Das Ordnungswidrigkeitenrecht in der Praxis: Die Anordnung von Nebenfolgen

Durch § 29a OWiG wird die Verwaltungsbehörde bzw. das zuständige Gericht ermächtigt gegen den Beteiligten, der eine Ordnungswidrigkeit begangen hat, oder gegen einen Dritten, der aus der Ordnungswidrigkeit einen Vermögensvorteil hatte den Verfall anzuordnen. Der Verfall kann im Ordnungswidrigkeitenrecht nur ein Geldbetrag sein. Der Verfall von Sachen und Rechten ist aus Vereinfachungsgründen nicht vorgesehen. (vgl. Göhler RNr. 4a zu § 29a OWiG)
Praktische Anwendung findet der Verfall nahezu nur im Wirtschaftsrecht, es sind aber auch Fälle aus dem Gewässer- bzw. Umweltschutzrecht oder Arbeitsrecht denkbar. Vor allem das Handeln des Täters für einen Dritten als Nutznießer ist von praktischer Bedeutung. Andere Fälle sind extrem selten (vgl. Komm. OWiG 2. Aufl. 5. Lfg, RNr. 3, Göhler RNr. 2). Der § 29a OWiG ist eine Kann-Bestimmung, die zuständige Behörde muß also innerhalb ihres Ermessensspielraumes unter Beachtung des Opportunitätsprinzipes über die Anordnung des Verfalls entscheiden.

Zweck der Vorschrift

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Der Grund für den § 29a OWiG liegt in dem Willen des Gesetzgebers den Nutzen aus einer Ordnungswidrigen Tat abzuschöpfen, um vor allem im Wirtschaftsrecht eine eventuelle Chancenungleichheit mit gesetzestreuen Mitbewerbern auszuschließen. Hierbei sollen auch solche Fälle erfasst werden, in denen zur Abschöpfung des Vermögensvorteils kein Bußgeld verhängt werden konnte (z.B. wegen mangelnder Vorwerfbarkeit, oder weil der Nutznießer der Tat nicht Täter war). § 29a OWiG beugt also einer für den Gesetzgeber unbefriedigenden Gesetzeslücke vor (vgl. Göhler RNr. 1 zu § 29a).

Voraussetzungen für die Anordnung

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Der Verfall, als Nebenfolge, kann von der zuständigen Behörde nur unter Beachtung des Opportunitätsprinzipes und in den Grenzen des § 29a angeordnet werden (Göhler RNrn. 2,3). Dieses Ermessen erspart dem Gesetzgeber die Einführung einer Härtefallklausel analog zum § 73c StGB (vgl. Komm. OWiG 2. Aufl. 5. Lfg, RNr. 14, Göhler RNr. 8).
Die bedeutet für die Anordnung des Vefalls im Einzelnen:

- es wurde eine mit Geldbuße bedrohte Handlung (§ 1 OWiG, vgl. Göhler RNr. 8 zu § 1) begangen durch die ein Vermögensvorteil erzielt wurde und dieser kann nicht durch eine Geldbuße abgeschöpft werden (es wurde also wegen dieser Tat kein Bußgeld verhängt)
- nur bei wirtschaftlich erheblichen (z.B. wenn das Wettbewerbsgefüge gestört wurde) Vorteilen
- die Gefahr einer Wiederholung durch andere ist gegeben (Nachahmungstaten)
- es besteht ein Bedürfnis für die Befriedung der Rechtsordnung
- die Auswirkungen des Verfalls bedeuten für den Betroffenen keine unbillige Härte
- der Aufwand für die Sachverhaltsermittlung und die Anordnung des Verfalls geht nicht über das erzielte Ergebnis hinaus (vgl. Göhler RNr. 8)
- es ist keine Abschöpfung des Nutznießers über ein Bußgeld wegen § 30 OWiG i.V.m. § 130 OWiG OWiG (Aufsichtspflichtverletzung) möglich (ein Angestellter hat zum Nutzen des Unternehmens eine OWi begangen; vgl. Göhler RNrn. 2, 15).

Höhe der Abschöpfung

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Die Höhe der Abschöpfung richtet sich nach dem erlangten Vermögensvorteil und darf diesen nicht überschreiten, kann ihn aber im Ermessen der Behörde unterschreiten (vgl. Komm. OWiG 2. Aufl. 5. Lfg, RNr. 5, Göhler RNr. 10). Für die Bemessung der Verfallshöhe ist der Vermögensvorteil, der unmittelbar aus dem Erfolg der Tat hervorgegangen ist, maßgeblich (z.B ein Zinsgewinn aus der Anlage des Betrages oder ein Lottogewinn, wenn das Los mit dem Erlös der Tat gekauft wurde, sind nicht (!) zu berücksichtigen; vgl. Komm. OWiG 2. Aufl. 5. Lfg, RNr. 10, Göhler RNr. 5). Wurde durch die Tat ein Gegenstand erlangt, so ist seine Wertsteigerung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung, aber nicht ein eventueller Wertverfall zu berücksichtigen (vgl. KK-Mitsch 42f).

Hierbei gilt das Bruttoprinzip. Es können also keine Kosten, die für die Erlangung des unrechtmäßigen Vermögensvorteiles aufgewendet wurden oder bei rechtmäßigem Verhalten hypothetisch entstandene Gewinne, in Abzug gebracht werden. Dies ergibt sich aus der Formulierung "Etwas", statt der alten Formulierung "Vermögensvorteil", die mit dem AWStGB-ÄndG v. 28. FEbruar 1992 (BGBl.I S. 372) eingeführt worden ist. Der BGH hatte allerdings schon vor der Gesetzesänderung die Anwendung des Nettoprinzips bei der Höhe von Verfallsanordnungen im OWi-Recht kritisiert (vgl. Komm. OWiG 2. Aufl. 5. Lfg, RNr. 6, Göhler RNr. 4a).

Bei der Bemessung des Verfallsbetrages ist zu berücksichtigen, ob der Vermögensvorteil noch vorhanden ist und ob auf den Betrag Ansprüche Dritter bestehen. Insbesondere ist zu Beachten, daß es durch die Abschöpfung zu keinen Vermögensnachteilen Dritter (die z.B. Forderungen in den Geldbetrag haben) kommt.

Kann die genau Höhe des Vermögensvorteiles nicht ermittelt werden wird er von der zuständigen Behörde auf Grund der ihr vorliegenden Tatsachen geschätzt. Diese Schätzung ist für das eventuell später folgende Rechtsmittelverfahren zu belegen (vgl. Komm. OWiG 2. Aufl. 5. Lfg, RNr. 17, Göhler RNr. 11).

Verfahren

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Der Verfall wird in der Regel mit der Einstellungsverfügung des Bußgeldverfahrens angeordnet. In Fällen, in denen auf die Einleitung eines Verfahren verzichtet wurde, z.B. auf Grund des § 47 OWiG oder des § 170 StPO i.V.m. § 46 I OWiG, kann er auch in einem selbständigen Verfahren angeordnet werden (vgl. Göhler, RNr 12, 13).

Verjährung

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Die Verjährung der OWi nach § 31 OWiG schließt auch die Anordnung des Verfalls aus. Zur Verjährungsunterbrechung gelten die §§ 32, 33 OWiG analog (vgl. Göhler, RNr. 14).