichskrieg gegen die Ketzer und Aufrührer in Böhmen vorbereitet werden sollte. Zu den deutschen Fürsten, die zu diesem Reichstage geladen wurden, gehörten trotz ihres keineswegs freundlichen Verhältnisses zu Sigmund auch die Markgrafen von Meißen, an deren Mitwirkung bei dem Angriff auf die böhmischen Widersacher dem Könige viel gelegen war. Wenn wir im November des Königs Kanzler wohl auf dem Wege zu den Markgrafen und die Räte der letzteren Apel Vitzthum und Herrn Lamprecht auf der Reise zum Könige nach Ungarn in Dresden begegnen, wo sie nach der Sitte der Zeit durch eine Weinspende geehrt wurden,[58] so darf man wohl annehmen, daß es sich um Verhandlungen wegen Beilegung der oben berührten Streitpunkte handelte. Auch die Gesandten der Städte Nürnberg, Frankfurt, Speier, Straßburg und Markgraf Bernhard von Baden erfuhren, ohne Zweifel auf ihrer Durchreise nach Breslau, in Dresden gleiche Ehrungen.[59] Gegen Ende Januar 1420 kam Markgraf Friedrich IV. selbst nach Breslau;[60] aber es gelang nicht, die Mißhelligkeiten zwischen ihm [46] und dem Könige beizulegen, und dies war wohl hauptsächlich der Grund, daß Friedrich schon nach wenigen Tagen den Reichstag verließ.[61] Freilich mochte er auch den Verhandlungen nicht fern bleiben wollen, die eben in jenen Tagen seine und seines Bruders Räte mit den Räten Friedrichs des Jüngern wegen Beilegung der zwischen den Vettern bestehenden Irrungen zu Dresden führten. Diese Verhandlungen, während deren Friedrich IV. in Meißen,[62] Friedrich d. J. in Altendresden[63] weilte, führten am 11. Februar zu einem Vergleich,[64] den die Stadt Dresden durch eine Votivmesse im Barfüßerkloster feierte.[65] Noch vor Abschluß dieser Verhandlungen begab sich Markgraf Wilhelm II. nach Breslau, wozu ihm die Stadt Dresden zwei Fuhrleute stellte, die seinen Kammerwagen führen halfen.[66] Auch ihm gelang es offenbar nicht, die ersehnte Gesamtbelehnung[67] ohne Opfer an Land und Leuten beim König zu erlangen; etwa in der letzten Februarwoche traf er in Breslau ein, und schon zwischen dem 3. und 10. März kam er auf der Rückreise durch Dresden.[68]
Der Reichstag zu Breslau war das Vorspiel der Hussitenkriege. Am 1. März hatte Pabst Martin V. eine Kreuzzugsbulle gegen die ketzerischen Böhmen erlassen,[69] und König Sigmund rüstete mächtig zu einem Feldzug. Daß auch in Dresden Vorbereitungen getroffen wurden, könnte man aus Sendungen von Schützen nach Riesenburg und Tharandt und aus dem Ankauf von Blei zu Munition für Büchsen und von Armbrüsten in den Monaten März und April schließen;[70] doch waren solche Sendungen und Ankäufe auch vorher nichts Ungewöhnliches. Anfang April sandte der Rat einen Boten nach Senftenberg „von der sammenunge wegen“, wohl zu dem Vogte der Niederlausitz Hans von Polenz, der die Lausitzer Truppen in dem bevorstehenden Feldzuge führen sollte.[71] Das Heer sammelte sich damals in Schweidnitz, wo König Sigmund vom 13. bis 27. April urkundet.[72] Dieser „Sammlung“ galt wohl eine Zusammenkunft in Bautzen um den 20. April, zu der auch von Dresden ein Bote gesandt wurde.[73]
