Degrowth - Wirtschaft ohne Wachstum: Carpe diem!
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Carpe diem!
BearbeitenPflücke die Stunde, wär' sie noch so blaß, -- Annette von Droste Hülshoff (1797-1848), deutsche Schriftstellerin und Komponistin |
Wie eine Gesellschaft Arbeit organisiert und wie sich die Arbeit auf die verschiedenen Bereiche aufteilt, ist ein wesentliches Element einer ökonomischen Betrachtung. In modernen Gesellschaften hat die Arbeitswelt eine enorme Komplexität erreicht und die Vielfalt an Arbeitsformen, die teilweise einem ständigen Wandel unterliegen, macht es schwierig generelle Aussagen zu treffen. Dass die Arbeitswelt global geworden ist und die Bedeutung räumlicher Nähe von Produktion und Konsum sich im Vergleich zu früheren Gesellschaften stark verringert hat, kann als gegeben angenommen werden. Ansonsten bietet sich ein Mosaik vielfältiger Arbeitsverhältnisse, mit zahllosen Variationen zu denen leider immer noch Sklaverei und unerwünschte Arbeitslosigkeit zählen. Im globalen Norden ist die direkte lohnabhängige Beschäftigung, noch das dominierende Arbeitsverhältnis in der Erwerbsarbeit. Alte und neue Formen wie Zeitarbeit, Kleinunternehmen und freiberufliche Beschäftigung sind in einigen Bereichen aber eher die Regel, als die Ausnahme. Die Arbeitsdauer in der Erwerbsarbeit beträgt für die meisten Menschen gleich oder weniger als 40 Wochenstunden, für einen nicht geringen Anteil der selbstständig Tätigen liegt sie bei über 49 Stunden (Kallis 2013). Werden die Bereiche Heimarbeit und ehrenamtliche Tätigkeit mit in die Überlegungen einbezogen, sind Aussagen darüber, wieviel Menschen durchschnittlich arbeiten, die über konkrete Untersuchungen hinausgehen, schwierig zu treffen. Das liegt auch daran, dass in der Informationsgesellschaft die Grenze von dem, was als Arbeit gezählt werden kann, verschwommen ist. Neben dem Beruf OpenSource-Software entwickeln oder Wikipedia-Artikel bearbeiten sind Beispiele für den fliessenden Übergang, von Freizeit und Arbeit, aber auch vieles was tagtäglich an Kommunikation zu bewältigen ist, kann zum Teil nicht mehr, klar einem bestimmten Lebensbereich zugeordnet werden. Eine Entwicklung dass Arbeit ein integraler und weniger abgetrennter Teil, der Lebenswirklichkeit wird, ist bereits im Gang und sollte kritische Beachtung finden.
Ein Ziel von Degrowth ist es, dass Warenproduktion und Transport schrumpfen, da ein großer Teil der konsumierten Güter auf vielfältige Art das Wohlergehen eher behindern und nicht steigern. Dazu gehören, die mit der Herstellung verbundenen Umweltbelastungen, die Entsorgungskosten der nicht wiederverwendbaren Bestandteile, die Aufmerksamkeit die uns durch Werbung verloren geht, aber häufig auch Wahlmöglichkeiten, die mehr Zeitverlust als Nutzen bringen. Es lohnt sich also unsere Konsumgewohnheiten zu hinterfragen. Eine sinnvolle Konsumreduktion soll eine Verringerung von Arbeitszeit ermöglichen. Über damit verbundene makroökonomische Effekte, zum Beispiel die Verringerung der Arbeitslosigkeit und eine geringere Umweltbelastung können kaum valide Vorhersagen gemacht werden, wenn nicht neben einer wünschenswerten Arbeitsverringerung, weitere Massnahmen unternommen werden, diese Ziele zu erreichen. Das für die jeweils Tätige, die positiven Effekte überwiegen, da eine kürzere Arbeitszeit weniger Stress und Belastung für die Gesundheit bedeuten, erlaubt es trotzdem, dem Ziel weniger arbeiten zu müssen, Beachtung zu schenken.
Die technische Entwicklung erlaubt es, das weniger, durch extreme Arbeitsteilung verursachte eintönige Arbeit von Menschen verrichtet werden muss. Dadurch steht die Kritik an einer einseitig auf Produktivität ausgerichteten Gestaltung der Arbeitsprozesse nicht mehr im Zentrum öffentlicher Debatten über die Gestaltung der Arbeitswelt. Diese Kritik muss aber in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Anders wird es nicht möglich sein, die Begründung der fossilen Konsumgesellschaft anzugreifen, dass ein hoher Grad von Konsumaktivität für die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen norwendig ist.
Degrowth kann und sollte nicht versprechen, dass die Arbeitszeit stark reduziert werden kann. Wichtiger ist es, den Fokus darauf zu richten, dass die Arbeit als wichtiger Teil des gesellschaftlichen Lebens, keinen Gegensatz zur bio-physikalischen Wirklichkeit bilden darf. Die Energie und Stoffströme, die uns zur Verfügung stehen, sind begrenzt, auch wenn die fossilen Energieträger heute noch ein Überangebot an Energie bereitstellen. Dass wir möglichst schnell mit diesen planetaren Gegebenheiten in Einklang kommen, ist das Ziel, um das es gehen muss. Frühere Übergänge im sozio-ökonomschen Metabolismus waren jedenfalls durch einen Anstieg der Arbeitszeit gekennzeichnet. Mit Sicherheit kann das für die zwei grossen Wandlungen, die neolithische und die industrielle Revolution gesagt werden. Bis lokale, energie- und arbeitseffiziente, miteinander vernetzte, aber im Vergleich zum heutigen Entwicklungsstand geringe Stoffströme austauschende Wirtschaften entstanden sind, wird es einige Zeit dauern.