Diagnostik von Instabilitäten im Bereich der Kopfgelenke

Wie kann man eine instabile Weichteil-Verletzung der Kopfgelenke feststellen?


Patienten mit Instabilitäten innerhalb der Kopfgelenke haben insbesondere wenn die Verletzung aufgrund eines ernstlichen Schleudertraumas der Halswirbelsäule, beziehungsweise aufgrund der Mechanik der Peitschenhiebbewegung eintrat, oftmals keine knöchernen oder nervalen Verletzungen. Das Problem für Patient und Arzt liegt nun darin begründet, daß Patienten von Unfallchirurgen und Orthopäden mittels normaler, statischer Röntgenaufnahmen (Röntgenuntersuchungen in zwei Ebenen, vielleicht noch in Anteflexion und Retroflexion) untersucht werden. Diese Aufnahmen zeigen naturgemäß keine krankhaften (pathologischen) Veränderungen. Maßgebliche Verletzungen die zu Instabilitäten innerhalb der Kopfgelenke führen sind Verletzungen des Halteapparates und der Gelenkkapseln, also

  • Verletzungen (Überdehnungen, Zerreißungen) der Alarligamente (Ligamenta alaria)
  • Verletzungen (Überdehnungen, Zerreißungen) der Gelenkkapsel(n) C0/C1 (Articulatio atlantooccipitalis)
  • Verletzungen (Überdehnungen, Zerreißungen) der Gelenkkapsel(n) C1/C2 (Articulatio atlantoaxialis lateralis)
  • Verletzungen des Dens-Gelenks (Articulatio atlantoaxialis mediana, auch Articulatio trochoidea des Dens axis bezeichnet)
  • Verletzungen (Überdehnungen, Zerreißungen) der vorderen atlantookzipitalen Membran (Membrana atlantooccipitalis anterior), der hinteren atlantookzipitalen Membran (Membrana atlantooccipitalis posterior)
  • Verletzungen (Überdehnungen, Zerreißungen) der vorderen atlantoaxialen Membran (Membrana atlantoaxialis anterior) und der hinteren atlantookzipitalen Membran (Membrana atlantoaxialis posterior)
  • Verletzungen (Überdehnungen, Zerreißungen) des Ligamentum transversum atlantis (seltener), Verletzungen des Ligamentum cruciatum atlantis (Ligamentum transversum atlantis und dessen anhängende vertikal laufende Faserzüge (Crus superius und Crus inferius)

All diese Verletzungen führen zu Instabilitäten im Bereich der Kopfgelenke. Diesen Verletzungen gemein ist, daß sie allesamt Weichteilläsionen sind und deshalb auf konventionellen Röntgen- und im allgemeinen auch auf CT-Aufnahmen verborgen bleiben, also nicht direkt dargestellt werden können.

Damit bleiben sie dem Orthopäden oder Unfallchirurgen in aller Regel verbogen, obwohl es sich um ernste Verletzungen handelt, die fatale Konsequenzen zur Folge haben können.

Durch die Instabilität entsteht eine chronische mechanische Reizung/Kompression von Nervengewebe (insbesondere auch des Hirnstammes) und/oder der Blutgefäßen (vornehmlich der Arteria vertebralis und deren Begleitvenen). Selten ist eine venöse Abflußstörung durch (meist) ein rot unterlaufene Auge sichtbar.

Dies gilt momentan für alle statisch aufgenommenen radiologischen Untersuchungen.

Bei einem stillliegenden oder still stehenden Patienten kann kein Riss der Bänder oder Gelenkkapseln im Bereich der Kopfgelenke festgestellt werden.

Es ist zu vergleichen mit einem Abriss der Bänder am Kniegelenk. Sind die Kniegelenksbänder gerissen, ist der Patient nicht fähig zu laufen. Allerdings ergeben die Röntgenaufnahmen, die im Liegen durchgeführt werden, keinen krankhaften Befund. Wenn das Knie, selbst das ganze Bein von einem Neurologen untersucht werden würde, weil der Patient nicht laufen kann, wären auch hier keinerlei neurologischen Veränderungen zu erkennen. Wenn man allerdings eine gehaltene Aufnahme, also eine funktionelle Aufnahme von diesem Kniegelenk macht, kann sofort eine Fehlfunktion des Kniegelenkes, also die Vergrösserung des Kniegelenkspalts in krankhafter Form festgestellt und dokumentiert werden. So kann man den Rückschluss ziehen, dass das Band am Kniegelenk oder am Sprunggelenk zwangsläufig verletzt sein muss, sonst würde sich ja der Gelenkspalt nicht so weit aufspreizen lassen.

Ebenso kann man eine Bänderverletzung an der Halswirbelsäule nicht nachweisen, da die meisten angefertigten Röntgen- und MRT-Aufnahmen nicht funktionell durchgeführt werden. Diagnostik durch funktionelles Röntgen, wir verwenden ein C-Arm-Röntgengerät

Erklärung an einem praktischen Beispiel

Ich möchte Ihnen das soeben geschilderte an Röntgenaufnahmen demonstrieren: Sie sehen hier zwei Röntgenaufnahmen, links eine Röntgenaufnahme von vorn, rechts eine seitliche Aufnahme, die beide mit einem C-Arm-Röntgengerät aufgenommen wurden:

Im AP-Strahlengang, bei geöffnetem Mund


	Seitliche Aufnahme

Man sieht auf beiden Bildern keinerlei Verletzung. Besser wäre zu formulieren: “Es ist keine knöcherne Verletzung ersichtlich und in neutraler Haltung regelrechte Konfiguration.”