Gegen Ende April mag König Sigmund mit den bei Schweidnitz gesammelten Truppen aufgebrochen sein. Er zog über Glatz, Nachod, Königgrätz, Kolm und Kuttenberg gegen Prag und war Ende Mai oder Anfang Juni in Königsaal etwa 10 km von Prag. Vermutlich waren es außer seinen eigenen nur die Truppen der Lausitzen und der schlesischen Fürsten, die ihn begleiteten; die meißnischen Truppen, deren Zahl auf 7–8000 angegeben wird, unter Führung der Markgrafen Friedrich IV. und Wilhelm II. stießen wohl erst vor Prag zu seinem Heere.[74] Dresdens Herr, Landgraf Friedrich, der am 7. und 8. Juli in Dresden urkundet,[75] hat allem Anschein nach nicht persönlich am Feldzuge teilgenommen, aber Truppen geschickt. Dabei waren auch Dresdner. Wir wissen von ihnen freilich nur aus einer Abrechnung des Bürgermeisters Paul Goideler vom 5. Okt. 1420 über die Ausgaben „ye dy herfart vor Praga“,[76] bei der die Ausrüstung eines herrschaftlichen Speisewagens [47] im Vordergrunde steht; die Ausgaben betrafen u. a. Leinwand für Futterkrippen und Säcke, für Hufeisen und Nägel, Körbe auf den Wagen, Schüssel, Löffel, Wasserkannen, Fässer, Tisch- und Handtücher und namentlich für Fleisch, Speck, Fische, Erbsen, Grütze, Brot, Pfefferkuchen, Butter. Käse, Knoblauch, Salz, auch Bier (Kottbuser neben dem gewöhnlichen) und Wein. Von Ausgaben für Waffen, für die Söldner und für Schadenersatz ist nicht die Rede. Die gesamte Ausrüstung kostete 15 Schock 6 Groschen weniger 1 Heller, wozu noch 26 Schock Groschen kamen, die der Bürgermeister „zu Zehrung“ mit nach Prag nahm.
Wir wissen, daß die meißnischen Truppen bei dem mißglückten Sturm auf den Berg Witkow – später und noch heute nach dem genialen Führer der Taboriten als Ziskaberg bezeichnet – am 12. und 13. (oder 13. und 14.) Juli hervorragend beteiligt waren.[77] Dabei mögen sich auch die Dresdner ausgezeichnet haben; wir erfahren gelegentlich von Verlusten, die sie erlitten hatten.[78] Wenige Tage nach der Schlacht ward den meißnischen Fürsten als Lohn für ihre Mitwirkung die lange ersehnte Gesamtbelehnung und die Bestätigung ihrer Privilegien erteilt.[79] König Sigmund erreichte noch, daß er am 28. Juli auf dem Hradschin mit der böhmischen Krone gekrönt wurde; gleich darauf brach das Heer von Prag auf, ohne viel Erfolge erzielt zu haben. Wie die von der Stadt Döbeln gestellte Mannschaft,[80] dürfte auch die Dresdner Anfang August in der Heimat eingetroffen sein.
Aus der Zeit von Mitte 1420 bis Anfang 1422 fehlen uns die Dresdner Kämmereirechnungen. Fast ganz Nordböhmen, das bis dahin von Angriffen der Hussiten verschont geblieben war, fiel in den Wochen März bis Juli 1421 in ihre Hände. Aber ein Angriff auf Brüx scheiterte; am 5. August erfochten hier die meißnischen Truppen einen Sieg über die Ketzer. Daß Dresdner Bürger oder Söldner an dieser Schlacht und an dem zweiten Kreuzzuge beteiligt waren, der schon nach wenigen Wochen (am 2. Oktober 1421) mit einem Rückzug des die Stadt Saaz belagernden Heeres ruhmlos endete, ist wohl nicht zu bezweifeln. In der Jahresrechnung von 1422 erscheint ein Ausgabeposten von 13 Schock für Fleisch, „daz man yn dy herfart hatte genomen anno preterito“;[81] es war dies doch vermutlich eine der beiden erwähnten Heerfahrten. Auch die Zahlung von 9 Gr. an einen Knecht für Zehrung in Brüx, wo er verwundet lag, dürfte sich auf die Schlacht vom 5. August beziehen.[82]
29 Cod. dipl. Sax. I B, 3, 380 Nr. 460. Anm.
30 Ebenda 429 Nr. 518 (1418 April 27). 437 Nr. 526 (1418 Mai 27).
31 KR. 1418 (A XVb 2) fol. 302: Item 16 gr. eyme botin keyn Wymar czu mynem herren von dez gebotes wegin yn dem lande czu Behemen, daz man nicht getreide herus solde furen feria sexta ante domine ne longe (März 18). Vergl. Richter, Verf.- und Verw.-Gesch. II, 271. Auch Sendungen von Boten nach Freiberg und Leisnig an Landgraf Friedrich und seine Gemahlin Ende Mai und Anfang Juni 1418 „umme der Behemen willen“ (KR. 1418 fol. 304, 304b) hängen wohl damit zusammen.