Trotzdem hatte der Patient die typischen Beschwerden für Kopfgelenksverletzungen:

   * Kopfschmerzen
   * Nachlassen des Gedächtnisses und kognitiver Fähigkeiten
   * Konzentrationsstörungen
   * häufig Schwindelgefühle
   * wiederholt Ohrgeräusche
   * Schmerzen im Bereich der Augen
   * nächtliches Aufschrecken
   * wiederholt Sehstörungen, und auch Atemstörungen
   * mehrere Kreislaufkrisen
   * Angst

Wir fertigen nun mit einem C-Arm-Röntgengerät eine funktionelle Aufnahme von vorn durch den geöffneten Mund an. Dabei neige man den Kopf etwas nach vorn und dabei zur Seite.

Funktionsaufnahme der Kopfgelenke Funktionsaufnahme der Kopfgelenke (markiert)

Es ist auch hier keine knöcherne Verletzung zu erkennen.Deutlich zu erkennen ist der Zahnfortsatz (Dens axis) des zweiten Halswirbels (Axis). Um den Axis liegt der ringförmige erste Halswirbel (Atlas).

Im rechten Bild wurden die Umrisse des Dens axis und der seitlichen Auftreibungen (Massae laterales) des Atlas eingezeichnet (Mehr dazu siehe Anatomie - Die Halswirbelsäule).

Auffällig ist, das zwischen Dens axis und der Massa lateralis des Atlas ein Hohlraum entsteht, der nicht entstehen dürfte, wenn die Haltestrukturen unverletzt wären. Insbesondere Verletzungen der Alarligamente, oftmals in Zusammenhang mit Verletzungen der unteren Kopfgelenke (Articulationes atlantoaxiales mediana et laterales), führen zu solchen Abbildungen.

In diesem Fall ist eindeutig eine Verletzung der Kopfgelenke vorhanden, ein ernstlicher pathologischer Befund. Dieser Befund ist aller Wahrscheinlichkeit nach für die Beschwerden des Patienten zu nennen. Diagnostik

Darstellung des Dens axis bei leicht gesenkten und intensiv zur Seite geneigtem Kopf durch weit geöffnetem Mund. - Dabei sollte der Kopf minimal zur kontralateralen Seite rotiert werden.

Bei gleichzeitiger ausgeprägter Rotation des Kopfes zur kontralateralen Seite der gehaltenen Lateralflexion (bspw. Seitenneigung nach rechts und gleichzeitig ausgeprägtere Kopfrotation nach links) kann die Integrität der seitlichen Atlantoaxialgelenke (Articulationes atlantoaxiales laterales) beurteilt werden: Ragen die unteren Gelenkflächen des Atlas seitlich über die oberen Gelenkflächen des Axis scheinen Verletzungen der Gelenkkapsel vorzuliegen.

Die in diesem Fall gestellte Diagnose kann natürlich noch durch ein Funktions-MRT oder ein Funktions-CT erhärtet werden. Diagnostik mittels Computertomographie

Computertomographie mit leicht nach vorn gesenktem und intensiv zur Seite geneigtem Kopf, bei minimal zur kontralateralen Seite rotiertem Kopf; coronale und axiale Abbildungen.

Im hier vorgestellten Fall kann eine adäquate Operation zur Stabilisierung der Kopfgelenke aller Wahrscheinlichkeit nach helfen. Darstellung der Haltung während der Bildgebung

Haltung A

Haltung A


Haltung B

Haltung B Darstellung der Haltung Darstellung der Haltung

Korrelat A

Korrelat A


Korrelat B

Korrelat B Röntgenbild Röntgenbild Pathophysiologische Erklärung

Die Bänder an Axis und Atlas, vornehmlich die Gelenkkapseln und Alarligamente, halten die Kopfgelenke so, dass insbesondere bei Seitenneigung und/oder Rotation immer ein gleichbleibend großer Spalt zwischen Dens axis und den Massae laterales des Atlas erhalten bleibt. Wenn man nun die betreffenden Stellen auf dem oben abgebildeten Röntgenbild genauer ansieht, fällt auf, dass die Spalten rechts und links des Dens axis asymmetrisch sind! Der linke Spalt wird breiter. Ähnlich wie beim Kniegelenk kann man nun aus dieser Aufnahme schließen, dass hier eine Bänderverletzung links vorliegt. Aufgrund des relativ breiten Spaltes links ist zu vermuten, dass das linke seitliche Band (Ligamentum alare links) gerissen ist.

Im Bereich der mittleren Halswirbelsäule (Zweiter Halswirbel bis einschliesslich erster Brustwirbel) kann es natürlich nach Unfällen auch zu Frakturen, aber auch, was sehr häufig vorkommt, zu Überdehnungen, Störungen oder gar Verletzungen der Bandscheiben und der dazugehörigen Bänder kommen. Die Patienten klagen über ständige Schmerzen im Nacken-, Nacken-Schulter-Bereich, auch über Nacken-Hinterkopf-Schmerzen, die unter Belastung erheblich an Stärke zunehmen. Sie können auch zeitweise mit Armschmerzen oder Kribbeln einhergehen. Liegt ein HWS-Schleudertrauma mit den genannten Symptomen vor, das durch konservative Behandlung nicht besser wird, ist die oben beschriebene Untersuchung sehr ratsam.