32 Im Juni sandte der Rat einen Boten an den Landgrafen „umme daz ynlossen“ (ebenda fol. 304b); zur Erklärung könnte ein Vermerk aus dem Anfang August (ebenda fol. 305) dienen: „Item 12 gr. eyme boten keyn Wissenfels czu mynem herren ern Wilhelm umme dy entschuldunge, daz wir dy Behemen ynloßen sulde“, was wohl so zu verstehen ist, daß die Dresdner sich wegen des Getreideverbots geweigert hatten, Böhmen in die Stadt einzulassen.
33 1419 März 12: KR. 1419 (A XVb 2) fol. 309.
[77] 34 Ebenda fol. 352. Vergl. Cod. dipl. Lusat. sup. II, 1, 9 Z. 10 und 33.
35 KR. 1419 fol. 352. Vergl. Cod. dipl. Lusat. sup II, 1, 11 Z. 27.
36 Er passierte Görlitz um den 20. Januar. Cod. dipl. Lusat. sup. II, 1, 18 Z. 30.
37 Vergl. das Schreiben der Straßburger Gesandten vom 31. Januar 1420 Deutsche Reichstagsakten VII, 410 und ein undatiertes Schreiben, in dem sogar von einer drohenden Fehde zwischen dem Markgrafen und dem König die Rede ist. Cod. dipl. Lusat. sup. II, 1, 28 (vergl. ebenda 22 Z. 34).
38 Jahresrechnung des Amts Leisnig 1419–1420 (Gemeinsch. Archiv Weimar Reg. Bb Nr. 1518) fol. 27: Item feria sexta post Dorothee (1419 Febr. 9) mynem hern gesant 1 fuder byr geyn Missin.
39 Um Febr. 4 schickte der Rat zu Dresden den Hans von der Czirne zu Markgraf Wilhelm II. nach Altenburg „umme myns herren ern Frederichs willen, alz her czu Aldendresden lag“. KR. 1419/20 (A XVb 2) fol. 386.
40 Horn, Friedrich der Streitbare S. 836.
41 KR. 1419 (A XVb 2) fol. 318b: Item 1 stobechin den monche in daz closter, alze se eyne votiva messe hatten gesungen umbe eynunge der herren.
42 Ebenda fol. 386 (zwischen Febr. 4 und 10). Markgraf Wilhelm kam durch Görlitz zwischen Febr. 17 und 23. Cod. dipl. Lusat. sup. II, 1, 20 Z. 5.
43 Vergl. Horn a. a. O. S. 837 Z. 4 ff.
44 KR. 1419/20 (A XVb 2) fol. 387: Item 8 gr. myns herren Wilhelms torknechten, alz her von Breslau quam.
45 Franz Palacky, Urkundl. Beiträge zur Geschichte des Hussitenkrieges I (Prag 1873), 17 ff.
46 KR. 1419/20 (A XVb 2) fol. 386b–388.
47 Ebenda fol. 387b.
48 W. Altmann, Die Urkunden Kaiser Sigmunds I (Innsbruck 1896), 289 ff.
49 KR. 1419/20 fol. 388. Vergl. Cod. dipl. Lus. sup. II, 1, 23. Z. 32.
50 Sie befanden sich dort am 5. Juli, vergl. Liber cancellariae Stanislai Ciolek ed. Caro (Archiv f. österreich. Gesch. LI) S. 157 und Anm. 1.
51 HStA. Dresden Cop. 33 fol. 251b (Cod. dipl. Sax. II, 2, 446) u. 266b.
52 KR. 1419/20 fol. 390.
53 Vgl. den Bericht Markgraf Friedrichs IV. vom 21. Juli, veröffentlicht von C. Höfler in den Sitzungsberichten der philos.-histor. Classe der kaiserl. Akad. der Wissensch. XCV (1879), 903, Laurentius von Brezowa in Fontes rer. Bohemicarum V (Prag 1893), 385 u. a. böhmische Chroniken.
54 So macht Thomas der alte Stadtschreiber noch im Jahre 1426 bei der Berechnung seines Geschosses einen Abzug von 5 Schock für ein Pferd, „das vor Prag verloren ist.“ KR. 1426 27 (A XVb 3) fol. 88.
55 Horn, Friedrich der Streitbare, S. 838f.
56 Vgl. die Notiz aus einem Döbelner Stadtbuche im Neuen Archiv f. Sächs. Gesch. XXIV (1903), 78.
57 KR. 1422 (A XVb 3) fol. 17.
58 Ebenda fol. 17 b.
59 Ebenda.
60 R. Jecht, Der Oberlausitzer Hussitenkrieg S. 53 f. Wenn die Görlitzer um den 21. Febr. einen Boten zu den Markgrafen von Meißen schickten, „durch eines zoges wille keyn Dresdan“ (Cod. dipl. Lus. sup. II, 1, 77, Z. 3), so bezieht sich das wohl auf diese Dresdner Tagung. Vergl. auch ebd. 78 Z. 22ff. (um März 7): „Einen boten kein Budessin, das sie mit der reisen keyn Dresdan vorzihen solden durch des herczogen wille, 4 gr. Also quam der herzog her off die reise keyn Dresdan, wart geert etc. 22 gr.“ Gemeint ist wohl Herzog Heinrich der Ältere von Glogau.
[78] 61 Or. Pap (Montag nach Invocavit = [1422?] März 2) im Ratsarchiv Dresden.
62 KR. 1422 fol. 18b.
63 Cod. dipl. Lus. sup. II, 1, 84 Z. 31. Vergl. Jecht, Oberlaus. Hussitenkrieg S. 53.
64 KR. 1422 fol. 18b. Vergl. Cod. dipl. Lus. sup. II, 1, 90 Z. 5 (dazu 89 Z. 10 und 29).
65 KR. 1422 fol. 17b.
66 Ebenda fol. 19b.
67 Or. Pap (an 5. Johannistage baptiste = Juni 24) im Ratsarchiv Dresden.
68 KR. 1422 fol. 19b.
69 Schreiben Markgr. Wilhelms II. an Kurf. Friedrich von Brandenburg dat. im Felde zu Kopitz [1422] Okt. 9 bei Riedel, Cod. dipl. Brandenburg. II, 3, 424.
70 Vergl. Cod. dipl. Lus. sup. II, 1, 122 Z. 7. M. B. Lindau, Gesch. der K. Haupt- und Residenzstadt Dresden. 2. Aufl. (Dresden 1885) S. 148 (wohl nach einer anderen Quelle).
71/sup> d. d. Freiberg [1422] Okt. 31 bei Riedel a. a. O. 433.
72 Jecht, Oberlausitzer Hussitenkrieg S. 59f.
73 KR. 1422 fol. 20.
74 Ebenda fol. 20b.
75 Or. Pap [Grimma 1422 Dez. 10?] Ratsarchiv Dresden.
76 Horn, Friedrich der Streitbare S. 866.
77 Urkunde Markgraf Friedrichs o. D. (wohl an 1423 Jan. 6), gleichzeit. Abschr. im Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien, König Sigmunds Registraturbuch, G fol. 172b. Vergl. dazu das Schreiben König Sigmunds an den päpstlichen Legaten Kardinal Branda dat. 1423 Apr. 8 in Deutsche Reichstagsakten VIII, 283. Altmann a. a. O., I, 388 Nr. 5500.
78 Vgl. v. Bezold, König Sigmund und die Reichskriege gegen die Hussiten II, 4
79 Odoricus Raynaldus, Annales ecclesiastici II (Romae 1667) a. a. 1423, § 1, 15.
80 Mit dieser Verkündigung war vermutlich der Breslauer Domherr beauftragt, der „von dez bobist weyn durch die lant czoich“ und in Dresden am 20. April mit 4 Kannen Weins geehrt wurde, KR. 1423 (A XVb 3) fol. 32b.
81 Als solcher wird er, so viel ich sehe, zuerst Anfang Februar erwähnt. Cod. dipl. Lus. sup. II, 1, 132 Z. 24.
82 KR. 1423 fol. 23.